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XLV.

(P347-fehlerhafte Nummerierung)

Uiber das Steigen und Fallen der Familien.

Unter die politischen R\xE4htsel, deren Aufl\xF6sung statt vieler andern, mit einem Preise gekr\xF6net zu werden verdiente, geh\xF6rt auch die\xDF, von den Ursachen, woher gewisse Familien, und Geschlechter, nachdem sie viele Jahre, auf einem hohen Gipfel des Gl\xFCckes, und einer zahlreichen Ausbreitung ihres Stammes gestiegen find, auf einmal von ihrer H\xF6he herabst\xFCrzen, und wie die Nordlichter, pl\xF6tzlich verschwinden? Ihre Reichth\xFCmer nehmen eben so, wie die Menge ihrer Nachkommen ab, und es scheinet so gar, da\xDF zuweilen der eigenth\xFCmliche Familiencharakter, er betreffe nun den Geist, oder die Leibeskr\xE4fte eines Geschlechtes, sich schon bey dem dritten , oder vierten Zeitalter ihres Wachsthums verlieret. Es kann eine Familie schon ziemlich alt seyn, ohne diejenige H\xF6he des

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Ansehens, und die Menge ihrer Zweige erreicht zu haben, wodurch sie den Zeitgenossen bemerkbar wird und als ein weitl\xE4uftges Geschlecht in die Augen f\xE4llt. Auf einmal gl\xFCckt es einem Einzigen aus ihrem Stamme, der durch besondere Verdienste, durch Flei\xDF, durch merkw\xFCrdige Vorf\xE4lle , und grosseThaten, oder auch durch Reichth\xFCmer, seine ganze Familie empor bringt. Alles siehet auf sie. Erst wurzelte der Stamm gleichsam nur unter der Erde, wie starke B\xE4ume; nun aber brechen sie durch die \xE4u\xDFere Rinde, und nehmen oft die vornehmsten Pl\xE4tze ganzer L\xE4nder ein. Von diesem Geschlechte sieht man Helden, Staatsm\xE4nner, Gelehrte, K\xFCnstler, Handelsleute, aufgeweckte K\xF6pfe, reiche Patrioten. Ihre Familie ist die ber\xFChmteste, und sie beruht auf mehr als hundert Zweigen. Sie ist mit Enkeln, und Urenkeln gesegnet, und niemand vermuhtet, da\xDF sie unter die Familie der Kometen geh\xF6ret, die nur ein Zeitlang zu sehen sind. Sie verschwindet endlich, und es tritt eine neue auf. Ewige Beyspiele aus der Geschichte, werden diese Erfahrung best\xE4tigen. — Die piastische Linie der alten schlesischen Herzoge, bl\xFChte gegen 900. Jahre, und dennoch gieng sie im Jahre 1675 unter dem

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Herzoge,Georg Wilhelm v\xF6llig aus. Die k\xF6nigliche Stuardische Familie erreichte mit der K\xF6niginn Anna ihr Ende; und , es ist noch sehr selten bemerkt worden, da\xDF, wenn ein gewisses Geschlecht, etwann noch auf vier Augen beruhet hat, sich wieder sollte erholet haben. Es giebt keine Klasse der menschlichen Gesellschaft, die von diesem Schicksale ausgenommen w\xE4re. Die Gelehrten aber, die ihre Gelehrsamkeit selten erblich machen k\xF6nnen, haben fast allein den traurigen Vorzug, selten in ihren Enkeln, kaum in ihren S\xF6hnen zu leben, es m\xFC\xDFte denn seyn, da\xDF, sie die dritte, oder vierte Auflage ihrer Schriften, f\xFCr die vierte Nachkommenschaft halten; und, wie wenige k\xF6nnten den Stammbaum ihrer Autorschaft, auch nur so weit hinauf bringen! — Ich l\xE4ugne nicht, da\xDF man wohl einige besondere Ursachen von dem Verfalle einiger Fannlien anf\xFChren k\xF6nnte, die dann und wann eintreffen: sie sind aber niemals so allgemein, da\xDF sie nicht durch gegenw\xE4rtige Beyspiele umgestossen werden k\xF6nnten. Wenn die Reichth\xFCmer eines Einzelnen in der Familie, die Ursache von ihrem Flore waren, da\xDF der Reiche seinen armen Br\xFCdern, die n\xF6htigen

