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GESAMTINHALT >
Zeitschrift von und f\xFCr Ungern
Hrsg. von
Ludwig Schedius
Pest, Patzko, 1802
Band 1, Heft 2
I. Abhandlungen und k\xFCrzere Aufs\xE4tze
Text 5 (S. 202-219)
Teil 2 >
Autoren:
Zuordnung: Medizin
(P202)
5. Beytr\xE4ge zur Geschichte der Schutzpocken in Ungern.
Vorbericht
Die Heilkunde, als ein Theil der Naturwissenschaft, geht mit dieser gleichen Schritt fort; daher die Geschichte der Heilkunde zugleich ein Beytrag zur Geschichte der Naturkunde und der Cultur des menschlichen Verstandes ist. Da der Zweck dieser vaterl\xE4ndischen Zeitschrift auch dahin geht, Beytr\xE4ge zur Geschichte der Verbreitung und Bef\xF6rderung des menschlichen Wissens in Ungern zu liefern: so wird eine Geschichte der Impfung der Kuhpocken in Ungern hier nicht am unrechten Orte stehen.
Der Verfasser war der erste, der die Impfung der Kuhpocken in
Pesth mit gl\xFCcklichem Erfolg ausge\xFCbt, und mehr als 200 Menschen dadurch von den Gefahren der h\xE4\xDFlichen Blattern gerettet hat. Auch nach mehreren Gegenden Ungerns verpflanzte er dieselben. Er hat es dahero f\xFCr seine Pflicht gehalten in dieser Zeitschrift \xF6ffentlich Rechenschaft zu geben \xFCber die Beweggr\xFCnde, so wie \xFCber den Fortgang der von ihm unternommenen Impfung.
Der Verfasser hoffet, da\xDF feine Amtsbr\xFCder nicht ermangeln werden, alles dasjenige in dieser Zeitschrift bekannt zu machen, wodurch der Naturforscher und Menschenbeobachter in den Stand gesetzt werden kann, die Verbreitung der wohlth\xE4tigen Kuhpocken in Ungern zu \xFCbersehen, und sichere Resultate daraus zu ziehen.
(P203)
\xA7.1.
Unter allen Krankheiten, welche das Menschenleben verbittern, sind die Pocken oder Blattern unstreitig eine der f\xFCrchterlichsten. Diese h\xE4\xDFliche Krankheit wird durch ein urspr\xFCnglich ausl\xE4ndisches Gift erzeugt, welches von aussen dem menschlichen K\xF6rper mitgetheilt wird.
\xA7. 2.
Die Griechen, R\xF6mer, und die alten Einwohner Ungerns, die
Hunnen,
Awaren, und Magyaren haben die Verw\xFCstungen der Blattern nicht gekannt. Europa war bis in das 12-te Jahrhundert von dieser Seuche ganz frey.
\xA7. 3.
In dem 12-ten Jahrhundert herrschte die gr\xF6\xDFte Unwissenheit unter den Menschen. Finsterni\xDF verbreitete sich \xFCber die ganze Erde. Die Wissenschaften waren verachtet; die Forscher der Natur verfolgt.
\xA7. 4.
In diesen finstern Zeiten der Barbarey, \xFCben deren Folgen die Menschheit lange seufzte, wurde auch das Pockengift nach Europa verpflanzt. Schnell hatte sich die Krankheit \xFCber alle V\xF6lker ausgebreitett. Sie w\xFCthete grausam um sich her; erw\xFCrgte mehr als die H\xE4lfte der Menschen. Selbst ein gro\xDFer Theil derjenigen, die dem Tode entgangen sind, wurden schreckbar verunstaltet. Viele tausende wurden blind, viele taub, viele gel\xE4hmt, viele verr\xFCckt, viele bekamen die Fallsucht, viele die Schwindsucht, viele den Beinkrebs u. dgl. und schleppten so ein jammervolles Leben mehrere Jahre hindurch.
\xA7. 5.
Die Menschen f\xFChlten zwar die Wuth der Blatternkrankheit, setzten aber deren Verbreitung keine Gr\xE4nzen,
(P204)
Weil sie blind, und th\xF6richt waren. Sie hielten die Bl\xE4ttern f\xFCr ein nothwendiges Nebel, womit der Himmel die Menschen z\xFCchtiget. So lassen die einf\xE4ltigen T\xFCrken die West unter sich w\xFCthen, ohne sich dawider zu verwahren. So verachtet der dumme Bauer alle Arzney, weil er jede Krankheit als ein Geschick des Himmels betrachtet.
