Bl\xE4ttern:
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XXV.
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Betrachtung \xFCber die Furcht bey Ungewittern.
Es ist eine ewige Wahrheit, da\xDF des
Menschen Herz ein trotziges, und
verzagtes Ding sey, und was man
am meisten bewundern mu\xDF, ist, da\xDF es
nahen, und wahrscheinlichen Gefahren
trotzet, bey entfernten aber, und unwahrscheinlichen zittert. — Der Mensch
wagt sich in der gef\xE4hrlichsten Jahreszeit mit der gr\xF6\xDFten K\xFChnheit auf die
See, ob ihm gleich die Treulosigkeit dieses Elements durch den j\xE4hrlichen betr\xFCbten Untergang so vieler Schiffe bekannt ist. Der Mensch wohnet, und
schl\xE4ft ruhig an dem Fusse feuerspeyender
Berge, ob sie ihn gleich von oben mit
feurigen Fluhten bedecken, oder sich unter ihm \xF6ffnen, und ihn verschlingen
k\xF6nnen. Er verschlie\xDFet seine Augen
vorletzlich gegen die eigene Erfahrung,
und die Erz\xE4hlung der Geschichte, und
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er behilft sich mit dem ungewissen Troste, er werde es zeitig genug merken, um entfliehen zu k\xF6nnen. Der Soldat r\xFCckt muhtig gegen aufgepflanzte Kanonen an, und st\xFCrzet sich in die Schlacht, ob er gleich mehrmalen tausend zu seiner Rechten, und tausend zu seiner Linken fallen gesehen. Kaum aber steigt ein starkes Gewitter am Himmel auf, so erblasset der Soldat, der Nachbar des Vesuvs zittert, und der Matrose behtet! — Woher entsteht diese Furcht bey Leuten, die allem Ansehen nach, ihr Leben f\xFCr nichts achten, welches doch das einzige ist, das sie verlieren k\xF6nnen ? Woher kommt es, da\xDF vern\xFCnftige Personen, denen alle Eigenschaften des Donners wohl bekannt sind, in dieser Angst ihre Zuflucht zu Hilfsmitteln nehmen, die keine sind, und sich in dunkle Zimmer, und finstere Keller verkriechen, um den Blitz dort nicht zu sehen, und den Donner nicht zu h\xF6ren; als wann die Dunkelheit, und ein Keller, wenn er auch bombenfest w\xE4re, den Wetterstral abhalten k\xF6nnte? Gewi\xDF, diese Furcht kann keine andere Ursache haben, als die Eindr\xFCcke, welche die in der zarten Jugend ihnen beygebrachten Begriffe, auf ihre Seele gewacht haben! Nichts ist gebr\xE4uchlicher
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als da\xDF die M\xFCtter, und W\xE4rterinnen, den Kindern, wann es donnert, sagen, da\xDF der liebe Gott z\xFCrne. Wenn aber auch diese klug genug sind, ihnen dieses nicht zu sagen, so sehen die Kinder doch genugsam an ihrer augenscheinliche Furcht, da\xDF etwas F\xFCrchterliches, oder eine Gefahr vorhanden seyn m\xFC\xDFe, die man ihnen verheelen will. Sie f\xFCrchten sich also mit ihnen, ohne die Ursache zu wissen, so, wie ein Soldat, auf den ein Hauffen fl\xFCchtiger Kameraden zuk\xF6mmt, mit ihnen fliehet, ohne sich darum zu bek\xFCmmern, ob sie verfolgt werden, oder nicht: oder, wie das Volk auf den G\xE4\xDFen, wann drey, oder viere laufen, mitl\xE4uft, ohne zu wissen, wohin. Dieses so oft wiederholte Mitf\xFCrchten, macht es endlich den Kindern zur Gewohnheit, und sie f\xFCrchten sich im Alter f\xFCr dem Gewitter, blos, weil sie sich in der Jugend daf\xFCr gef\xFCrchtet haben; denn die Gewohnheit ist die anderte Natur! -Wie schwer dergleichen in der Kindheit eingesogene Begriffe, und angenommenen Gewohnheiten abzulegen sind, sieht man an der, aus den Ammenm\xE4hrchen erwachsenen Furcht f\xFCr Gespenster, und der Finsterni\xDF; deren sich zuweilen selbst verst\xE4ndige Leute nicht g\xE4nzlich entschlagen
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k\xF6nnen, wann sie im Finstern auf Kirchh\xF6fen, oder Geh\xF6lzen allein sind. —
Wann ich zu einem Furchtsamen sage: f\xFCrchte dich nicht! so ist es eben so vergeblich, als wenn ich zu einem, der im Fieber liegt, sage: friere nicht! Denn, die Furcht ist ein Fieber der Seele, und l\xE4\xDFt sich, wann die Gefahr da ist, oder da zu seyn geglaubt wird, nicht unter dr\xFCcken. Ich will also von denen, welche bey einem Ungewittter zittern, nicht verlangen, da\xDF sie sich nicht f\xFCrchten sollen, denn, dieses ist ihnen unm\xF6glich; sondern nur zu ihrer Beruhigung zeigen, wie gering der Grad der Wahrscheinlichkeit sey, da\xDF sie Gefahr laufen, ihr Leben, ihre Gesundheit, oder ihre G\xFCter zu verlieren; denn, dieses ist es doch, wof\xFCr sie sich f\xFCrchten!
