Bl\xE4ttern:
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XXXV.
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Zwote Fortsetzung von den Merkw\xFCrdigkeiten an den Insekten.
Wir bewundern die scharfen Augen des Luchses, der Schlange, und der Nachteule, die im Finstern siehet. Aber wenige bek\xFCmmern sich um die acht Augen der Spinne, die ihr vorn im Kopfe sitzen; oder um die Augen der Viehbremse, und der Jungfer, deren jegliches aus vielen kleinen bestehet. — Wir k\xF6nnen uns an den gro\xDFem und \xE4stigen H\xF6rnern des Hirsches nicht satt sehen, aber wir wollen die glatten, zackichten, hohlen, und korallenf\xF6rmigen H\xF6rner des
Schr\xF6ters keinesweges betrachten, die er sehr k\xFCnstlich ausstrecken, und zusammen ziehen kann, welches der Hirsch nicht zu thun vermag. Wir geben auch nicht auf die bl\xE4tterigen H\xF6rner des Pillenk\xE4fers Achtung, die sich gleich den Bl\xE4ttern in einem Buche zusammenlegen lassen. Wir sehen mit Verwunderung die langen H\xF6rner des Ziegenund des
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Bisambockes; aber wir richten unsere Augen nicht auf die H\xF6rner des Holzk\xE4fers, die bisweilen den ganzen K\xF6rper des Thieres an L\xE4nge \xFCbertreffen , oder auf die mit Gelenken versehene H\xF6rner des Mayenwurms. Und wenige kennen den Wasserfloh recht genau, der vor allen andern Insekten lange H\xF6rner hat, die, wie ein Finger an der Hand, vielzackicht sind, und die er wie Aerme ausstrecket, und sie zu seiner Bewegung im Wasser verschiedentlich gebrauchet.
Wir bewundern den grossen und langen R\xFC\xDFel des Elefanten, und sehen nicht auf den sehr weit herausstehenden R\xFC\xDFel, des R\xFC\xDFelk\xE4fers, der vorn wie ein Horn aussiehet, und am \xE4u\xDFersten Ende mit einem kleinen Munde versehen ist. Die aus
Westindien zur\xFCckkommen, geben von dem Ameisenfresser, einem vierf\xFC\xDFigen Thiere Nachricht, das zwar keine Z\xE4hne, aber eine weit hervorragende Zunge hat, womit es die Ameisen greift, und einsaugt. Es ist auch nicht unbekannt, da\xDF die Zunge des Zweyfalters schneckenf\xF6rmig zusammengewickelt ist, und da\xDF die M\xFCcke mit ihrer Zunge wie mit einer Nadel steche, und wie eine Pumpe sauge. Wir entsetzen uns, wenn wir den offenen Rachen eines ergrimmten L\xF6wen, oder
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eines rei\xDFenden Seehundes erblicken, aber wir betrachten nicht die entfleischten, und vielfachen Kinnladen der Jungfern, welche unter den Insekten eine weit gr\xF6\xDFere Verw\xFCstung anrichten, als der L\xF6we indem W\xFCsteneyen, oder der Seehund in den Weltmeere. Denn dieses grausame Insekt f\xE4ngt alle andern vorbeyfliegenden, und bei\xDFt sie auf einmal voneinander. Die schnellen Spr\xFCnge des Haasen, und des Eichh\xF6rnchen, erregen unsere Verwunderung , aber es r\xFChren uns keinesweges die Spr\xFCnge des Flohes, oder die Tanzschritte, welche die Heuschrecke \xFCbers Kreutze verrichtet; oder die T\xE4nze, welche die grosse M\xFCcke auf dem Wasser mit trockenen F\xFC\xDFen macht; oder aber die leichten Kreise des Wasserk\xE4fers, oder die S\xE4tze, welche der Springk\xE4fer thut, wenn man ihn auf den R\xFCcken legt; oder die T\xE4nze der Wasserfliege, oder das Wandern der Spinne, wenn sie sich, eine Fliege zu haschen senkrecht herunterl\xE4\xDFt, und mit der Beute horizontal zur\xFCckkehret, ohne einen Zufall, oder Gefahr zu besorgen.
