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ZUM GESAMTINHALT
Ungrisches Magazin,
Band 3, Heft 3, Text 21 (S. 365-388)
Hrsg. von
Karl Gottlieb Windisch
Preßburg,
Löwe, 1783
Autor:
Daniel Cornides
Zuordnung:
(p365)
21. Erläuterungen einer merkwürdigen Ungrischen Münze aus dem zwölften Jahrhundert.
Mit einem Kupfer.
Die hier in Kupfer gestochene Silbermünze, wovon man Originale in verschiedenen Ungrischen Münzkabineten antrift, scheint uns schicklich zu seyn, einen der dunkelsten und verworfensten Perioden der Ungrischen Geschichte aufzuklären. Es wird sowohl auf der einen als auf der andern Seite der Münze eine reifenförmige Rundung vorgestellt, mit einem eingeschlossenen Kreutze, in dessen jedem Winkel ein kleines Dreyeck befindlich ist. Das ganze Gepräg, wann man es mit andern alten einheimischen und ausländischen Münzen zusammenhält, verräht unstreitig das zwölfte Jahrhundert. So unbedeutend übrigens die auf gegenwärtiger Münze vorkommenden Figuren sind, die man wirklich für nichts als müssige Zierrahten ansehen kann; so wichtig und merkwürdig sind hingegen ihre Aufschriften, die jetzt unsere Aufmerksamkeit vorzüglich beschäftigen sollen. Die Aufschrift der einen Seite ist: CEHANUS REX; der andern: LADLAVS REX. Ehe ich mich in eine nähere Untersuchung der Veranlassung und Bedeutung dieser Aufschrift einlasse, sehe ich mich gemüßiget, vorläufig zu erinnern, daß, so oft auf einer alten Ungrischen Münze zweyer Könige Namen zu lesen sind, dieses allemal ein sicheres Zeichen sey, daß beyde Könige zu gleicher Zeit geherrscht haben, ein jeder in seinem eigenen, durch
(p366)
vorhergegangene Verträge ihm angewiesenem Antheile von Ungern. So zeigen, zum Beyspiele die Münzen, worauf die Namen
Andreas und
Bela, oder Bela und Stephanus stehen, ihre gemeinschaftliche Regierung an. Dieses ist eine allgemeine numismatische Regel, die, meines Wissens, keine Ausnahme leidet, und die ich schon in der
Genealogia Regum Hungariae Saeculi XI. S. 72. u. f. ausführlicher abgehandelt habe. Hieraus folgere ich, Cehanus Rex, und Ladlaus Rex mögen einstens Ungern zu gleicher Zeit beherrscht haben, da unser Silberpfennig mit beyder Könige Namen bezeichnet ist. Wer sind aber diese beyden Könige gewesen? wer war Cehanus? wer war Ladlaus? Daß Ladlaus nichts anders als der abgekürzte Name Ladislaus sey, bedarf wohl keines Beweises: denn dieses wird mir, hoffe ich ein jeder gerne eingestehen. Was aber Cehanus eigentlich für einen Namen andeuten möge, scheint schon mehrere Schwierigkeit zu haben, zumal da die ganze Ungrische Geschichte keinen König dieses Namens kennt, und da überhaupt dieser Name bey der Ungrischen Nation nie gehört worden. Allein auch das problematische Cehanus wird wohl noch endlich zu enträhtseln seyn. *) Ich glaube gar nicht zu irren, wenn ich behaupte, daß es auf unserer Münze nicht CEHANVS, sondern CEPHANVS heißen müße, und daß der Buchstabe P ent-
*) Es hat diesen unsern Silberpfennig auch der berühmte Herr Dr. Steph. Weszprémi in seiner Medicorum Hungariae et Transsilvaniae Biographiae Centuriae II. Parte posteriori, pag. 229. Fig. I. in einem saubern Holzschnitte vorgestellt. Den Namen Cehanus hält er für den verdorbenen Namen Geyza, aus dem Grunde, weil kein Name eines Ungrischen Königs von den Schriftstellern des mittlern Zeitalters auf so mancherley Weise verunstaltet worden, als der Name Geyza.
(p367)
weder aus Versehen, oder wegen Mangel des Raumes, auch wohl gar mit Vorsatz weggelassen worden, wie dieses letztere bey dem Namen LADLAUS für LADISLAUS wirklich der Fall gewesen zu seyn scheinet. Dergleichen Fehler auf Münzen der damaligen rohen Zeiten, wo Künste und Wissenschaften verscheucht waren, sind eben keine so ungewöhnlichen Erscheinungen. Wer die erstaunende Ungeschicklichkeit und Unachtsamkeit der Stämpelschneider des mittleren Zeitalters noch nicht kennt, der schlage nur diejenigen Bücher auf, worinnen Münzen aus jenen finstern Jahrhunderten in richtigen Kupferstichen abgebildet sind; er wird finden, daß ihm nur selten eine Münze vorkommen wird, worauf die Aufschriften des Averses und Reverses entweder durch Einschaltung, oder Auslassung, oder Versetzung einiger Buchstaben nicht sollte verstellt, oder verstümmelt worden seyn. Was Wunder also, wenn dieses auch bey unserer Münze zutrift, wo gleichwohl der Verstoß von geringer Erheblichkeit ist, da weiter nichts als der einzige Buchstabe abgeht. Gut! wird man mir einräumen: es soll auf unserer Münze Cephanus gelesen werden; was soll denn aber der Name Cephanus bedeuten? Gabs denn wohl jemals einen Ungrischen König, der Cephanus hieß? Ich sage ja, und zwar mehr als einen; weil Cephanus, oder wie dieser Name sonst auch in Urkunden geschrieben ward : Chephanus, Chepanus, Cepanus, nichts anders als Stephanus ist. We ich dieses beweisen werde? Sehr leicht. Es giebt nämlich verschiedene Urkunden von den Jahren 1203— 1207. worinnen der damalige Ungrische Palatinus, der zugleich Comes Bachiensis war, bald
Cephanus, Chepanus, bald
Stephanus de Hedervára heißt. Er ist, um dieses hier gelegentlich zu erinnern, der nämliche Palatinus, dessen der berühmte Herr
Karl Wagner in seinen so beliebten:
Collectaneis Genealogico - Historicis illustrium
(p368)
Hungariae Familiarum &c. Dec. I. pag. 59. in folgenden Worten erwähnet: Sub annum 1150, floruit Comes Maurus, ejusque natus Stephanus, quinque filiorum parens: Alexandrii vidilicet, Seraphimi (Chephani seu Stephani, anno 1206. Regni Hungariae Palatini & Comitis Bachiensis &c.) Vermuhtlich ist er eben derselbe Cepanus oder Chepanus Palatinus, dessen auch in Ritu explorandae veritatis per judicium ferrii candentis §. CCCXXIX. apud
Matth. Belium in
Adparatu ad Hist. Hung. pag. 259. und beym
Jongellinus in
Catal. Palat. ad ann. 1226. imgleichen beym
Timon in
Epit. Chronol. ad ann. 1206. gedacht wird. Nun aber wird, wie gesagt, eben dieser Cephanus Palatinus auch zuweilen Stephanus in Urkunden genennt, welches ein untrügliches Zeichen von der Identität der beyden Namen ist. So führt, z. E.
