Bl\xE4ttern:
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XXIII.
(P177)
Gedanken \xFCber den grossen Wehrt der Zeit.
Wir verschwenden unsre Zeit, aber wir brauchen sie
nicht; wir ahtmen, aber wir leben nicht. Verschwendete Zeit ist Daseyn; gebrauchte Zeit ist
leben. Das blo\xDFe Daseyn pflegt den Menschen,
der zum Leben geschaffen worden, zu martern, und
mit einer unertr\xE4glichen B\xFCrde niederzudr\xFCcken.
Warum? weil, ihm die Zeit zum Gebrauche,
nicht zur Verschwendung, verliehen wurde. Der
Zeit ward befohlen zu fliegen; mit St\xFCrmen, Fluhten und Sternen gleich schnell fortzueilen, und
nimmer aus den Menschen zu warten!
Young
Die unglaubliche Hurtigkeit, mit welcher alle Scenen des menschlichen
Lebens, die Geschwindigkeit, mit
welcher Monate, Jahre, und ganze Lebensalter vor\xFCbereilen, und der hieraus
folgende und sch\xE4tzbare Wehrt der fl\xFCchtigen Zeit, fordert uns auf, \xFCber den
guten Gebrauch derselben, nach Anleitung des vortrefflichen Young, einzelne
Betrachtung anzustellen, und unsre g\xFCnstigen Leser an einige Pflichten zu erinnern,
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deren Beobachtung auf unsere k\xFCnftige
Gl\xFCckseligkeit die n\xE4chste Beziehung hat.
Wirf K\xF6nigreiche weg, sagt Young, und
sey nicht zu tadeln! Ergreif Augenblicke ! Der Himmel ist auf ihren Schwingen. Vielleicht w\xFCnschen wir einst einen
Augenblick zu haben, wenn Welten zu
arm sind, ihn zu kaufen. — Es ist nichts
gewissers, als da\xDF au\xDFer der Zeit, sonst
nichts den Menschen eigen ist; alles
\xFCbrige geh\xF6rt dem Gl\xFCcke. Welcher
Schatz wird aber wohl weniger genutzet
und h\xE4ufiger verschwendet, als der einzige, der wirklich in unserer Gewalt ist,
und durch dessen vern\xFCnftigen oder verkehrten Gebrauch wir freywillig, entweder Gl\xFCckseligkeit oder Verderben ein
kaufen? Unser ganzes Leben ist eine kurze Reihe fl\xFCchtiger Augenblicke, wovon
jeder uns zu besondern Wichten auffodert. Die Tage der Kindheit verflattern, unter kindischen Spielen, ehe wir
uns besinnen .k\xF6nnen, da\xDF wir wirklich
lebten; die jugendlichen Jahre der Bildung unsers Herzens und unserer Seele
eilen, zwischen Scherz und Leichtsinn, auf
eben so fl\xFCchtigen Schwingen davon. —
Jede Periode des menschlichen Lebens
verschwindet, wie ein abgeschossener Pfeil,
vor unsern Augen. Kein Augenblick
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wartet auf uns. Wir m\xFC\xDFen den gegenw\xE4rtigen ergreifen, wenn wir eintr\xE4glichen Tribut von ihm fordern wollen.
Es ist th\xF6richt den folgenden in Unth\xE4tigkeit zu erwarten, l\xE4cherlich den
vergangenen zur\xFCck w\xFCnschen zu wollen,
und gef\xE4hrlich, den gegenw\xE4rtigen ungen\xFCtzt vor\xFCber eilen zu lassen. Wir sehen einer uns bestimmten Ewigkeit entgegen ; einer schrecklichen Ewigkeit, wenn
wir die Zeit nicht zu brauchen wissen!
Von verg\xE4nglichen Augenblicken, h\xE4ngt
unverg\xE4ngliches Wohl oder Weh ab.
