Bl\xE4ttern:
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III.
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Beschlu\xDF des vorhergehenden St\xFCcks.
Diejenigen, welche ihre Gesundheit,
bey einem unordentlichen, und zu
heftigen Studiren zusetzen, sind
noch weniger zu entschuldigen. Denn,
wie Betrachtung, und Nachdenken ihre
Profession ist, so sollten sie wissen, da\xDF
man den Leib nicht \xFCber seine Kr\xE4fte
anstrengen kann, ohne mehrere Kr\xE4fte
zu verlieren, als die hervorgebrachte
Wirkung wehrt ist; und da\xDF, wer sein
Leben zum Voraus anfeindet, indem er
sich der Ruhe und Erfrischung beraubet,
nicht nur die Stunden zur\xFCckbezahlen,
sondern sie auch mit Wucher heimgeben;
und f\xFCr den Gewinn einiger weniger,
nur halbgenossener Monate, ganze Jahre dem Uiberdrusse der Kraftlosigkeit,
und der Unvers\xF6hnlichkeit des Schmerzens \xFCberlassen mu\xDF. Diejenigen,
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welche nach vorz\xFCglichen Eigenschaften sterben , werden zuletzt, vielleicht zu sp\xE4t
lernen, wie gef\xE4hrlich die Krankheiten
des Leibes f\xFCr den Verstand sind ; und
finden, da\xDF Wissenschaft, und Geschmack
in den pl\xF6tzlichen Einf\xE4llen der Schwermuht, den Ausschweifungen der Ungedult, und der Verdr\xFC\xDFlichkeit eines
kranklichten Alters, bald, und leichtlich
verloren gehen.
Mittel wider die Milben,
welche die B\xFCcher zerfressen.
Man beschuldiget gemeiniglich die Motten, da\xDF sie die B\xFCcher fressen;
allein es ist falsch, denn, sie fragen nichts nach unfern Bibliotheken. Es ist
aber ein kleiner K\xE4fer, der im Augustmonate seine Eyer in die B\xFCcher legt,
und zwar eben an der Seite, wo sie gebunden sind. Hieraus entspringt eine
Milbe, welche den K\xE4semilben nicht un\xE4hnlich siehet. Diese Milbe, nicht aber
der K\xE4fer, ist es, die die B\xFCcher zerfri\xDFt.
Doch, die Milbe selbst ist noch zu
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entschuldigen. Sie scheint das Papier nicht
aus Hunger, sondern mehr darum zufressen, weil sie dazu gezwungen ist.
Denn, wann die Zeit ihrer Verwandlung herannahet, so sucht sie in die
freye Luft zu kommen, und fri\xDFt daher
so lange rechts nnd links um sich, bis
sie das Ende des Buchs erreichet hat,
und davon fliegen kann. Der K\xE4fer,
der aus dieser Milbe entstehet, kann
nicht so, wie sie, um sich herum fressen,
und unm\xF6glich ein Buch durch und durch
boren. Alle Holzmilben arbeiten auf
eben die Art, ehe sie sich in K\xE4fer verwandeln.
Man hat schon verschiedene Versuche
angestellt, diesen Milben den ungl\xFCcklichen Geschmack an den B\xFCchern, und
besonders an den Pflanzensammlungen
zu benehmen. Denn, sie fressen in der
That auch die getrockneten Pflanzen,
welches fast kein Insekt zu thun pfleget.
Die Schuld mu\xDF ohne Zweifel an der
Pappe, und dem Leime liegen, dessen
sich die Buchbinder bedienen. Ja. vielleicht thut auch das Leder, und Pergament etwas dabey. Der Buchbinderkleister wird gemeiniglich aus Mehl gemacht, welches die Milbe \xFCberaus liebet, und das auch den K\xE4ser herbey
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locket. Man hat es versucht, bittere Sa chen, als: Wermuht,
Koloquinten, u.
d.g. unter diesen Kleister zu mischen, allein es hilft nichts. Das einzige Mit tel, das man noch gegr\xFCndet befunden,
sind die mineralischen Salze gewesen,
die allen Insekten widerstehen. Das
bekannte Arcanum duplicacum, der
Alaun und Vitriol sind sehr geschickt zu
diesem Zwecke. Hingegen thun die Sa lze aus dem Gew\xE4chsreiche, die Potasche,
Weinsteinsalz, u. d. gl. diesen Thieren
nichts. Diese letzteren Salze l\xF6sen sich
auch in der freyen Luft sehr leicht auf,
und machen Flecke in die B\xFCcher.
Wenn man demnach von den
erstern Salzen, ein wenig unter den
Kleister mischet, so werden die B\xFCcher
nie von den W\xFCrmern angegriffen werden Doch kann man hier noch mehr
Behutsamkeit vorschlagen. Man k\xF6nnte
sich
z. E. zum Kleister statt des Mehls
der St\xE4rke bedienen. Man k\xF6nnte auch
zwischen das Buch und den Band ein
wenig gepulverten Alaun, mit etwas
feinem Pfeffer vermischt einstreuen, welches man auch auf die Gesimse der B\xFC cherschr\xE4nke sch\xFCtten k\xF6nnte. Noch besser w\xE4re es, die B\xFCcher im M\xE4rz, Julius, und September mit einem St\xFCcke
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wollenen Zeuge, das man vorher in
gepulverten Alaun gedr\xFCckt hat, stark
abzureiben.
Moralische Gedanken.