Theophilus Heimb in
Notitia Historica de ortu & progressu Abbatiae Sacri Ordinis Cisterciensis B. M. V. ad S. Gotthardum dictae, & in inclito Hungariae Regno sitae, Viennae 1764. fol. S. 66. ein Diplom des
Königs Andreä II. vom Jahre 1221. an, welches sich im Archive gedachter Abbtey sub Rubrica 47. fasc. XXVII. Num. 2. befindet, und worinnen folgende Worte enthalten sind: Anno praefato, divino successus Spiritu, pietissimus Adolescens Stephanus, unicus filius ( Stephani Regni Hungariae Palatini) temporaria cum aeternis commutare volens &c. Der gute Heimb, der an nichts weniger gedacht hatte , als daß Stephanus und Chephanus einerley Namen seyn könne, zog die Richtigkeit der Leseart seines beygebrachten Diploms in Zweifel, daher er dann die Worte: Stephani Regni Hungariae Palatini mit folgender ziemlich entbehrlichen Note n) begleitete: Rectius dicendus CHEPHANVS, hic enim ex Comite Bachiensi Anno 1206. Palatinus Regni fuisse, apud JONGELINUM in Catal. Palatinor. usque ad ann. Vero
(p369)
1221. nullus in eodem STEPHANVS legitur. Noch mehr. In dem kurz vorher angezogenen Ritu explorandae veritatis, §. CCCQXXXVII S. 261. werden Cepanus und Stephanus als gleichviel bedeutende Namen von einer und der nämlichen Person gebraucht; ja, was in dieser Sache entscheidend ist, das zipserische Dorf
Chepanfalva wird noch zur Stunde im Deutschen Stephansdorf, und im Böhmischen Stefanowcze genennet. Dieses alles zusammengenommen, ist, dächte ich, Beweises genug, daß der Name Stephanus vor Alters in Ungern auch Cephanus zuweilen geschrieben wurde. Und also hätte es nun mit dem Namen Stephanus seine Richtigkeit. Allein was haben wir dadurch gewonnen? Nichts mehreres, als daß die auf unsrer Münze geprägten Namen Cehanus und Ladlaus sich auf zween Ungrische Könige, Stephanum, und Ladislaum beziehen. Die größte Schwierigkeit ist also noch rückständig. Wir müßen nämlich zuförderst bestimmen, der wievielste Stephanus und Ladislaus, unter so vielen Ungrischen Königen, die diesen Namen führten, auf unsrer Münze gemeynt werde; und alsdann müßen wir noch zeigen, daß es zwischen eben diesem Stephano und Ladislao zu einem Vergleiche einer gemeinschaftlichen Regierung gekommen sey; denn dieses zeigt, wie bereits oben erinnert worden, der unter beyder Namen geprägte Silberpfennig deutlich an. Nun läßt sich kein anderer Ladislaus gedenken, der irgend einem Stephano den Trohn streitig gemacht hätte, und der eben sowohl als sein Gegner zum Könige von Ungern wäre gekrönet worden, als
Ladislaus II. Dieser hatte es nicht nur mit
Stephano III. sondern auch mit
Stephano IV. aufzunehmen. Einer von beyden Stephanis wird also mit Ladislao II. sich verglichen, und letzterem nicht nur die Fortsetzung des Königlichen Titels bewilliget, sondern auch einen Theil von Ungern abgetreten haben. Itzt kömmt es
(p370)
auf die Frage an, welcher von beyden es war? ob Stephanus III.? oder Stephanus IV.? Ich trage kein Bedenken, mich für Stephanum III. zu erklären, ob sich gleich überhaupt von dieser ganzen Sache nicht die geringste Spur in der Ungrischen Geschichte findet. Um meine Behauptung darzuthun, will ich die so sehr verwickelte Zeitrechnung unsrer Vaterländischen Geschichte zu entwickeln, und mein System in wenige Sätze einzuschließen mich bemühen. Ehe ich aber zu meinem Vorhaben schreite, muß ich vorher, um meinen Lesern in der Folge verständlich zu werden, die Verwandtschaftsart der dreyen Könige, Stephani III. Ladislai II. und Stephani IV, kürzlich berühren. Es hinterließ
König Geyza II. unter andern einen Sohn, Stephanum, und zween Brüder, Ladislaum und Stephanum. Diese drey Prinzen verursachen in der Ungrischen Historie die größte Verwirrung, weil sie alle drey zu gleicher Zeit sich der Trohnfolge anmasten, alle drey innerhalb einem Jahre wirklich gekrönt wurden; und weil Stephanus, Geyzä Sohn, und Stephanus, Geyzä Bruder, von den Geschichtschreibern nur gar zu oft miteinander verwechselt werden. Ich will den erstern mit unsern einheimischen Schriftstellern Stephanum III, letztern aber Stephanum IV. nennen. Folgende kurze Stammtafel wird die Sache noch deutlicher machen:
Bela II.
Geyza II. -
Ladislaus II. -
Stephanus IV.
Stephanus III. -
Bela III.
Und nunmehr folgen meine Sätze, und ihre Beweise.
I: Satz.
König Geyza II. ist den 31. May 1161 gestorben.
Ich nehme als gewiß an, daß Geyza II. anno Domini MCLXI. pridie Kalendas Junii, feria quarta, das Zeitliche mit dem Ewigen verwechselt hat. Es be-
(p371)
zeigt dieses die
Ungrische Chronik beym Thurocz P. II. c. 66.