Ihre Anwendung entscheidet alles. Die
Ungewi\xDFheit der Dauer unsers Lebens
verdoppelt die Pflicht eines weisen Gebrauchs derselben. Nichts kann uns
entschuldigen, wenn wir mit der verschwendeten Zeit zugleich unsere Stetigkeit verscherzen. Nur vorsichtige und
sparsame Haushalter k\xF6nnen Reichth\xFCmer sammeln. Der Verschwender kauft
sich f\xFCr seine verwahrloseten Sch\xE4tze, eine sichere Reue und gewisses Elend. Das
ist zugleich das unvermeidliche Schicksal, jedes Verschwenders der Zeit. Der
Weise giebt sie wie Geld mit sparsamer
Hand aus. Er zahlet keinen Augenblick
hin, ohne damit so viel zu erkaufen, als
er wehrt ist.
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Langeweile — unbegreiflicher Zustand
eines Menschen, dem die Vernunft zur
Last f\xE4llt! oder ist sie eine zur Dem\xFChtigung der Menschheit ersonnene Erdichtung? So scheint es. — Aber was l\xE4\xDFt
sich wohl erdenken, da\xDF vom Menschen
nicht auch gesagt werden k\xF6nnte? Ist er
wohl jemals deutlicher geschildert worden, als wenn ihn
Haller ein unseliges
Mittelding vom Engel, und vom Viehe
nennet? — War die Vernunft wohl
einem Gesch\xF6pfe n\xF6htig, das die edlen
Stunden eines Tages, mit nichts als
Seutzern \xFCber die lange Weile anzuf\xFCllen weis? — Hat er vom Menschen
mehr, als die Figur der ungl\xFCckliche Orgon? — Die Zeit steht wie es scheint,
f\xFCr ihm allein stille. Der Gedanke, mich
schl\xE4fert — wie kann der einen langen
Tag ausf\xFCllen, wenn es nicht sein Abgott der Schlaf selbst thut? mich hungert — das ist bald gedacht. — Zum
Gl\xFCcke geht \xFCber der gem\xE4chlichen Befriedigung dieses Triebes ein guter Theil
des Tages hin; f\xFCr einen Orgon der
gl\xFCcklichste Theil! Er fliehet die Zeit, diese flieht vor ihm. Wie Atlas unter der Welt, so \xE4chzet er unter der Last
einer einzigen Stunde. Wenn er 50.
Jahre da gewesen, hat er dann wohl
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einen Tag wirklich gelebt? Nur die gebrauchte Zeit ist Leben. W\xE4re doch das
blo\xDFe Daseyn nur den Orgons allein eigen ! Aber wir m\xFC\xDFen es unverstellt sagen, da\xDF der unn\xFCtze Gebrauch der Zeit
nichts geringeres, als eine Verschwendung derselben ist. Wenn wir der Uiberladung unsers Magens die eine H\xE4lfte
des Tages, und die andere H\xE4lfte der
Verdauung; wenn wir die eine H\xE4lfte
dem Vergn\xFCgen, mit gemalten Puppen,
Steinen, oder Bl\xE4ttern zu spielen, und
die andere dem zweydeutigen Gesch\xE4fte
widmen, unsern Gewinnst oder Verlust
zu \xFCberzahlen ; wenn wir die eine H\xE4lfte anwenden, uns krank zu machen, und
die andere auf die Wiederherstellung der
verschleuderten Gesundheit zu denken;
wenn wir in zeitverderbenden Gesellschaften, die be\xDFten Stunden des Tages
tobten, oder durch muhtwillig durchwachte N\xE4chte die folgenden Tage zur H\xE4lfte abk\xFCrzen — haben wir dann wohl etwas mehr gethan, als Herr Orgon?
Wir haben die Zeit nur auf eine Art,
als er verschwendet. Halten wir etwann
die Zeit, wenn sie einmal vergangen ist,
f\xFCr g\xE4nzlich verschwunden? Der tiefsinnige Young benimmt uns diesen Irrthum mit vielem Nachdrucke. Der Geist
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des abgeschiedenen Tages, sagt er, wandelt umher, und l\xE4chelt uns (wenn wir
ihn zu sch\xE4tzen gewu\xDFt) als ein Engel
an, oder dr\xE4uet uns, (wenn wir ihn
muhtwillig get\xF6dtet haben) als eine Furie. . Nur die gebrauchte Zeit kann uns
erfreuen und gl\xFCcklich machen. Ein
Mensch, der seine Stunden durch ein
redliches Bestreben und rechtschaffene
Absichten heiliget, benimmt zu gleicher
Zeit, dem Leben seine Beschwerden, und
dem Tode seinen Stachel. Er wandert
mit der Natur, und ihre Wege sind
Friede.