\xA7. 6.
Nachdem aber die Wissenschaften wieder zu bl\xFChen anfingen, und die Finsterni\xDF verdr\xE4ngten, wurde auch die Vernunft in ihre vorigen Rechte eingesetzt; und die Menschen fa\xDFten den Muth, sich von den Nebeln zu befreyen, welche durch die Unwissenheit unserer Vor\xE4ltern sich eingeschlichen, und das B\xFCrgerrecht erworben hatten.
\xA7. 7.
Man sah nun bald ein, indem man dem Urspr\xFCnge der Blattern nachforschte, da\xDF diese Krankheit dem Menschen gar nicht nothwendig sey; da\xDF sie zur Vollkommenheit des K\xF6rpers, gar nichts beytrage, vielmehr dieselbe hindere; da\xDF sie ohne Mittheilung des Pockengiftes von aussen, ohne Ansteckung, gar nicht entstehe; da\xDF sie aber doch, eine Empf\xE4nglichkeit des K\xF6rpers zur Aufnahme des Pockengiftes voraussetze; da\xDF diese Empf\xE4nglichkeit durch die einmahlige Pockenkrankheit g\xE4nzlich zerst\xF6rt werde, so, da\xDF eine wiederholte Ansteckung ohne Wirkung w\xE4re.
\xA7. 8.
Nachdem man eingesehen hatte, da\xDF zu Entstehung der Blattern zwey Ursachen, n\xE4mlich die Ansteckung, und die Empf\xE4nglichkeit f\xFCr das Blatterngift nothwendig waren, durfte man mit Grund schlie\xDFen, da\xDF die Mittel zur Vermeidung der Gefahren der Pockenn und selbst zur Ausrottung dieser h\xE4\xDFlichen Krankheit darin bestehen, da\xDF man entweder die Ansteckung g\xE4nzlich verhindere, oder die Empf\xE4nglichkeit zur Aufnahme des Blatterngiftes v\xF6llig zerst\xF6re.
(P205)
\xA7. 9.
Die g\xE4nzliche Vermeidung der Ansteckung ist mit unendlich vielen Schwierigkeiten verbunden. Wir m\xFC\xDFten, die Anstalten, welche wir wider die
Pesth gebrauchen, annehmen. Dieses w\xFCrde viel Aufopferungen erfodern, und wir k\xF6nnten uns doch nur sehr langsam unserem Zwecke n\xE4hern, kaum ihn jemals ganz erreichen.
\xA7. 10.
Daher suchten denkende K\xF6pfe solche Mittel auf, wodurch die Empf\xE4nglichkeit der Menschen f\xFCr das Blatterngift aufgehoben werden k\xF6nnte. Die Erfahrung lehrte, da\xDF dieses Mittel in der Einimpfung der Kinderblattern lage, deren man sich beynahe seit einem Jahrhunderte schon mit gutem Erfolg bedient hatte.
\xA7. 11.
Aber diese Einimpfung der Blattern hat viele Hindernisse gehabt. Deswegen machte sie innerhalb hundert Jahren so wenig Fortschritte, da\xDF man sie selbst in vielen Gegenden [Ungerns kaum dem Namen nach noch kennt. Die eingeimpften Blattern waren nicht selten mit gef\xE4hrlichen Zufallen verbunden, hinterlie\xDFen manchmal \xFCble Folgen; durch sie wurden nur zu oft die Blattern mehr verbreitett. Sie erfoderten die best\xE4ndige Aufsicht des Arztes, darum konnte der gr\xF6\xDFte Theil der Menschen von diesem Mittel keinen Gebrauch machen.
\xA7. 12.
Im Fahre 1798 machte uns Eduard
Jenner, ein englischer Arzt mit der Kuhpocke bekannt. Diese Entdeckung ist ohnstreitig die herrlichste des j\xFCngst verflossenen an Erfindungen reichen Jahrhunderts; sie ist der sch\xF6nste Triumph der menschlichen Vernunft; durch dieselbe hat die Menschheit bey weitem mehr gewonnen, als die verheerenden Kriege im letzten Jahrzehend
(P206)
verlor. Verbannt sind durch sie alle Gefahren der Blattern. Keine z\xE4rtliche M\xFCtter wird mehr bey der Nennung dieser Krankheit zittern, keine mehr wegen des Lebens ihres Kindes in Furcht schweben. Wir werden nicht mehr die Folgen der Unwissenheit unserer Vor\xE4ltern f\xFChlen. Wir werden keine Blindheit, keine L\xE1hmung, keine Schwindsucht, keine Verunstaltungen mehr als Nachkrankheiten der Pocken beobachten. Der sp\xE4teste Nachkomme wird
Jenners Name mit Verehrung nennen, und auch uns gef\xFChlvoll segnen, da\xDF wir diese Entdeckung zum Wohl der Menschheit so eifrig zu verbreiten suchten.