Wir wollen annehmen, da\xDF auf einer Quadratmeile in, und um einer stark bev\xF6lkerten Stadt 200000. Menschen wohnen. Wir wollen ferner annehmen, da\xDF von 10. Gewittern, welche \xFCber diese Quadratmeile aufsteigen, ein Mensch get\xF6dtet, und ein Geb\xE4ude angez\xFCndet, oder besch\xE4diget werde: so verh\xE4lt sich seine Gefahr, da\xDF ihn der Schlag treffen werde, wie 1, zu zwey Millionen; und da\xDF er sein Haus treffen werde,
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wann ich auf der Quadratmeile 25000. Geb\xE4ude klein und gro\xDF, Buden, S\xE4le, St\xE4lle, und Scheunen annehme, wie 1. zu zweymalhundert, f\xFCnfzig tausend. Ist diese Proportion, wohl f\xFCr mehr, als eine blosse M\xF6glichkeit zu rechnen? und dennoch ist diese Berechnung noch viel zu klein! —
Viele Menschen fahren am heftigsten bey dem majest\xE4tischen Geprassel des Donners zusammen, da doch dieser gar keinen, sondern allein der Blitz Schaden thun kann. Der Donner giebt uns nur die trostreiche Nacherinnerung, da\xDF die Gefahr f\xFCr die\xDFmal vor\xFCber sey. Der Donner ist an allen Verw\xFCstungen so unschuldig, als der Knall einer B\xFCchse an dem Tode eines Thieres, woraus der Schu\xDF gerichtet war. Da also der Blitz es ist, welcher Schaden thut, so w\xE4re dieser allenfalls allein zu f\xFCrchten. Jedoch, auch hier kann die ausgemachte Wahrheit zur Beruhigung dienen. Wer den Blitz siehet, den trifft er nicht. Denn, wann er in einiger Entfernung entstanden ist, so wird ein gewisses Zeitmaas erfordert, ehe er sich einen Weg zu der Person, die er treffen soll, bahnen kann; und da er in einem Augenblicke vor\xFCber ist, so ist mit seinem
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Feuer, zugleich auch seine Wirkung geendiget. — Man hat berechnet, da\xDF die Bewegung des Feuers, wenigstens so geschwind seyn m\xFC\xDFte, als die Geschwindigkeit der Luft ist, wann sie in einen luftleeren Raum dringet, indem sie von der ganzen Atmosph\xE4re gedruckt wird; diese aber, durchl\xE4uft in einer Sekunde einen Raum von 1305.
Fu\xDF; der Schall hingegen durchl\xE4uft in gleicher Zeit, nur einen Raum von 1280. Fu\xDF; und nach diesem Maa\xDFe, kann man die Entfernung eines Gewitters berechnen, wann man an einer Penduluhr die Zwischenzeit, ehe man den Donner nach dem Blitze h\xF6ret, beobachtet. —
Nun wollte ich w\xFCnschen, im Stande zu seyn, meinen Lesern sichere Verwahrungsmittel gegen den Blitz mittheilen zu k\xF6nnen; allein es giebt deren nur wenige,
z.E. das Stehen auf Seide, und andern Dingen, die nicht elektrisch werden; und die wenigsten Personen, sind auch in den Umst\xE4nden, sich ihrer bedienen zu k\xF6nnen. Die Erfindung des Herrn
Franklin, den Blitz an einem eisernen Drahte, von der Spitze der H\xE4user, in die Erde herabzuleiten, ist in enggebauten St\xE4dten nicht thunlich; und der Landmann ist kein Freund von
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Ausgaben, die ihm nicht h\xF6chstnohtwendig scheinen. — Wer auf dem Lande ist, darf, wann er den Regen nicht scheuet, sich nur unter eine dicke Buche stellen, da wird, er sicher seyn. Denn, man hat nie ein Exempel, da\xDF das Wetter in eine Buche, desto mehrere aber, da\xDF es in eine Eiche eingeschlagen habe. Die Sch\xE4fer, und Hirten, welche dieses wohl wissen, suchen daher bey Gewittern mit ihren Heerden Schutz unter den Buchen. — Uibrigens mu\xDF man die allgemeinen vern\xFCnftigen Behutsamkeiten nicht aus der Acht lassen, n\xE4mlich, wo man sich befindet, alle Zugluft vermeiden, Fenster, und Th\xFCren zumachen, die Kamine zusetzen, und keine starken Bewegungen vornehmen. Das Anz\xFCnden vieler Lichter, hat auch seinen Nutzen, weil ihr Schein, die Pupillen des Auges vorher zusammenziehet, die sonst, wann ein starker Blitz auf einmal pl\xF6tzlich zusammenz\xF6ge, leicht ihren Ton verlieren, und eine gef\xE4hrliche Blindheit verlieren konnten. —
Noch eins! Sich \xE4ngstlich bey Ungewittern zu f\xFCrchten, ist eine Schwachheit; aber mit falschem Witze dar\xFCber zu spotten, verr\xE4ht eine offenbare Narrheit. Einem gesetzten Gem\xFChte wird die
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Vorstellung der blossen M\xF6glichkeit, da\xDF jeder Blitz, den letzten Augenblick seines Lebens bestimmen k\xF6nne, Stof genug zu ernsthaften, und vern\xFCnftigen Gedanken geben!
Die entschuldigte ungleiche Heuraht.
Ein vornehmer Kavalier hatte ein Frauenzimmer b\xFCrgerlichen Standes geheurahtet. Ihm wurde de\xDFfalls in einer adelichen Gesellschaft, von seinen Freunden Vorwurf gemacht. Er antwortete: wer meine damaligen Umst\xE4nde betrachtet, der wird mich leicht entschuldigen. Ich ward von meinen Gl\xE4ubigern verfolget; die Noht zwang mich also, in eines Kaufmanns Laden Sicherheit zu suchen.
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