Betrachtet die gro\xDFen, sch\xF6nen, gemalten, und sch\xE4ckichten Fl\xFCgel des Schmetterlinges, die mit kleinen mehlichten Schuppen besetzt sind. Er fliegt damit
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den ganzen Tag herum, und dichtet dem hohen Fluge der Adler, und dem stolzen Schwanze der Pfauen Trotz. Er hat vier Fl\xFCgel, und so viel hat die Natur keinem gefl\xFCgelten Thiere verliehen. Welcher Vogel hat mit den Fl\xFCgeln gelernet, so zu pfeifen, wie die kleine M\xFCcke, so zu brummen, wie die Hummel, so stark mit denselben zu zittern, wie die Heuschrecke auf den H\xF6hen, wie der Springhahn in dem Gestr\xE4uche, wie die grosse Fliege in den Thalern, wie die Maulwurfgr\xFClle in der Erde, und wie die Hausgr\xFClle in den H\xE4usern? Welcher Vogel tr\xE4gt seine Fl\xFCgel so senkrecht wie der Schmetterling, so wagrecht, wie die grosse M\xFCcke, so herabwertsh\xE4ngend, wie die Nachtv\xF6gel? Welcher versteckt die Fl\xFCgel in solche kleine, und zierliche Scheiden, als die spanische Fliege, oder welcher wickelt sie so sch\xF6n zusammen, wie der Ohrwurm?
Die Biene hat eine ganz besondere Haushaltung. Ein Weibchen, welches man den K\xF6nig nennet, wird von vielen M\xE4nnchen geliebet, denen sie selbst beywohnet. Diese ist unter allen Gesch\xF6pfen des sch\xF6nen Geschlechts die einzige, welcher der grosse Sch\xF6pfer den Willen der M\xE4nner unterw\xFCrfig gemacht hat. Sie
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hat viele tausend Kastraten um sich, die gleichsam als Knechte den Uibrigen aufwarten. Sie verfertigen ihren Stock mit solcher Kunst, und theilen ihre Zellen so genau ab, da\xDF die sch\xE4rfsten geometrischen Rechnungen hier nichts Nichtigers zuwege bringen w\xFCrden. — Man sehe die Wespen an, die gleichsam ihr ganzes Nest von innen und au\xDFen, mit einer breiten Haut umziehen, und nach unten zu eine kleine Oefnung lassen, wodurch nur eine Wespe auf einmal kommen kann. Doch besetzen sie diese jederzeit mit W\xE4chtern, damit sie nicht von ungef\xE4hr vom Feinde \xFCberfallen werden. — Man bedenke wie arbeitsam die Ameisen sind. Die M\xE4nnchen gehen, nachdem sie sich neue Weibchen ausgesuchet haben, haufenweise, und sorgenlo\xDF in den breiten Spazierg\xE4ngen herum, wohin sie der Trieb, und das Vergn\xFCgen locket. Die \xFCbrigen arbeiten, wie Leibeigene den ganzen Tag \xFCber, schleppen ganze Balken nach Hause, bereiten sich gegen den Winter ihre Behausung, und legen die eingewickelten Jungen an die Sonne. Inzwischen verflie\xDFt die Zeit, und die Z\xE4rtlichkeit hat ein Ende. Denn, wenn die Hochzeit vorbey ist, jagen die Unverheurahteten Vater und Mutter zur Wohnung heraus,
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und unterhalten das Hauswesen so lang, bis die zur\xFCck gelassenen Jungen wieder zum Heurahten geschickt sind, und Verl\xF6bni\xDF halten.