\xA7.13.
Die Vortheile der Kuhpocken, welche uns E.
Jenner mitgetheilt hat, sind folgende:
1. Die Einimpfung der Kuhpocke erzeugt au\xDFer einer
kleinen Unp\xE4\xDFlichkeit gar keine besonderen kr\xE4nklichen Zufalle.
2. Die Pocke bricht nur an der Impfstelle aus, sonst erscheint sie nirgends im K\xF6rper.
3. Die Ber\xFChrung des Geimpften, oder seiner Kleidungsst\xFCcke, oder der ihn umgebenden Luft ist gar nicht ansteckend.
4. Die Impfung kann in jedem Alter, zu jeder Jahrszeit unternommen werden.
5. Sie l\xE4\xDFt gar keine Nachkrankheiten nach sich.
6. Sie tilgt vollkommen die Empf\xE4nglichkeit f\xFCr die Blattern.
\xA7. 14.
Diese Vortheile der Kuhpocken hat
Jenner nicht in seiner Studierstube erdichtet; er wurde zur Erkenntni\xDF derselben durch die sorgf\xE4ltige Beobachtung der Natur gef\xFChrt. Er f\xFChrt Beyspiele von Menschen an, welche schon vor 25, 27, 31, 53, Jahren die Kuhpocken \xFCberstanden haben, auf welche das Blatterngift keine Wirkung mehr hatte, und bey welchen man nach Verlauf so vieler Jahre gar keine Nachkrankheit bemerken konnte.
(P207)
\xA7.15.
Die Beobachtungen
Jenners sind bald in verschiedenen Gegenden durch die Erfahrung gleichfalls bestattigt worden, und so wurde die Impfung der Kuhpocke bald in ganz England eingef\xFChrt, von danach Deutschland, Frankreich, D\xE4nemark, Schweden, Spanien, Italien, ja sogar nach Asien, Afrika, und Amerika verpflanzt.
In dem ganzen Felde der K\xFCnste und Wissenschaften findet man keine Entdeckung, welche mit solcher Schnelligkeit, innerhalb zwey Jahren beynahe \xFCber die ganze Welt w\xE4re verbreitet worden.
Man hat die gro\xDFen Vortheile der Kuhpocke \xFCberall erfahren. In London allein impfte man in einem Jahre \xFCber 60000, von welchen 10000 der Blatternansteckung absichtlich ausgesetzt wurden; bey keinem einzigen ist die Blatternkrankheit erschienen.
\xA7. 16
Diese entschiedenen Vortheile der Kuhpocke haben auch den Verfasser bewogen, dieselbe nach
Pesth zu verpflanzen. Er hat die erste Impfung mit gl\xFCcklichem Erfolge verrichtet den 27-ten August 1801, und bis Ende Februar 1802 waren bereits 200 Menschen von
verschiedenem Alter durch ihn geimpft worden. Bey 6 war die Impfung ohne allen Erfolg; bey 10 erschienen un\xE4chte Kuhpocken; die \xFCbrigen 184 haben alle die \xE4chte Kuhpocke gehabt.
\xA7. 17
Der Verlauf der \xE4chten Kuhpocken war bey allen folgender.
Am dritten Tage nach der Impfung hat man an der Impfstelle einen kleinen etwas erhabenen harten rosenrothen Fleck bemerkt.
Am f\xFCnften Tage war der rothe Fleck von der Gr\xF6\xDFe, einer Erbse, und hatte in der Mitte schon eine kleine mit klarer Feuchtigkeit gef\xFCllte durchsichtige Blase. An diesem
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Tage haben viele, doch bey weitem nicht alle ein kleines Fieber bekommen, welches sich durch etwas vermehrte Hitze, und Unruhe \xE4u\xDFerte.
Am siebenten Tage war der rothe Fleck schon von der Gr\xF6\xDFe eines kleinen Groschen; die durchsichtige weisse Blase in der Mitte merklicher.
