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GESAMTINHALT >

Zeitschrift von und für Ungern

Hrsg. von Ludwig Schedius
Pest, Patzko, 1802

Band 1, Heft 2

I. Abhandlungen und kürzere Aufsätze

Text 5 (S. 202-219) Teil 2 >
Autoren:
Zuordnung: Medizin

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5. Beyträge zur Geschichte der Schutzpocken in Ungern.

a) In Pesth

Von Doctor Franz Bene.
Vorbericht

Die Heilkunde, als ein Theil der Naturwissenschaft, geht mit dieser gleichen Schritt fort; daher die Geschichte der Heilkunde zugleich ein Beytrag zur Geschichte der Naturkunde und der Cultur des menschlichen Verstandes ist. Da der Zweck dieser vaterländischen Zeitschrift auch dahin geht, Beyträge zur Geschichte der Verbreitung und Beförderung des menschlichen Wissens in Ungern zu liefern: so wird eine Geschichte der Impfung der Kuhpocken in Ungern hier nicht am unrechten Orte stehen. Der Verfasser war der erste, der die Impfung der Kuhpocken in Pesth mit glücklichem Erfolg ausgeübt, und mehr als 200 Menschen dadurch von den Gefahren der häßlichen Blattern gerettet hat. Auch nach mehreren Gegenden Ungerns verpflanzte er dieselben. Er hat es dahero für seine Pflicht gehalten in dieser Zeitschrift öffentlich Rechenschaft zu geben über die Beweggründe, so wie über den Fortgang der von ihm unternommenen Impfung. Der Verfasser hoffet, daß feine Amtsbrüder nicht ermangeln werden, alles dasjenige in dieser Zeitschrift bekannt zu machen, wodurch der Naturforscher und Menschenbeobachter in den Stand gesetzt werden kann, die Verbreitung der wohlthätigen Kuhpocken in Ungern zu übersehen, und sichere Resultate daraus zu ziehen.

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§.1. Unter allen Krankheiten, welche das Menschenleben verbittern, sind die Pocken oder Blattern unstreitig eine der fürchterlichsten. Diese häßliche Krankheit wird durch ein ursprünglich ausländisches Gift erzeugt, welches von aussen dem menschlichen Körper mitgetheilt wird.

§. 2. Die Griechen, Römer, und die alten Einwohner Ungerns, die Hunnen, Awaren, und Magyaren haben die Verwüstungen der Blattern nicht gekannt. Europa war bis in das 12-te Jahrhundert von dieser Seuche ganz frey.

§. 3. In dem 12-ten Jahrhundert herrschte die größte Unwissenheit unter den Menschen. Finsterniß verbreitete sich über die ganze Erde. Die Wissenschaften waren verachtet; die Forscher der Natur verfolgt.

§. 4. In diesen finstern Zeiten der Barbarey, üben deren Folgen die Menschheit lange seufzte, wurde auch das Pockengift nach Europa verpflanzt. Schnell hatte sich die Krankheit über alle Völker ausgebreitett. Sie wüthete grausam um sich her; erwürgte mehr als die Hälfte der Menschen. Selbst ein großer Theil derjenigen, die dem Tode entgangen sind, wurden schreckbar verunstaltet. Viele tausende wurden blind, viele taub, viele gelähmt, viele verrückt, viele bekamen die Fallsucht, viele die Schwindsucht, viele den Beinkrebs u. dgl. und schleppten so ein jammervolles Leben mehrere Jahre hindurch.

§. 5. Die Menschen fühlten zwar die Wuth der Blatternkrankheit, setzten aber deren Verbreitung keine Gränzen,

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Weil sie blind, und thöricht waren. Sie hielten die Blättern für ein nothwendiges Nebel, womit der Himmel die Menschen züchtiget. So lassen die einfältigen Türken die West unter sich wüthen, ohne sich dawider zu verwahren. So verachtet der dumme Bauer alle Arzney, weil er jede Krankheit als ein Geschick des Himmels betrachtet. §. 6. Nachdem aber die Wissenschaften wieder zu blühen anfingen, und die Finsterniß verdrängten, wurde auch die Vernunft in ihre vorigen Rechte eingesetzt; und die Menschen faßten den Muth, sich von den Nebeln zu befreyen, welche durch die Unwissenheit unserer Vorältern sich eingeschlichen, und das Bürgerrecht erworben hatten.

