Bl\xE4ttern:
< zum Text 19 –
zum Text 21 >
XX.
(P153)
Erste Fortsetzung von der Geschichte der Hunnen und T\xFCrken.
Unter einem dieser Kaiser, Namens
Pounu Tanjou, fieng das hunnische Reich an, in merklichen Abfall zu gerahten. Eine gro\xDFe Hungersnoht, die diese V\xF6lker empfanden, war der Vorbote vieler andern Ungl\xFCcksfalle. Man besorgte, die Chineser m\xF6chten sich diese verdr\xFC\xDFlichen Umst\xE4nde zu Nutzen machen
in das Land einzudringen, und das, was der Hunger verschont hatte, durch die Waffen vollends aufzureiben. Diese Hunnen, die sonst so stolz waren, dem\xFChtigten sich itzt, und suchten den Frieden. Die Chineser versagten ihnen denselben nicht, aber sie waren deswegen nicht geruhiger: ihre Schw\xE4che, die man wu\xDFte, brachte ihnen von allen Seiten Feinde zu wege. Die
Tatarn aus den morgenl\xE4ndischen Gegenden griffen sie an, und n\xF6htigten sie, sich weiter gegen Norden zu begeben. Allein, das, was dieses Reich, welches China oft in Zittern gesetzt hatte, v\xF6llig zu Grunde richtete, war die
(P154)
Uneinigkeit, die in dem k\xF6niglichen Hause entstand, Pounou Tanjou, lie\xDF seinen Bruder, der sein Nachfolger seyn sollte, hinrichten, damit er seinen eigenen Sohn auf den Thron setzen k\xF6nnte. Dieses war die Qwelle von allem seinen Ungl\xFCcke, und von dem g\xE4nzlichen Untergange der Hunnen in der
Tatarey. Ein Prinz von eben dem Geschlechte, der eines Kaisers Sohn war, glaubte, da er sah, da\xDF Tanjou seinen Bruder umgebracht hatte, das Reich m\xFC\xDFte ihm zugeh\xF6ren. Seine Anspr\xFCche h\xE4tten ihm beynahe das Leben gekostet, allein, weil er bey Zeiten gewarnet wurde, fand er Mittel zu entkommen, und stellte sich an die Spitze einer gewissen Anzahl von Horden, oder Z\xFCnften, die ihn zum Kaiser erkl\xE4rten. Er herrschte \xFCber die Hunnen in den mitt\xE4gigen L\xE4ndern , da hingegen Pounou Tanjou \xFCber die n\xF6rdlichen regierte. Dieser Trennung wird in den persischen Geschichtschreibern
Mirkhand, und
Bridawi gedacht. Sie haben dem einen den Namen der
Mogols, und dem andern den Namen der
Tatarn gegeben. Nach dieser Theilung fanden die n\xF6rdlichen
Hunnen die Chineser weniger als vorher geneigt, ihnen in ihrem Elende beyzustehen; die mitt\xE4gigen setzten sich
(P155)
allzeit dagegen. Nach vielem Anhalten erhielten sie endlich den Frieden. Hierauf beschlossen sie, das
Maouarennaharische, oder
Transoyiaeische mit Krieg zu \xFCberziehen. Wie sie in diesem Lande siegten, so glaubten sie auch in China Sieger zu seyn. Ohne eine Achtung f\xFCr die Unverbr\xFCchlichkeit der gemachten Vertrage zu haben, fielen sie daselbst ein; sie fanden aber die
mitt\xE4gigen Hunnen da, welche sie mit vielem Eifer zur\xFCcktrieben. Nach vielen Schlachten fa\xDFten die Chineser, welche von den letztern allzeit unterst\xFCtzt, und angereitzet wurden, den Entschlu\xDF, die n\xF6rdlichen Hunnen g\xE4nzlich auszurotten. Und dieses ward von dem
Generale Crouhen, der unter der Regierung des
Hiao Hoti, Kaisers aus der
Dynastie von Hau in China, die n\xF6rdlichen Hunnen in der
Tatarey schlug, ausgef\xFChret. Die Geschichte von dieser Begebenheit auf die Nachwelt zu bringen, lie\xDF er auf einem Berge im
Turkestanischen, eine Innschrift eingraben, welche die Zeit, da es geschehen, anzeigte.