Ein Tag verlohren? unersetzlicher
Verlust! Ist nicht jeder Tag ein eignes
Leben? Der Schlaf ist das nat\xFCrliche
Bild des Todes. Das Erwachen an jedem Morgen, eine neue Geburt. Sollte uns nicht an jedem Morgen die ge
naue Verbindung des gegenw\xE4rtigen Lebens mit dem zuk\xFCnftigen, sollten uns
nicht alle die Pflichten billig, einfallen,
und an den vern\xFCnftigsten Gebrauch der
Zeit erinnern, ohne deren Erf\xFCllung wir
der Ewigkeit nicht ohne Schrecken entgegen sehen k\xF6nnen? Jeder verlohrne Tag,
den wir der Thorheit, dem M\xFC\xDFiggange, oder dem Leichtsinne zum Opfer brachten, schreyet so laut um Rache, da\xDF wir
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f\xFCr seiner Anklage erzittern sollten. Lasset uns also weise seyn, und mit der
Zeit kl\xFCglich haushalten lernen; damit
wir, wenn wir die vergangenen Stunden
fragen, was f\xFCr Bohtschaft sie dem Himmel gebracht? \xFCber ihre, Antwort nicht
err\xF6hten d\xFCrfen!
Mittel wider die M\xFCcken.
Obgleich die M\xFCcken ihre Eyer ins Wasser legen, und dasselbe mit einer unz\xE4hlbaren Brut anzuf\xFCllen pflegen, die den Fischen, Krebsen, und Wasserv\xF6geln, welche f\xFCr uns eine so schmackhafte Speise sind, zum Unterhalte dienen,
so fallen sie doch den Menschen, sowohl
auf Spazierg\xE4ngen, als in Schlafzimmern sehr zur Last, und verursachen ihnen durch ihren Saugstachel viel schmerzhafte Empfindung. Nicht selten sieht
man empfindliche Personen, \xFCberall mit
Knoten bebeckt, von ihren Spatzierg\xE4ngen zur\xFCckkommen. Es ist daher der jetzigen Jahreszeit gem\xE4\xDF, noch k\xFCrzlich
etwas von den Mitteln zu sagen, wie
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man sie aus den Schlafzimmern vertreiben, und sich f\xFCr ihren Stich entweder
verwahren, oder ihn heilen soll.
Zur ersten Absicht r\xE4ht
Hr. von Arvieux, Abends ein brennendes Licht in ein
Nebenzimmer zu setzen, die Th\xFCr offen
zu lassen, und die M\xFCcken durch die mit
einem flatternden Tuche in Bewegung
gesetzte Luft aus ihren Schlupfwinkeln
hervor zu treiben. Hierdurch werden sie
gen\xF6htigt, dem Lichte nachzufolgen, und
das Schlafzimmer zu verlassen. Da die
M\xFCcken das Licht lieben, darf man ihnen auch nur ein Nachtlicht ins Nebenzimmer setzen, um ihnen die Lust zu benehmen, ins unerleuchtete Schlafzimmer
zur\xFCck zu kehren.
Hr. Vincenz Menghini
versichert, da\xDF man durch den Rauch von
angesteckten Kampfer die M\xFCcken sicher
t\xF6dten und aus den Zimmern vertreiben
k\xF6nne. In einem Gemache, welches 7.
bologneser Schuh hoch und 13 breit
war, mu\xDFte, auf sein Anrahten, des Abends 2 Skrupel Kampfer angesteckt, und
die Fenster dichte zugemacht werden. Am
folgenden Tage fand man alle M\xFCcken
todt an der Erde liegend.
(Der Beschlu\xDF folgt im n\xE4chsten St\xFCcke.)
Bl\xE4ttern:
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