Bl\xE4ttern: < zum Text 21zum Text 23>

XXII.

(P169)

Die Hochzeichtgebr\xE4uche der Hottentotten.

Wenn ein Hottentotte sich verheurahten will, so entdecket er seinen Vorsatz nicht zuerst dem Gegenstande seiner Liebe, sondern seinem Vater, oder einem andern Verwandten, der am meisten \xFCber ihn zu sagen hat. Ist dieser mit der Heuraht zufrieden, so gehet er mit ihm gerades Weges zu dem Vater, oder wenn sie keinen mehr hat, zu dem Verwandten, unter dessen Gewalt das M\xE4dchen stehet. Bey ihrer Ankunft \xFCberreichet der Freyer der Gesellschaft Taback, sie rauchen, und reden von gleichgiltigen Dingen, und die Absicht ihres Besuchs wird erst zuletzt auf das Tapet gebracht. Ist nun der Antrag geschehen, so unterredet der Braut Vater sich in ihrer Gegenwart mit seiner Frauen, und ertheilet alsdann die

(P170)

Antwort. F\xE4llt selbige nicht nach Wunsch aus, so gehn Vater und Sohn ihres Weges, und es wird weiter nicht an die Sache gedacht. Williget aber der Vater oder Verwandte in die Heuraht, so tr\xE4gt man der Tochter die Sache vor. Will diese nicht, so hat sie nur ein einziges Mittel, sich loszumachen, welches sehr l\xE4cherlich ist, aber allemal gebraucht wird. Sie legt sich n\xE4mlich mit dem Liebhaber auf die Erde, und dann streiten sie die ganze Nacht miteinander. Doch d\xFCrfen sie nicht aufstehen, und einander Ohrfeigen geben; sondern sie bleiben liegen, und zwicken einander, so stark sie k\xF6nnen, in die Lenden. Kann nun das M\xE4gdchen dem Kerl obsiegen, so ist sie seiner los, und er darf nicht mehr an sie gedenken. Geschieht aber das Gegenthei!, wie ordentlich, so mu\xDF sie ihn heurahten, sie mag wollen, oder nicht. Ist nun die Heuraht geschlossen, so folget eine grosse Lustbarkeit. Der Br\xE4utigam w\xE4hlet sogleich 2. oder 3. fette Ochsen von seiner oder seines Vaters Heerde, nachdem er reich und vornehm ist, und treibet sie vor die H\xFCtte seiner Braut. Alle seine Verwandte und Nachbarn, M\xE4nner und Weiber begleiten ihn

(P171)

bis dahin. Vor dem Brauthause werden sie von ihren Freunden und Nachbarn mit au\xDFerordentlichen Liebkosungen empfangen. Man schlachtet die Ochsen, und die ganze Gesellschaft beschmiert sich den Leib, und bestreichet sich mit Bouchu. (lateinisch Sphaenon, oder Sphonon.) Je dicker das Fett, und das Pulver auf ihnen liegt, je sch\xF6ner sind sie nach ihrer Meynung. Die Weiber schmieren sich nach ihrer Manier, um desto sch\xF6ner zu seyn, und das Fest destomehr zu ehren. Wenn die ganze Gesellschaft auf erw\xE4hnte Weise geschm\xFCckt ist, so schreitet man zur Hochzeitscerimonie. Zu dem Ende hocken die M\xE4nner in einem Kreise nieder, und der Br\xE4utigam ist in gleicher Positur in der Mitte. So dann tritt der Pfaffe, den man allemal aus der Braut Dorfe nimmt, in den Kreis, n\xE4het sich zu dem Br\xE4utigam, und besprenget ihn mit seinem nat\xFCrlichen Wasser. Dann gehet er in den Kreis der Weiber, und verrichtet eben diese Besprengung der Braut. Diese Cerimonie verrichtet er dreymal, bis da\xDF das Ceremonienwasser ein Ende nimmt. Wahrend derselben giebt er ihnen folgenden Seegen: Ihr sollet lange, und gl\xFCcklich beysammen leben! Ihr sollet

(P172)

einen Sohn haben, ehe das Jahr zu Ende geht! Dieser m\xFC\xDFe euer Trost in eurem Alter seyn; er werde ein tapferer Mann und grosser J\xE4ger! Wenn nun die Cerimonie vorbey ist, so werden die Ochsen in grosse St\xFCcke zerschnitten, und theils gesotten, theils gebraten, und in T\xF6pfen, die ganz von Fett gl\xE4nzen, aufgetragen. Die M\xE4nner und Weiber sitzen in abgesonderten Kreisen auf der Erde; nur der Br\xE4utigam allein hat die Erlaubni\xDF, mit den Weibern zu essen, doch bek\xF6mmt er seine besondere Portion. Statt der L\xF6ffel gebrauchen sie Muschelschaalen, und das Fleisch zerrei\xDFen sie mit den Fingern, ausser wenn etwa einer ein Messer von einem Europ\xE4er gekauft hat. Nach dem Essen rauchen sie Taback. Jeder Kreis hat eine Pfeiffe, woraus jeder einige Z\xFCge thut, und sie dann seinem Nachbarn giebt, und so geht sie von Hand zu Hand, bis sie leer ist, da sie denn wieder gef\xFCllet wird. Dieses Rauchen, wobey sie Wasser mit Milch vermischt trinken, w\xE4hret, bey best\xE4ndigem Geschw\xE4tze, bis in die sinkende Nacht, da die Gesellschaft auseinander geht, und das neue Paar sich schlafen legt. Des folgenden Tages kommen sie wieder zusammen, und

(P173)

bringen ihn eben wie den vorigen zu. Dieses geschiehst auch am dritten und vierten, kurz, so lange, bis von den geschlachteten Ochsen nichts mehr \xFCbrig ist.

