Neues Ungrisches Magazin

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I. Beytrag zur Geschichte und gegenwärtigen Verfassung der ungrischen Sachsen in der Zips.

Es sind in demjenigen Theile von Ungern, wo sich itzt Bergwerke befinden, oder auch vor Zeiten betrieben wurden, mehrere ursprüngliche Sachsen, als in Siebenbürgen. Man muß aber, um diese Behauptung nicht übertrieben zu finden, den Unterschied merken, daß sie sich hier weniger, dort aber mehr mit andern im Lande wohnenden Nationen vermischt, und folglich unkenntlicher gemacht haben. Diejenigen in Ungern, die sich durch Sprache und Sitten von den Schlawaken am meisten unterscheiden, woh-

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nen in der Zips; viele aber findet man noch bis jetzt theils rein und unvermischt, theils mit den Schlawaken vereinigt auch in den Gespanschaften Scháros, Gömör, Abaujvar, Sohl, Hont, Barsch und Thurotz; und obgleich sie jetzt in einigen Bergstädten der Zahl nach geringer sind, als die Schlawaken, so war es doch in den vergangenen Jahrhunderten gerade umgekehrt. Die kleinen Städte z. B. Karpfen und Libethen waren ehedem volkreich und ganz deutsch, Neusohl aber hatte sogar ein Privilegium, keine andern als deutsche Einwohner aufnehmen zu dürfen. In der Liptauer Gespanschaft kann man die ehemaligen Sachsen von den schlawakischen Einwohnern gar nicht mehr unterscheiden, und doch sind die Flecken Deutsch-Liptsch und Rosenberg ohne Zweifel sächsischen Ursprungs; ja der letztere hat noch bis auf diesen Tag keinen andern als seinen deutschen Namen. Es gieng den Sachsen in vielen Gegenden eben so, wie in den Zipser Dörfern. In Gerlsdorf z. B. einem der Mariaschischen Familie zugehörigen Orte, waren die Einwohner noch vor nicht langer Zeit ganz deutsch; die alten Bauern haben noch zum Theile deutsche Andachtsbücher, und bedienen sich derselben, in ihren Häusern: da aber

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ihre Mitunterthanen Schlawaken sind, und sie von der Zeit an, da sie keinen eigenen Prediger haben, den schlawakischen Gottesdienst in dem benachbarten Orte Bottsdorf, der auch vor Zeiten deutsch war, besuchen; so haben sie durchgängig die schlawakische Sprache erlernet, und sie bey ihren Kindern die Muttersprache werden lassen. Jetzt, da sie vollends einen schlawakischen Schullehrer angenommen haben, ist es zu vermuhten, daß das noch übrige Deutsch in wenig Jahren völlig aussterben werde. Die grössere Gemeinschaft mit Schlawaken, und die durchgängige Neigung der Deutschen, die Sprachen ihrer Nachbarn, wenn sie mit ihnen in Verbindung kommen, zu erlernen, hat diese Folge auch in andern vielen Ortschaften erzeugt. In Siebenbürgen haben sich wohl auch die Bauern bey ihrer deutschen Sprache und bey ihren Sitten erhalten; ihre Verfassung aber ist auch von der in Ungern sehr verschieden. Dort hatten sie wenig andere Grundherren als die von ihrer eigenen Nation, und mußten dabey nohtwendig mit den sächsischen Städten in Verbindung bleiben; ihre kirchliche Gesellschaft war auch nicht so vielen Veränderungen unterworfen als die in Ungern, und machte mit der in den Städten einen eigenen Re-

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ligionskörper aus; hierüber sind Grundherren, Mitunterthanen und selbst die Kirche für viele Bauern gleichfalls fremd gewesen; sie ahmten daher das, was sie öfters sahen und hörten, geschwinde nach, bis ihre Nachkommen endlich es vergassen, daß sie deutschen Ursprungs sind. Wie geneigt der Deutsche überhaupt sey fremde Sprachen und Sitten anzunehmen, weis man auch in seinem Vaterlande; hier in Ungern ist er nicht anders; derjenige, der schlawakisches Gesinde halten muß, lernt auch die Sprache desselben; selten aber wird ein pohlnischer, oder schlawakischer Knecht die Sprache seines deutschen Herrn erlernen. Merkwürdig ist es, daß zu der in vergangenem Jahrhunderte ganz deutschen Evangelisch-Lutherischen Gemeine der Stadt Bartfeld mehrere deutsche Dörfer affiliirt gewesen waren, so, daß man erst in jenem Zeitraume einen schlawakischen Diakonus anzunehmen genöhtiget wurde, jetzt aber in der ganzen Gegend, die Stadt selbst ausgenommen, kaum einige Spuren des deutschen Ursprungs vorhanden sind. Ein Dorf, zur Stadt gehörig, hat noch den deutschen Namen Reichwald auch im Schlawakischen behalten; andere aber z. E. Neudorf und Lauke, haben schon Namen in der Sprache ihrer Bewohner. In den sächsischen

