Bl\xE4ttern: < zum Text 25zum Text 27 >

ZUM GESAMTINHALT

Ungrisches Magazin, Band 1, Heft 2, Text 26. (S. 250-256)
Hrsg. von Karl Gottlieb Windisch
Pre\xDFburg, L\xF6we, 1781
Autor: o. N.
Zuordnung: Anekdoten



(p250)

26. Anekdoten

Beyspiel einer bewundernsw\xFCrdigen Tapferkeit


Aus einem Schreiben des Niklas Zrinyi, an den Stephan Wittnyedi

Zw\xF6lf mann meiner Fu\xDFv\xF6lker streiften (1662) aus der neuen Festung in das t\xFCrkische Gebieht, bis nach F\xFCnfkirchen, um dort einige Beute zu machen. Zu ihrem Ungl\xFCcke wurden sie bemerkt, und sogleich zogen nicht nur die T\xFCrken aus F\xFCnfkirchen, mit dem ganzen Volke das in der Stadt war, bewafnet, sondern auch der Pascha von Kanischa der sich eben dazumal in F\xFCnfkirchen aufhielt, wider sie aus, und umringten dieselben. Als unsere Soldaten diese macht, welche weniger nicht, als tausend Mann betrug, sahen, entfiel ihnen zwar alle Hoffnung sich zu retten, aber nicht der Muht als Helden zu sterben. Sie munterten sich demnach untereinander auf, und mit einem Eide verpflichteten sie sich, bis auf den kletzten Blutstropfen auszuhalten. Die t\xFCrkischen Reiter, welche eine so geringe Anzahl der Feinde verachteten, fielen sie sogleich mit grosser Hitze an. Aber wie sehr erstaunten sie nicht, als diese mit ihren Feuerr\xF6hren verschiedenen derselben zu Erde streckten. Von diesen nahmen sie das Gewehr und Pulver ab, um sich desselben bey einem l\xE4ngern Streite zu bedienen. Dieses Gefecht dauerte vom fr\xFChen Morgen, bis \xFCber den Mittag. Vierzig T\xFCrken blieben auf dem Platze, sechszig derselben aber wurden t\xF6dlich verwundet, und mehr als hundert Pferde zu Grunde gerichtet. Von dem Gefolge des Pascha wurden drey vornehme T\xFCrken, auch vier Agen des

(p251)

Orts mit etlichen geringen Offizieren erlegt, ja der Pascha selbst konnte sich kaum mit dem Leben retten. Endlich mussten unsere Helden, ihrer Tapferkeit ungeachtet unterliegen. Denn, nachdem sie ihr Feuergewehr, das durch das Schie\xDFen ganz hei\xDF geworden, nicht mehr breuchen konnten, warfen sie es weg, und rangen mit entbl\xF6\xDFten S\xE4beln in die Feinde. Alles fiel vor ihren Streichen, aber endlich auch ? derselben ganz ineinander geschlossen, und von vielen Wunden entkr\xE4ftet. Der Zw\xF6lfte, der von seinen Kamaraden getrennt ward, und schon f\xFCnf Wunden z\xE4hlte, kam gl\xFCcklich durch die Feinde zu einem nahen Gestr\xE4uche, in welchen er sich verkroch, und fast ohnen Leben die Wache zubrachte. Hier fanden ihn die christlichen Bauern den Tag darauf, und brachten ihn zu uns. Wir haben auch alle Hoffnung von seinem Aufkommen. Gewi\xDF, viele Jahrhunderte haben kein so au\xDFerordentliches Beyspiel der Tapferkeit aufzuweisen, und ich zweifle nicht, dass man diese Helden mit jedem der R\xF6mer vergleichen k\xF6nne!

Noch etwas von der Herzhaftigkeit des ungrischen Frauenzimmers.