Von den auf diese Art \xFCberwundenen Hunnen, blieben einige in der Tatarey, und vermischten sich mit den V\xF6lkern, die man von den \xE4u\xDFersten Morgengegenden hatte kommen lassen, ihr Land wieder zu
(P156)
bev\xF6lkern. Andere, welche die gr\xF6\xDFte Anzahl ausmachten, r\xFCckten immer weiter gegen Abend, an den n\xF6rdlichen Theil von Samarkand, und kamen, nach den chinesischen Geschichtschreibern, \xFCber das kaspische Meer hinauf, um die Gegenden von
Astrakan. Hier verlieren die Chineser sie aus dem Gesichte, aber von den persischen Geschichtschreibern erfahren wir, da\xDF sie sich von dannen der
maotischen See gen\xE4hert, und dann nach Europa hin\xFCber gezogen sind, wo sie, nachdem sie an verschiedenen Orten ihr Gl\xFCck versucht hatten, ihren Sitz in
Pannonien aufgeschlagen haben. —
Die Hunnen in den
mitt\xE4gigen Gegenden, welche in ihrem alten Lande geblieben waren, haben ihre Macht daselbst erhalten, bis eine Horde von morgenl\xE4ndischen Tatarn,
Jouigen genannt, sie g\xE4nzlich unter das Joch brachte, und sich fast der ganzen Tatarey bem\xE4chtigte. Der Titel, den ihre K\xF6nige trugen, war
Khan, oder Khakan, der an die Stelle des Titels
Tanjou kam. Die
mitt\xE4gigen Hunnen, welche nun auch die Reihe getroffen hatte, verjagt zu werden, richteten in dem n\xF6rdlichen Theile von China verschiedene kleine F\xFCrstenth\xFCmer auf, die aber, eines nach dem andern, zerst\xF6ret
(P157)
wurden. Eines von denselben, dessen F\xFCrsten von den Kaisern der Hunnen abstammten, ward von
Tai-vou-ti, dem Kaiser des n\xF6rdlichen Theiles von China, zu Grunde gerichtet. Dieses ganze Geschlecht, und die Hunnen mit demselben, begaben sich in ein Gebrige der Tatarey,
Erkene-kom genannt, daselbst waren sie hierauf mehr unter dem Namen der T\xFCrken bekannt, und besch\xE4ftigten sich, nach dem Berichte der chinesischen, und muhamedanischen Geschichtschreiber, mit Schmiedearbeit, zum Dienste der Khane der
Jouiger Tatarn, von denen ich eben geredet habe. So lebten sie einige Zeit hindurch, das ist, so lang, bis abendl\xE4ndische V\xF6lker die Jouigen anfielen.
Toumuen, das Haupt dieser T\xFCrken in dem Gebirge
Erkene-kom, zog gegen die Feinde aus, und schlug sie. Nach diesem Feldzuge hielt sich Toumuen f\xFCr berechtiget, von dem Khakan, oder Kaiser der
Jouigen, seine Tochter zur Ehe zu verlangen. Man schlug sie ihm aber \xFCberm\xFChtig ab, indem man sagte, da\xDF es sich f\xFCr einen Sklaven nicht schicke, die Tochter seines unumschr\xE4nkten Herrn zu begehren. Durch eine solche Antwort ward Toumuen erbittert, und wider seinen F\xFCrsten aufr\xFChrisch. Er t\xF6dtete den
(P158)
Abgesandten der Jouigen, und machte mit
Yen-ti, dem Kaiser des n\xF6rdlichen Theiles von China , ein B\xFCndni\xDF. Im folgenden Jahre zog er wider die Jouigen zu Felde, schlug sie, und t\xF6dtete ihren Khan. Darauf nahm er selbst diesen Titel an, und lie\xDF sich
Toumuen Ilkhan nennen. — Also ward in der Tatarey ein m\xE4chtiges Reich gestiftet, welches man damals das Reich der T\xFCrken nennte. Um das Andenken, von dem Ursprunge dieses Geschlechtes zu erhalten, hatte man die Gewohnheit, sich alle Jahre zu versammeln, und mit vielen feyerlichen Umst\xE4nden ein hei\xDFes Eisen zu schlagen. Dieser Gebrauch ist bis auf die Zeit des