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Städten außerhalb der Zips haben die Deutschen, wenn sie auch der Zahl nach schwächer sind als die Schlawaken, einen unstreitigen Vorzug vor diesen, welcher sich darauf gründet, daß sie mehr wirkliches Vermögen besitzen, und angesehenere Handwerke, Künste und die meiste Handlung treiben. Diesem Range haben sie es auch zu verdanken, daß fast in einer jeden dieser Städte eine abgesonderte deutsche Gemeine besteht. Viele, ja die meisten dieser deutschen Mitglieder, sprechen außerhalb der Kirche nur allein das Schlawakische, da es bereits ihre Muttersprache worden ist; das Deutsche hingegen lernen sie nur in der Schule und in der Kirche, daher es auch von ihnen, bis auf die vielen und seltsamen Schlawonismen, reiner als von den Zipsern ausgesprochen wird: und dennoch gesellen sie sich ungerne zu den schlawakischen Gemeinen, auch wenn man sie auf die schmeichelhafteste Art dazu einladet. Die kirchliche Verfassung dieser Städte, und das Ansehen, welches die Deutschen über die Schlawaken von je her behaupteten, erhalten demnach noch die Sprache der erstern: so bald aber, anstatt der deutschen, schlawakische Kirchen- und Schullehrer eingeführt, und diese den Gottesdienst und den Unterricht in Schulen in ihrer Spra-

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che halten würden; sogleich würde auch bey der Vereinigung beyder Gemeinen der Vorzug der Deutschen, mit ihrer Sprache, die ohnedem die wenigsten gerne sprechen, begraben werden.

In der Zipser Gespanschaft haben sich die Sachsen (diejenigen Ortschaften ausgenommen, in welchen sie schon durchgängig schlawakisch sprechen) eben so rein, als die in Siebenbürgen erhalten. Das Gesinde in den größern Städten ist zwar meistens pohlnisch, oder schlawakisch, es erhebt sich aber, so wie das walachische in Siebenbürgen, selten über die niedrige Stuffe seiner Abkunft, bleibt folglich von der Bürgerschaft ausgeschlossen, und giebt keine Gelegenheit bey Zusammenkünften sich in der schlawakischen Sprache, die hier unter deutschen Bürgern nur die Gesindesprache ist, zu besprechen.

Von der Ankunft der ungrischen Sachsen ist schon mancherley geurtheilt und geschrieben worden; man hat aber keine umständlich entscheidenden Urkunden über diese Begebenheit aufzuweisen; man muß sich also mit dem, was Bel, Wagner und andere Geschichtsforscher geliefert haben, begnügen; vielleicht wird die Zukunft nähere Aufklärungen geben. Im allgemeinen, und nach einer

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uralten Sage*), die aber, wenn sie anders ihre Richtigkeit hatte, nur die Zipser angehen würde, ist es wahrscheinlich, daß die ungrischen so wohl, als die siebenbürgischen Sachsen einerley Ursprung haben**), und zu einerley Zeiten, nämlich im dreyzehnten Jahrhunderte, wiewohl nicht alle auf einmal, an-

*) Es heißt: Als die Sachsen nach Siebenbürgen zogen, und ihren Weg über die Zips nahmen, so wären die Schwächern, oder, die sonst des Reifens müde worden sind, hier zurück geblieben. Der gemeine Zipser spricht selbst so; und da sich diese Sage auch in Siebenbürgen erhalten hat, so hätte sie, wegen der Übereinstimmung, wenn ihre Originalität in beyden Provinzen erweislich wäre, ein ziemliches Gewicht.

**) Daß beyde kleinen Völker Kolonien eines und des nämlichen sächsischen Stammes, folglich sehr nahe mit einander verwandt sind, machen auch folgende Umstände wahrscheinlich: Man findet in der Siebenbürger-sächsischen Sprache, die bis znm Nichtverstehen von andern deutschen Mundarten verschieden ist, viele Ausdrücke, die in dem Zipser Dialekte die nämliche Bedeutung haben. Ich will hier zur Probe aus der kleinen Zahl von Siebenbürgischen Wörtern, die in dem I. Bande des alten ungrischen Magazins enthalten sind, diejenigen ausheben, die mit den Zipserischen bis zum Auffallen übereinkommen:

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gekommen seyn. In die Zips wenigstens sind von Zeit zu Zeit neue Kolonisten, doch nur

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Siebenbürgisch. Zipserisch. Deutsch.
Béen Béin Rösten, Bähen.
Gebet Bruid Gebéit Breud Geröstet Brod.
Buirten Borten Ein Mächen-Kopfputz.
Gemächt Gemächt Ein Stiefel-Vorschub.
Gertkummer Gerkommer Die Sakristey.
Gestäpp Gestép Gewürze.
Giren Gern Der Zipfel eines Manns-Rockes.
Grampig Grampig. Grob im Gesichte.
Hanglich Haudlicht. Ein klein Brod.
Kotschen Kotschen. Decken,  zudecken.
Kraft. Kurft. Die Brod-Rinde.
Pendel. Bendelhemd. Ein Frauen-Hemd.
Schempes. Sckemperich. Der Abtritt.
Schléch. Schleiche. Der Regenwurm.
Vörbes. Fürbs. Ein Stiefel-Vorschub.
Vrengdern. Verändern. Heyrathen.
Wihmern. Wimmern. Winseln.
Zech, Zechmiefter. Zech, Zechvoter. Zunftmeister.
Zieger, zum Zieger gohn. Zeiger, zum Zeiger gehn. Das Bier- oder Weinzeichen.
Zoppern. Zaupern. Mit Fäden zusammen ziehen.
Zwenkeln. Zwenkeln. Mit den Augen winken.