DIugossus Hist. Polon. Lib. V. p. 501; das Necrologium Admontense beym
Hier. Pez Script. rer. Austriacar T. II. p. 204.;
Jo. Steindelius in Chron. generali ad h. ann. beym
Oefel Script. rer. Boic. Tom. I. p. 494. Daß es mit der angezeigten Jahrzahl und mit dem Monatstage seine vollkommene Richtigkeit habe, erhellet aus einer genauen Zeitrechnung, zufolge welcher die Ostern des 1161. Jahres auf den 16. April, und folglich der durch pridie Kalendas Junii angedeutete 31. May, gerade auf einen Mittwoch, oder, wie man die Tage vor Alters benennte, auf die feriam quartam fiel. Es wird übrigens des Königs Geyzae II. Sterbejahr 1161. auch noch aus der unten im IVten Satze anzuführenden Urkunde, worinnen Stephanus III. Geyzae II. Sohn, das Jahr 1163, secundum annum regni sui nennt, außer allen Zweifel gesetzt. Es ist demnach ein offenbarer Fehler, wenn für das Sterbejahr Geyzae II. das Jahr 1160 vom Anonymo Leobiensi apud
Pez Script. rer. Austr. T. I. p. 788; oder das Jahr 1162. vom Chron. Salisburg. apud
Pez. I.c. T. I. p. 345; vom Auctore incerto Chronici Austr. apud
Pez. I. c. T. I. p. 559 ; vom Chron. Monast. Admontensis apud
Pez. I. c. T. II. p. 189; von der Chronica Australi, apud
Freher Script. rer. Germ. T. I. p. 446. oder endlich gar das Jahr 1163. vom
Anselmo Gemblacensi in Auctuario Aqucinctino apud Pistor. Script. rer. Germanicar. Tom. I. p. 976. angegeben wird.
II.Satz.
Der junge Prinz Stephanus III. Geyzae II. Sohn folgte seinem Vater in eben demselben Jahre 1161. in der Regierung; und in dem nämlichen Jahre 1161. zu Anfang des Monats Septembers bemächtigte sich Ladislaus II. des Ungrischen Trohns, den er aber nicht länger, als bis
(p372)
Anfange des Februars des 1162. Jahres behauptete.
Das 1161. Jahr der von Stephano III. angetretenen Regierung ergiebt sich nicht nur aus folgenden Nicetae Acominati Worten, in Man. Comn. L. IV. c. l. p. 66. der Venetianischen Ausgabe: Hunnorum Regi Jatzae (Geyzae II.) pIacida morte (a. 1161) defuncto, STEPHANUS FILIVS in principatu succedit; sondern auch aus der im I. Satze erwähnten Urkunde, wo Stephanus III. das 1163. Jahr nennet secundum annum regni sui. Daß aber Stephanus III. in kurzem von seines Vaters Bruder Ladislao II. vom Trohne auf eine Zeitlang verdrungen worden, bezeigen sowohl Nicetas Acominatus 1. c; imgleichen Cinnamus Lib.V. n. 4. p. 92. edit, Venot; und die Chronica Australis ad annum 1162. apud
Freher Script. rer. Germ. T. I. p. 446; als auch unsere Annalen beym Thoroczi T. I. cit. Das Jahr und das Monat, wenn Ladislaus II. sich des Ungrischen Trohnes bemächtigte, läßt sich meines Erachtens, mit Gewißheit herausbringen. Es geschah dieses zu Anfange des Septembers im nämlichen Jahre 1161, welches ich auf folgende Art beweise : Stephanus IV. der Kroncompetent seines Bruders Ladislai II. überwand diesen, und ließ sich selbst im Jahre 1162. den 11. Februar krönen, nachdem vorher sein Bruder Ladislaus II. sechs Monate regieret hatte. Nun zähle man vom 11. Februar 1152. sechs Monate zurück, so wird man auf den Anfang des Septembers des 1161. Jahres gerahten. Daß aber Ladislaus II. nur 6 Monate im Besitze der Ungrischen Krone geblieben, bezeigt sowohl unsre Chronik I. c. als auch
Dandalus Hist. Venet. Lib. 10. Cap. l. Part. 3. apud
Murator. Script. rer. Ital. Tom. XII. pag. 291. Daß ferner Stephanus IV. im Jahre 1162. den 11. Febr. sey zum Könige von Ungern gekrönt worden, werde ich im folgenden III. Satze darthun.
(p373)
III.Satz.
Stephanus IV. wurde im Jahre 1162. den 11. Februar zum Könige von Ungern gekrönt, und ohngeachtet er noch in dem nämlichen Jahre 1162. den 19. Junii eine schwere Niederlage erlitten hatte, so erhielt er sich doch auf dem Ungrischen Trohne bis an seinem im Jahre 1163 den 11ten April erfolgten Tod.
Es ist hier dreyerley zu erweisen:
Erstens: daß Stephanus IV. im Jahre 1162, den 11ten Februar zum Könige von Ungern gekrönt worden. Dieß angemerkte Jahr ist zwar von niemanden ausdrücklich bestimmt worden, es läßt sich aber aus dem Krönungstage Stephani IV. welcher in unsern Annalen aufgezeichnet sieht, mit völliger Gewißheit erweisen. Dieser war, wie es daselbst heißt, tertio Idus Februarii in Dominica Exurge. Es fiel demnach in dem Krönungsjahre Stephani IV. die Dominica Exurge auf den 11ten Februar. Nun aber kann aus einer sehr genauen chronologischem Rechnung unwidersprechlich dargethan werden, daß in dem ganzen Zeiträume vom Jahre 1161. an, in welchem nämlich Geyza II. gestorben, bis auf das Jahr 1173. letzteres mit eingeschlossen, die Dominica Exurge nur in den Jahren 1162. und 1173. auf den 11ten Februar fallen konnte; es muß folglich eines von beyden gemeldten Jahren das Krönungsjahr Stephani IV. gewesen seyn. Daß es aber das erstere, nämlich das 1162. Jahr gewesen, ergiebt sich klar aus derjenigen sehr schätzbaren Urkunde, die uns Herr Canonicus
Kercseelich Hist. Eccl. Zagrab. pag. 76. zu allererst bekannt gemacht hat, und deren Datum folgendergestalt lautet: Anno Dominicae Incarnationis MCLXIII. Indictione XI, Epacta XIV. Stephno piissimo Rege Ungariae, Secundi Belae Regis
(p374)
filio. Primo anno Regni sui. Aus diesem Datum aber kann man nach unsern angeführten Gründen ganz sicher diese untrüglichen Folgerungen ziehen: 1) Daß gemeldte Urkunde noch vor dem 11ten Februar des 1163. Jahres ausgefertiget worden, weil es darinnen heißet: primo Anno regni sui. Denn, da Stephanus IV. wie wir allererst erwiesen, 1162. den 11ten Februar gekrönt worden, so wäre schon vom 11ten Februar des folgenden 1163ten Jahres der annus regni secundus angegangen. 2.) Daß das Vorgeben unserer Annalen grundfalsch sey, wenn sie Stephanum IV. nur 5. Monate regieren lassen. Denn gesetzt auch, daß das angeführte Kerthelichische Diplom am 1sten Jenner des 1163. Jahres wäre ausgestellet worden, (und im Jahre 1163. konnte dieses doch unmöglich früher, als am ersten Tage des Jahres geschehen,) so würden dennoch schon wenigstens 10. Regierungsmonate herauskommen. Zu merken ist, daß Stephanus IV. im Contexte des Diploms, seines Vorgängers, des Königs Ladislai II. ausdrücklich erwähne. Es muß daher Ladislaus II. noch vor dem anno primo Stephani IV, die Königliche Würde bekleidet haben. Da nun aber der annus primus regni Stephani IV. sich mit dem 11ten Februar des 1162. Jahres angefangen, wie bereits gezeiget worden, und Ladislai II. Regierung halbjährig gewesen ist: so wird dadurch unser vorhergehender II. Satz von neuem bestätiget, nämlich daß Ladislaus II. sich noch im Jahre 1161. auf den Trohn geschwungen habe. Auch läßt sich wider die Richtigkeit des erst beygebrachten Diplomatischen Datums nicht das Geringste einwenden. Denn es kömmt mit der darinnen bestimmten Jahrzahl, sowohl die angegebene Indiction, als auch die Epaktenzahl, auf das allergenaueste überein; und der gelehrte P. Schier hat sich in seinem chronologischen Calcul augenscheinlich verrechnet, wenn er in seinen
Regis Hungariae
(p375)
primae strirps, pag. 129, nota 21. zuversichtlich behauptet, daß die XIVte Epacta dem Jahre 1162. zukomme, und daß hingegen dem Jahre 1163, die XXVte Epacta müße beygeschrieben stehen. Hätte sich dieser verdienstvolle Mann im Rechnen nicht verstossen, so würde er allerdings gefunden haben, daß für das Jahr 1163. ganz gewiß die XIVte Epacta, und hingegen für das Jahr 1162. nicht die XXVte, sondern die Illte Epacta gehöre.