Die Reise nach dem Monde.

Ein neugieriger Mensch fragte sieben an einem Orte versammlete Weisen: was das Merkw\xFCrdigste in der ganzen Philosophie sey? Nach einem Nachdenken antwortete der Tiefsinnigste unter ihnen: die Meynung der Sternkundigen, da\xDF die Fixsterne Sonnen sind, und, wie unsre Sonne, ihre Planeten haben, welche so, wie unsre Erde, bewohnet sind. Die \xFCbrigen Weisen gaben ihm Beyfall. Sie verf\xFCgten sich einm\xFChtig in den Tempel des Jupiters, und bahten um Erlaubni\xDF, eine Reise nach den Mond thun zu d\xFCrfen, um diesen Weltk\xF6rper in der Nahe zu betrachten. Jupiter gab ihnen eine Wolke, durch welche sie von einem hohen Berge bis in den Mond fortgef\xFChret wurden. Bey

(P174)

ihrer Ankunft f\xFChrte man sie in einen pr\xE4chtigen Pallast, worinn sie von ihrer Reise bis zum folgenden Mittage ausruheten. Nun genossen sie eine so vortreffliche Mahlzeit, da\xDF sie den ganzen Tag genug zu thun hatten, die genossenen Speisen zu verdauen, und nicht verm\xF6gend waren, an etwas weiter zu denken. Am Abend sahen sie zum Fenster hinaus, und erblickten eine vortreffliche mit Blumen geschm\xFCckte Wiese. Der balsamische Duft der Blumen erqwickte sie, und in ihren Ohren ert\xF6nte der lieblichste Gesang der V\xF6gel. Mit diesen Annehmlichkeiten unterhielten sich unsre Weisen lange, verschoben ihre Beobachtung bis auf den folgenden Tag, und giengen vergn\xFCgt zu Bette. Ehe die Morgenr\xF6hte anbrach, verlie\xDFen sie ihr weiches Lager. Da sie eben ausgiengen, ihre Beobachtungen anzustellen, kam ihnen ein Schwarm junger M\xE4gdchen entgegen. So kaltsinnig sie diese muntern Gesch\xF6pfe anf\xE4nglich betrachteten, so geschwind wurden sie dennoch von ihrer Z\xE4rtlichkeit bezaubert. Kurz : sie traten in ihre Reihen, und nahmen Theil an ihren Spielen und lustigen Tanzen. Auf einen fr\xF6hlichen Morgen folgte die herrlichste Mittagsmahlzeit. Uiber der

(P175)

Tafel ert\xF6nte die pr\xE4chtigste Musik. Alles lachte, alles ahtmete Vergn\xFCgen. Gegen Abend entstand unvermietet ein entsetzliches Geschrey. Die Einwohner des Mondes beschuldigten die Fremdlinge, da\xDF sie ihre T\xF6chter verf\xFChrt h\xE4tten, und verlangten, da\xDF an ihnen die schwereste Rache ausge\xFCbt werden sollte. Den Weisen war dabey sehr \xFCbel zu Muhte. Zum Gl\xFCcke war eben jetzt die ihnen zur Reise nach dem Monde bestimmte Zeit vorbey. Die dienstfertige Wolke erschien, und holte sie wieder aus dem Lande ihrer Beobachtungen zur\xFCck. — Das Leben aller Menschen, welche nicht immer den grossen Zweck, warum sie leben, vor Augen haben, ist nichts weiter, als eine solche Reise nach dem Monde. Die Kindheit ist unf\xE4hig, und die Jugend zu fl\xFCchtig, ernsthafte Betrachtungen anzustellen. Das m\xE4nnliche Alter wird durch die unordentlichen Triebe der Natur hingerissen, und mit aus schweifenden Erg\xF6tzlichkeiten zugebracht. Der Abend des Lebens wird mit Schwermuht, Sorge, Verdru\xDF, und Gram beschlossen.

(P176)

Der geadelte B\xFCrger.

Ludewig der eilfte, der immer begierig war, sich zu unterrichten, lud allerhand Fremde, ja sogar verschiedene Kaufleute an seine Tafel, und er bediente sich der Tischfreyheit, um sie zu verm\xF6gen, sich mit Vertraulichkeit gegen ihn heraus zu lassen Ein Kaufmann ward durch die G\xFCtigkeiten des K\xF6niges, welcher ihn oft mit sich speisen lie\xDF, verf\xFChret, sich einen Adelsbrief von ihm auszubit ten. Dieser Prinz willigte in sein Begehren ; als aber dieser neue Edelmann vor ihm erschien, w\xFCrdigte er ihn nicht einmal eines Blickes. Der Kaufmann, welcher ganz erstaunt war, da\xDF man ihm nicht, wie vorhin begegnete, beschwerte sich dar\xFCber. — Geht, mein Herr Edelmann, sagte der K\xF6nig zu ihm : als ich euch an meine Tafel zog, so betrachtete ich euch als den ersten B\xFCrger; nun aber, da ihr der letzte Edelmann seyd, so w\xFCrde ich den Uibrigen Unrecht thun, wann ich euch die vorige Gunst erzeigte !


Bl\xE4ttern: < zum Text 21zum Text 23>

Topic revision: r7 - 15 May 2011, MarleneBurgstaller
This site is powered by FoswikiCopyright © by the contributing authors. All material on this collaboration platform is the property of the contributing authors.
Ideas, requests, problems regarding Foswiki? Send feedback