Die Kleidertracht des Siebenbürger Frauenzimmers, die gar nicht mit der Mode abwechselt, kömmt in den meisten Stücken mit der alten Zipserischen überein. Z. B. Zwischen den schwarzen Frauenzimmer-Mänteln, die in beyden Ländern von den Schultern herabhängend getragen werden, ist kein anderer Unterschied, als der, den das rauhe Zipserklima verursacht hat. Hier,

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zu einzelnen Familien eingetroffen, welche die Zahl der schon anwesenden Sachsen vermehrten *). Die allgemeine Ursache sie nach

wo ein solcher Mantel noch bey den Bäuerinnen, unter dem Namen einer Schaube, Mode ist, wird er mit Pelzwerk versehen; dort wird er ohne Pelze in Falten gepreßt getragen, und eben diese Falten aber findet man bey den leinenen schwarzen Röcken der Zipser Dorf-Mägde. Auf alten Bildern erscheint auch der Kopfputz der Zipserinnen dem in Siebenbürgen gewöhnlichen sehr ähnlich. Die Regierung war ihrer äußern Verfassung nach vor Zeiten in beyden Kolonien die nämliche, und da ihnen die günstigen Privilegien ohne Zweifel zum voraus, noch vor ihrer Ankunft, zugesichert worden sind; so kann man man daraus auf etwas mehr, als auf die Gleichheit der Gesinnungen der ungrischen Könige gegen sie, schließen. Das Privilegium der Bergstadt Neusohl, keine undeutschen Einwohner aufnehmen zu dürfen, ist eben das, welches man auch in Siebenbürgen findet.

*) Es sind in den Zipserstädten einige Familien, die von der spätern Ankunft ihrer Stammväter ächte Nachrichten geben können. Eine Urkunde aus Freyberg in Sachsen vom Jahr 1572 bezeugt die ehrliche Abkunft und das gute Betragen desjenigen, zu dessen Empfehlung sie gestellt wurde, und giebt die zu erwartende Nahrungserleichterung zur Ursache der Aufwanderung an. Aus Schlesien hat die Intoleranz des vorigen Jahrhunderts auch mehrere Familien in bie Zips gebracht.

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Ungern kommen zu lassen, oder vielmehr unter günstigen Bedingungen einzuladen, mag wohl die, das Land zu bevölkern und mehr anzubauen; die besondere aber Bergwerke zu errichten und die gewonnenen Metalle zweckmäßig zu bearbeiten, gewesen seyn. Da das Letztere den Geschichtsforschern genugsam bekannt ist, so darf ich zur Bestätigung der Sache nur das anführen, daß auch die Zipser Sachsen vor Zeiten durchaus Bergleute gewesen sind. In der Gegend an dem Poperflusse wird freylich nicht mehr gebaut; die vielen Schlacken aber, die man hier und da in Menge findet, beweisen es zur Genüge, daß in den vergangenen Jahrhunderten, da Gold und Silber noch theurer war, gearbeitet worden sey. Bey Käßmark zwischen den Hügeln des so genannten Goldbergs, so wie in mehr andern Orten, wo gegenwärtig nichts als Saatfelder angetroffen werden, findet man Schlacken, die theils zerstreut, theils in beträchtlichen Haufen an der Oberfläche der Erde bereits verwittert sind. Die Orte Klein- und Groß-Schlagendorf werden in Schriften aus dem vorigen Jahrhunderte noch Schlackendorf genannt, und im letztern sind Spuren von ehemaligen Eisenwerkern übrig. —

Da sich dieser Aufsatz zunächst auf die

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Zipser Sachsen bezieht, so will ich die Ortschaften, die sie bewohnen, wenigstens ihren Namen nach anführen: außer den zweyen königl. freyen Städten, Leutschau und, Käßmark, gehören ihnen die sogenannten sechszehen Städte, davon aber Lublau, wegen der ehemaligen pohlnischen Regierung, die auf dem Schlosse daselbst ihren Sitz hatte, auch pohlnische Einwohner und ihre Sprache angenommen hat; ferner die aus den alten Zeiten noch übrig gebliebenen eilf Städte, deren einige auch schon größtentheils die schlawakische Sprache und Sitten angenommen haben; dann, die sieben Zipser Bergstädte, Schmölnitz, Göllnitz u. s. w. zu welchen man, wegen Ähnlichkeit der Gründner Sprache, des Gewerbes und der Sitten, auch die benachbarten Flecken Dopschau in der Gömörer, und die beyden Metzwseufen in der Abaujvarer Gespanschaft rechnen kann; endlich folgende Dörfer, die meistens an den Ufern der Poper liegen: Hopgarten, Klein-Lomnitz, Hollomnitz, Melter, Bauschendorf, Bierbrunn, Nehrr, Sankt-Gingen, Meyerhöfen, Roks, Vorwerk, Hunsdorf, Groß-Lomnitz, Alt- und Neu-Walddorf. Viele andere, deren Bewohner jetzt von den Schlawa-

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ken gar nicht mehr zu unterscheiden sind, behalten noch immer, auch in der schlawakischen Sprache, die ursprünglich deutschen Namen, z. B. Ober- und Nieder-Rauschenbach, Friedman u. m. a. Man kann aus diesem Verzeichnisse, verglichen mit den Spuren von ehemaligen anderwärtigen Wohnsitzen der Sachsen, urtheilen, daß vor ihrer Ansiedlung die ganze Gegend sehr schlecht bevölkert gewesen seyn müsse. Auf den höhern waldigten Bergen wohnen in einigen wenigen Dörfern Rußnaken; (Russsen) in den unfruchtbarsten Gebirgen gegen Norden an der pohlnischen Gränze meistens elende pohlnische Bauern, deren Nahrung Haberbrod und einige Wurzeln sind. Mitten im Lande auf den Hügeln müssen demnach die wenigen Schlawaken, die bis auf diesen Tag noch keinen Bürgerstand kennen, sondern entweder zum Adel oder Bauernstande gerechnet werden, ihre Hütten gehabt haben. Die Städte, Flecken und größern Dörfer sind folglich von den Sachsen erbaut worden. Die Zahl derer, die bis auf diese Zeit ihre Sprache und Sitten behalten haben, beträgt nach einer mittelmäßigen Angabe 60.000 Seelen, davon etwan 10.000 eigentliche Unterthanen, die andern aber freye Leute sind. Rechnete man aber auch diejeni-

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gen darzu, die zwar deutschen Ursprungs, nach und nach aber zu Schlawaken ausgeartet sind, so könnte man füglich die ganze Anzahl auf 75 bis 80.000 setzen.