1.) Wir verlangen lieber wirklich reich
zu seyn, als daf\xFCr gehalten zu
werden. Mit der Tugend ist es das
Gegentheil. Wir wollen gern tugendhaft scheinen, ohne es zu seyn. Die
Tugend w\xFCrde ohne Gesellschaft der Eitelkeit nicht weit kommen.
2.) Ein Widerspruch sollte nicht unsere Leidenschaft, sondern unsere Aufmerksamkeit erregen.
3.) Alle Menschen sind nat\xFCrlich gut,
wenn sie nicht Wollust, oder Eigennutz
zum B\xF6sen verleitet. Die Gesetzgeber
haben Strafen auf die Verbrechen gesetzet, sie sollten daher auch Belohnungen
auf die guten Handlungen gesetzet haben, denn dieses w\xE4re der Natur des
Menschen gem\xE4\xDF.
4.) Mit einem Hartn\xE4ckigen kann
man nichts \xFCberlegen. Denn, wenn er
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uns einmal widersprochen hat, so ist
sein Gem\xFCht auf immer f\xFCr aller Uiberzeugung verschlossen. Nur m\xE4nnliche
Seelen erkennen ihren Irtthum, und lassen ihn fahren, wenn sie erkennen, da\xDF
sie auf unrechtem Wege gewesen sind.
5.) Wer bey Vorw\xFCrfen verdr\xFC\xDFlich
ist, kann sicher glauben, da\xDF er hochm\xFChtig seyn w\xFCrde, wann man ihn
lobte.
6.) Ein Mann, der auf eine Ehrenstelle stolz wird, zeiget, da\xDF er sie nicht
Verdienet; denn, wer sich selbst, wegen
eines \xE4u\xDFerlichen Charakters hochsch\xE4tzet,
giebt zu erkennen, da\xDF er keine innerliche
W\xFCrdigkeit habe. Die gr\xF6\xDFten M\xE4nner verehret man wegen ihrer Geschicklichkeit, und nicht wegen ihres Gl\xFCckes,
Wenn wir die Tugend \xFCber alles hochsch\xE4tzten, so w\xFCrde keine Gunst, oder
Bef\xF6rderung f\xE4hig seyn, unsere Auff\xFCrung zu ver\xE4ndern.
7.) Wer sich seines geringen Standes sch\xE4met, wird im erhabenen Stande stolz seyn. Der Mensch ist l\xE4cherlich;
er sucht Gewalt \xFCber andere, und verliert die Gewalt, die er \xFCber sich selbst
hatte. Diese Begierde kann durch nichts
gerechtfertiget werden, als durch das
Verlangen, die erhaltene Gewalt zum
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Besten der Gesellschaft anzuwenden.
Aber wer wollte wohl de\xDFwegen m\xE4chtig seyn? Nach Ruhm jagen, hei\xDFt, dasjenige des L\xE4rms wegen zu verrichten,
was man der Tugend wegen thun sollte.
Wir lassen uns durch den Schatten bezaubern, indem wir den K\xF6rper selbst
verachten Kein Mensch, er mag noch
so viel M\xFChe angewendet haben, kann
vollkommen gro\xDF seyn, wenn sein Ruhm
noch von der Menge des P\xF6bels abh\xE4ngt.
8.) Wir d\xFCrfen uns nicht auf das
Unheil anderer \xFCber uns verlassen; denn
diejenigen, die einen Mann beurtheilen,
haben nicht allemal Zeit, und Kr\xE4fte,
ihn zu untersuchen, sondern sie urtheilen
nur nach dem \xE4u\xDFerlichen Scheine. Der
P\xF6bel sch\xE4tzt die Thaten nicht nach ihrer
Unvergleichlichkeit, sondern nach ihrer
Ungew\xF6hnlichkeit. Und, dieses Urtheil
ist verm\xF6gend, uns zu r\xFChren, oder zu
beunruhigen!
9.) Die Ruhe, welche aus der Gleichg\xFCltigkeit entspringet, ist eine m\xE4chtige
Bezauberung, welche auch die kr\xE4ftigsten Unternehmungen, einzuschl\xE4fern f\xE4hig ist, und unsere Entschlie\xDFungen der
Ausf\xFChrung beraubet. Sie lacht \xFCber
alle unsre Entw\xFCrfe und Vorschl\xE4ge,
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und vernichtet unvermerkt unsre Tugenden und Laster. Die Welt w\xFCrde einem Schlafzimmer \xE4hnlich werden, wenn
dieses allgemein w\xE4re.
10.) Ein Unbesch\xE4ftigter ist zu Lastern
geneigt, und begeht sie, weil er nichts
anders zu thun hat. Alle Besch\xE4ftigungen hingegen, die das Gem\xFCht des Menschen in einer best\xE4ndigen Bewegung erhalten, reinigen, und ordnen dasselbe
besser, als alle Vorschriften der Sittenlehre.
11.) Der Hochmuht kann auch wahre Verdienste verha\xDFt und unertr\xE4glich
machen, wenn wir Fehler an dem\xFChtigen
Personen \xFCbersehen, und ertr\xE4glich
finden.
12.) Es ist ein niedertr\xE4chtiger Hochmuht, den guten Namen anderer zu verkleinern. Er stammt von der falschen
Meynung her, als ob die Verringerung
der Ehre eines andern, unsre eigne Ehre
vergr\xF6\xDFern, und ihr einen Glanz geben
k\xF6nnte, die sie ohne der Verringerung
nicht erhalten w\xFCrde.
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