(P350-fehlerhafte Nummerierung)

Unterst\xFCtzungen, um ihre verfallene H\xE4user mit Glanz und W\xFCrde zu \xFCberziehen, darreichte: so kann ja der Verlust der Reichth\xFCmer der Erstem, auch den Verfall der Letztern verursachen. Und, auf wie vielfache Art, Reichth\xFCmer in gro\xDFen Familien verschwinden k\xF6nnen, hat eben keiner Beyspiele n\xF6htig. Man sagt oft: Diese Familie k\xF6mmt ganz herunter! — Selten sagt man dadurch mehr, als da\xDF der Schutzgott derselben, ihr vornehmstes Haupt gefallen ist, und die andern in seinem Ruine begraben hat. Wenn eine k\xFChne Unternehmung dieses Haupt empor hob, so dauert sein Gl\xFCck oft nur so lang, als das Gl\xFCck eben dieser Unternehmung. So bald der Urheber der gro\xDFen That nicht mehr gilt, so kann er auch die kleinen Gesch\xF6pfe, die unter ihm anfangen, sich gro\xDF zu machen, weder durch sein Ansehen, noch durch seine vorigen Verdienste, in ihrem steigenden Wachsthume erhalten. Wenn die Letztern selbst Verdienste h\xE4tten, so w\xE4re ihnen noch zu helfen; da sich aber viele unter ihnen, blos auf Unkosten der beg\xFCterten Anverwandten n\xE4hren: so r\xE4chen sich oft die Feinde derselben, bey ihrem Falle, und der Neid unterdr\xFCcket die Unschuldigen, mit den Schuldigen.

(P351-fehlerhafte Nummerierung)

Wenn sich au\xDFerdem in gewisse Familien der Luxus, der Aufwand, und die Wohllust einschleichen, so wird die Verzehrung, und der Abgang derselben, daraus noch begreiflicher. Wenn, dadurch werden der m\xE4nnlichen St\xE4rke, und der Fortpflanzung der Geschlechter, die gr\xF6\xDFten Hindernisse zugef\xFCget. Es entstehen Erbkrankheiten daraus, die alle Zweige verderben, So wie f\xFCr einen Staat die Wohllust \xFCberhaupt eine entkr\xE4ftende Seuche ist, so pflanzet sich auch durch sie ein gewisser ' Geist der Tr\xE4gheit, und Unwirksamkeit so schleichend fort, da\xDF dadurch die H\xE4lfte der Lebensjahre sonst gesunder B\xFCrger abgek\xFCrzt, und stufenweise von Geschlecht zum Geschlechte, kleine, keichende, und bald ermattende Puppen, statt gesunder Einwohner geboren werden, die schon halb in ihrer Geburt verzehret, den Beruf der Natur nicht erf\xFCllen k\xF6nnen, und endlich, ohne Nachkommen ausgehen. Ihr Verm\xF6gen, wenn sie welches gehabt haben, wird dadurch zerstreuet, und flie\xDFt in andere Familien \xFCber. Wenn einem Landesherrn daran gelegen w\xE4re, lieber grosse Familien aus einem Stamme, und Namen, als andere kleinere von verschiedenem Ursprunge zu haben: so k\xF6nnten durch genauere

(P352-fehlerhafte Nummerierung)