Die Bergwerke in der Zips, die in den so genannten Gründen betrieben werden, geben, obgleich sich die Ausbeute seit mehrern Jahren sehr verringert hat, einem grossen Theil der Sachsen Nahrung; die andern aber beschäftigen sich gegenwärtig mit dem Acker- und Flachsbau,, mit Handwerken, und der Handlung. Der Ackerbau ist zwar in dieser Gegend mühsam; denn das Land hat wenig Ebenen, und ist voller Hügel, die rings umher mit hohen Gebirgen umgeben sind. Das Erdreich aus den Hügeln ist außerdem mager, und bestehet meistens aus verwittertem Sandstein, Thonschiefer, und Thon, die an vielen Orten kaum einen Schuh hoch über den Felsen liegen. In den Thälern aber und kleinen Ebenen ist das Erdreich lettig und schwer, nahe am Fusse der Karpaten, wo die beträchtlichste und für die Aussicht angenehmste Ebene liegt, steinig, naß und sauer; ja völlig guten tragbaren Boden findet man nirgends in grossen Flächen. Demungeachtet aber macht der Fleiß der Einwohner den Boden fruchtbar, und da die viele Gerste, die hier gesäet

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wird, zum Bierbräuen und Brandweinbrennen verbraucht wird, so kommt auch diese ge«. ringere Getreydeart dem Landwirth gut zu Statten. Die Art, wie die Zipser das Land bauen, geht von der in den übrigen Gegenden Ungerlandes in einigen Stücken ab. Von der Düngung an, bis zur Wintersaat wird gewöhnlich dreymal, zur Sommersaat aber nur zweymal gepflügt. In den Gegenden, wo der Boden kiesig und locker ist, bedient man sich beym Einsäen derjenigen Art des Pfluges, der hier der Haken genannt wird. Er ist zweyschneidig, hebt die Erde gerade vorwärts in die Höhe, und da sie, vermittels des voranstehenden Hakens, zerschnitten ist, legt er sie auf beyde Seiten hin. Man bedient sich dieser Pfiugscharre auf leichten Boden, und bey trockenem Wetter, in welchem Falle man den zuvor ausgestreueten Saamen unterackert, damit es ihm tiefer in der Erde an Feuchtigkeit zum Auskeimen und fernern Wachsthum nicht mangele. Auf schwerem Boden aber ackert man mit dem gewöhnlichem Pfluge, und eget den ausgestreueten Saamen ein. Damit läßt es der Zipser bewandt seyn, und bedient sich nirgends und zu keiner Zeit einer Walze, die ihm in vielen Fallen nützlich wäre. Neue Erfindungen, oder in andern Ländern gewöhn-

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liches Acker-Gerähte nimmt der Landmann überhaupt ungerne an; er ist in diesem Punkte gegen alles Fremde, und vorhin Ungesehene zu sehr eingenommen; denn die mit einem und dem andern gemachten Versuche wollen nicht recht gelingen, da die Witterung und der Boden in der Zips viel Besonderes und Eigenthümliches an sich hat, darauf anderswo keine Rücksicht genommen wird; selbst aber ist er noch nicht so weit gekommen, daß er neue Vortheile beym Ackerbau, die sich bey seinem Boden gut anbringen ließen, erfinden könnte. Es bleibt also beym Alten. Die Getreydearten, die in der Zips gebaut werden, sind: etwas Weitzen, Rocken, besonders aber viele Gerste, und auf den Gebirgen Haber. Flachs wird durchgängig auf Brachfeldern gesäet; auch die schönen Erbsen haben schon viele Ortschaften dahin verwiesen. Da aber diese Saaten nur einen kleinen Theil der Brache einnehmen, so bleibt der weit größere zur Hutung übrig. Zu bedauren ist es, daß einige von den hiesigen Ländwirthen die durch glücklich gerahtene Versuche sich sehr empfehlenden Vorschläge die Brache besser zu benutzen, aus Mangel genügsamer Einsicht und voreiliger Gewinnsucht, mißbrauchen. Man hat, ohne die nöthigen Vorsichtsregeln gekannt oder genutzt

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zu haben, im vergangenen 1787sten Jahre, gleichsam zur Probe auf einigen Brachäckern Gerste eingesäet. Sollte nun dieser Versuch, zumal wenn er fortgesetzt würde, für die Fruchtbarkeit künftiger Jahre, wie es zu vermuthen ist, schlecht ausfallen: so ist sicher zu erwarten, daß man die vorgeschlagene bessere Benutzung der Brache als etwas Schädliches verwerfen werde. In dem Dorfe Neu-Walddorf, welches unmittelbar an dem Fusse der Karpaten liegt, folglich hinreichende Weide für das Vieh, aber schlechten Boden für das Getreyde hat, haben die Bauern vor einigen Jahren uns eigenem Antrieb das ganze Brachfeld, da es ihnen zur Hutung nicht nöhtig ist, mit dem sonst gewöhnlichen Saamen, Gerste und Haber besäet. Der scheinbare Gewinn von einem ganzen Drittheil ihrer Felder war sehr willkommen; die darauffolgenden mehrern Jahre aber waren so schlecht, daß sie an der Wiederherstellung der ehemaligen Ackergüte zu zweifeln ansiengen. Endlich trägt er doch wieder Gerste und Haber; der Bauer aber ist wider die vorgeschlagene Abschaffung der Brache ganz aufgebracht, und meynt, es sey eine Thorheit nur daran zu denken. Der Schade von so elenden Versuchen ist demnach für den Ackerbau und alle Aufhilfe des-