Zweitens ist zu zeigen, daß die grosse Niederlage, die Stephanus IV. erlitten, am 19ten Junii 1162. geschehen sey. Unsere Chronik sagt vom Stephano IV. ohne irgend ein Jahr zu bestimmen:devictus est in festo Sanctorum Gervasiii & Protasii, seria tertia, ubi nobiles Hungari corruerunt. Post haec expulsus est de Regno. Das Festum SS. Gervassi & Protassii ist, wie bekannt, ein unbewegliches Fest, womit beständig der 19te Junius bezeichnet wird. Nun ist im Jahre der erwähnten Niederlage das Festum SS. Gervasii & Protasii, oder der 19te Junius, nach dem ausdrücklichen Zeugnisse der Ungrischen Chronik, auf feriam tertiam, das ist, auf einen Dienstag, gefallen. Es läßt sich aber mit mathematischer Gewißheit erhärten, daß vom 1161. Jahre an, in welchem Geyza II. verschied, bis zum Jahre 1173. der 19te Junius nur in den Jahren 1162» und 1173. auf einen Dienstag fallen konnte. Folglich muß nohtwendig eines von beyden, entweder das Jahr 1162. oder aber 1173. für das eigentliche Jahr der Niederlage Stephani IV. angenommen werden. Das letztere, nämlich das 1173. Jahr, kann deswegen unmöglich statt finden, weil Stephanus IV. noch im Jahre 1163. das Ziel seines Lebens erreichet hat, wie wir bald zeigen werden. Gesetzt aber auch, daß es mit der Anzeige unsrer Chronik, zufolge deren Stephanus IV. anno Domini millesimo septuagesimo tertio, idus Apri-
(p376)
lis, oder wie es in der
Brünner Ausgabe steht, tertio idus Aprilis gestorben seyn soll, seine Richtigkeit hätte: so würde er doch, auch nach dieser Voraussetzung, den Junius des 1173. Jahres nicht erlebet haben. Mithin kann mit der Thurozischen Angabe der Zeit, in welcher Stephanus IV. aufs Haupt geschlagen, und aus dem Lande vertrieben worden, kein anderes, als nur einzig und allein das 1162ste Jahr bestehen.
Drittens: ist nichts leichter zu beweisen, als daß Stephanus IV. von Griechischen Hilfstruppen unterstützt, seine Königlichen Rechte noch bis zu Anfang des 1163. Jahres zu behaupten gewußt habe. Sein im Jahre 1163. ausgestelltes Diplom, worinnen er die Freyheiten des Zagraber Kirchensprengels bestätigte, und welches wir nur allererst angeführet haben, ist ein unwidersprechlicher Beweis, daß er noch bis zum Anfange des 1163sten Jahres sich auf dem Ungrischen Throne erhalten, alle Majestätsrechte ausgeübt, und, wie es aus der Schlußformel besagter Urkunde erhellet, viele der mächtigsten Anhänger unter den Landesständen gehabt habe. Vielleicht würde es ihm noch gelungen seyn, seine Ansprüche auf den ungetheilten Besitz der Ungrischen Krone auszuführen, wenn ihn nicht der Tod übereilet hätte. Dieser erfolgte den 11ten April des 1163. Jahres. Nach unserer Turoczischen Chronik soll Stephanus IV. anno Domini millesimo centesimo septuagesimo tertio, idus Aprilis, feria quinta, gestorben seyn. Das nämliche berichtet auch das
Chronicon Budense, nur mit dem Unterschiede, daß darinnen statt idus Aprilis, tertio idus Aprilis steht. Ich ziehe letztere Leseart der erstern billig vor, weil auch die Brünner Ausgabe des Turoczi, und
Dlugossus Hist. Polon. L. V. p. 522. tertio Idus Aprilis haben. So richtig indessen die Variante des
Chronici Budensis den Sterbetag Stephani IV. mag angegeben haben: so gewiß ist es im Gegentheile, daß
(p377)
III. idus Aprilis, oder der 11e April im Jahre 1173 kein Donnerstag, oder nach der damaligen Art zureden, keine feria quinta seyn konnte. Nimmt man hingegen an, daß der ursprüngliche Verfasser der Ungrischen Chronik, oder vielmehr der erste Abschreiber, welches wahrscheinlicher ist, in der Jahrzahl ein X zu viel geschrieben, und MCLXXIII. für MCLXIII. gelesen habe: so paßt alles auf das allergenaueste zusammen, weil der 11e April im Jahre 1163. gerade in einen Donnerstag einfiel. Noch mehrere Gründe, die dieses Sterbejahr Stephani IV. bestätigen, findet man in des Herrn Prof.