Am neunten, oder zehnten Tage dehnte sich der rothe ziemlich harte Umkreis stark aus, bis zur Gr\xF6\xDFe eines Guldenst\xFCckes; oder eines Kronthalers. Die weisse Blase war strotzend, hatte in der Mitte eine Vertiefung; und man hat deutlich wahrnehmen k\xF6nnen, da\xDF sie durch feine Scheidew\xE4nde in mehrere Flachen eingetheilt sey. Diesen Tag wurde die Blase ge\xF6ffnet, und die kristallklare durchsichtige Feuchtigkeit zur anderweitigen Impfung angewendet. An diesem Tage hat man fast bey allen ein kleines Fieber bemerkt.
Den zehnten Tag haben viele Impflinge Schmerzen unter den Achseln versp\xFCrt; bey einigen waren selbst die Achseldr\xFCsen geschwollen, bey einem sechstagigen M\xE4dchen die Br\xFCste. Diese Geschw\xFClste zertheilten sich ohne Anwendung irgend eines Mittels nach wenigen Tagen.
Den 12-13-ten Tag nahm der rothe harte Umkreis allmahlig ab; die Blase hat in der Mitte einen braunen Punkt bekommen, der sich immer weiter verbreitete, so da\xDF den 15-16-ten Tag die ganze Blase zu einer braunen Borke ausgetroknet war. Diese ist den 21-25-ten Tag nach der Impfung abgefallen.
Es hat sich bey keinem der Geimpften irgend ein kr\xE4nklicher Zufall ereignet; daher der Verfasser gar keine Arzeney angewendet hat.
Es erhellet aus dieser kurzen Beschreibung, da\xDF wir also in
Pesth schon in dem Besitz der achten Kuhpocken sind. Der Verf. wird daher auch ferner fortfahren, so viel ihm m\xF6glich ist diese gro\xDFe Entdeckung zur Vermin-
(P209)
derung des menschlichen Elendes unter seinen Mitb\xFCrgern zu verbreiten. Er kann bey dieser Gelegenheit nicht unterlassen, seinen innigsten Dank dem L\xF6blichen Magistrate der k. Freystadt
Pesth \xF6ffentlich abzulegen, f\xFCr die v\xE4terliche Sorgfalt, womit derselbe des Verfassers Ansuchen um die Erlaubnis den Waisen und Findelkindern die Kuhpocken einimpfen zu d\xFCrfen, mit so vieler Theilnahme und Bereitwilligkeit aufgenommen, da\xDF alsogleich die n\xF6thigen Maa\xDFregeln zur Ausf\xFChrung einer solchen Impfungs - Anstalt getroffen wurden. Um jeden Schein des Zweifels \xFCber die wohlth\xE4tige Wirkung der Kuhpocken zu vertilgen, will der Bf. an allen den von ihm bisher Geimpften, im gegenw\xE4rtigen Fr\xFChjahr die Gegenimpfung vornehmen.
\xA7. 19.
Der Bf. ist jedoch nicht der einzige, der sich nun in
Pesth mit der Impfung der Kuhpocken besch\xE4ftiget. Seit der Zeit als er dieselbe eingef\xFChrt hat, wird sie mit gl\xFCcklichem Erfolg ausge\xFCbt vom Hrn. Prof. v.
St\xE1hly, Hrn. Prof.
Szening, Hrn. Dr.
Eckstein, Hrn. Dr.
M\xE1rton, Hrn. Dr.
Rumbach, Hrn. Dr.
Szombathy dem j\xFCngern, Hrn. Dr.
K\xFCttel, und Hrn. Dr.
Kov\xE1ts so wie auch von den Hrn. Wund\xE4rzten
Fasser,
Fleischer,
Hanf,
\xC1goston , u. a. m.
(Nach einem authentischen Berichte an die k. Statthalteren.)
Im Monat Juli 1801 hat der st\xE4dtische Physicus (Dr. v.
Huszty in
Pre\xDFburg, mit vom Hrn. Dr. Carene erhaltenen Impfsaden einige Versuche gemacht.
(P210)
die Kuhpocken einzuimpfen, jedoch ohne gew\xFCnschtem Erfolg. Indessen hat zu Ende dieses Monats der Rector des hiesigen evang. Gymnasiums Hr.
Fabri seine drey Kinder in
Raab vom Hrn. Dr.
Beke vacciniren lassen, und kam gleich nach der Operation mit denselben wieder nach
Pre\xDFburg zur\xFCck. Zwey davon haben die Kuhpocken regelm\xE4\xDFig bekommen, das dritte aber nicht. Der st\xE4dtische Physicus ergriff sogleich die Gelegenheil mit frischer Kuhpockenmaterie den 5-ten August am 9-ten Tage des Verlaufs, mehrere Kinder in Gegenwart des Hrn. Dr.