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selben sehr groß; denn mancher hält sich aus der Erfahrung überzeugt, daß bey demselben nicht leicht etwas zu bessern möglich sey; und zu bedauern ist es, selbst die fleißigen und sonst klugen Bauern, die sich aber nur mit ihren nachlaßigern Nachbarn in - und außerhalb der Zips vergleichen, und die fehlgeschlagenen Versuche jener Afterökonomen bemerken können, glauben wirklich an die Unmöglichkeit, den Ackerbau einträglicher zu machen. Nichts wäre für die hiesige Landwirthschaft heilsamer, als eine wohleingerichtete Ackerbaugesellschaft, die nach bewährten Grundsätzen verführe, und durch Beyspiele die Nachahmung beförderte. Gewiß ist es, daß der Zipser, bey sichtbaren Vortheilen, sich sehr leicht über alte Vorurtheile wegsetzen und keine Mühe sparen wollte, um an der bessern Nutzung des Landes Theil zu nehmen. So lange aber die eingebildeten Ökonomen keine Theorie studieren, und von den Erfahrungen des Auslandes nicht einmal aus Zeitungen etwas wissen, diejenigen aber, die eine erweiterte Kenntniß haben, nicht gehört werden: so lange wird sich auch der Acker in seinem durch Alter privilegirten Zustande, trotz aller vorgeschlagenen Besserungen, behaupten. Der Futtermangel, mit allen seinen üblen Folgen äußert

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sich bereits von Jahr zu Jahre schrecklicher; es ist gar nicht mehr auffallend, wenn in spätern Frühjahren ein Bund Gerstenstroh mit 15 bis 17 kr. bezahlt wird; und doch denkt man so wenig daran Futterkräuter anzubauen. In einigen Gegenden säet man in sechs schlechte Äcker Haber, nicht um Körner zu ärndten, denn selten bekommt man mehr, als den Saamen, zurück, sondern um Haberstroh zur Fütterung zu gewinnen. In andern Orten besäen die Landleute ihre Hausgärten durchaus mit Gerste, auch um etwas mehr notdürftiges Futter zu erhalten. Dadurch aber ist seit mehrern Jahren schon ein wirklicher Mangel an den nohtwendigsten Gartengewächsen entstanden. Rüben, Möhren, Erdäpfel, Petersilien, Erd- Kohlrüben u. d. gl. muß man jetzt, gegen das vergangene Jahrzehend, gerade noch einmal so theuer bezahlen, und in den drey letztern Jahren konnte, man diese, sonst wegen der Menge nicht genug geachteten Zugemüße, auch für Geld nicht haben. Kohl und Kraut zum Einsäuern, welches seit Undenklichen Zeiten immer auf den nämlichen Fleck hingepflanzt, dennoch aber wegen der jährlichen starken Düngung vortreflich wächst, ist noch in den meisten Jahren für alle Einwohner hinreichend, und schaft bey dem häufigen

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Genuß des geräucherten Schweinfleisches den immer mehr bewährten Nutzen für die Gesundheit.

Flachs beschäftigt den Zipser in Städten und auf dem Lande die meiste Zeit im Jahre, und gibt ihm außer der Nahrung auch Gelegenheit zum Handel und zum reich werden. Da man von der Verwechselung des Leinsaamens hier nichts weiß, so bleibt der Flachs kurz, und wächst selten höher, als 12 bis 14 Zolle über die Erde. Man hat zwar auch eine andere Art von Saamen schon merklich verbreitet; da er aber bereits einheimisch zu werden anfängt, so nimmt die Länge des daraus wachsenden Flachses auch so sehr ab, daß er nicht lange mehr von dem gewöhnlichen zu unterscheiden seyn wird. Er wird übrigens, sobald er ausgerauft und von den Knoten abgereft ist, im Wasser geröstet, und so weiter zum Spinnen zubereitet. Feines Gewebe kann man davon nicht erwarten; dagegen aber wird eine Menge Leinwand gemacht, und jährlich in die südlichen Gegenden des Landes verschickt. Die Verfeinerung des Flachses in Leutschau findet bey Vernünftigen durchgängig Beyfall, wenn nur der kurze Sommer und die frühzeitige naßkalte Herbstwitterung das Rösten auf dem Lande nicht über die Zeit verzögerte! Ge-

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genwärtig werden dreyerley Gattungen von Leinwand gemacht: die gröbste kommt von Werg zu Säcken, und die etwas bessere zu Bauerhemden; die mittlere von dem meisten Flachs und dem besten Werg; die feinere ist durchaus von mehrmal gehecheltem Flachse gemacht, und kleidet den vornehmen Bürger- und geringern Adelstand. Da sie aber außer der Zips wenig gesucht wird, so wird auch nicht viel davon verfertigt. Von der mittlern Gattung wird jährlich eine ansehnliche Menge ausgeführt. In den Dörfern, besonders in Klein-Lomnitz, Melter, Hollomnitz, auch in Bauschendorf, Roks und andern Orten wird fast den ganzen Winter über gewebt, und das darzu erforderliche Garn von den pohlnischen Bauern eingekauft, in den übrigen Orten aber nur das zu Hause gesponnene auf den Stuhl gebracht; und doch kann man in den meisten Flecken und Dörfern für eine jede Haushaltung im Durchschnitte 400 Ellen Leinwand annehmen, die in jedem Jahre gemacht werden. Hievon bleibt kaum der vierte Theil zu Hause; das Mehrere wird auf die ungrischen Märkte verschicket.