Katona Historia Critica Regum Hungariae,Tom. IV. pag. 88. die ich aber der Kürze halber übergehe. *)
*) Herr Prof. Ludw. Albr. Gebhardi, in seiner Geschichte des Reichs Hungarn, I. Th. S. 525. nota q.) hat von dem Sterbejahre Stephani IV. seine eigene Meynung für sich, die er in folgenden Worten äußert: „ Jo. de Kikullew sagt in der Chronnica Hung. Stephan (IV.) sey in Castro Zemlen (Zeugmen) 1173, idus Aprilis gestorben, und 1172. id. Februarii gekrönet, und habe nach Geisas Tode, den er auf das Jahr 1161. pridie Kalendas Junii setzet, eilf Monate geherrschet. Es muß also bey ihm ein Schreibfehler seyn, und der erste Abschreiber muß für MCLXV, III. Id. Iä, Apr. gelesen haben MLXXIII, Id. Apr." Es liegt in dieser kurzen Note mehr als eine Unrichtigkeit, Denn, ohne hier den Umstand zu rügen, daß Johannes de Küküllö irrig für den Verfasser unserer Ungrischen Chronik ausgegeben wird ; so bestimmt ja unsere Chronik nirgends das Jahr 1172. als das Krönungsjahr Stephani IV, und sagt auch mit keiner Sylbe, daß Stephanus IV. nach Geisas Tode eilf Monate geherrscht habe. Zudem ist das Sterbedatum Stephani IV. 1165. III. id. Aprilis, nicht nur ohne allen Beweis und Zeugniß, vom Herrn Professor Gebhardi ganz willkürlich angenommen worden, sondern es streitet auch offenbar
(p378)
IV. Satz.
Nach dem Hintritte Stephani IV. hat Stephnanus III. noch in dem nämlichen Jahre 1163. sich wiederum des väterlichen Trohnes bemeistert.
Daß wirklich in diesem Jahre Stephanus III. der junge Vetter Stephani IV. wieder zur Regierung gelangt sey, setzet sein dem Spalatenser Kirchensprengel ertheilter Freyheitsbrief beym
Farlati, Illyrici sacri, Tom. III. pag. 184. außer allen Zweifel. Es heißt daselbst: Ego Stephanus Domini Regis Geyzae filius, Dei Gratia Hungariae Dalmatiae, Croatiae, Ramaeque Rex, una cum Domina Matre mea & Principibus meis, confirmo &c. Datum per manum &c. . . secundo anno Regni nostri, anno Incarnationis Christi, millesimo centesimo sexagesimo tertio. Es wird ferners gemeldtes Jahr der Wiedereinsetzung Stephani III. durch das Zeugniß der Chronica australis beym
Frehero Script. rer. Germ. Tom. I. pag. 446. bekräftiget, wo folgende Worte: ad ann. 1163. aufgezeichnet sind: Stephanus filius Geysae regno suo restituitur, a quo antea privatus fuerat.
V. Satz.
Der Wiederum eingesetzte R. Stephanus III. wurde im folgenden Jahre 1164. von seinem ersten Kroncompetenten Ladislao II., von neuem mit Krieg überzogen, der sich aber noch in eben demselben Jahre, durch einen Vertrag einer gemeinschaftlichen Regierung, endigte.
Kaum hatte sich Stephanus III. auf den durch seines Gegners Stephani IV. Tod erledigten Trohn geschwungen, so regte sich sein erster Kroncompetent Ladislaus II.
mit der in unsern Annalen festgesetzten feria quinta. Denn III. Id. Aprilis, oder der 11te April, war im Jahre 1165. keine feria quinta, sondern eine feria prima.
(p379)
wiederum, der Stephanum III. im Jahre 1164. vom neuen mit Krieg überfiel. Ich beruffe mich deshalben auf den ungenannten, aber gleichzeitigen Fortsetzer des Radevici, apud Vrstisium Script. rer. Ger. Tom. I. pag. 558. Es hat sich aber dieser Krieg noch in dem nämlichen Jahre durch einen gegenseitigen Vertrag einer getheilten Beherrschung des Königreichs geendiget. Ich beweise dieses durch das Zeugniss des
Dlugossus, der Histor. Polon. Lib. V. ad ann. 1164. pag. 506. ausdrücklich sagt: TRACTATV deinde interposito, Wladislaus cum Stephano Rege Hungariae, Imperatore Graecorum & Rege Bohemiae mediantibus, pacificatus est, & Transilvanensi regione contentatus. Es ist zu vermuhten, daß Dlugossus diese Nachricht aus ächten Qwellen müße geschöpft haben, obgleich unsere Chroniken hievon schweigen. Der gleichzeitige Continuator Cosmae Pragensis, ad ann. 1164. pag. 57. drückt sich hievon ein wenig zu kurz und zu dunkel aus, wenn er schreibt: Wladislaus Rex (Bohemiae) terram Hunnorum intravit, Regem Graecorum ex ea perturbavit Vngarorum Optimates pacificavit. Am allerdeutlichsten aber schreibt hievon Vincentius Canonicus in seinem vom Jahre 1140 bis 1167. verfertigten Chronico, bey dem man ad ann. 1164. in Gelasii Dobner Monumentis Historicis Boemiae nusquam antehac editis, Tom. I. pag. 75. folgendes liest: Verba praedictorum Legatorum graeci Imperatoris, Rex Bohemiae Regi Hungariae (Stephano III.) & Principibus refert, qui sese in ejus ponunt consilio. Ipse autem ea, quae pacis sunt laborans, electos Principes, & Primates suos ad Imperatorem mittit, ea, quae pacis sunt, pertractans. Ex utraque parte crebro mittuntur nuntii, pacem fabricantes , utraque pars de pace futura gaudet, Rege Bohemiae mediante, & consulente quaedam pars Hungariae fratri Regis Hungariae datur, pax componitur, & juramenta ex utra
(p380)
que parte confirmantur. Diesem Vincentio ist desto mehr zu glauben, da er A. 1160. als Mitgesandter selbst in Ungern gewesen ist, und an einem Orte, von sich rühmet: Quod scimus, loquimur, & quod vidimus, scriptis mandamus. Daß durch diese dem Ladislao abgetretene partem Hungariae, wirklich des Dlugossus Transilvanensis Regio verstanden werde, ist um desto wahrscheinlicher, da in einem ähnlichen Friedensschlüsse zwischen Bela lV. und Stephano V, dem letztern Siebenbürgen gleichfalls zu Theil wurde. Da nun wegen dieser Pacification auf einigen Münzen Bela IV. zugleich auch der Name Stephani hinzugethan wurde: so ist es allerdings zu vermuhten, daß dieses auch in Ansehung der Münzen Stephani III. und Ladislai II. werde ohnfehlbar seyn beobachtet worden. — Nunmehr blieb Stephanus III. Zeit Lebens vom Ladislao II. unangefochten, und wurde, weil letzterer sich dem Vergleiche gemäß ruhig verhielt, für den einzigen regierenden Monarchen allgemein erkannt. Daher kommt es nun, daß man hinfüro vom Jahre 1164. an, so lange Stephanus III. lebte, von keinem andern Könige, als nur allein von ihm, Privilegien aufzuweisen hat. Eines vom Jahre 1164. steht beym
Farlati I. c. Tom. III. pag. 185; vom Jahre 1165. beym
Matth. Belio, Notit. Hung. T. I. pag. 114. & T. III. p. 545; vom Jahre 1166. beym
Farlati I. c. Tom. IV. p. 7; und ein anders von dem nämlichen Jahre beym
Nic. Schmitth Episc. Agr. Tom. I. p. 91. Auf eines vom Jahre 1167 beruft sich Johan. Lucius de regn. Dalm. L.III. cap. 8. &c. Es scheint, daß der wirklich regierende König Stephanus III. und der mit dem Siebenbürgischen Lande zufrieden gestellte Titularkönig Ladislaus Il. nach diesem in recht guten Vernehmen miteinander stunden. Ich schließe dieses daraus, weil jener sogar für die Verheurahtung der Tochter Ladislai II. Maria, Sorge trug.
