Bl\xE4ttern:
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XXXVI.
Dritte Fortsetzung von den Merkw\xFCrdigkeiten an den Insekten.
Alle wilden vierf\xFC\xDFigen Thiere haben ihre L\xE4use, die V\xF6gel haben die ihrigen, die Fische gleichfalls, und \xF6fters haben auch die Insekten welche. Alle diese L\xE4use sind verschiedentlich gestaltet. Auch die B\xE4ume haben ihre L\xE4use. Die Erde ist zuweilen mit einer Art weicher Hahre, oder Wolle bedeckt. Besiehet man diese genau, so wird man finden, da\xDF es viele Millionen Insekten sind, die wei\xDFe, grosse und hahrichte Schw\xE4nze haben und daselbst f\xFCr den V\xF6geln versteckt liegen. — Die Todtenuhr, oder der kleinste Holzwurm, h\xE4lt sich in den B\xFCchern, und dem Holze auf. Er kriecht in ein Loch, das die W\xFCrmer gefressen haben, und schl\xE4gt wie eine Taschenuhr. Selbst das Wasser hat seine L\xE4use, welche unter dem Namen der Wasserft\xF6he bekannt sind. Es giebt ihrer bisweilen so viele, da\xDF das ganze
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Wasser davon roht aussieht. Einige Spinnen haben einen Sack voll Eyer auf den R\xFCcken, die auch daselbst ausgebr\xFCtet werden. Die Maulwurfsgrille gr\xE4bt sich mit ihrem langen und wunderbaren R\xFC\xDFel, weit schneller durch die Erde, als der Maulwurf, und das Kaninchen. Die kleine M\xFCcke, das Uferaas, die Wasserftiege, und die Jungfer fliegen den ganzen Tag \xFCber dem Wasser, damit sie ihre Eyer in dasselbe legen, die daselbst ausgebr\xFCtet werden, und so lang leben, als sie W\xFCrmer sind. So bald sie aber Fl\xFCgel bekommen, fallen sie ins Wasser, und kommen um. Die Wasserbrahme sucht das unreine Wasser , und ihre Raupe h\xE4ngt mittelst des ausgestreckten Schwanzes auf der Oberfl\xE4che desselben. Sie scheint dem Ansehen nach, nur zart, und schw\xE4chlich zu seyn, aber es kann sie kaum ein Pferd mit seinem Reiter zu tode treten. Der kleine Schild und Kleiderkafer, ziehet Kopf und F\xFC\xDFe zusammen, sobald man ihm nur mit dem Finger entgegenk\xF6mmt. Er h\xE4lt hierauf die grausamste Marter aus, ohne da\xDF er sich ein Glied zu r\xFChren zwingen lie\xDFe. — Die Fleischfliege wirft unz\xE4hlige Eyer in das Fleisch. Einige Neuere behaupten, da\xDF die
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Spulenw\xFCrmer in dem menschlichen K\xF6rper daher ihren Ursprung nehmen, wenn aus den Eyern dieser Fliegen, die Maden in dem Magen auskriechen. Allein dieses ist der Wahrheit gar nicht gem\xE4\xDF. Denn die kleinen Spulenw\xFCrmer konnten sich in dem menschlichen K\xF6rper nicht vermehren, wenn nicht neueEyer hinuntergeschluckt w\xFCrden, weil die Insekte ihre Art nicht \xE4nderst, als durch alle Grade der Verwandlung fortpflanzen. Allein, es ist ungereimt, wenn man sagen wollte, da\xDF sich die Fliegen in unsern Ged\xE4rmen begahten, und Eyer legen sollten. Uiber dieses so geh\xF6ren die kleinen Spulenw\xFCrmer im menschlichen K\xF6rper zu einer andern Klasse der Thiere, als wozu die Fliegen gerechnet werden.