§. 7. Man sah nun bald ein, indem man dem Ursprünge der Blattern nachforschte, daß diese Krankheit dem Menschen gar nicht nothwendig sey; daß sie zur Vollkommenheit des Körpers, gar nichts beytrage, vielmehr dieselbe hindere; daß sie ohne Mittheilung des Pockengiftes von aussen, ohne Ansteckung, gar nicht entstehe; daß sie aber doch, eine Empfänglichkeit des Körpers zur Aufnahme des Pockengiftes voraussetze; daß diese Empfänglichkeit durch die einmahlige Pockenkrankheit gänzlich zerstört werde, so, daß eine wiederholte Ansteckung ohne Wirkung wäre.

§. 8. Nachdem man eingesehen hatte, daß zu Entstehung der Blattern zwey Ursachen, nämlich die Ansteckung, und die Empfänglichkeit für das Blatterngift nothwendig waren, durfte man mit Grund schließen, daß die Mittel zur Vermeidung der Gefahren der Pockenn und selbst zur Ausrottung dieser häßlichen Krankheit darin bestehen, daß man entweder die Ansteckung gänzlich verhindere, oder die Empfänglichkeit zur Aufnahme des Blatterngiftes völlig zerstöre.

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§. 9. Die gänzliche Vermeidung der Ansteckung ist mit unendlich vielen Schwierigkeiten verbunden. Wir müßten, die Anstalten, welche wir wider die Pesth gebrauchen, annehmen. Dieses würde viel Aufopferungen erfodern, und wir könnten uns doch nur sehr langsam unserem Zwecke nähern, kaum ihn jemals ganz erreichen.

§. 10. Daher suchten denkende Köpfe solche Mittel auf, wodurch die Empfänglichkeit der Menschen für das Blatterngift aufgehoben werden könnte. Die Erfahrung lehrte, daß dieses Mittel in der Einimpfung der Kinderblattern lage, deren man sich beynahe seit einem Jahrhunderte schon mit gutem Erfolg bedient hatte.

§. 11. Aber diese Einimpfung der Blattern hat viele Hindernisse gehabt. Deswegen machte sie innerhalb hundert Jahren so wenig Fortschritte, daß man sie selbst in vielen Gegenden [Ungerns kaum dem Namen nach noch kennt. Die eingeimpften Blattern waren nicht selten mit gefährlichen Zufallen verbunden, hinterließen manchmal üble Folgen; durch sie wurden nur zu oft die Blattern mehr verbreitett. Sie erfoderten die beständige Aufsicht des Arztes, darum konnte der größte Theil der Menschen von diesem Mittel keinen Gebrauch machen.

§. 12. Im Fahre 1798 machte uns Eduard Jenner, ein englischer Arzt mit der Kuhpocke bekannt. Diese Entdeckung ist ohnstreitig die herrlichste des jüngst verflossenen an Erfindungen reichen Jahrhunderts; sie ist der schönste Triumph der menschlichen Vernunft; durch dieselbe hat die Menschheit bey weitem mehr gewonnen, als die verheerenden Kriege im letzten Jahrzehend

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verlor. Verbannt sind durch sie alle Gefahren der Blattern. Keine zärtliche Mütter wird mehr bey der Nennung dieser Krankheit zittern, keine mehr wegen des Lebens ihres Kindes in Furcht schweben. Wir werden nicht mehr die Folgen der Unwissenheit unserer Vorältern fühlen. Wir werden keine Blindheit, keine Láhmung, keine Schwindsucht, keine Verunstaltungen mehr als Nachkrankheiten der Pocken beobachten. Der späteste Nachkomme wird Jenners Name mit Verehrung nennen, und auch uns gefühlvoll segnen, daß wir diese Entdeckung zum Wohl der Menschheit so eifrig zu verbreiten suchten.