Dandalus Chron. Venet. cap. 15. part. 15. apud Mu-
(p381)
rator. Script. rer. Ital. Tom. XIV. pag. 292. hat uns hievon folgende Nachricht aufbewahret: Inter haec Stephanus (III.) Rex Ungariae. Nicolao, similiter Ducis (Venetiarum, Vitalis Michaelis II.) nato,& Arbae Comiti, Mariam filiam Ladislai, de stirpe Regali in uxorem dedit. Das Jahr 1169. bestimmt Marinus Sanutus beym
Muratori I. c. Tom. XXII. pag. 560. Hier sind seine Worte : Nel 1169. Stefano Re d'Ungheria ... diede una sua parente a Lionardo Michel figliuolo del Doge per moglie, il quale era Conte a Ossero, che su figliuola di Ladislao di stirpe Regia
Auf dies Weise wäre ich mit meinem Beweise fertig. Freylich könnte man dawieder einwenden, Ladislaus II. habe nach der im Jahre 1161. erhaltenen Königlichen Würde nur ein halbes Jahr noch gelebt, und sey bereits im Jahre 1162. aus der Welt gegangen, folglich hätte er im Jahre 1164. mit Stephanus III. keine Verträge mehr machen können; zudem wäre es höchst unwahrscheinlich, daß der kurze Zeitraum von einem halben Jahre, zu den Krönungsfeyerlichkeiten Ladislai II, zu seinen mit Stephano III. zu führenden Kriegen, zu den darauf erfolgten Friedenstraktaten, und gemachten Vertrage einer getheilten Beherrschung des Königreichs, und endlich zur Prägung neuer, mit beyder Könige Namen bezeichneter Münzen hinlänglich gewesen seyn könne. Allein so stark auch dieser Einwurf zu seyn scheint, so leicht kann er durch die einzige Anmerkung, daß Ladislaus II. erst im Jahre 1172. gestorben, widerleget werden. Dieses soll demnach der Gegenstand des nächstfolgenden Satzes seyn.
VI. Satz.
König Ladislaus II. beschloß erst im Jahre 1172. sein Leben.
Ich hege die größte mögliche Hochachtung für des vortreflichen Herrn
Professors Katona entschiedenen Ver-
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dienste um die Vaterlandsgeschichte: da aber das Vorurtheil des Ansehens niemanden an dem freyen Gebrauche seines eigenen Verstandes hindern darf, noch verleiten, fremde Begriffe auf Treue und Glauben anzunehmen, ohne sich die Mühe zu geben, sie zu untersuchen: so hoffe ich, dieser grosse Mann werde es mir nach seiner Billigkeit und Wahrheitsliebe keinesweges verargen, wenn ich mir die Freyheit nehme, von seiner Meynung in Betreff des Sterbejahres Ladislai II. abzuweichen, seine Gründe zu prüfen, und ihm meine Gegengründe entgegen zu setzen.
— — Hanc veniam petimusque damusque vicissim. Da es keinem Zweifel unterworfen ist, Ladislaus II. habe den Königlichen Trohn im Jahre 1161. bestiegen; da über dieses Thuroczi ausdrücklich meldet, er habe sich in dem Besitze der Ungrischen Krone nur ein halbes Jahr erhalten: so schließen daraus die gelehrten Männer,
P. Schier, und Herr
Professor Katona, dieser König habe noch im Jahre 1162. zugleich mit seiner Regierung, auch sein Leben geendiget. Thuroczi drückt sich so aus : In cujus (Stephani III.) imperio Dux Ladislaus, filius Belae Caeci, usurpavit sibi Coronam dimidio anno. Bedeuten denn diese Worte, Ladislaus sey nach einer halbjährigen Regierung gestorben? Wie wird man wohl diesen Sinn aus obigen Worten erzwingen? Konnte denn Ladislai II. Regierung nicht länger als ein halbes Jahr gewahrt haben, ohne daß er deswegen nöhtig gehabt habe zu sterben? Konnte er nicht abgesetzt oder vertrieben worden, und gleichwohl bey Leben geblieben seyn?-- Der berühmte Herr
Prof. Katona, der mit dem gelehrten
P. Schier behauptet, Ladislaus II. sey den 4ten Jänner 1162. mit Tode abgegangen, führt für dieses Datum noch einen andern Grund an, den er für überzeugend hält. Ich will, um die Stärke seines Beweises nicht zu schwächen, seine ei-
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genen Worte hier niederschreiben. Sie befinden sich Hist. critica Regum Hung. Tom. IV. pag. 22. 23. und lauten also: Hac igitur addita correctione, Ladislai principatum ad idibus Juliis auspicati, XIV. Januarii finiemus. Ita nun tantum illud Turotzii verum erit: ,,In cujus (Stephani III.) imperio Dux Ladislaus, filius Belae Caeci, usurpavit sibi coronam dimidio anno; „verum illudl quoque huic geminum: ,,Stephanus frater ejus, usurpavit sibi coronam mensibus quinque, "quibus iterum Budense Chronicon addit: diebus quinque." Quum enim Stephanus ibidem dicatur victus, regnoque pulsus „in Festo SS. Gervasii & Protasii, "seu XIX. Junii tot exacte dies & menses inter XIV. Januarii, quo Ladislaus obiit, & XIX. Junii, quo Stephanus regnum amisit, effluxerunt. Dieses alles klingt sehr wahrscheinlich; gleichwohl hält es die Prüfung nicht aus. Denn es setzt der Herr Prof. den Anfang der Regierung Ladislai ganz willkürlich, und nur blos aus Liebe zu seiner angenommenen Hypothese, in Idus Julii des 1161. Jahrs. Kein Geschichtschreiber hat irgendwo den Tag, der von Ladislai II. angetretenen Regierung aufgezeichnet; woher hat man also solchen so genau zu bestimmen gewußt? Doch ich kann mir diese Frage leicht selbst beantworten. Ich sehe es, die Art des Rechnens, worauf sich dieses chronologische Lehrgebäude gründet, beruhet auf folgende Data: Stephanus IV. mußte nach jener in Festo SS. Gervasii & Protasii, oder den 19ten Junius des 1162. Jahres erlittenen Niederlage, aus dem Lande fliehen. Weil es nun in unserer Chronik von Stephano IV. heißt: usurpavit sibi coronam mensibus quinque & diebus quinque: so zählte Herr Prof. vom 19. Junius 5. Monate und 5. Tage zurück, wodurch er freylich auf den 14ten Januar des 1162. Jahres gerieht; und vom 14ten Jänner des 1162sten Jahres zählte er wieder ein halbes Jahr,