Lumnitzer und der Wund\xE4rzte
Slaby und
Sullowiny mit regelm\xE4\xDFigem Erfolge zu vacciniren. Gleich darauf haben die Hrn. Dr.
Lumnitzer und
Kolb\xE1ny, und die Wund\xE4rzte
Slaby,
Sullowiny und K\xFCssner angefangen, die Kuhpocke zu impfen, so da\xDF im Monat August 6z vaccinirt wurden, worunter nur eine Anomalie durch zu geschwinden Verlauf, und 2 ganz fruchtlose Impfungen beobachtet wurden.
Nachdem die gute Sache der Vaccination im folgen-den Monat September das Ansehen zur weitern Verbreitung zu gewinnen scheint, und dieselbe von Seiten des Physicats mit Grunde als ein \xF6ffentlicher Medicinalgegenstand betrachtet wird, so hat dasselbe am 5-ten Septemb. alle stadtische Wundarzte beruffen, und in Gegenwart der Hrn. Drn.
Lumnitzer und Endlicher, indessen bis von der Allerh\xF6chsten Stelle ein besseres Normatio dar\xFCber gegeben wird denselben folgende Maa\xDFregeln zu beobachten anempfohlen.
I. Nicht zu vacciniren, bevor sie nicht deCarro's Werk mit Aufmersamkeit gelesen, und vorher bey einem im Vacciniren ge\xFCbten Arzte oder Wund\xE4rzte die Art zu vacciniren beobachtet haben; besonders aber nach An-leitung desselben Werkes, a) von keiner Person oder keinem Kinde Materie zum vacciniren zu nehmen, wo die historische Gewi\xDFheit der nicht \xFCberstandenen nat\xFCrlichen Pocken fehlen sollte; b) von einer Pockeninokulations - Lanzette nie einen Gebrauch zum vacciniren, noch von einem Vacci-
(P211)
nations -Instrumente einen andern chirurgischen Gebrauch zu machen; c) eine gr\xF6\xDFere Anzahl von Impflingen in mehrere verhaltni\xDFm\xE4\xDFige Impfungs - Zeitr\xE4ume einzutheilen.
II. Ihre Impflinge nicht gleich dem Schicksale zu \xFCberlassen, sondern bis zu Ende geh\xF6rig zu beobachten.
III. Es sogleich dem Physicus anzuzeigen, wenn sie w\xE4hrend dem Verlaufe der Kuhpocke gef\xE4hrliche Zufalle oder sonst etwas auffallend Abweichendes von der Regel beobachten, oder wenn wohl gar nat\xFCrliche Pocken dabey oder daf\xFCr erscheinen, oder sp\xE4ter bey gelungener oder mislungener Vaccination nachfolgen sollten.
IV. Ueber alle ihre Vaccinirte mit Tauf- und Zuname und Alter, nebst der Anzeige eines ungew\xF6hnlichen Verlaufes, der Revaccination, oder des ganzlichen Fehlschlagens auf dreymaliges Vacciniren, ein Protokoll zu f\xFChren, damit wenn der Ausweis desselben von der Allerh\xF6chsten Stelle abgefordert w\xFCrde, derselbe mit Bestimmtheit erfolgen k\xF6nne.
V. Da\xDF jeder, welcher anf\xE4ngt zu vacciniren, es dem Physico pro notitia anzeigen soll.
Pre\xDFburg am 10. September 1801.
Theoph.
Huszty M. D. & L. R. C. Posoniensis Physicus.
Steph.
Lumnitzer. M. D. & L. R. C. St. Georgiensis Physicus.
Ignat. Endlicher, M. D.
(P212)
Im Anfange des Monats August 1801 reisete Hr.
Joh. \xC1sboth, Prof. der Oekonomie und Verwalter des gr\xE4fl. Georg Festetitschischen Georgikons zu Ke\xDFthely.
nach Oedenburg, und lie\xDF daselbst durch Hrn. Dr.
Pelegrini der dort nebst Hrn. Dr.
Hell bis dahin bereits gegen hundert Kindern die Kuh- oder Schutzpocken mit dem gl\xFCcklichsten Erfolge eingeimpft hatte, den 4-ten August diese Pocken seinem damals sieben Monate alten Sohn Gregor gleichfalls einimpfen. Den 9-ten August trat er mit dem Impflinge seine R\xFCckreise nach Ke\xDFthely.
an. Sobald auf diese Art die Schutzpocken nach Ke\xDFthely verpflanzt waren, suchte der durch seine gemeinn\xFCtzigen Aufopferungen und durch die eifrigste Unterst\xFCtzung alles Guten so ber\xFChmte Hr. Graf
Festetitsch Georg von Tolna die Verbreitung der Schutzpocken durch menschenfreundliche Ermunterungen auf das th\xE4tigste zu bef\xF6rdern. Den 10-ten August wurden in Gegenwart des Grafen von jenem Kinde durch die hiesigen Aerzte Hrn. Dr.
