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Zeitschrift von und für Ungern
Hrsg. von
Ludwig Schedius
Pest, Patzko, 1802
Band 1, Heft 2
I. Abhandlungen und kürzere Aufsätze
Text 4 (S. 193-201)
Autor:
Rudolf Witsch
Zuordnung:
(P193)
4. Der Gesundbrunnen von Tatzmannsdorf zur Kur-Zeit.
In elnem nicht über 300 Schritte breiten aber fünf Stunden langen, heitern, fruchtbaren Thale, durch das ein kleiner Bach zwischen Baumgruppen sich schlängelt, blumichte Wiesen befeuchcet, und einige Mühlen in Bewegung erhält; welches zum Theil von romantischen, an schönen Aussichten reichen, mit fröhlichen Fluren bedeckten Hügeln, zum Theil von felsichten Bergen und dunklen Wäldern begränzt wird, sprudelt die schätzbare, aber! leider noch zu wenig bekannte Gesundheitsquelle von
Tatzmannsdorf. Reine, gesunde Lüfte wehen hier von den steyrischen und östreichischen Schneegebirgen herab in dieß reißende Thal, und erhöhen die heilsamen Wirkungen, die der Genuß jener Quelle dem Leidenden gewährt. - a.)
Das Dorf, an dessen Nordostseite der Brunnen quillt, gehört zu der gräflich
Theodor Batthyányischen Herrschaft
Bernstein und liegt in dem so sehr bevöl-
(P194)
kerten
Eisenburger Comitate, drey Stunden von der östreichischen, und eben, so weit von der steyrischen Gränze. Unter den vielen Wegen, die zu diesem Genesungsorte führen, ist jener der bequemste, der dazu eigends auf herrschaftliche Kosten gebaut worden ist, und dem ich hier in meiner Schilderung folge.
Von Unterschützen b) her trennet sich rechts ein gebahnter Weg von der
Pinkafelder Chaussée, und leitet gerade über einen sanften Hügel, dessen Anhöhe man kaum erreicht hat, als sich dem Auge ein großer Theil des anmuthigen Thales, und mit demselben eine Menge interessanter Gegenstände darbietet. Gegen Osten erblickt man lachende Fluren, fette Wiesen und fleißig gebaute Aecker, hinter denselben finstere Wälder, die in die Ferne hinabdämmern; gegen Südosten einen Nadelwald, durch den die herrschaftliche Meyerey, und die neugebaute Kirche von
St. Martin c) hervorschimmert. Tritt man einige Schritte weiter, so wird man gegen Nordosten an der Spitze der Kleefelder auf einer kleinen Anhöhe ein niedliches Gebäude d) gewahr, das in einem heitern Stile gebaut, durch den sanften Contrast mit dem düstern Walde, an den es sich wie an einen Hintergrund anlehnt, sehr interessant wird; aber bey weitem noch mehr, wenn, man den ehemaligen berühmten Bewohner desselben erfährt. Dieß war der durch seine Memoires sur les Turcs et les Tartares bekannte Baron Tott, der wegen der Revolution aus Frankreich auswanderte, und hier im Schooße seines Vaterlandes, für die letzten Tage seines Lebens eine Freystätte fand, die ihm der Edelmuth und die Menschenfreundlichkeit Sr. Er. des Herrn Grafen
Theodor Batthyány gewährte.
Von demselben Standpunkte aus, wo dieses Gebäude dem Reisenden sichtbar wurde, erhält er auch die Aussicht gegen Norden, auf das herrschaftliche Schloß in
Tatzmannsdorf, am Fuße eines felsichten Berges, den die Kunst Zu einem Garten umschuf, und auf dessen Rücken sich Bauernhäuser, von Obstbäumen wie unhüllt, erheben.
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Verfolgt man den Weg weiter, so verschwinden bald die vorigen Gegenstände, und neue treten immer abwechselnd hervor. Einige Schritte von der Straße am Abhange des Hügels, sieht man den Gottesacker, wo die Gebeine des General Tott ruhen. Dann kommt man durch eine Gruppe ländlicher Hütten, über eine Brücke, die der Mühlbach nothwendig macht, wo bald das Thal eine ganz andere Ansicht gewährt. So gelangt man allmählig zu dem herrschaftlichen Schlosse, das sich bereits von der Anhöhe in der Ferne präsentirt hatte, und nun mit seinen zwey weißen Nebengebäuden, welche rothe Dächer haben, und mit der auf eine besondere Art bemahlten Reitschule, unter den malerischesten Umgebungen von Bäumen und Baurenhütten; sich erhebt. Von hier aus bietet das Thal einen lieblichen Anblick dar, in dessen Vordergrund ein italienisches Gebäude hervorsticht, rechts das friedliche Dörfchen
Jormannsdorf, e) sich zeigt und im Hintergrunde die hohen steyermärkischen Gebirge, die den Lauf der Wolken zu hemmen scheinen, sich emporthürmen.