Genghitz Khan, der von diesem
Toumuen herstammte, beobachtet worden. Und daher kommt es, da\xDF einige von unsern Geschichtschreibern, die nicht wohlberichtet gewesen, behauptet haben, dieser F\xFCrst w\xE4re der Sohn eines Schmiedes. Die
Jouigen, welche durch die T\xFCrken aus ihren L\xE4ndern vertrieben worden, sind allem Ansehen nach hin\xFCber nach Europa gekommen, wo sie unter dem Namen der
falschen Avarer, oder Abarer, bekannt gewesen sind. Sie haben sich unter die nordlichen Hunnen gemenget, welche seit langer Zeit schon da waren;
(P159)
und diese beyden vereinigten V\xF6lker haben das Volk der Ungarn, das ist, der
ickoreischen Hunnen gestiftet. Dieser letztere Name ist eben derjenige, den die
Jouigen in der
Tattarey trugen.
Das, was ich eben von dem Urspr\xFCnge der zweyten Hunnen, oder T\xFCrken in dem
Turkestanischen angef\xFChret habe, ist der wahrhafte Bericht der chinesischen Geschichtschreiber. Allein, sie haben sich mit einem Urspr\xFCnge, der nichts Wunderbares an sich hatte, nicht begn\xFCget. Man hat zuversichtlich behauptet, und sogar geglaubt, da\xDF ein
scythisches Volk ganz und gar von seinen Feinden erlegt worden, so, da\xDF nur ein einziges Kind dem Morden entgangen, welchem man noch dazu Arme und Beine abgehauen, und es hernach mitten in eine See geworfen. Hier k\xF6mmt eine Fabel vor, die derjenigen \xE4hnlich ist, welche die R\xF6mer von ihrem Romulus erdichtet haben. Man giebt vor, eine W\xF6lfinn w\xE4re durch das Ungl\xFCck dieses Kindes ger\xFChret worden, hatte es der Gefahr entrissen, und ihm Unterhalt verschaffet. - Der folgende Theil dieser Fabel l\xE4\xDFt uns nicht zweifeln, da\xDF man durch diese W\xF6lfinn eine Weibsperson dieses Namens anzeigen wollen. Das Kind heurathete aus Erkenntlichkeit dieses
(P160)
Weibsbild, und sie ward schwanger. Beyde, Mann und Frau begaben sich in die Gebirge, welche an dem nordwestlichen Theile des Landes der
Igours liegen, und daselbst brachte sie zehn Kinder zur Welt, deren Nachkommen den Namen von
Assena annahmen. — Das, was ich von
Toumuen Ilkhan, dem Stifter des t\xFCrkischen Reiches, anf\xFChren will, wird zur Erkl\xE4rung dieser Fabel dienen. Dieser F\xFCrst, welcher von den persischen Schriftstellern
Toumana genannt wird, war ein Sohn von
Bi\xDFikar, dem Sohne von
Kaidou, einem Abk\xF6mmlinge von
Bouzengir, dem Sohne der K\xF6nigin
Alankawa. Diese K\xF6nigin der
Mogols, oder T\xFCrken, in den Gebirgen der Tatarey, und vor der Wiederherstellung ihres Reiches, war mit zweyen Kindern Wittwe geblieben. Die Muhamedaner, und Chineser erz\xE4hlen, da\xDF sie w\xE4hrend der Minderj\xE4hrigkeit ihrer S\xF6hne, die Regierung ihres kleinen Staates \xFCber sich nahm, und alle fernere Heurahten aus schlug. Inzwischen ward sie doch Mutter von noch drey andern Kindern, wovon der eine
Bouzengir hie\xDF.
Die Fortsetzung folget im n\xE4chsten Blatte.
Bl\xE4ttern:
< zum Text 19 –
zum Text 21 >