§.13. Die Vortheile der Kuhpocken, welche uns E. Jenner mitgetheilt hat, sind folgende: 1. Die Einimpfung der Kuhpocke erzeugt außer einer kleinen Unpäßlichkeit gar keine besonderen kränklichen Zufalle. 2. Die Pocke bricht nur an der Impfstelle aus, sonst erscheint sie nirgends im Körper. 3. Die Berührung des Geimpften, oder seiner Kleidungsstücke, oder der ihn umgebenden Luft ist gar nicht ansteckend. 4. Die Impfung kann in jedem Alter, zu jeder Jahrszeit unternommen werden. 5. Sie läßt gar keine Nachkrankheiten nach sich. 6. Sie tilgt vollkommen die Empfänglichkeit für die Blattern.

§. 14. Diese Vortheile der Kuhpocken hat Jenner nicht in seiner Studierstube erdichtet; er wurde zur Erkenntniß derselben durch die sorgfältige Beobachtung der Natur geführt. Er führt Beyspiele von Menschen an, welche schon vor 25, 27, 31, 53, Jahren die Kuhpocken überstanden haben, auf welche das Blatterngift keine Wirkung mehr hatte, und bey welchen man nach Verlauf so vieler Jahre gar keine Nachkrankheit bemerken konnte.

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§.15. Die Beobachtungen Jenners sind bald in verschiedenen Gegenden durch die Erfahrung gleichfalls bestattigt worden, und so wurde die Impfung der Kuhpocke bald in ganz England eingeführt, von danach Deutschland, Frankreich, Dänemark, Schweden, Spanien, Italien, ja sogar nach Asien, Afrika, und Amerika verpflanzt. In dem ganzen Felde der Künste und Wissenschaften findet man keine Entdeckung, welche mit solcher Schnelligkeit, innerhalb zwey Jahren beynahe über die ganze Welt wäre verbreitet worden. Man hat die großen Vortheile der Kuhpocke überall erfahren. In London allein impfte man in einem Jahre über 60000, von welchen 10000 der Blatternansteckung absichtlich ausgesetzt wurden; bey keinem einzigen ist die Blatternkrankheit erschienen.

§. 16 Diese entschiedenen Vortheile der Kuhpocke haben auch den Verfasser bewogen, dieselbe nach Pesth zu verpflanzen. Er hat die erste Impfung mit glücklichem Erfolge verrichtet den 27-ten August 1801, und bis Ende Februar 1802 waren bereits 200 Menschen von verschiedenem Alter durch ihn geimpft worden. Bey 6 war die Impfung ohne allen Erfolg; bey 10 erschienen unächte Kuhpocken; die übrigen 184 haben alle die ächte Kuhpocke gehabt.

§. 17 Der Verlauf der ächten Kuhpocken war bey allen folgender. Am dritten Tage nach der Impfung hat man an der Impfstelle einen kleinen etwas erhabenen harten rosenrothen Fleck bemerkt. Am fünften Tage war der rothe Fleck von der Größe, einer Erbse, und hatte in der Mitte schon eine kleine mit klarer Feuchtigkeit gefüllte durchsichtige Blase. An diesem