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oder 183 Tage rückwärts, welches ihn denn auf den 15ten Julius, oder Idus Julii des 1161. Jahres nohtwendig bringen mußte. Es enthält aber diese Rechnung eine doppelte Unrichtigkeit. Denn 1mo. da vom 19ten Junius 5. Monate und 5. Tage zurückgezählet werden, so wird der Anfang der Regierung Stephani IV. mit dem 14. Jänner des 1162sten Jahres verknüpft. Nun aber haben wir oben im Illten Satze auf eine unumstößliche Art erwiesen, daß Stephanus IV. erst den 11ten Februar 1162. gekrönt wurde, welches auch der Herr Prof. am angeführten Orte, S. 25, zuzugeben gezwungen ist; folglich kann der Antritt der Regierung Stephani IV. keineswegs vom 14ten Jänner gerechnet werden. Es wird 2do der Dauer der Regierungsform Stephani IV. von dem Urheber der Ungrischen Chronik irrig in 5. Monate und 5. Tage eingeschränkt. Wir haben bereits oben im Illten Satze aus einer ächten Urkunde dieses Königs klar an den Tag gelegt, daß er wenigstens 10 Monate geherrschet haben müße. Gesetzt aber auch, die im Jahre 1162. den 19ten Junius erlittene Niederlage hätte Stephanum IV. um die Ungrische Krone gebracht: so würden dennoch keine 5. Monate und 5. Tage für seine Regierungsdauer herauskommen. Denn, zwischen den 11ten Februar, als den Krönungstag Stephani IV., und den 19ten Junius als den Tag seines unglücklichen Treffens, sind nicht mehr als 127. Tage begriffen, die noch keine 5. Monate und 5. Tage betragen; man mag jedweden Monat zu 30. Tagen annehmen, in welchem Falle 4. Monate und 7. Tage herausgebracht werden, oder man mag den Monaten März, April und May, ihre gewöhnliche Anzahl Tage lassen, und die vom 11 ten Februar bis zum letzten Februar rückständigen 16. Tage zu den 19. Tagen des Monats Junius hinzuzählen, in welchem Falle man 4. Monate und 5. Tage bekömmt.
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Was endlich die vom Herrn Prof. erwähnte Correction anbelangt, so besteht solche darinnen, daß er mit dem gelehrten
P. Schier, des Königs Ladislai II. Sterbejahr MCLXXII. in MCLXII, und dessen vom
Chronico Budensi angegebenen Todestag, IX. Kal. Febr. in XIX. Kal. Februarii verändert hat. Jedoch war dieses eben nicht der kürzeste Weg den Schwierigkeiten der Turoczischen Zeitbestimmung abzuhelfen, wie wir gleich sehen werden.
Wir haben bisher den wichtigsten Einwurf, der wider das Jahr 1172, als das eigentliche Todesjahr Ladislai II. vorgebracht werden kann, hinlänglich beantwortet; jetzt müßen wir aber auch unsern Satz , daß Ladislaus II. erst im Jahre 1172, und folglich ganzer zehn Jahre später gestorben sey, zu retten suchen. Wir beruffen uns
Erstens: auf das klare Zeugniß unserer einheimischen Chronik. In derselben wird zwar vom Ladislao II, gesagt: usurpavit sibi coronam dimidio anno; allein, damit wir diese Worte nicht etwa auf seinen auf eine halbjährige Regierung erfolgten Tod deuten mögen, wird ausdrücklich und unmittelbar hinzugefügt: Migravit autem ad Dominum anno Domini millesimo centesimo septuagesimo, secundo, Kalend. Februarii, feria prima. Dieses Datum erfordert einige Berichtigung. Im Jahre 1172. war der 1. Februar eine feria quarta; es muß also hier wiederum ein kleiner Schreibfehler sich eingeschlichen haben. Nun stehn zwar im
Chronico Budensi, dessen Lesearten gemeiniglich richtiger sind, für Kalend. Februarii die Worte: IX. Kalend. Februarii, wodurch der 24. Jänner angedeutet wird. Da aber im Jahre 1172. der 24. Jänner ein Diensttag war, so kömmt auch nach dieser Leseart die feria prima nicht heraus. Der gelehrte
P. Schier in Regniis Hungariae, pag. 127. nota 12, und Herr
Professor Katona am angef. Orte S. 22, meynen der Schwierigkeit abgeholfen zu haben, wenn sie für IX. Kalend. Feberuarii lesen: XIX. Kalend. Februarii. Allein auch diese, obgleich sehr willkürliche Voraussetzung, löset den chronologischen Knoten noch gar nicht auf, weil im Jahre 1172. XIX. Kalend. Februarii ein Sonnabend war, da doch der Sterbetag Ladislai II. eine feria prima, oder ein Sonntag gewesen seyn soll. Es würden diese vortreflichen Männer Recht haben, wenn das Todesjahr Ladis-
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lai II. das Jahr 1162. gewesen wäre, welches sie ohne Noht voraussetzen. Der grosse Chronologus
Pagi in Critica ad Baronium, ad ann. 1172. Tom. IV. p. 640. läßt zwar das Jahr 1172. ungeändert, er will aber für Kalendis Februarii gelesen wissen: III. Kalend. Februarii, damit nur die feria prima heraus komme, ob es gleich auch so, nicht III. Kal. Februarii, sondern IV. Kal. Februarii heißen müße. Aber viel lieber will ich glauben, daß in dem numeralischen Zeichen, welches denen Kalendis Februarii nach der Leseart des