Man wende sich nunmehr zu den ganz kleinen schwarzen Fliegen, die gleichsam wie ein Menge Atomen, \xFCber den stehenden W\xE4\xDFern und Pf\xFCtzen schweben. Sie verstecken sich heimlich in die Ritzen des K\xE4ses, und legen daselbst ihre Eyer. Die gemeinen Leute irren daher, wenn sie glauben, da\xDF die W\xFCrmer von selbst aus dem K\xE4se entst\xFCnden. Ich weis nicht, auf was f\xFCr eine Weise dieses zugehen sollte, wenigstens geschiehet es nichts auf diejenige, welche der m\xE4chtige Sch\xF6pfer auf unserm Erdboden festgesetzt hat, und
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die man die zweydeutige ungewisse Zeugung der W\xFCrmer, aus der F\xE4ulni\xDF nennet. – Wie feurig sind die Umarmungen der Jungfern, und welchem Thiere hat die Natur gleiche Heurathsrechte verstattet? Das M\xE4nnchen, wenn es in die Hitze ger\xE4ht, fliegt hin und her, und wirft zugleich den zweyfaltigen Schwanz um sich, den es wie eine Scheere voneinander gethan hat. So bald es ein Weibchen erblicket, ergreift es dasselbe mit dem Schwanze beim Halse. Diese wird also gezwungen, dem R\xE4uber zu folgen, und, damit sie den ungest\xFCmmen Freyer niederwerfe, so biegt sie den Schwanz an die Brust des M\xE4nnchens, an welchem Orte die Natur die Liebeswaffe verborgen hat.
Wie unz\xE4hlig viele Eyer tr\xE4gt der Krebs in seinem Schoo\xDFe? der billig unter die Insekten geh\xF6rtet, wenn man den Springkrebs dahin rechnen will. Wenige Tage darauf hat er sie alle ausgelegt, und sie h\xE4ngen alle unter seinem bl\xE4ttrichtem Schwanze. Das M\xE4nnchen ist mit zween Liebespfeilen versehen, welche weder einem vierf\xFC\xDFigen Thiere, noch einem Vogel, oder Fische verliehen sind. Mit was f\xFCr einem nat\xFCrlichem Triebe sucht der sogenante Einsiedler, oder W\xE4chterkrebs
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die verlassenen Muschel und Schneckenschaalen, begiebt sich in dieselben , und wohnet darinnen, damit er von au\xDFen keinen Schaden leide, weil er auf dem Schwanze keine Haut hat, und ihn also ebenso sehr, als der B\xE4r in Acht nimmt. Dergestalt w\xE4lzt er die Schaale eines andern eben so, wie der Cyniker sein Fa\xDF herum. Selbst die Lunge des Krebses ist bewunderungsw\xFCrdig , die unter einem starken Brustharnische verborgen liegt. Er hat einen bewunderungsw\xFCrdigen Mund, der sich auf der blossen Brust, und beynahe dicht am Magen befindet. Er hat harte Augen, und Riesenh\xE4nde: macht entsetzliche Schritte, und bekommt j\xE4hrlich ein neues Kleid, wenn er seine alte Schaale ablegt. Es w\xE4chst ihm sogar ein verlornes Bein, vom Neuen wieder an. Hierdurch aber darf niemand den allerersten Grundsatz in der Naturwissenschaft l\xE4ugnen, da\xDF alles, was lebet, aus einem Eynkomme, ob gleich die Wasserschlange, und der Fadenwurm, in hundert St\xFCcke geschnitten wieder zu eben so vielen Thieren werden. Wir werden uns auf die Analogie berufen, die zwischen diesen Thieren und den Pflanzen ist.
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Diesem folgt das Uferaas, welches Insekt ein sehr kurzes Leben hat. Die Puppe liegt lang unter dem Wasser, nach der Verwandlung aber stiegt das Insekt, und lebt nur vier und zwanzig Stunden, welche Zeit zu ihrem Begahten, und Eyerlegen hinl\xE4nglich seyn mu\xDF. — Die Wasserfliege, welche bey dem gefr\xE4\xDFigen Bewohnern des Wassers erzogen wird, versteckt sich in das Schilf, in den Sand, und zwischen die Bl\xE4tterchen, damit sie die Fische nicht gewahr werden, und verschlucken. Wenn man sie unter dem Wasser liegen sieht, so sollte man glauben, da\xDF es ein verfaultes Zweiglein, nicht aber eine Fliege w\xE4re, die nur einem Abend lebet.