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Tage haben viele, doch bey weitem nicht alle ein kleines Fieber bekommen, welches sich durch etwas vermehrte Hitze, und Unruhe äußerte. Am siebenten Tage war der rothe Fleck schon von der Größe eines kleinen Groschen; die durchsichtige weisse Blase in der Mitte merklicher. Am neunten, oder zehnten Tage dehnte sich der rothe ziemlich harte Umkreis stark aus, bis zur Größe eines Guldenstückes; oder eines Kronthalers. Die weisse Blase war strotzend, hatte in der Mitte eine Vertiefung; und man hat deutlich wahrnehmen können, daß sie durch feine Scheidewände in mehrere Flachen eingetheilt sey. Diesen Tag wurde die Blase geöffnet, und die kristallklare durchsichtige Feuchtigkeit zur anderweitigen Impfung angewendet. An diesem Tage hat man fast bey allen ein kleines Fieber bemerkt. Den zehnten Tag haben viele Impflinge Schmerzen unter den Achseln verspürt; bey einigen waren selbst die Achseldrüsen geschwollen, bey einem sechstagigen Mädchen die Brüste. Diese Geschwülste zertheilten sich ohne Anwendung irgend eines Mittels nach wenigen Tagen. Den 12-13-ten Tag nahm der rothe harte Umkreis allmahlig ab; die Blase hat in der Mitte einen braunen Punkt bekommen, der sich immer weiter verbreitete, so daß den 15-16-ten Tag die ganze Blase zu einer braunen Borke ausgetroknet war. Diese ist den 21-25-ten Tag nach der Impfung abgefallen. Es hat sich bey keinem der Geimpften irgend ein kränklicher Zufall ereignet; daher der Verfasser gar keine Arzeney angewendet hat. Es erhellet aus dieser kurzen Beschreibung, daß wir also in Pesth schon in dem Besitz der achten Kuhpocken sind. Der Verf. wird daher auch ferner fortfahren, so viel ihm möglich ist diese große Entdeckung zur Vermin-

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derung des menschlichen Elendes unter seinen Mitbürgern zu verbreiten. Er kann bey dieser Gelegenheit nicht unterlassen, seinen innigsten Dank dem Löblichen Magistrate der k. Freystadt Pesth öffentlich abzulegen, für die väterliche Sorgfalt, womit derselbe des Verfassers Ansuchen um die Erlaubnis den Waisen und Findelkindern die Kuhpocken einimpfen zu dürfen, mit so vieler Theilnahme und Bereitwilligkeit aufgenommen, daß alsogleich die nöthigen Maaßregeln zur Ausführung einer solchen Impfungs - Anstalt getroffen wurden. Um jeden Schein des Zweifels über die wohlthätige Wirkung der Kuhpocken zu vertilgen, will der Bf. an allen den von ihm bisher Geimpften, im gegenwärtigen Frühjahr die Gegenimpfung vornehmen. §. 19. Der Bf. ist jedoch nicht der einzige, der sich nun in Pesth mit der Impfung der Kuhpocken beschäftiget. Seit der Zeit als er dieselbe eingeführt hat, wird sie mit glücklichem Erfolg ausgeübt vom Hrn. Prof. v. Stáhly, Hrn. Prof. Szening, Hrn. Dr. Eckstein, Hrn. Dr. Márton, Hrn. Dr. Rumbach, Hrn. Dr. Szombathy dem jüngern, Hrn. Dr. Küttel, und Hrn. Dr. Kováts so wie auch von den Hrn. Wundärzten Fasser, Fleischer, Hanf, Ágoston , u. a. m.

b. In Preßburg.

(Nach einem authentischen Berichte an die k. Statthalteren.)

Im Monat Juli 1801 hat der städtische Physicus (Dr. v. Huszty in Preßburg, mit vom Hrn. Dr. Carene erhaltenen Impfsaden einige Versuche gemacht.

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die Kuhpocken einzuimpfen, jedoch ohne gewünschtem Erfolg. Indessen hat zu Ende dieses Monats der Rector des hiesigen evang. Gymnasiums Hr. Fabri seine drey Kinder in Raab vom Hrn. Dr. Beke vacciniren lassen, und kam gleich nach der Operation mit denselben wieder nach Preßburg zurück. Zwey davon haben die Kuhpocken regelmäßig bekommen, das dritte aber nicht. Der städtische Physicus ergriff sogleich die Gelegenheil mit frischer Kuhpockenmaterie den 5-ten August am 9-ten Tage des Verlaufs, mehrere Kinder in Gegenwart des Hrn. Dr. Lumnitzer und der Wundärzte Slaby und Sullowiny mit regelmäßigem Erfolge zu vacciniren. Gleich darauf haben die Hrn. Dr. Lumnitzer und Kolbány, und die Wundärzte Slaby, Sullowiny und Küssner angefangen, die Kuhpocke zu impfen, so daß im Monat August 6z vaccinirt wurden, worunter nur eine Anomalie durch zu geschwinden Verlauf, und 2 ganz fruchtlose Impfungen beobachtet wurden.

