Bl\xE4ttern:
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II.
(P9)
Uiber die Erhaltung der Gesundheit.
Unter den unz\xE4hligen Thorheiten, wodurch wir uns in unserer Jugend,
Reue und Gewissensbisse aufs Alter
sammeln, befindet sich kaum eine, f\xFCr
welcher man so vergeblich warnet, als
die Vernachl\xE4\xDFigung der Gesundheit.
Wenn die Triebfedern der Bewegung in
ihrer v\xF6lligen St\xE4rke sind, wenn das
Herz f\xFCr Munterkeit h\xFCpft, und das
Auge vom Muhte funkelt, lassen wir
uns schwerlich \xFCberzeugen, welche
Schw\xE4chlichkeit und Z\xE4rtlichkeit die
Stunde auf uns bringt, und k\xF6nnen
wir uns nicht einbilden, da\xDF die Nerven,
die jetzt mit so vieler St\xE4rke gespannt
sind, und die Glieder, die so gesch\xE4ftig
spielen, alle ihre Kr\xE4fte unter der kalten
Faust der Zeit verliehren, erschlaffen,
und f\xFCr Schwachheit zittern werden.
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Unter den Gr\xFCnden, die man wider
die Klagen unter den Beschwerlichkeiten
des Lebens, gebrauchet hat, haben die
Weltweisen, meines Erachtens vergessen, die Unglauben derer zu erw\xE4hnen,
denen wir unser Leiden erz\xE4hlen. Wenn
aber die Absicht der Klage ist, Mitleiden
zu erregen, und wenn Mitleiden eine
Sympathie voraussetzen mu\xDF: so ist es
gewi\xDF etwas unn\xFCtzer f\xFCr Alter und
Schwachheit, ihre kl\xE4glichen Geschichten
zu erz\xE4hlen. Denn eine geringe Aufmerksamkeit wird ihnen zeigen, da\xDF diejenigen, welche keine Pein f\xFChlen, selten
gedenken, da\xDF andere leiden; und ein geringes Nachsinnen wird fast jedermann
lehren, da\xDF man ihm die Beleidigung heimgiebt, die er andern erwiesen hat,
indem er sich besinnen kann, wie oft er die
Schw\xE4chlichkeit mit Verachtung behandelt, ihre Warnungen verspottet, und
ihre Ungeduld getadelt habe.
Das Geschlecht der Kr\xE4nklichen hat
die Sorgfalt f\xFCr die Gesundheit dadurch
l\xE4cherlich gemacht, da\xDF sie ihr die Oberherrschaft \xFCber alle andere Betrachtungen einger\xE4umet haben; so wie der Geizhals die Sparsamkeit in Verachtung ge
bracht hat, indem er die Liebe des Geldes sein Gem\xFCht nicht nur zum Theile,
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sondern ganz und gar hat einnehmen
lassen. Sie irren beyde, indem sie die
Mittel mit dem Endzwecke verwechseln.
Die einen d\xFCrsten nach Gesundheit, blo\xDF,
um sich wohl zu befinden; wie die an
dern nach Geld, blo\xDF um reich zu seyn :
und vergessen, da\xDF jedes irrdische Gut
haupts\xE4chlich kostbar ist, in so ferne es
F\xE4higkeiten zur Aus\xFCbung der Tugend
verschaffet.
Die Gesundheit ist in der That zu
allen Pflichten des Lebens sowohl als zu
seinen Erg\xF6tzlichkeiten so nohtwendig, da\xDF
es ein eben so grosses Verbrechen als
Thorheit ist, sie zu verschulden; und
derjenige, der einigen wenigen Vergn\xFCgungen zu gefallen, sich Schwachheiten
und Krankheiten zuziehet, und f\xFCr die
Lustbarkeit einer Handvoll Jahre, die
im l\xE4rmenden Get\xF6se, im Get\xFCmmel
des Zeitvertreibs, und im Geschreye der
Fr\xF6hlichkeit, zugebracht ward, den reiferen und erfahrenen Theil seines Lebens ins Zimmer und ins Bette verdammt, verdienet, nicht nur ein Verschwender seiner eigenen Gl\xFCckseligkeit,
sondern auch ein R\xE4uber des Publikums
genannt zu werden; weil dieser Elende
sich vors\xE4tzlicher Weise zu den Pflichten
seines Standes unt\xFCchtig gemacht, und
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jenes Amt ausgeschlagen hat, das die
Vorsehung ihm in dem allgemeinen Tagwerke der menschlichen Natur angewiesen hatte.