Man sehe den gr\xFCnen Schildk\xE4fer, und den am Halse enge zugehenden Marienk\xE4fer, wie sie gleichsam verlarvt, mit ihren eigenem Unflate \xFCberzogen einhergehen , damit sie von den V\xF6geln nicht erkannt werden. Die kleinen Schauw\xFCrmer bedecken sich mit ihrem Speichel. Wer sollte nicht \xFCber die l\xE4nglichte grosse Kohtwanze lachen, die sich mit allerhand Fasern, und Keucht bedecket, um desto verborgner zu bleiben, ihren Gang ver\xE4ndert, und sich mit grossem Stolze, in ein noch schmutziges Insekt, als eine
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Spinne verwandelt, da sie doch sehr gut gestaltet war. —
Ich erblicke nun den Nachtschmetterling, der sich in den Kleidern aufh\xE4lt, oder sie vielmehr verdirbt. Er hat eine H\xFClle um sich, die aus den feinsten Wollf\xE4den gemacht ist. Allein w\xE4hrend da\xDF er mit der Verfertigung seiner Wohnung besch\xE4ftiget war, wuchs er, und ward f\xFCr sein Haus zu gro\xDF. Er zerrei\xDFt also sein Geweb, und setzet ein anders St\xFCck an dasselbe; allein kaum da\xDF er mit dieser Arbeit wieder besch\xE4ftiget ist, so wird er aufs Neue f\xFCr seine kleine Behausung zu gro\xDF, und er sieht sich gen\xF6htiget, dem andern Theile noch ein neues St\xFCck anzusetzen. Auf diese Art bek\xF6mmt er t\xE4glich mehr zu thun, und das Thier scheint mit seiner entsetzlichen Arbeit, nicht das Geringste auszurichten. Wenn man ihm bunte T\xFCcher vorlegt, so gehet dieser kleine Gauckelspieler, mit einem sch\xE4ckichten Kleide einher.
Es giebt Kornw\xFCrmer,oder R\xFC\xDFelk\xE4ser, die ihre Eyer unter die obere Haut der Bl\xE4tter, von einer gewissen Art Melden legen. Sie werden allda zu W\xFCrmern, und kriechen zwischen der obern, und untern Fl\xE4che des Blattes. Diese W\xFCrmer machen sich, eben so wie die
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Maulw\xFCrfe blinde G\xE4nge, damit sie von der \xE4usern Luft nicht angefochten, oder den V\xF6geln zum Raube werden. Eben solche Bewandni\xDF hat es mit den kriechenden Bl\xE4ttern der Indianer, wovon die Alten in den Gedanken standen, als wenn es in Indien Blatter g\xE4be, die nach Art der lebendigen Thiere einherkriechen. Die W\xFCrmer, welche in den besagten Bl\xE4ttern verborgen liegen, strecken von einer Seite die F\xFC\xDFe heraus, und gehen mit sammt ihrer Wohnung sicher, und bedeckt umher. — Der Farbewurm, welcher auf den B\xE4umen wohnet, \xFCbertrift an Kunst noch die Walfischlaus. Aus einer kleinen Puppe kriecht ein kleines Thier heraus, das, seiner Gestalt und Oekonomie nach, ganz bewunderungsw\xFCrdig ist. Der Ameisenfresser, welcher im Sande wohnet, lebt ohne Wasser, und von sehr weniger Nahrung. Er verbirgt sich aus Furcht f\xFCr den V\xF6geln in die Erde, und halt sich in dem Mittelpunkte eines kleinen Grabens auf, den er in dem trocknen, und lockern Sande kegelf\xF6rmig gemacht hat. Die vorbeygehenden Ameisen fallen in denselben, und werden ihrem Feinde zur Beute.
Die Fortsetzung folgt.
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