Nachdem die gute Sache der Vaccination im folgen-den Monat September das Ansehen zur weitern Verbreitung zu gewinnen scheint, und dieselbe von Seiten des Physicats mit Grunde als ein öffentlicher Medicinalgegenstand betrachtet wird, so hat dasselbe am 5-ten Septemb. alle stadtische Wundarzte beruffen, und in Gegenwart der Hrn. Drn. Lumnitzer und Endlicher, indessen bis von der Allerhöchsten Stelle ein besseres Normatio darüber gegeben wird denselben folgende Maaßregeln zu beobachten anempfohlen.

I. Nicht zu vacciniren, bevor sie nicht deCarro's Werk mit Aufmersamkeit gelesen, und vorher bey einem im Vacciniren geübten Arzte oder Wundärzte die Art zu vacciniren beobachtet haben; besonders aber nach An-leitung desselben Werkes, a) von keiner Person oder keinem Kinde Materie zum vacciniren zu nehmen, wo die historische Gewißheit der nicht überstandenen natürlichen Pocken fehlen sollte; b) von einer Pockeninokulations - Lanzette nie einen Gebrauch zum vacciniren, noch von einem Vacci-

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nations -Instrumente einen andern chirurgischen Gebrauch zu machen; c) eine größere Anzahl von Impflingen in mehrere verhaltnißmäßige Impfungs - Zeiträume einzutheilen. II. Ihre Impflinge nicht gleich dem Schicksale zu überlassen, sondern bis zu Ende gehörig zu beobachten.

III. Es sogleich dem Physicus anzuzeigen, wenn sie während dem Verlaufe der Kuhpocke gefährliche Zufalle oder sonst etwas auffallend Abweichendes von der Regel beobachten, oder wenn wohl gar natürliche Pocken dabey oder dafür erscheinen, oder später bey gelungener oder mislungener Vaccination nachfolgen sollten.

IV. Ueber alle ihre Vaccinirte mit Tauf- und Zuname und Alter, nebst der Anzeige eines ungewöhnlichen Verlaufes, der Revaccination, oder des ganzlichen Fehlschlagens auf dreymaliges Vacciniren, ein Protokoll zu führen, damit wenn der Ausweis desselben von der Allerhöchsten Stelle abgefordert würde, derselbe mit Bestimmtheit erfolgen könne. V. Daß jeder, welcher anfängt zu vacciniren, es dem Physico pro notitia anzeigen soll.

Preßburg am 10. September 1801. Theoph. Huszty M. D. & L. R. C. Posoniensis Physicus. Steph. Lumnitzer. M. D. & L. R. C. St. Georgiensis Physicus. Ignat. Endlicher, M. D.

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c. In Keßthely.

Im Anfange des Monats August 1801 reisete Hr. Joh. Ásboth, Prof. der Oekonomie und Verwalter des gräfl. Georg Festetitschischen Georgikons zu Keßthely. nach Oedenburg, und ließ daselbst durch Hrn. Dr. Pelegrini der dort nebst Hrn. Dr. Hell bis dahin bereits gegen hundert Kindern die Kuh- oder Schutzpocken mit dem glücklichsten Erfolge eingeimpft hatte, den 4-ten August diese Pocken seinem damals sieben Monate alten Sohn Gregor gleichfalls einimpfen. Den 9-ten August trat er mit dem Impflinge seine Rückreise nach Keßthely. an. Sobald auf diese Art die Schutzpocken nach Keßthely verpflanzt waren, suchte der durch seine gemeinnützigen Aufopferungen und durch die eifrigste Unterstützung alles Guten so berühmte Hr. Graf Festetitsch Georg von Tolna die Verbreitung der Schutzpocken durch menschenfreundliche Ermunterungen auf das thätigste zu befördern. Den 10-ten August wurden in Gegenwart des Grafen von jenem Kinde durch die hiesigen Aerzte Hrn. Dr. Gutten und Hrn. Lissiak mehrere andere Kinder ebenfalls mit dem bestem Erfolge eingeimpft. Unter diesen Kindern befand sich auch eine eigene Tochter des Hrn. Dr. Gutten. Beyde Aerzte wiederholten diese Einimpfungen, dann von Zeit zu Zeit an vielen andern Kindern, und setzen dieselben —besonders Hr. Dr. Gutten— auch jetzt noch immer fort. Voll von Freude über den erwünschten Fortgang der Schutzpocken in Keßthely, schrieb der Hr. Graf den 2-ten September eben desselben Jahrs an die Stände des Szalader Comitats, und empfahl ihnen, die Schutzpocken durch öffentliche Auctoritat im Comitate allgemeiner zu machen. Die sich hierauf beziehende Stelle des Berichts ist wörtlich folgende:

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… Intemeratam meam fidem in promovenda publica utilitate, devotionemque erga Inclyt. SS. & OO. ultro contestaturus, praemissis illud adhuc in omni humilitate subjungendum esse duxi: in recenti memoria tenere dignabuntur Incly. SS. & OO. inoculationem vaccinarum variolarum originarie in regno Angliae, amplissimo omnis generis scientiarum theatro, ante plures adhuc annos adinventam, ad praecavendam naturalium variolarum pestilentiam jam in provinciis quoque Suae Majestatis Sacratissimae haereditariis cum fructu inductam haberi. Similes vaccinas variolas Provisore meo Instituti Oeconomici Georgicon Domino Joanne Ásboth non pridem Sopronio isthuc adferente, earum utilem inoculationem medio Clarissimi Domini Gutten ordinarii Convictus Nobilium Physici, nec non alterius private mei Medici Clarissimi Lissiak, qui seeus Xenodochium quoque meum Keszthelyense providet, tentari procuravi; eamque uterque Dominorum Medicorum optimo cum effectu & successu hic in Keszthely continuant. Cum autem per inoculationem vaccinae variolae infantes lethiseris illis morbis, quos naturales variolae seccus causare solent, minus afficerentur, mullisque corporis doloribus subjicerentur, cum porro de utilitate magni aestimandae Inoculationis hujus per omnes Proto- Medicos medicasque facultates aprobatae, in contriibuentem etiam plebem redundatura Inclytos Status & Ordines magis convictos esse confidam, quam ut de ea fusius diferere oporteat, e re fore humillime censerem, si Inclyta Universitas ea ratione subversantis publicae utilitatis provisionem hanc jam in oppidio Keßthely inductam & porro duraturam, medio currentalium per gremium I. Comitatus notam publicamque reddere, eamque taliter gratiosissime protegere dignaretur.

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In der darauf erfolgten Antwort vom 14 Septemb. autorisirten die Stände des Szalader Comitats die allgemeine Einführung der Schutzpocken im Comitate öffentlich. Die sich hierauf beziehende Stelle des Antwortsschreibens ist wörtlich folgende: Illustrissime Comes, Domine nobis gratiosissime!

. . Quoniam vaccinarum variolarum inculatio recenter introducta & in iisdem gratiosis litteris una communicata, pariformi omnium voto acceptata haberetur, Processualibus nostris Chirurgis in commissis datum exstitit, ut fine capiendae scientiae hujus, multum alioquin humanae saluti proficiendae uberioris informationis ad Physicum Illustritatis Vestrae, alias Chirurgum Processualem aeque nostrum a Gutten recurrant, super factis in praesenti scientia eorum progressibus, quo praememorata inoculatio in gremio Comitatus nostri communiter adhiberi queat, nos genuine informaturum.- E congregatione nostra generali anno 1801, die 14-ta & subsequis mensis Septembris in oppido Szala Egerszegh celebrata. Illustritatis Vestrae Obsequentissimi servi Universitas Comitatus Zaladiensis. Seitdem werden nun auch in unsern Gegenden immer mehr Menschen der künftigen Generationen durch die wohltätigen Schutzpocken erhalten, und diese werden hoffentlich, vorzüglich durch die fortdaurende menschenfreundliche Mitwirkung des großmüthigen Grafen, auch in den benachbarten immer mehr verbreitet werden. Keßthely, den 24. Februar 1801.