Vielleicht giebt es sehr wenige Umst\xE4nde, die mehr Mitleiden verdienen,
als der Zustand eines gesch\xE4ftigen und
erhabenen Geistes, der unter der Last
eines kr\xE4nklichen Leibes arbeitet. Die
Zeit eines solchen Mannes wird allezeit
angewendet, Entw\xFCrfe zu machen, an
deren Ausf\xFChrung ihn eine Ver\xE4nderung des Windes hindert. Seine Kr\xE4fte verrauchen in Planen und Hoffnungen,
und der Tag der Thatigkeit bleibt ewiglich aus. Er legt sich voller Freude
\xFCber die Gedanken des folgenden Morgens, nieder; schmeichelt seinem Ehrgeize
mit dem Ruhme, den er erwerben, oder
seiner Gutth\xE4tigkeit, mit den Wohlthaten, die er erzeigen will. — Allein, in der
Nacht \xFCberl\xE4uft der Himmel, die Luft
\xE4ndert sich; er erwacht in Mattigkeit,
Ungeduld und Verzweiflung, und
w\xFCnscht nichts mehr als Ruhm, und
f\xFChlt nichts mehr als Pein. Man kann
sagen, da\xDF Krankheit gemeiniglich jene
Gleichheit anfange, die der Tod vollendet. Die Vorz\xFCge, die einen Menschen
so sehr \xFCber den andern erh\xF6hen, werden
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in der D\xFCsternheit eines Krankenzimmers
sehr wenig bemerkt. Hier erwartet man
umsonst, Zeitvertreib von den Fr\xF6hlichen,
oder Unterricht von den Weisen; wo
aller menschliche Glanz verdunkelt, der
Witz umnebelt, der Verstand verwirret,
und der Held bezwungen wird: wo der
H\xF6chste und Gl\xE4nzendeste unter den Sterblichen findet, da\xDF ihm nichts mehr \xFCbrig
bleibt, als das Bewu\xDFtseyn der Unschuld.
Unter den Fragmenten der griechschen Dichter findet man ein kurzes Lobgedicht auf die Gesundheit; worinn ihre Macht, die Gl\xFCckseligkeit des Lebens
zu erh\xF6hen, die G\xFCter des Gl\xFCcks zu
versch\xF6nern, und den Besitz mit Gen\xFCsse
zu kr\xF6nen, so nachdr\xFCcklich und reizend
eingesch\xE4rft wird, da\xDF niemand, wenigstens niemand, der jemals unter der
Pein und Schw\xE4chlichkeit einer langweiligen Krankheit geschmachtet hat, ihn lesen kann, ohne dessen Bilder in seinem
Herzen zu f\xFChlen, und von seiner eigenen Erfahrung dem Wunsche neue Kr\xE4ften, und von seiner eigenen Einbildungskraft, dem Gem\xE4lde neue Farben zu geben. Die besondere Veranlassung die
ses kleinen Gedichtes ist nicht bekannt;
es ist aber zu vermuhten, da\xDF sein
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Verfasser krank gewesen war, und in den
ersten Entz\xFCckungen der wiederkehrenden
Kr\xE4fte, die Gesundheit folgenderma\xDFen
angeflehet hat.