Als die T\xFCrken im Jahre 1552 die ungrische Stadt Erlau belagerten, thaten sich die Weiber der Belagerten durch ihren Heldenmuht und Unerschrockenheit, auf eine sehr merkw\xFCrdige Art hervor. Sie verf\xFCgten sich an die gef\xE4hrlichsten Oerter, und trugen ihren M\xE4nnern siedendes Wasser, und ungeheure Steine zu, um solche den T\xFCrken auf die K\xF6pfe zu werfen. Zween Vorf\xE4lle waren bey dieser Belagerung ungemein merkw\xFCrdig. \xC4hrend eines der rasendsten St\xFCrme, welche die T\xFCrken auf die Festung thaten, ward eine Frau, die einen grossen Stein auf dem Kopfe trug, um ihn von der Mauer herabwerfen

(p252)

von einer Kanonenkugel getroffen, die ihr den Kopf wegnahm, und sie zu den F\xFC\xDFen ihrer Tochter, die neben ihr stand, hinstreckte. Diese, der dieser Anblick bis in die Seele drang, glaubte dass sie des Lebens nicht wehrt w\xE4re, wenn sie den Tod ihrer Mutter nicht r\xE4chte. Augenblicklich ergriff sie den Stein, der noch von dem Blute ihrer Mutter triefte, rannte damit wie rasend auf die Mauer, und warf ihn auf einen Platz, wo die Feinde am dichsten beysammen waren. Sie erschlug damit zween T\xFCrken, und verwundete zugleich noch verschiedene andere. Die zwote That ist noch merkw\xFCrdiger. Eine Dame aus dieser Stadt, stand bey ihrem Schwiegersohne in eben dem Augenblicke, da er in einem herzhaften Gefechte auf der Mauer get\xF6dtet ward. So bald sie ihn zur Erde st\xFCrzen sah, wendete sie sich zu ihrer Tochter, die neben ihr war, und fragte, ohne die mindeste Best\xFCrzung merken zu lassen: „Nun meine Tochter, du wirst doch deinem Manne die letzte Ehre erweisen?“ Aber die junge Dame, welche nicht minder beherzt war als ihre Mutter, antwortete, ohne eine Tr\xE4hne zu vergie\xDFen:“Mama, es ist itzt weder Zeit zum Weinen, noch Leichbeg\xE4ngnisse zu halten; wir m\xFCssen blo\xDF auf Rache denken!“ Mit diesen Worten ergriff sie den S\xE4bel ihres Mannes, lief gegen die Belagerer, und fochte daselbst mit einer Hitze und Tapferkeit, die wenig ihres gleichen hat. Sie wich auch nicht ehe von der Bresche, als bis sie drey Feinde unter ihren Streichen fallen gesehen. Endlich, da sie zu schwach ward, ihre Kr\xE4fte weiter anzustrengen, zog sie sich zur\xFCck, die Beerdigung ihres Gemahls zu veranstalten. Francesco Serdonato * und verschiedene ungrische Geschichtsschreiber ** haben angemerkt, da\xDF die christichen Weiber bey dieser Belagerung, ohne sich die minderste

* In seinen Lobeserhebungen ber\xFChmter Damen.

** Sambucus in append. rer. Hung. ad Bonsiniem in narrat. rer ad Agriam gestarum.

(p253)

Erholung zu g\xF6nnen, gefochten h\xE4tten. Daher sich denn auch der Kommendante des Platzes nicht enthalten konnte, in der Rede, welche er an die Soldaten hielt, auszurufen: „Ich brauche euch tapfere Kriegsm\xE4nner! gar nicht zuzureden, dass ihr euch gut halten sollet, den selbst die Weiber haben, ohne R\xFCcksicht auf die Z\xE4rtlichkeit ihres Geschlechts bereits die Dreistigkeit und den Muht gehabt, die Feinde zur\xFCckzuschlagen; und sie haben zu dem Siege, den wir erfochten haben, das Meiste beygetragen.“

Die Kr\xFCppelrepublik.