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d. In Rosenau.

Vom Dr. G. von Marikovszky.

Die Pocken, welche in unserer Stadt alle vier Jahre erscheinen, sind fast immer mit Nervenfieber verbunden, folglich sehr bösartig. Um von dieser mörderischen Krankheit so viele Kinder, als möglich, befreyen zu können, sparte ich keine Mühe, die Kuhpocken-Impfung auch in unserer Stadt einzuführen; zu dem Ende bat ich im August 1801 meinen Freund Hrn. Dr. Schreter in Leutschau, daß er mir von der Kuhpockenmaterie, welche er eben aus Brünn erhielt, übersenden möchte; er war auch so gütig mir davon etwas mitzutheilen. Die ersten Versuche machte ich an drey Kindern von verschiedenem Alter, nämlich an einem Mädchen von einem Jahre, dann an den beyden Söhnen des Hrn. Dr. von Pillmann meines würdigen Collegen, deren einer 16, der andere 12 Jahre alt war. Die Pustel an der geimpften Stelle war regelmäßig; an den ganzen Armen bemerkte ich an allen drey Impflingen den 5-ten Tag, 20 bis 30 rothe Pusteln mit einem kleinen Hof, welche aber in etlichen Tagen verschwanden. In der Folge bemerkte ich, dass die Brünner Kuhpockenmaterie am längsten ihre ansteckende Kraft beybehielt, und immer mehr oder weniger einen pustulösen Ausschlag bewirkte.

Im September impfte ich mit einem Faden, den selbst der verdienstvolle Pressburger-Arzt Hr. v. Huszty mit Kuhpockenmaterie schwängerte, und mir überschickte, drey Kinder, von 1, 3 und 4 Jahren. Alle bekamen regelmäßige Pusteln.

Im Oktober bekam ich Kuhpockenmaterie an Fäden und Lanzetten, von meinem werthen Freund Hrn. Dr. v. Schmidt, Physikus in der k. k. Familien Herrschaft

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Eckarthsau in Oesterreich. Mit dieser Materie wurden 4 Kinder eingeimpft. Ein Mädchen von 5 Monaten impfte ich dreymal, zu verschiedenen Zeiten, doch alle dreymal war die Operation fruchtlos. Die Mutter dieses Kindes hatte noch nicht geblattert, auch die Einimpfung der Kuhpocken wurde an ihr noch nicht versucht. Durch die Bemühung des Hrn. Grafen Andrássy Leopold , habe ich es auch schon so weit gebracht, daß die Aeltern im ganzen Dorfe Bethler, ihre Kinder mit Kuhpocken einimpfen lassen. Rosenau, den 5. März 1802.

e. An der siebenbürgisch- walachischen Gränze.

Tief im Gebirge jenseits des Mauthkordons vom Türzburger Passe befindet sich eine ziemliche Anzahl walachischer Familien. Von den elenden Hütten, worin sie wohnen, werden sie Kalibaschen genannt, weil Kaliba in ungrischer Sprache eine Hütte heißt. Ihre beynahe gänzliche Entfernung von aller gesitteten Welt hat die Folge, daß diese Leute in Rücksicht der Cultur sehr tief, selbst unter den übrigen walachischen Einwohnern des Landes, stehen. Man stelle sich nun den Jammer vor, als hier vor einiger Zeit eine Pockenepidemie der bösesten Art ausbrach, die in wenig Tagen verheerend um sich griff. In jeder Hütte, wohin das Uebel eingedrungen war, sah man Todte, und manche zählte drey und vier, theils Kinder, theils Erwachsene, Opfer