Aufzeichnung der ersteren , und Bemerkungen der Ungl\xFCcksf\xE4lle, Krankheiten , und Todesarten, wodurch sie verschwunden sind, sehr viele heilsame Anstalten zur Erhaltung derselben gemacht werden. Sobald man alsdann durch diese \xF6ffentlichen Untersuchungen anmerkte , da\xDF sich eine Familie sehr verringere, und ihrem Falle nahe sey: So k\xF6nnten dann oftmals noch Mittel geschafft werden, die, so weit es die Natur der Dinge erlaubt, etwas zu ihrer Erhaltung, und neuem Wachsthume bezutr\xFCgen. Diese Vorsorge f\xFCr weitl\xE4ufige Familien, w\xFCrde wenigstens den Nutzen haben, den man bey den sp\xE4testen Nachk\xF6mmlingen bemerket, da\xDF sie sich, aus einem Triebe der Nacheiferung, durch das Andenken alter Vorfahren, zu guten Handlungen begeistern, und gern in Fu\xDFstapfen treten m\xF6gen, die irgend zu einer Zeit mit einem Merkmaale des Segens begleitet waren. Bey allen den Schwierigkeiten aber, von diesen Ver\xE4nderungen eine ganz gewisse, und allgemeine Ursache zu, erfinden, m\xFC\xDFen wir endlich dennoch eine g\xF6ttliche Vorsehung, die \xFCberhaupt in den Ordnungen der Geburt, und des Todes der Menschen, ihre Majest\xE4tsrechte ganz

(P353)

willk\xFChrlich bestimmet, hierinnen erkennen, und bewundern. Sie schwingt sich \xFCber unsere Erkenntni\xDF, und bleibt doch in allen Wegen, lauter G\xFCte, und Weisheit! Man kann es sich leicht vorstellen, was f\xFCr den Uiberrest anderer Menschen daraus entstehen w\xFCrde, wann nur gewisse zahlreiche Familien im Wachsthume blieben. Sie w\xFCrden endlich, mit Unterdr\xFCckung kleiner Geschlechter, die, wie einsames Moo\xDF an niedern Gestr\xE4uchen wachsen, die herrschenden Nebensonnen seyn, durch deren Glanz die kleineren Gestirne unsichtbar werden. Wo w\xFCrden die weniger zahlreichen Geschlechter Muht zu Unternehmungen bekommen, wenn sich das Geschick gleichsam verschworen h\xE4tte, nur die Cedern zu st\xFCtzen, die sich schon in mehreren Zweigen ausgebreitet haben? Eben aus dem Falle der Familien, werden wir uns immer mehr \xFCberzeugen, da\xDF die menschliche Hoheit, die Unsterblichkeit des, Rahmens, und die Sorge f\xFCr die Nachwelt zu leben, ein kleines Nichts unserer geliebten Eitelkeit sind. Wir m\xF6gen es anstellen, wie wir wollen so mu\xDF dennoch Erde zur Erde, und Staub zum Staube werden. Die Ausbreitung der Gesch\xF6pfe ins Unendlich ist einer

(P354)

mathematischen Linie gleich, die nur in der Einbildungskraft immer weiter fortgehet. Dasselbe Gesetz, welches machet, da\xDF der Schoos der Erde \xE4ltert , und aufh\xF6rt so h\xE4ufig zu geb\xE4ren, als in der ersten Jugend der Welt, verursachet eben diese Nichtigkeit in dem Wachsthume der Geschlechter. Die Vorsehung theilt also die Wohnungen und G\xFCter der Welt viel genauer, und mit kl\xFCgerer Proportion unter alle Sterliche, wenn sie gewisse Familien nur eine Zeitlang steigen l\xE4\xDFt und hernach den andern, die noch nichts sind, ruft, da\xDF sie etwas werden. Dieses n\xF6htige Gleichgewicht, welches sie auf diese Art unter den Menschen aufrichtet, beweiset, da\xDF die Erde uns allen angeh\xF6re, und da\xDF ein jeder zu seiner Zeit das wenige Gute, welches etwann kann genossen werden, auch bekommen soll. Eben durch den Fall der beg\xFCterten , und grossen Familien wird der Reichthum,das Ansehen, und die Macht weit ausflie\xDFender, und ger\xE4ht in einen Zirkellauf, der zur Erhaltung der besten Welt, eben so n\xF6htiq, als der gleiche Umlauf des Bluts zur Gesundheit ist. — Und dennoch wird ein Patriot hier, bey noch immer w\xFCnschen k\xF6nnen, da\xDF GOtt den Stamm edler Menschen so weit wachsen lassen wolle, als es m\xF6glich ist, damit von vorteflichen V\xE4tern, auch, f\xFCr die Nachwelt grosse Enkel entstehen k\xF6nnen!


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Topic revision: r5 - 15 May 2011, MarleneBurgstaller
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