Die indianischen Fabeldichter erz\xE4hlen uns, da\xDF sich ein Ort in ihrem Vaterlande befinde, welcher von lauter ungestalten, und bucklichten Leuten bewohnt wird. - Ein sch\xF6ner wohlgemachter Fremdling sagen sie, sey einst dahin gekommen; und sogleich h\xE4tten sich alle Einwohner versammelt, die au\xDFerordentliche Gestalt dieses Menschen zu bewundern. Einh\xE4llig hielten sie ihn f\xFCr eine Misgebuhrt, sie beschimpften und verspotteten diese in ihren Augen so h\xE4ssliche Figur; ja sie w\xFCrden ihn vielleicht get\xF6dtet haben, wenn ihn nicht ein Weiser von dieses bucklichten Gemeinde, der vielleicht schon unbucklichte Menschen gesehen hatte, ihrer Muht entrissen h\xE4tte! „Was thut ihr, meine Freunde, sagte er, beschimpfet diesen Ungl\xFCcklichen nicht; danket vielmehr dem Himmel, da\xDF er unsere R\xFCcken mit einem fleischigten Gebirge geschaffen, und unsere Gestalt, weit \xFCber diesen Elenden erhoben hat.“ Nachstehende Erz\xE4hlung hat keinen Fabeldichter, sondern einen bew\xE4hrten Geschichtschreiber zum Verfasser. – In unserem Vaterlande sagt er, befindet sich in der Sarander (Szarand) Gespanschaft ein Dorf mit Namen Schim\xE1nd, (Sim\xE1nd) welches ehedem von lauter

(p254)

Hinkenden, Bucklichten, und Lahmen; kuz, allein von Kr\xFCppeln bewohnet ward. Niemanden war es erlaubt, sich bey ihnen niederzulassen, weil es ihr Interesse erforderte, ihren Schlag nicht zu verderben. – Zwar die g\xFCtige Natur war nicht so grausam, diese Leute so ungestaltet und h\xE4\xDFlich zu bilden; sie selbst waren unmenschlich genug, ihre neugebohrnen Kinder auf allerley Art zu verunstalten, und zu Kr\xFCppeln zu machen. – Sie durchstrichen das ganze Land, wo sie auf den Jahrm\xE4rkten, mit Singen beweglicher Lieder, Geld erbettelten, und durch ihre Gebrechen Mitleiden erweckten. – Sie hatten auch ihre eigene Sprache, welche die Sprache der Blinden hie\xDF, und genossen den Vorzug von andern rechtschaffenen und arbeitsamen Unterthanen, da\xDF sie von allen Abgaben g\xE4nzlich befreyet waren. Wie lang diese Scheusale des menschlichen Geschlechtes im bemeldeten Schim\xE1nd geduldet worden, kann ich nicht gewi\xDF sagen; wenigstens sind sie im Jahre 1536, um welche Zeit mein Gew\xE4hrsmann Niklas Olahi * dieses erz\xE4hlet, noch nicht ausgerottet gewesen, welches aber vermuhtlich halb hernach geschehen seyn mu\xDF, weil man nach dieser Zeit bey den vaterl\xE4ndischen Geschichtschreibern nichts mehr von diesen Leuten aufgezeichnet findet.

* In seiner Hungaria, f.’de originibus gentis, Regionis situ, cet. Siehe auch Belii Adparatum ad Hist. Hung.

Die grausam gew\xE4hrte Bitte.


Als nach der ungl\xFCcklichen Schlacht bey Moh\xE1tsch der Sultan S\xFCleyman, die Stadt Ofen von allen ihren Einwohnern g\xE4nzlich verlassen fand, lie\xDF er solche bis auf das K\xF6nigliche Schlo\xDF ein\xE4schern; und schickte sodann seine V\xF6lker ab, das Land zu verw\xFCsten.- Eine Menge Landleute fl\xFCchteten sich mit ihren Weibern und Kindern in

(p255)