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der fürchterlichen Seuche. Die Nachricht davon kam an das Türzburger Dreyßigstamt: mit menschenfreundlichem Eifer eilte der Hr. Dreyßiger der Verbreitung des Uebels zu steuren Unter andern zweckmäßigen Rathschlägen, die er gab, empfahl er auch die Schutzpockenimpfung, deren wohlthätige Folgen er darstellte. Allein lange war hier mit einer großen Menge von Vorurtheilen zu kämpfen. Endlich siegte das Gefühl des Jammers und der Gefahr, verbunden mit den satzlich und mit Wärme vorgetragenen Gründen: die Kalibaschen entschlossen sich, ihre noch übrigen Kinder der Impfung zu unterwerfen. Der verdienstvolle Kronstädter Stadtphysicus Hr. Tartler impfte nun, auf die sorgfältigste und uneigennützigste Art, vier und siebenzig Personen mit erwünschtem Erfolge, und errichtete den Schutzpocken auch unter diesen Halbwilden eine Trophäe. Unter den Geimpften befanden sich auch Leute aus der Walachey. Wahrscheinlich wird nun entweder die Schutzpocke selbst, oder doch wenigstens die Empfänglichkeit der Einwohner für die Anwendung dieses wohlthätigen Rettungsmittels auch in dieser benachbarten Provinz verbreitet werden. —

f. In Komorn.

Von Doktor Johann Seth. *) In Komorn war Dr. Nagy der erste, der mit der Kuhpockenimpfung den Anfang machte, und zwar an

*) S. dessen neueste Schrift: „Versuch über die Blatternimpfung und deren wesentliche Vorzüge u. s. w. Komorn. 1801. 8. Seite 166. f.

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seinem eigenen Kinde. (Er gab auch die bereits im ersten Hefte dieser Zeitschrift S. 121. angezeigte Volksschrift zur Belehrung des gemeinen Mannes darüber in ungrischer Sprache heraus). Von diesem impfte ich das meinige; und nachdem beyde Versuche nach Wunsch gelangen, so eilten mehrere Aeltern, von dem großen Nutzen dieser Impfungsart nun überzeugt, ihre Kinder von uns einimpfen zu lassen. Die Zahl der mit den Schutzpocken durch mich, den Hrn. Dr. Nagy und Comitatschirurgen Ferentzi, innerhalb vier Monaten glücklich Geimpften, beläuft sich schon über 300.

Der würdige Prediger Farkasch zu Komorn. hielt zur Empfehlung der Kuhpocken eine feyerliche Predigt, worin er seine Zuhörer über die Vortheile der Schutzpocken belehrte, und zur Verbreitung derselben aufmunterte. Die Wirkung dieses edelmüthigen Vortrages entsprach auch ganz seinen Wünschen, indem viele Aeltern seitdem erst ihre Kinder freywillig der Vaccination unterwerfen.

Auch Se. Er. Graf Franz Eszterházy. haben zur Beförderung der Kuhpockenimpfung in dem Komorner Comitate vorzüglich dadurch auf eine sehr edle Art beygetragen, daß Sie von meinem Werke: "Versuch über die Blatterneinimpfung" in jeder Ortschaft Ihrer Grundherrschaften vier bis sechs Exemplare, nämlich an die Seelsorger, Beamten, Richter, Notäre u. a. unentgeltlich vertheilen ließen, um dieselben über die Nützlichkeit dieser Entdeckung zu belehren und der guten Sache desto eher Eingang zu verschaffen.

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g. Im Szathmárer Comitate.

Die löblichen Stände des Szathmárer Comitate haben zur Einführung und Verbreitung der wohlthätigen Schutzpocken in diesem Comitate, in der am 8. März d. J. in Großkároly gehaltenen Generalversammlung beschlossen, denjenigen zwey Wundärzten, welche durch glaubwürdige Zeugnisse erproben würden, daß sie sich bemühten, die Einimpfung, der Schutzpocken in diesem Comitate einzuführen und zu befördern, so wie die dagegen herrschenden Vorurtheile zu verbannen, jedem eine Prämie, von 12 Dukaten zu ertheilen.
Topic revision: r39 - 19 Dec 2011, KatalinBlasko
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