Man gebe auf die kleinen Blattl\xE4use Acht, die sich unten an die Bl\xE4tter h\xE4ngen. Wer w\xFCrde es den Brautwerbern unter diesen Thieren, wohl auf ihr Wort glauben, da\xDF, wenn die Mutter einmal lhrem Manne beygewohnet, Hernachmals die Tochter, die Nichte, und die Gro\xDFnichten bis ins f\xFCnfte Glied, durch die Beywohnung, die die Urgro\xDFmutter mit dem Manne gehabt, alle miteinander ohne Zuthun eines Mannes, fruchtbar w\xFCrden. Diese kleinen Thierchen werfen den ersten Grund der Physiker um, verm\xF6ge dessen, sie alle Thiere, entweder lebendig zur Welt bringen, oder Eyer legen lassen.
Hiern\xE4chst betrachte man die bewunderungsw\xFCrdigen Zubereitungen, welche die Insekten anstellen, wenn sie ihre Nester machen. Einige legen ihre Eyer auf die Eichenblatter, und damit nicht die Frucht derselben verderbe, so mu\xDF die Eiche, eine grosse rohte Fliege aus den Gall\xE4pfeln hervorbringen. Andere legen ihre Eyer an die Aeste, oder auf die Bl\xE4tter des Pappelbaumes, woselbst alsdenn
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ein r\xF6htlichtes Kn\xF6spchen, oder ein B\xE4lglein zum Vorscheine kommt, das gleichsam die Wiege des jungen Thieres ist. Andere stecken ihre Eyer in die Knospen der schlanken Weyde, und diese tr\xE4gt daraufzarte Rosen; andere verwahren sie in die Zweige des wilden Rosenstockes, und es setzet sich alsdann an dieselben ein wilder Rosenschwamm, oder das unter dem Namen Schlafkunz bekannte Gew\xE4chs an, das voller W\xFCrmer ist; andere stecken sie recht vorn in die Aeste des Wachholderbaumes, und derselbe bringt sodann ein dreyzackichtes Beh\xE4ltni\xDF hervor, das wie das Triglochin aussiehet, das die Einwohner in
Smoland, wider den Husten beym Viehe gebrauchen. Noch andere stecken sie in die Aussch\xF6\xDFlinge der Tannenb\xE4ume, welche alsdann rohtlichte Kn\xF6tchen bekommen, andere in die Donnerreben, oder Gundermann, welches Kraut alsdann N\xFC\xDFe treibt; andere in den Ehrenpreis, oder in das Cerastium, deren Bl\xE4tter sodann in ein K\xF6pfchen zusammlaufen; andere in den Terpetin und den Mastixbaum, die alsdann Schotten bekommen, andere in den Buchkohl (hieracium) an dem sich alsdann ein kleines N\xFC\xDFchen zeigt; und wieder andere werfen ihre Eyer in den R\xFCcken des
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Kohlschmetterlinges, woraus viele Maden entstehen, die sich nachgehends in Schlupfwespen verwandeln.
In den lappl\xE4ndischen Gebirgen findet man eine rauche Fliege, welche die Einwohner die Viehbremse nennen. Diese fliegt den ganzen Tag \xFCber den Rennthieren nach, welche darauf zu den Schneeund Eisbergen ihre Zuflucht nehmen, mit den F\xFC\xDFen stampfen, die Ohren spitzen, und sich mit grosser M\xFChe f\xFCr dieser kleinen, in der Luft schwebenden Fliege zu retten suchen. Diese bem\xFChet sich gegentheils, da\xDF sie ihr Ey in den R\xFCcken des Rennthieres legen k\xF6nne, worauf die daraus entstandene Made den Winter \xFCber in der Haut des Thieres steckt, und sie durchfri\xDFt, das folgende Jahr aber als eine Fliege, die der Mutter \xE4hnlich sieht, herausk\xF6mmt. Solchergestalt stehet man die abgematteten K\xFChe mit \xFCberwerts geschlagenen Schw\xE4nzen, aus Furcht f\xFCr dieser kleinen Fliege herumspringen, die doch weder stechen, noch bei\xDFen kann.
Die Fortsetzung folgt.
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