Zu Handwerken von allerley Art, selbst zu den künstlichsten, sind die Zipser eben so wohl als irgend eins andere Nazion aufge-

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legt. Die Nahrung des Handwerkstandes ist aber hier schon sehr erschwert. Denn der Landmann, besonders der pohlnische und schlawakische, behilft sich, da er meistens roh und arm ist, mit sehr Wenigem: der sächsische braucht zwar mehr; da er aber nicht Land genug hat, so wird er selbst Handwerker, und sucht sich in Flecken und Dörfern Arbeit. Viele Handwerksstücke lassen sich die Reichen von Wien kommen, nicht, als wenn sie der Zipser nicht machen könnte, sondern weil er seine Arbeit, da er die Materialien theuerer bezahlen muß, und gewohnt ist solider zu arbeiten, nicht in eben dem Preise hingeben kann, als die leichten, geschwinde gearbeiteten Waaren. Noch vor nicht langer Zeit waren weder in den vielen Flecken der Zipser, noch der benachbarten Gespanschaften überflüßige Handwerker; jetzt sind sie für die kleine, gar nicht nach der Art kultivierter Länder eingerichtete Provinz zu viel; und obgleich die Arbeit auf dem Lande meistens schlecht ist, so ist sie doch wohlfeil, und um so viel vermögender die Meisterarbeit der Städter herabzusetzen. Die alte Sitte, in den Zipser Städten zugleich Handwerker und Landwirth zu seyn, ist demnach jetzt noch weit notwendiger, als vor Zeiten. Wer hier keinen Acker hat, ist ein armer Mann,

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und kann sich kaum das Allernohtwendigste erwerben*). Gleichwohl sind die Ländereyen seit etwan 50 Jahren um zwey Drittheile im Preise gestiegen. Es bleibt also dem armen Professionisten nichts übrig, als in Dürftigkeit zu schmachten und sein Talent zu vergraben. Da in der ganzen Zips und den benachbarten Gespanschaften keine Fabriken sind, und alle Fabrikwaaren aus der Ferne geholt werden müssen; so wäre es einem Unternehmer bey der großen Anzahl verschiedener Professionisten sehr leicht, wohlfeile und fleißige Fabrikanten aufzubringen und die verfertigten Waaren zu verschleißen; nur brauchte man dazu einige gute Angeber, die mit den Geheimnissen der Handwerkskünste

*) Weil die meisten Hausbesitzer in den Städten auch Äcker haben, so ist auch bey jedem Hause eine Scheune. Die vielen Feuersbrünste haben sie bereits aus Leutschau in die Vorstadt verwiesen, und in Käßmark hat die letztere grosse Brunst nur wenige in der Stadt übrig gelassen. In den sechszehen Städten aber, deren einige von lauter Handwerkern bewohnt werden, sind durchaus bey großen Häusern, doch meistens in einer ziemlichen Entfernung von den Feuerstätten, zum Theil auch hinter den Hausgärten Scheunen.

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näher bekannt sind. Die reichern Zipser, die folglich zu patriotischen Unternehmungen, wenn sie sich erst in der Fremde Erfahrungen sammlen wollten, die Mittel in Händen hätten, lernen keine Handwerke, oder, wenn sie auch zum Schein etwas lernen, so bleibt es nur eine Nebensache; sondern sie bleiben zu Hause, und werden Landwirthe und Handelsleute, so gut sie es nämlich bey einer sehr eingeschränkten Einsicht werden können. Gelingt es ihnen, es sey durch Handlung, oder auf eine andere Art, Kapitalien zu gewinnen, und haben sie dabey auch adeliche Wappen, so kaufen sie sich ein Landgut, mischen sich unter den Adel, und indem sie Bürger einer Stadt zu seyn aufhören, entziehen sie ihr Geld dem bürgerlichen Gewerbe.

Die Handlung, die in der Zips von einiger Bedeutung ist, haben vorzüglich die Käßmarker und diejenigen, die mit der Stadt in Verbindung stehen, in Händen. Die zwey Hauptartikel, womit sie negozieren, sind Wein und Leinwand. An dem Weinhandel haben nicht allein die Bürger Theil, sondern auch die Adelichen, die in der Nähe von Käßmark wohnen, und zum Theile (deren Väter nämlich Bürger dieser Stadt gewesen sind) auch bürgerliche Gründe daselbst besitzen. Der meiste Wein aber, der zum Ver-

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kauf bestimmt ist, wird in der Stadt niedergelegt, weil sich die Käufer doch ordentlicher Weise da einfinden, und nur dann bey dem Landadel nachfragen, wenn sie bey demselben einen bessern Kauf zu machen hoffen, oder wenn dort nicht Weine genug zum Aussuchen vorhanden sind. Das ganze Tockayer Weinnegoz ist übrigens sehr vertheilt; fast alle reiche Land- und Stadtleute nicht allein in der Zips, sondern in einem grossen Theile Ungerlandes, besonders in demjenigen, welcher von Tockay gegen Norden zu liegt, haben in den dortigen und benachbarten Gebirgen, von Toltschva an gegen Westen zu bis Mischkoltz, ihre Weingärten. Die pohlnischen Kaufleute reisen häufig bis unter die Weingebirge, und besuchen unterwegs die Eigenthümer der Weingärten in Städten und auf dem Lande. Daher haben die meisten, welche ihre Weine verkaufen, selbst Gelegenheit, mit den Ausländern zu handeln; doch ist in einigen Städten der Verkehr damit größer, als in andern.