"Gesundheit, verehrensw\xFCrdigste
unter den M\xE4chten des Himmels! Begl\xFCcke den Uiberrest meiner Tage, versage mir deinen unsch\xE4tzbaren Segen nicht ! Denn welche Sch\xF6nheit
oder Vergn\xFCgen wir an Sch\xE4tzen, an
Kindern, oder der Oberherrschaft, dem
h\xF6chsten Gipfel menschlichen Genusses,
oder in jenen Gegenst\xE4nden der Begierde finden, die wir in das Garn
der Liebe zu jagen trachten; welchesErg\xF6tzen und welchen Trost uns die
G\xF6tter auch zur Minderung unserer
Arbeiten verleihen, so keimen alle diese
Freuden nur in deiner Gegenwart, du
Mutter der Gl\xFCckseligkeit, nur alsdenn
bl\xFChen sie! In deiner Gegenwart bl\xFChet der Fr\xFChling des Vergn\xFCgens, und
ohne dich ist keine Freude!,,
So m\xE4chtig ist die Gesundheit, da\xDF
ohne ihre Mitwirkung jedes andere Gut,
unschmackhaft und leblos ist, wie die
Kr\xE4fte des Pflanzenreichs ohne die
Sonne. Und dem ohnerachtet wird dieser Segen gemeiniglich in gedankenloser
Nachl\xE4\xDFigkeit oder th\xF6richten Versuchen
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unserer eigenen St\xE4rke verschleudert, wir
lassen ihn zu Grunde gehen, ohne uns
seines Werhts zu erinnern; oder verschwenden ihn, um zu zeigen, wie \xFCberfl\xFC\xDFig wir ihn besitzen. Bisweilen wird
er der Haushaltung des Leichtsinnes und
Zufalles \xFCberlassen, und bisweilen f\xFCr
den Beyfall der Ausschweifung und
Schwelgerey verkaufet.
Die Gesundheit wird von den Anh\xE4ngern der Arbeit und den Nachfolgern
des Vergn\xFCgens gleich sehr und gleich
th\xF6richt verabs\xE4umt. Die einen zerst\xF6hren das Geb\xE4ude ihrer Leiber durch unaufh\xF6rliche Schwelgereyen, und andere
durch \xFCberm\xE4\xDFiges Studieren. Die einen rei\xDFen es durch Ausschweifungen darnieder, und andere untergraben es durch
Unth\xE4tigkeit.
Es w\xFCrde wenig n\xFCtzen, dem l\xE4rmenden Schwarm bacchanalischer Schwelger
Ermahnungen zu geben; so leicht man
auch beweisen kann, da\xDF, wer Gesundheit verliert, Vergn\xFCgen einb\xFC\xDFet Ihr
Geschrey \xFCbert\xE4ubt das Lispeln der Warnung; und sie rennen in der Laufbahne
des Lebens zu eilig, als da\xDF sie auf den
Ruf der Wei\xDFheit sollten stille stehen.
Eben so wenig Geh\xF6r werden vielleicht diejenigen, deren Gesch\xE4ft es ist,
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Tausende auf Tausende zu Haufen, dem,
jenigen geben, der sie erneuern wollte,
ihren W\xFCnschen langsamer zuzuellen,
weil aber dennoch Liebhaber des Geldes
gemeiniglich kaltsinnig, nachdenkend und
gesetzt sind; so sollten sie gewi\xDFlich bedenken , da\xDF sie das gr\xF6\xDFere Gut dem
geringern nicht aufopfern sollten. Gesundheit ist gewi\xDF kostbarer als Geld,
weil man durch und in Gesundheit Geld
erwerben kann; dahingegen Tausende
und Millionen wenig helfen k\xF6nnen, die
langsame Folter des
Podagra zu lindern, die zerbrochenen Werkzeuge der
Sinnen auszubessern, oder die Kr\xE4fte
der Verdauung wieder zu erwecken. Die
Armuht ist in der That ein Uibel, das
wir nat\xFCrlicher Weise fliehen! la\xDFt uns
aber nicht von dem einen Feinde zum andern rennen, noch in die Arme der Krankheit fliehen!
- Proiecere animam! quam vellent aethere in alto
Nunc & pauperiem, & duros tolerare labores!
Das Uibrige k\xFCnftig.
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