Aus dem Hofe des Schlosses tritt man in eine neue gepflanzte Allee am Abhange eines Felsen, in welcher ein angenehmes Geräusch den nach der Ursache desselben forschenden Blick auf die nahe liegende Mühle leitet, welche am Fuße eines Hügels, von hellem Wiesengrün umleuchtet, und von der Laubdecke eines großen Nußbaumes überschattet, sich recht romantisch darstellt. Jenseit der Wiese gränzt ein Wald von dunklem Nadelholz, der den Namen Vogelsang hat, und mit der Wiese zu einem Naturgarten für die Badgäste bestimmt ist. Rechts gelangt man an das Wirths- und Traiteurhaus und an die Wohnungen für bie Brunnengäste. Die Allee krümmt sich hier, durchschneidet eine Schattenparthie und führet gerade zum Kaffeehaus, berührt aber den Tempel der Genesung f). (so heißt die über dem Gesundbrunnen erbaute Halle). Es ist hier ein seliger Genuß, an einem heitern Sommermorgen im Zirkel froher Brunnengäste,
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aller Beschwerlichkeiten der bizarren Convenienz entladen, in einer schönen Naturscene sich mit dem Segenstranke, den die hiesige Najade so freundlich darbietet, zu erquicken. Von hier aus, sieht man gerade gegenüber das Dorf
Sulzriegel, g) auf einem Berge, dessen Fuß bis an den von der segensvollen Quelle befeuchteten Boden reicht, und von lieblichen Baumpflanzungen beschattet wird, durch welche sich bequeme Gänge winden, die den Kurgästen zum Spatzieren dienen. Von der andern Seite der Quelle, wo sich die englische Garten-Anlage weiter ausdehnen wird, sind einstweilen gymnastische Spiele zur Unterhaltung angebracht. In der Folge werden wir unsern Lesern auch die Beschreibung von der Ausführrung der Anlage mittheilen.
Ueberhaupt scheint
Tatzmannsdorf schon von der Natur zu einem Mineralkurorte geschaffen zu seyn. Eine solche Kur erfodert sanfte Bewegung, und hier bieten sich dazu die, interessantesten natürlichen Spatziergänge dar, wo man bey der leichtesten Bewegung, zugleich das Vergnügen angenehmer Zerstreuungen durch die reitzendsten, mannigfaltigsten Aussichten genießt. Unter jenen Spatzierwegen will ich vorzüglich desjenigen erwähnen, den Herr Graf Anton Joseph Batthyány, nach seinem richtigen Geschmack und reinem Gefühle für die Schönheiten der Natur, im J. 1794 entdeckte, der, weil man ihn ziemlich weit verfolgen kann, in Gesellschaft einiger muntern Freunde, mit einem Paar Träger, welche mit Sauerwasser gefüllte Krüge nachtragen, sehr viel Abwechslung und Reitz gewahrt.
Vom Badhause geht man (die beste Zeit dazu ist, vor Aufgang der Sonne) durch eine Allee gegen Südwesten, welche über zwey Brücken führet, an der Gränze von
Jormannsdorf vorbey , durch die obenerwähnte Wiese , über eine sanfte Anhöhe zu dem angränzenden Nadelwald. Am Ende der Allee unter schlanken Fichten ladet ein Sitz zum Ausruhen ein. Im Sitzen kehrt sich das Gesicht gegen den Tempel der Genesung und das
Sulz-
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riegel zurück, deren Anblick das Auge angenehm überrascht. Von diesem Sitze schlängelt sich ein Gang durch den Wald, der die Neugierde spannt, und auf dem man von Zeit zu Zeit an mehrere Plätze kommt, wo Lustgebäude für die Kurgäste erbaut werden. Bald gelangt man an einen erhabenen Ort, von welchem das Auge unter den Kronen der Bäume die Dächer von
Jormannsdorf, die gothische Kirche von
Mariasdorf, h) dann das feste Bergschloß
Bernstein i) gewahr wird. Hierauf wendet sich der Weg links, und gerne verfolgt ihn die gereitzte Einbildungskraft, um zu neuen schönern Schauspielen zu eilen. Auf diesem tritt man über die Gränze des Luftwaldes in einen andern Wald, wo die weisse Birke mit der dunkeln Tanne einen lieblichen Contrast bildet. Weiter wandelt man über den Rücken des Hügels gegen Norden hin, wo das Echo jeden Ton des Gesprächs, geschwätzig wiederhallt, während Aurorens Glanz, die Ankunft ihrer Gebieterin verkündend, sich in den Silberstämmen der Birken, und im Thau der Blätter spiegelt, und die muthigen, Sänger des Waldes zu fröhlichen Liedern weckt.