Gutten und Hrn.
Lissiak mehrere andere Kinder ebenfalls mit dem bestem Erfolge eingeimpft. Unter diesen Kindern befand sich auch eine eigene Tochter des Hrn. Dr. Gutten. Beyde Aerzte wiederholten diese Einimpfungen, dann von Zeit zu Zeit an vielen andern Kindern, und setzen dieselben —besonders Hr. Dr.
Gutten— auch jetzt noch immer fort. Voll von Freude \xFCber den erw\xFCnschten Fortgang der Schutzpocken in Ke\xDFthely, schrieb der Hr. Graf den 2-ten September eben desselben Jahrs an die St\xE4nde des Szalader Comitats, und empfahl ihnen, die Schutzpocken durch \xF6ffentliche Auctoritat im Comitate allgemeiner zu machen. Die sich hierauf beziehende Stelle des Berichts ist w\xF6rtlich folgende:
(P213)
… Intemeratam meam fidem in promovenda publica utilitate, devotionemque erga Inclyt. SS. & OO. ultro contestaturus, praemissis illud adhuc in omni humilitate subjungendum esse duxi: in recenti memoria tenere dignabuntur Incly. SS. & OO. inoculationem vaccinarum variolarum originarie in regno Angliae, amplissimo omnis generis scientiarum theatro, ante plures adhuc annos adinventam, ad praecavendam naturalium variolarum pestilentiam jam in provinciis quoque Suae Majestatis Sacratissimae haereditariis cum fructu inductam haberi. Similes vaccinas variolas Provisore meo Instituti Oeconomici Georgicon Domino Joanne \xC1sboth non pridem Sopronio isthuc adferente, earum utilem inoculationem medio Clarissimi Domini Gutten ordinarii Convictus Nobilium Physici, nec non alterius private mei Medici Clarissimi Lissiak, qui seeus Xenodochium quoque meum Keszthelyense providet, tentari procuravi; eamque uterque Dominorum Medicorum optimo cum effectu & successu hic in Keszthely continuant. Cum autem per inoculationem vaccinae variolae infantes lethiseris illis morbis, quos naturales variolae seccus causare solent, minus afficerentur, mullisque corporis
doloribus subjicerentur, cum porro de utilitate magni aestimandae Inoculationis hujus per omnes Proto- Medicos medicasque facultates aprobatae, in contriibuentem etiam plebem redundatura Inclytos Status & Ordines magis convictos esse confidam, quam ut de ea fusius diferere oporteat, e re fore humillime censerem, si Inclyta Universitas ea ratione subversantis publicae utilitatis provisionem hanc jam in oppidio Ke\xDFthely inductam & porro duraturam, medio currentalium per gremium I. Comitatus notam publicamque reddere, eamque taliter gratiosissime protegere dignaretur.
(P214)
In der darauf erfolgten Antwort vom 14 Septemb. autorisirten die St\xE4nde des Szalader Comitats die allgemeine Einf\xFChrung der Schutzpocken im Comitate \xF6ffentlich. Die sich hierauf beziehende Stelle des Antwortsschreibens ist w\xF6rtlich folgende:
Illustrissime Comes,
Domine nobis gratiosissime!
. . Quoniam vaccinarum variolarum inculatio recenter introducta & in iisdem gratiosis litteris una communicata, pariformi omnium voto acceptata haberetur, Processualibus nostris Chirurgis in commissis datum exstitit, ut fine capiendae scientiae hujus, multum alioquin humanae saluti proficiendae uberioris informationis ad Physicum Illustritatis Vestrae, alias Chirurgum Processualem aeque nostrum a Gutten recurrant, super factis in praesenti scientia eorum progressibus, quo praememorata inoculatio in gremio Comitatus nostri communiter adhiberi queat, nos genuine informaturum.- E congregatione nostra generali anno 1801, die 14-ta & subsequis mensis Septembris in oppido Szala Egerszegh celebrata.
Illustritatis Vestrae
Obsequentissimi servi
Universitas Comitatus Zaladiensis.