Mischkoltz ist derjenige berühmte Marktflecken, wo dieser Verkehr groß genannt zu werden verdienet, und noch immer stärker wird, wiewohl man mit Grunde sagt, daß Weine, die aus den Mischkoltzer vortreflichen in Felsen gehauenen Kellern genommen wer-

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den, in andern minder guten Kellern sich nicht bessern, sondern merklich verschlimmern. Nächst Mischkoltz aber hat Käßmark mit den benachbarten Pohlacken das beträchtlichste Weinkommerz, und verdient es wegen seiner bequemen Lage, da man von hieraus auf der Poper in die Weichsel, und so weiter in die Ostsee kommen kann. Im Jahre 1781 sind nach der Weinlese 10.0000 Fässer und darüber, meistentheils mit trockenen Beeren angemachte Weine, nach Käßmark eingebracht worden; und so, wie einige Fässer verkauft wurden, hat man die Lücken in den Kellern wieder ersetzt. So war es auch in dem Jahre 1783 und 1773. Bey schlechten Jahren aber werden aus den Tausenden Hunderte, und der Handel hat dann nichts zu bedeuten, weil selbst die Eigenthümer der Weingärten für ihre Weine nicht so viel zurück erhalten, als sie vorher auf den Bau ausgegeben hatten. Die letzt verflossenen 3 Jahre 1785 — 86 — 87 waren für den Weinbau schlechter, als je Menschen denken können; und da nun die alten Weine verkauft sind, so liegt dieser Handel jetzt für Käßmark völlig. Die meisten Weine holen die Pohlacken von hier ab; seit vielen Jahren gehen auch einige Käßmarker und andere nach Warschau, und verkaufen ihre

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mitgenommenen Weine daselbst. Diese Verbindung mit Warschauer Kaufleuten aber, denen man auf solche Weise vielmals die besten Tockayer Ausbrüche bis vor ihre Hausthüren bringt, will den einsehendern und reichern Weinhändlern in Käßmark nicht gefallen, und wer sich einmal von ihnen völlig los gemacht und keine Gelder zurück gelassen hat, sucht nicht mehr in neue Verbindungen zu kommen; doch kommen jährlich einige Händler aus der sechszehen Stadt Gniesen dahin, und nehmen mit einem geringen Gewinne vorlieb, wenn sie nur ihr Gewerbe dabey fortsetzen können. Als Schlesien noch ganz unter österreichischer Hoheit stand, hatte Käßmark auch von daher Abnehmer; jetzt wird nach Schlesien, so wie in andere Länder außer Pohlen, aus dieser Stadt fast gar kein Wein mehr verschickt, und es fehlt an unternehmenden und zugleich mit, nöhtiger Kenntniß begabten Kaufleuten, die das Weinkommerz über die pohlnischen Gränzen hinaus zu verbreiten im Stande wären.

Der zweyte für die Zipser Sachsen wichtige Handelsartikel ist die Leinwand. Da nun hier alles von dem ersten Frauenzimmer in der Stadt, bis auf die kleinsten Landmägdchen und Jungen spinnt; so zieht auch jedermann von dem Leinwandhandel seinen

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Profit. Nicht viel von dieser Waare geht ins Ausland, das meiste wird im Lande abgesetzt und verbraucht; denn der eigentliche Unger, der hinlängliche Weide, Fruchtländer, und in vielen Gegenden Weingarten hat, baut nicht so viel Hanf und Flachs, als er zur Kleidung nöhtig hat. Weil demnach die mittlere Gattung von der Zipserleinwand häufig gesucht und gekauft wird; so ist der Landwirth auf Verfeinerung des Flachses nicht bedacht, und nimmt mit einem geringen Lohn seiner mühsamen und langwierigen Arbeit vorlieb, weil er bey der gewohnten Art, seine Leinwand zu machen, gar keiner fremden Hilfe bedarf, und das ganze Einkommen davon reiner Profit ist. Wenn aber der Unger einmal so weit käme, daß er sich seine Leinwand selbst verfertigte, und dem Zipser weniger abkaufte, dann würden die Projekte, feine Leinwand zu machen, in der Ausführung leichter seyn, und der Bauer würde sich belehren lassen, denn Müßiggang ist ihm zuwider, und die Noht würde ihn dazu gewiß anspornen. Die Menge der Leinwand, die aus der Zips verführet wird, kann man aus dem bereits oben Gesagten zur Genüge ermessen: zur richtigeren Bestimmung der ganzen Summe aber kann man auch die jährlichen Frachten, die von hier

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abgeschickt werden, berechnen. Von Käßmark allein, freylich dem Hauptorte des Leinwandhandels, gehen jährlich 170—180 Wägen, einer zu 20 Zentner Ladung, ab, doch ist die Hälfte davon mit gefärbter galizischer Leinwand befrachtet. Beynahe eben so viel fühlen andere Kaufleute weg; man kann demnach sicher annehmen, daß man jährlich 200 Wägen mit Zipserleinwand befrachte und ausführe, dagegen aber nach einer nicht übertriebenen Berechnung ohngefehr 200.000 Gulden in die Provinz einführe. Der bey weitem größere Theil davon wird theils von Käßmarker Färbern, theils von Griechen und andern Handelsleuten in Debretzin verkauft. Ehedem hatten diese Färber den Zipserleinwandhandel fast ganz allein in Händen; da sie aber keine eigentlichen Kaufleute sind, und zum Theile häufig wider die gemein bckannten Kaufmannsregeln sündigen, so ist die Hälfte von ihnen nach einander in kurzer Zeit zu Grunde gegangen, und andere, auch Fremde sind an ihre Stellen getreten. Sie beziehen die Debretziner Markte viermal des Jahrs, und machen den Handel mit ihren Abnehmern, den Griechen, Juden und den armenischen Kolonisten von Szamos-Ujvár in Siebenbürgen, mündlich aus. Aufs Wort und Treue wird wenig gebaut, daher