Unter diesem Concert nähert man sich einem Kichenwalde, der sich an einem erhöhten Punkte k) öffnet. Welche reiche Aussicht überrascht hier den Blick des Beobachters! Welche Zauber der romantischesten Landschaft fesseln hier seinen Blick! In dunkler Ferne erhebt sich an Steyermarks Gränzen eine hohe Gebirgskette, mit düstern bejahrten Waldungen bekränzt; sie bildet gleichsam die Einfassung von dem reichstaffirten Naturgemählde, das durch eine ungemein reitzende, in ein harmonisches Ganze sich auflösende, Mannigfaltigkeit von Hügeln, Wäldern, Feldern, Viehtriften, Bächen, Wiesen, Städten, Marktflecken, Dörfern, das Zauberbild der ewig thätigen, mächtigen, und doch ruhig und still fortwirkenden Natur, wie. in der reinsten Miniatur darstellt.- Die fruchtbare, mit den schönsten Gaben des Füllhorns der gütigen Ceres überströmte Gegend, hat auch viele Menschen an sich gesammelt, denen sie bequemen Genuß des Le-
(P198)
bens verschafft. Zunächst erblickt man das Dorf
Oberschützen l), weiterhin
Willersdorf,
Wißfleck,
Schreibersdorf m),
Pinkafeld n). Gegen Osten die Thürme von Stein am angero), gegen Süden
Oberwart p),
Rothenthurm, q),
Füzes r), die ehemalige Festung Gützingen s); die Feste und den Marktflecken
Bernstein t) gegen Norden mit seinen rauchenden Schwefelöfen. Welch unerschöpflicher Stoff zu den geistreichsten Unterhaltungen für eine Gesellschaft von gebildeten Freunden, die von dieser Stelle aus, den Schauplatz der Natur betrachten! Durch neue Ideen gestärkt, von neuen hohen Gefühlen belebt, verläßt man dankbar diesen Ort, mit dem geheimen Gelübde, so oft als möglich, diese Wahlfahrt zu erneuern.
Auch mehrere andere Spatziergänge stehen hier dem Brunnengaste, in dieser reichen Naturgegend offen: z. B. nach dem Mayerhof, nach Schlaningen u), auf die Glashütte v), nach
Mariasdorf zu dem neuentdeckten Steinkohlenwerk, nach
Bernstein zu dem Schwefelbergwerk u. a. Nirgends wird man die weise Fülle und den Reichthum der Mutter Natur vermissen, der das reine Gemüth zu den edelsten Gefühlen stimmt, die beklommene Brust erweitert, und so die Lebenskraft wieder weckt und stärkt, die im Taumel unnatürlicher geräuschvoller Lüste, so wie in der traurigen Abgeschiedenheit der Studierstube, oft unaufhaltbar dahin schwindet. -
Witsch.
Anmerkungen
a) Die medizinischen Bestandtheile dieses Wassers sind in folgender Abhandlung auseinandergesetzt: Diss. inauguralis sistens Examen chemico-medicum aquae acidulae Tarcsensis, vulgo Pinkafeldenis dictae - publ. disquifitioni
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commitit Ignatius Wetsch M. D.- Ed. altera. Viennae. 1763.8
b) Unterschützen, ein gräfl. Karl Batthyánisches Dorf, eine halbe Stunde von
Tatzmannsdorf.
c)
St. Martin, ein Dorf, drey Viertel Stunden von
Tatzmannsdorf, gehört dem Grafen Georg Erdödy.