Seitdem werden nun auch in unsern Gegenden immer mehr Menschen der k\xFCnftigen Generationen durch die wohlt\xE4tigen Schutzpocken erhalten, und diese werden hoffentlich, vorz\xFCglich durch die fortdaurende menschenfreundliche Mitwirkung des gro\xDFm\xFCthigen Grafen, auch in den benachbarten immer mehr verbreitet werden.
Ke\xDFthely, den 24. Februar 1801.
(P215)
Vom
Dr. G. von Marikovszky.
Die Pocken, welche in unserer Stadt alle vier Jahre erscheinen, sind fast immer mit Nervenfieber verbunden, folglich sehr b\xF6sartig. Um von dieser m\xF6rderischen Krankheit so viele Kinder, als m\xF6glich, befreyen zu k\xF6nnen, sparte ich keine M\xFChe, die Kuhpocken-Impfung auch in unserer Stadt einzuf\xFChren; zu dem Ende bat ich im August 1801 meinen Freund Hrn. Dr.
Schreter in
Leutschau, da\xDF er mir von der Kuhpockenmaterie, welche er eben aus Br\xFCnn erhielt, \xFCbersenden m\xF6chte; er war auch so g\xFCtig mir davon etwas mitzutheilen.
Die ersten Versuche machte ich an drey Kindern von verschiedenem Alter, n\xE4mlich an einem M\xE4dchen von einem Jahre, dann an den beyden S\xF6hnen des Hrn. Dr. von
Pillmann meines w\xFCrdigen Collegen, deren einer 16, der andere 12 Jahre alt war. Die Pustel an der geimpften Stelle war regelm\xE4\xDFig; an den ganzen Armen bemerkte ich an allen drey Impflingen den 5-ten Tag, 20 bis 30 rothe Pusteln mit einem kleinen Hof, welche aber in etlichen Tagen verschwanden. In der Folge bemerkte ich, dass die Br\xFCnner Kuhpockenmaterie am l\xE4ngsten ihre ansteckende Kraft beybehielt, und immer mehr oder weniger einen pustul\xF6sen Ausschlag bewirkte.
Im September impfte ich mit einem Faden, den selbst der verdienstvolle Pressburger-Arzt Hr. v.
Huszty mit Kuhpockenmaterie schw\xE4ngerte, und mir \xFCberschickte, drey Kinder, von 1, 3 und 4 Jahren. Alle bekamen regelm\xE4\xDFige Pusteln.
Im Oktober bekam ich Kuhpockenmaterie an F\xE4den und Lanzetten, von meinem werthen Freund Hrn. Dr. v.
Schmidt, Physikus in der k. k. Familien Herrschaft
(P216)
Eckarthsau in Oesterreich. Mit dieser Materie wurden 4 Kinder eingeimpft.
Ein M\xE4dchen von 5 Monaten impfte ich dreymal, zu verschiedenen Zeiten, doch alle dreymal war die Operation fruchtlos. Die Mutter dieses Kindes hatte noch nicht geblattert, auch die Einimpfung der Kuhpocken wurde an ihr noch nicht versucht.
Durch die Bem\xFChung des Hrn. Grafen
Andr\xE1ssy Leopold , habe ich es auch schon so weit gebracht, da\xDF die Aeltern im ganzen Dorfe Bethler, ihre Kinder mit Kuhpocken einimpfen lassen.
Rosenau, den 5. M\xE4rz 1802.
e. An der siebenb\xFCrgisch- walachischen Gr\xE4nze.
Tief im Gebirge jenseits des Mauthkordons vom
T\xFCrzburger Passe befindet sich eine ziemliche Anzahl walachischer Familien. Von den elenden H\xFCtten, worin sie wohnen, werden sie Kalibaschen genannt, weil Kaliba in ungrischer Sprache eine H\xFCtte hei\xDFt. Ihre beynahe g\xE4nzliche Entfernung von aller gesitteten Welt hat die Folge, da\xDF diese Leute in R\xFCcksicht der Cultur sehr tief, selbst unter den \xFCbrigen walachischen Einwohnern des Landes, stehen. Man stelle sich nun den Jammer vor, als hier vor einiger Zeit eine Pockenepidemie der b\xF6sesten Art ausbrach, die in wenig Tagen verheerend um sich griff. In jeder H\xFCtte, wohin das Uebel eingedrungen war, sah man Todte, und manche z\xE4hlte drey und vier, theils Kinder, theils Erwachsene, Opfer
(P217)
der f\xFCrchterlichen Seuche. Die Nachricht davon kam an das
T\xFCrzburger Drey\xDFigstamt: mit menschenfreundlichem Eifer eilte der Hr.