Chronici Budensis vorgesetzt stehet, durch Hinzufügung oder Weglassung, oder Versetzung eines einzigen Strichleins ein kleiner Verstoß geschehen seyn möge; als daß von dem Worte Kalendis das numralische Zeichen ganz und gar weggefallen seyn sollte, wie Pagi annimmt. Uibrigens irret sich der grosse Pagi auch hierinnen gewaltig, daß er die angeführten Worte unserer Chronik, nicht von Ladislai II, sondern von Stephani III. Todestag und Jahr versteht, da er doch, wenn er den Thuroczi nur um wenige Zeilen weiter gelesen hätte, die ausdrücklichen Worte würde gefunden haben: Idem vero Rex Stephanus, filius Geyzae, migravit ad Dominum anno Domini millesimo centesimo septuagesimo tertio, quarto Nonas Martii, feria prima, welche Zeitbestimmung auch mit dem chronologischen Calcul vollkommen übereinstimmt. Darf ich hierüber meine eigene Vermuhtung sagen, so halte ich mich an das
Chronicon Budense, nur daß ich für IX. Kalend. Februarii durch Umkehrung des Numeralzeichens, lese: Xl. Kalend. Februarii, welcher Tag anno 1172. gerade ein Sonntag, oder so genannte feria prima war. Das Jahr, der Monatstag, der Wochentag, alles entspricht einander auf das allergenaueste, und dieses alles erhält man durch die Umkehrung des Numeralzeichens, XI. statt IX. oder durch die Versetzung des Strichleins I. Ist diese Abänderung nicht weit kürzer und simpler, als wenn man erstlich in der Jahreszahl ein Numeralzeichen wegstreicht, und alsdann zu den Monatstagen ein Numeralzeichen hinzuflickt? Wie leicht war es möglich, IX anstatt XI. zu schreiben?-- Es kömmt
Zweitens, dem von uns festgesetzten Jahre 1172. auch ein diplomatischer Beweis zu statten, welchen wir dem Timon abborgen. Timon schreibt in seiner
Epit. Chronol. ad ann. 1172. pag. 19: Curialis Comes ejus
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(Ladislai II.) eodem anno (1172.) reperitur Laurentius, quod fericm rerum valde illustrat. Wenn also in einem Diplome vom Jahre 1172. Laurentius Curialis Comes Ladislai. Regi vorkommt, so muß damals, als dieses Laurentii Erwähnung geschah, der König Ladislaus II. gewiß noch am Leben gewesen seyn. Timon meldet uns zwar nicht, woher er diesen seinen Curialem Comitem aufgetrieben habe, wie denn dieses überhaupt Timons größter Fehler ist, daß er seine Qwellen sehr selten anzeigt: es ist aber zu vermuhten, daß er seine Nachricht aus des
Casp. Jongelini Catalogo Judicum Curiae Regiae per Regnum Hungariae genommen habe. Dieser fand Laurentium Curialem Comitem Ladislai II. ad ann. 1172. in den Urkunden des Archivs der
Benediktiner Erzabtey S. Martini m Monte Pannoniae woraus er seinen Catalogum Palatinorum, und Judicum Curiae größtentheils verfertiget hatte.
Herr Professor Katona hat zwar wider die Glaubwürdigkeit dieser Aussage des
Jongelinus Verschiedenes einzuwenden: Demus tamen, sagt er a. a. O. S. 208. aliqod diploma, quod jam interciderit, illi (Jongellino) visum fuisse, ubi Laurentius Comes curialis appellatur anno MCLXXII, non temere dixero, reliquum illud. (sub Ladislae II. rege, ) non tam ex illo Diplomate , quam ex Jongelini capite, profluxisse, qui Hungariae Chronica, nondum ad chrisim exacta, sequntus, quod illic hoc anno Ladislaum II. obiisse legerit, ejusdem comitem curialem fuisse: Laurentium opinatus fuerit. potiori jure Laurentium sub Stephano III. hoc munus gessiss, dicere postumus postquam diploma regis hujus produximus ad annum MCLXV. quo cum axiomate comitis curialis hic Laurentius legitur. Allein diese Ausflüchte dörfen uns gar nicht irre machen. Denn, hat Jongelinus ein Diplom vom J. 1172. gelesen, worinnen Larentius curialis comes vorkam, so konnte er gewiß in dem Namen des Königs, der die Urkunde ausgestellet hat, sich unmöglich haben irren können. Denn beym Anblicke eines Diploms ist ja der Name des Regenten, das erste, was unsere Aufmerksamkeit auf sich zieht; das erste, womit sich Urkunden anfangen; das erste, was uns in die Augen fällt. Wie? Jongelinus sollte den Laurentium, comitem curialem a. 1172, deswegen Ladislao II. angedichtet haben, weil er in der Ungrischen Chro-
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nik mochte gelesen haben, Ladislaus II. wäre lm Jahre 1172. gestorben? Aber setzt denn die Ungrische Chronik, da sie dieses meldet, nicht unmittelbar hinzu, daß K. Stephanus III. erst im folgenden Jahre 1173. von dieser Welt abgefodert worden sey? Was hätte nun
Jongelinus für einen Grund gehabt, Laurentium curialem comitem a. 1172. vielmehr Ladislao II, der unsrer Chronik zufolge in gemeldtem Jahre starb, als Stephano III, der dieses ganze Jahr, und einen Theil des nächstfolgenden durchlebte, zuzuordnen, wenn er dieses in seiner Urkunde nicht ausdrücklich gefunden hätte. Aber Laurentius kömmt in einer Urkunde vom Jahr 1165. als curialis comes Stephani Ill. vor. Gut! Was schadet dieses unsrer Sache? Können denn wohl zwo Personen nicht einerley Namen führen? Was ist es für eine Ungereimtheit, daß im Jahr 1165. Laurentius curialis comes Stephani III. war, und daß derjenige, der eben dasselbe Amt am Hofe Ladislai II. sieben Jahre später verwaltete, ebenfalls Laurentius hieß? Ich meines Orts sehe hierinnen nicht das geringste, weswegen ich meinen Satz aufgeben sollte; zumal, da
Drittens auch der gleichzeitige Anselmus Gemblacensis in
Auctuario Aquicinctino apud Pistor. Script. rer. Germ. T. I. p, 981. unsern Ladislaus im Jahre 1172, leben lässt.
M Daniel Cornides.