d) Dieses Gebäude ließen Se. Er. Herr Graf
Theodor Batthyány für den Baron Tott, nach dessen eigener Angabe erbauen. Es enthält viele Zimmer, deren jedes zu einer besondern Werkstätte bestimmt war, der Keller sollte aber zu einem chemischen Laboratorium dienen. B. Tott verstand beynahe alle Gewerbe, nicht nur theoretisch, sondern auch in der Ausübung. Seine Lieblingsidee war, sich hier damit in der Einsamkeit zu beschäftigen. Er erreichte aber seine Absicht nicht, indem er schon im Jahre 1793 starb. -
Dieser merkwürdige Mann ward im J. 1730 in Paris gebohren; aber sein Water, der eigentlich Tóth hieß, war aus dem Neitraer Comitate gebürtig. Jener trat früh in französische Dienste, zeichnete sich höchst vortheilhaft aus, so, daß er zu hohen Chargen gelangte, als General zu wichtigen Verrichtungen an den türkischen Hof gebraucht wurde, während welcher Zeit er auch seine Memoires sur les Turcs. & les Tartares schrieb, (die in Amsterdam 1784 in 4 Bänden erschienen.) Bald nach seiner Zurückkunft nach Frankreich brach die Revolution aus, die ihn auch zur Auswanderung bestimmte. Da fand er nun bey Sr. Er. dem Hrn. Grafen
Theodor Batthyány eine Freystätte, wie er sie gewünscht hatte, mit reichlicher Unterstützung, um seinem thätigen Geiste eine nützliche und zwecksmäßige Beschäftigung zu verschaffen.
(P200)
e)
Jormannsdorf , dem Gr. Jos.
Joseph Batthyány gehörig, ist der Geburtsort des berühmten k. k. hofbuchdruckers
Johannes Thomas Edlen von Trattnern, welcher daselbst den II. November 1717 gebohren wurde.
f) Die Quelle des Mineralwassers, war vorhin mit einem hölzernen Gitter umgeben, welches ihr ein sehr ärmliches Ansehen gab. Seit 1795 steht über derselben ein offner, auf 8 Säulen ruhender Tempel, dessen Gesimse von einer Gallerie gekrönt ist, und den Hr. Gr. Ant. Jos. Batthyány von mir entwerfen und ausführen zu lassen geruhte. Wenn die daran angränzenden Gebäude, bey einer vorzunehmenden Veränderung um einige Klafter noch zurückgezogen, eine mit dem Tempel harmonirende Fasade erhalten, und der daran stoßende Fahrweg, etwas entfernt wird, so kann dadurch die Würde des Ganzen um vieles erhöhet werden.
g)
Sulzriegel, ein Dorf, gräflich
Theodor Batthyányisch.
h)
Mariasdorf, ebenso wie auch
i)
Bernstein (Borostyánkö),
k) Dieser Punkt liegt eine kleine halbe Stunde von
Tatzmannsdorf, zum Vergnügen der Brunnengäste wird hier ein Lustgebäude erbauet werden, mit einem Saal und einer Küche.
l)
Oberschützen, Dorf, Gräfllich
Theodor Batthyányisch berühmt durch seinen beträchtlichen Pferdhandel.
m)
Willersdorf,
Wißfleck,
Schreibersdorf, drey Dörfer, Gräfl.
Theodor Batthyányisch. In letztem ist 1795 ein Stahlofen erbaut worden.
n)
Pinkafeld, Marktflecken an dem Pinka Flüßchen, den beyden Grafen
Joseph Batthyány gehörig.
(P201)
o)
Steinamanger (Sabaria, Szombathely), eine bischöfl. Stadt, der Hauptort des Comitats, berühmt durch die römischen Antiquitäten, die hier gefunden wurden, und die Hr. Schönwisner beschrieben.
p)
Oberwart, (Felsö-Eör) ein großes Dorf, von lauter Edelleuten bewohnt.
q)
Rothenthurm, ein Gräfl. Georg Erdödischer Marktflecken.
r)
Füzes (Fidisch) ein Landstädtchen, dem Grafen Georg Erdödy gehörig.
s)
Güßingen, (Németh-Ujvár) berühmt in der Geschichte; der Stammort und die Familiengruft der Gräfl. Batthyánischen Familie, gehört jetzt dem Fürsten Louis Batthyány und dem Grafen Karl Batthyány.
t) Das
Bernstein Schwefelbergwerk verdiente eine eigene genaue Beschreibung. -
u)
Schlaningen, ( Szalonak) ein dem Hr. Mar und
Joseph Batthyány gehöriger Marktflecken, mit einem alten Schloß.
v)
Glashütten, hat dieselben Besitzer.