Drey\xDFiger der Verbreitung des Uebels zu steuren Unter andern zweckm\xE4\xDFigen Rathschl\xE4gen, die er gab, empfahl er auch die Schutzpockenimpfung, deren wohlth\xE4tige Folgen er darstellte. Allein lange war hier mit einer gro\xDFen Menge von Vorurtheilen zu k\xE4mpfen. Endlich siegte das Gef\xFChl des Jammers und der Gefahr, verbunden mit den satzlich und mit W\xE4rme vorgetragenen Gr\xFCnden: die Kalibaschen entschlossen sich, ihre noch \xFCbrigen Kinder der Impfung zu unterwerfen. Der verdienstvolle Kronst\xE4dter Stadtphysicus Hr. Tartler impfte nun, auf die sorgf\xE4ltigste und uneigenn\xFCtzigste Art, vier und siebenzig Personen mit erw\xFCnschtem Erfolge, und errichtete den Schutzpocken auch unter diesen Halbwilden eine Troph\xE4e. Unter den Geimpften befanden sich auch Leute aus der Walachey. Wahrscheinlich wird nun entweder die Schutzpocke selbst, oder doch wenigstens die Empf\xE4nglichkeit der Einwohner f\xFCr die Anwendung dieses wohlth\xE4tigen Rettungsmittels auch in dieser benachbarten Provinz verbreitet werden. —
Von
Doktor Johann Seth. *)
In Komorn war Dr. Nagy der erste, der mit der Kuhpockenimpfung den Anfang machte, und zwar an
*) S. dessen neueste Schrift: „Versuch \xFCber die Blatternimpfung und deren wesentliche Vorz\xFCge u. s. w. Komorn. 1801. 8. Seite 166. f.
(P218)
seinem eigenen Kinde. (Er gab auch die bereits im ersten Hefte dieser Zeitschrift S. 121. angezeigte Volksschrift zur Belehrung des gemeinen Mannes dar\xFCber in ungrischer Sprache heraus). Von diesem impfte ich das meinige; und nachdem beyde Versuche nach Wunsch gelangen, so eilten mehrere Aeltern, von dem gro\xDFen Nutzen dieser Impfungsart nun \xFCberzeugt, ihre Kinder von uns einimpfen zu lassen. Die Zahl der mit den Schutzpocken durch mich, den Hrn. Dr. Nagy und Comitatschirurgen
Ferentzi, innerhalb vier Monaten gl\xFCcklich Geimpften, bel\xE4uft sich schon \xFCber 300.
Der w\xFCrdige Prediger
Farkasch zu Komorn. hielt zur Empfehlung der Kuhpocken eine feyerliche Predigt, worin er seine Zuh\xF6rer \xFCber die Vortheile der Schutzpocken belehrte, und zur Verbreitung derselben aufmunterte. Die Wirkung dieses edelm\xFCthigen Vortrages entsprach auch ganz seinen W\xFCnschen, indem viele Aeltern seitdem erst ihre Kinder freywillig der Vaccination unterwerfen.
Auch Se. Er. Graf
Franz Eszterh\xE1zy. haben zur Bef\xF6rderung der Kuhpockenimpfung in dem
Komorner Comitate vorz\xFCglich dadurch auf eine sehr edle Art beygetragen, da\xDF Sie von meinem Werke: "Versuch \xFCber die Blatterneinimpfung" in jeder Ortschaft Ihrer Grundherrschaften vier bis sechs Exemplare, n\xE4mlich an die Seelsorger, Beamten, Richter, Not\xE4re u. a. unentgeltlich vertheilen lie\xDFen, um dieselben \xFCber die N\xFCtzlichkeit dieser Entdeckung zu belehren und der guten Sache desto eher Eingang zu verschaffen.
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Die l\xF6blichen St\xE4nde des Szathm\xE1rer Comitate haben zur Einf\xFChrung und Verbreitung der wohlth\xE4tigen Schutzpocken in diesem Comitate, in der am 8. M\xE4rz d. J. in
Gro\xDFk\xE1roly gehaltenen Generalversammlung beschlossen, denjenigen zwey Wund\xE4rzten, welche durch glaubw\xFCrdige Zeugnisse erproben w\xFCrden, da\xDF sie sich bem\xFChten, die Einimpfung, der Schutzpocken in diesem Comitate einzuf\xFChren und zu bef\xF6rdern, so wie die dagegen herrschenden Vorurtheile zu verbannen, jedem eine Pr\xE4mie, von 12 Dukaten zu ertheilen.