das Dorf Maroth, welches in dem Gebirge W\xE9rtesch zwischen Ofen und Gran liegt, in welches auch viele Edelleute und Soldaten, die sich aus der besagtenh ungl\xFCcklichen Schlacht gerettet hatten, ihre Zuflucht nahmen. – Sie wurden aber von den streifenden T\xFCrken gar bald entdecket, und angegriffen. Ganzer zween Tage thaten ihnen die Christen den tapferten Widerstand; aber den dritten, als sie einige Verst\xE4rkung, und etliche Falkoneten aus ihrem Lager erhielten, \xFCberw\xE4ltigten sie diese tapfern Leute, und richteten eine solche Niederlage unter ihnen an, da\xDF es nur wenigen gl\xFCckte, sich mit der Flucht zu retten. Unter diesen war ein Soldat Michael Dobozy genannt, der sein Weib hinter sich auf das Pferd genommen, und sich aus dem Scharm\xFCtzel gerettet hatte. Er ward aber von den Feinden verfolgt. Da nun sein Weib sah, da\xDF diese ihnen bereits sehr nahe waren, das Pferd auch schon zu matt war, sie weiter zu tragen, baht sie ihren Mann, da\xDF er sich ihrer entledigen, und damit sie nicht in die H\xE4nde ihrer Feinde k\xE4me, sie erw\xFCrgen sollte. Dieser aber, der keine Gefahr zu scheuen gewohnt war, sein Weib auch \xFCberaus liebte, tr\xF6stete sie mit der Hoffnung da\xDF sie Gott gewi\xDF retten w\xFCrde. Doch diese Hoffnung schlug fehl, denn sie wurden eingeholt, und mit gez\xFCckten Schwerdtern angefallen. Sogleich sprang das entschlossene Weib vom Pferde, und drang in ihren Mann noch mal, sie ja den T\xFCrken nicht Preis zu geben, sondern ihr das Leben zu nehmen. – In dem Augenblicke wendete sich der Mann mit dem Pferde, und mit einem Streiche hieb er seiner geliebten H\xE4lfte den Kopf vom Rumpfe. Er selbst aber warf sich unter die Feinde, uns starb den Tod eines Helden. – Joan. Zermegh in Comment. Rer. gest. inter Ferd. & Joan. Hung. Reges.

(p256)

Der bestrafte Uibermuht.


Als Franz Per\xE9nyi im Jahre 1557 aus Mangel der Kriegsv\xF6lker das Schlo\xDF zu Nagy-Ida in der Abauyw\xE1rer Gespanschaft, den Zigeunern anvertrauen mu\xDFte, hielten sie sich wider alles Vermuhten so tapfer, da\xDF sie den Feind nicht nur zu verschiedenenmalen von den Mauern abtrieben; sondern ihn auch n\xF6htigten, die Belagerung aufzuheben. Im Abziehen schrieen die Zigeuner den Bel\xE4gerern sehr muhtig nach: da\xDF sie gewi\xDF nicht so leicht weggekommen seyn w\xFCrden, wenn es ihnen nicht an Pulfer gemangelt h\xE4tte. – Als dieses die Belagerer h\xF6rten kerhten sie um, zwangen das Schlo\xDF zur Uibergabe, und lie\xDFen die Zigeuner, deren mehr als tausend waren, \xFCber die Klinge springen.

Auch Narren k\xF6nnen n\xFCtzlich seyn.


Johann von Sz\xE1polya als er zu seinem Schwager nach Pohlen gefl\xFCchtet war, und durch den zur\xFCckgekommenen L\xE1\xDFky sehr vergn\xFCgte Nachrichten von der Pforte erhielt, ward er mit seinen Freunden eins, den Eimon Litteratus Athinay, seinen Vertrauten, mit f\xFCnfhundert Fu\xDFv\xF6lkern, und einigen Reitern, sobald m\xF6glich nach Ungern schicken. Dazu aber war Geld n\xF6htig an dem doch Johann grossen Mangel hatte. Die ihm nach Pohlen gefolgten Magnaten und Hofleute trugen also viel sie konnten zusammen. Selbst sein Hofnarr, Valentin Bolond * boht ihm zehn Dukaten mit den Worten an: wenn du nach Ofen k\xF6mmst, so wei\xDF ich, da\xDF ich dieses Geld wieder zur\xFCck kriege. – Dieses hielt Sz\xE1polya f\xFCr eine gute Vorbedeutung, die auch hernach wirklich eingetroffen ist. Joan. Zermegh. Comment.

* Bolond bedeutet in der ungrischen Sprache einen Narrn.
Topic revision: r32 - 04 Sep 2012, KatalinBlasko
This site is powered by FoswikiCopyright © by the contributing authors. All material on this collaboration platform is the property of the contributing authors.
Ideas, requests, problems regarding Foswiki? Send feedback