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Zeitschrift von und für Ungern
Hrsg. von
Ludwig Schedius
Pest, Patzko, 1802
Band 1, Heft 2
I. Abhandlungen und kürzere Aufsätze
Text 3 (S. 189-192)
Autor:
Johann Ferdinand Miller
Zuordnung: Biografie
(P189)
3. Etwas über Paul Rósa, einen ungr. Gelehrten des XVI. Jahrhunderts
Es kann Niemandem, der sein Vaterland und die Wissenschaften liebt, mißfallen, wenn er einen bisher noch unbekannten ehemaligen Mitbürger, der sich durch gelehrte Schriften verdient gemacht, aber auch sonst Ruhm erworben hat, näher zu kennen Gelegenheit erhält. Aus diesem Grunde theile ich hier folgende Nachricht über
Paul Rósa mit, dessen Name bisher unsern Literatoren entgangen zu seyn scheint.-
Durch einen Zufall kam mir vor einiger Zeit folgendes Buch in die Hände:
Balthasaris Imbricii Regiomontani Franci Gnomologiae Demosthenicae gr. & lat. Basileae 1570. Tomi V. 8. Der fünfte Band hat die Aufschrift
Gnomologiae Demosthenicae graeco-latinae. Tomus Vtus & ultimus. Vlpiani Rhetoris observationes oratoriae ex VXIII, quas is enarravit, Demosthenis orationibus, Paulo Rosa Cremnicio Pannonio interprete. Una cum indice gemino. Basileae ox officina Heruagiana
(P190)
per Eusebium Episcopium. Anno 1570. 8.- Wer nun dieser Paul Rósa gewesen seyn mag, kann ich nicht bestimmen. In den bekannten Werken, welche die ungrische Gelehrtengeschichte behandeln, nämlich,
Czwittinger,
Rotarides,
Bod,
Haner,
Horány,
Weßpremi,
Seibert,
Wallatzky, wie auch in den Handschriften von Serpilius und
Schmeitzel fand ich seinen Namen nirgends. Aus der angezeigten Uebersetzung erhellt, daß sich
Rosa, allerdings mit vielem Eifer auf die griechische Literatur verlegt habe; daher verdient er unter unseren Gelehrten um desto mehr erwähnt zu werden, da wir bisher nur zwey ungrische Schriftsteller kannten, die sich als Uebersetzer griechischer Auctoren einigen Ruhm erworben haben, nämlich
Bergler und
Sambucus *).
Der Beyname, den sich Rosa selbst auf dem Titel giebt, zeigt an, daß er aus
Kremnitz (einer k. freyen Bergstadt im
Barscher Comitate) gebürtig war. Sein Name
Rósa, (vielleicht eigentlich Rózsa) welcher im Ungrischen eine Rose bedeutet, beweiset auch, daß Ungern sein Vaterland war, ob er sich gleich nicht Hun-
*) Der Hr. Bf. meint hier vermuthlich lateinische Uebersetzer griechischer Auctoren. Denn an ugrischen Uebersetzungen mehrerer alten Schriftsteller Griechenlands leidet unsere Literatur keinen so großen Mangel. So hat Gabriel Pesti (1536) die Fabcin Aesops, Stephan Gyöngyösi (700.) und Andreas Dugonits (1798.) die Aethiopika des Heliodors, Anton Zechenter (1785.) Anakreon' s Gedichte, Johann Lethenyei (1785.) die Apophthegmen des Plutarchs, Martin Szilágyi (1787.) die Cyropädie, ein Ungenannter (1792) den gefesselten Prometheus vom Aeschylus, u. d. gl. m. ins Ungrische übersetzt, der vielfältigen Uebersetzungen des Neuen Testamentes, welche wir aufzuweisen haben, (S. Ungrisches Magazin III. 491. S.) gar nicht zu gedenken.
(P191)
garum, sondern
Pannonium nannte; vielleicht weil seyne Muttersprache nicht sowohl die ungrische, als vielmehr die slawische war; aus welchem Grunde wenigstens sich einst unser unsterblicher Kollar in seinen Schriften
Pannonium Neosoliensem nannte. *)
In der Zueignung an D.
Georg Musler, Juriseonsultum ac Professorem Caelareum in Inclyta
Viennensi Academia, welche
Paul Rósa, seinen
Gnomologien vorsetzte und die er im Jahre 1569. in
Augsburg schrieb, sagt er, daß er Muslers Sohn auf auswärtige Akademieen begleitet habe; filio tuo, heißt es daselbst, cui me pro eximia tua liberalitate & singulari erga me benevolentia & itinerum comitem adjunxeras studiorum socium. Nachdem der junge Musler nach Hause abgegangen war, blieb Rósa, wie er in dieser Dedication erzählt in
Augsburg, und studierte hier unter der Anleitung des berühmten Philologen
Hieronymus Wolf die griechische Sprache und Literatur. Um seinen Aufenthalt zu dieser Absicht verlängern zu können, wurde er theils von dem braven D.
Georg Musler unterstützt, theils suchte er sich durch Unterricht, welchen er in einigen vornehmen Häusern ertheilte, etwas zu verdienen. Wolf munterte nun den jungen Mann, dessen Eifer für das griechische Alterthum er wahrnahm, dazu auf, die oben erwähnten
Gnomologien Latein zu übersetzen. Rósa spricht hierüber mit vieler Bescheidenheit, die in unsern Tagen immer seltener wird, in der Dedication an
Musler: Superioribus itaque mensibus, cum revocato iam tuo filio, tua liberalitate hic viverem, idem Wolfius, pro sua
*) Es scheint mehr gelehrte Affectation zu seyn, die wohl in der Prose eben so wenig zu billigen ist, als wenn Andere Pisonium statt Posonium, Sempronium statt Sopronium, Aegopolis statt Ketskemetinum, Fragopolis statt Eperiesinum u. d. gl. schreiben.
(P192)
egregia erga me voluntate, gnomologiam hanc a fe ex Vlpiani Rhetoris & interpretis Demosthenici commentariis, & Libanii Sophistae, & quorumdam aliorum argumentis in Demosthenicas orationes collectam & conscriptam, exercitationis gratia convertendam mihi dedit.- Ego vero, quamvis non ignorarem, quam curta mihi esset suppellex in re litteraria, ac praecipue in graecis litteris, quas non ita pridem & amare & discere coeperam (vere enim hoc affirmare licet, me tum primum, cum hanc in urbem venissem ac Wolfii in tradendis graecis litteris fidem ac industriam animadvertissem, ad amplectendas & colendas eas excitatum fuisse) tamen & auctoritate praeceptoris & multiplici exercitationis hujus utilitate adductus, non gravatim & difficulter hunc laborem suscepi: cumque tum temporis otio abundarem, vertere ecepi hanc gnomologiam, majori utique conatu, quam successu.
Wo nun nach dieser Zeit Rósa hingekommen sey, welchen Nutzen unser Vaterland von seiner griechischen Gelehrsamkeit gezogen habe, welche Schicksale ihn in der Folge getroffen haben mögen, ist mir unbekannt. Ich begnüge mich damit, die Gelehrten meines Vaterlandes, die in dem Felde der Literár- Geschichte mehr bewandert sind, und einen größern Büchervorrath besitzen, darauf aufmerksam gemacht, und vielleicht veranlaßt zu haben, dass sie das literárische Publikum genauer darüber belehren.
J. F. von Miller.