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müssen die Handelsleute immer in Person nach Debretzin kommen. Die kleinen Märkte, wohin die Käßmarker Färber Leinwand führen, sind Kereßtur und Tockay; in Pest aber wird sie schon von der dritten Hand verkäuflich ausgelegt. Der Preis derselben ist gering; der mittlere von allen drey Gattungen, wenn man nämlich zu hundert Ellen aus der ersten Hand kauft, ist: für eine Elle*) gröbere Wergleinwand zu Bauerhemden ungebleicht kr. 4—5; Mittel- oder sogenannte Hausleinwand kr. 7. Feine nach Verschiedenheit der Breite für kr. 10—15. Der höchste Preis z. B. bey der Mittelleinwand steigt nie über kr. 8—9; und fällt dagegen bis auf kr. 6—5. Nach diesem Verhältnisse steigen, und fallen auch die andern Gattungen.

Die übrigen Produkte, die die Zipser in andere Gespanschaften verführen, sind, Brandwein ausgenommen, nicht wichtig. Dieser wird hier von Gerste ohne allen Zusatz (nur in wenigen Orten werden Wacholderbeere und Kümmel hinzu gethan) gebrannt. Er übertrift aber durchaus den Kornbrandwein

*) Die ungrische nämlich sing genannt. Sie ist um 5 Zoll kürzer, als die Wienerelle.

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anderer Gespanschaften, dahin er auch in ziemlicher Menge geliefert wird. Die Ursache von seiner Güte und Reinigkeit ist theils in dem vortreflichen Gebirgwasser, welches sehr rein und in allen Jahrszeiten kalt genug zur Abkühlung beym Läutern ist, theils auch in dem Fleiße und der genauen Aufsicht des Zipsers so wohl beym Mälzen, als Brennen zu suchen. Die Stadt Leutschau, und die sechszehen Städte, so wie einige Dörfer, welche die Schankgerechtigkeit von ihrer Grundherrschaft erkauft haben, finden ihren guten Vortheil bey diesem Gewerbe. Sie bringen dadurch ihre Gerste gut an, und nähren ihr Vieh mit dem Gespühlich, welches den fünf Oberstädten an der Poper: Matthsdorf, Georgenberg, Michelsdorf, Deutschendorf und Völk sehr wohl zu Statten kommt, denn sie liegen alle fünfe innerhalb einer Quadratmeile, und sind von volkreichen Dörfern umgeben, die sie von Wald und Weide in den Gebirgen ausschliessen, und folglich ohne der Brandweinbrennerey weder sich mit ihrem vielen Vieh ernähren, noch auch den Acker so gut, als es hier nöhtig ist, düngen und bauen könnten. Aus diesem Grunde nimmt sie auch mit der so wohl in- als außerhalb der Zips sich vergrößernden Volksmenge in gleichem Grade

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zu, und man holt schon Gerste aus andern Gespanschaften, weil die hiesige nicht zureicht. Käßmark allein, welches ursprünglich die nämlichen Rechte mit andern Zipser Städten hat, darf seit etwan einem halben Jahrhundert nicht brennen, und leidet, besonders bey den grossen Feuersbrünsten, die es seit einigen Jahren zu verwüsten drohen, merklich darunter. Die Ausfuhr des Brandweins geschieht in die Gespanschaften Scharosch, Gömör, Hont, Liptau und zuweilen auch in einige entferntere.

Nach dem Brandwein verdient auch das Eisen bemerkt zu werden. Es wird nach Pest, und auf andere ungrische Märkte, auch nach Galizien aus einigen Bergstädten verschickt. Doch ist dieses Kommerz von keiner sonderlichen Bedeutung, denn es kommen Jahre, in welchen sehr wenig ausgeführt wird. Außer diesem verkaufen die Zipfer noch Hüte, Papier und Nadlerwaare meistens in Debretzin. Rohe Schaaf- und Kalbhäute, zuweilen auch Talg, nehmen ihnen die mährischen Juden ab. Bevor in Galizien die Tabacks-Administrazion einigen Pachtern überlassen worden ist, haben sie auch mit diesem Artikel ein vortheilhaftes Negoz mit dieser Provinz, die ihren Taback in der Zips abholte, gehabt; welches

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aber jetzt gänzlich aufgehört hat. So einträglich aber dem Zipser die Handlung ist, so bleibt ihm doch von dem Gewinn wenig übrig. Denn wenn auch sich die Geldmasse in diesem Jahrhunderte um etwas vermehret hat, so ist es mehr dem Bergbau, der noch vor 20 Jahren sehr ergiebig war, zuzuschreiben; die Handlung aber erhält die Zipser mit ihren nahen und entferntern Nachbarn nur im Gleichgewichte; denn dafür, daß sie ihnen einige Artikel verkaufen, müssen sie wieder weit wichtigere, nämlich Getreide, Hülsenfrüchte, Obst, fast alles Schlacht- und viel Arbeitvieh und Weine, für baares Geld einbringen. Den Gewinn, den sie von den Pohlacken für Weine ziehen, müssen sie den Wiener Kaufleuten hingeben; denn da, die grobe Leinwand ausgenommen, keine Manufaktur und keine Fabrik in der Zips ist, so muß alles, was man in Kaufläden sucht, so wie alle Materialien, die hier zwar gebraucht, aber nicht erzeugt werden, von Wien kommen. Es ist demnach die Zipser Gespanschaft nicht um viel reicher, als andere Gespanschaften des Landes, nur die starke Bevölkerung bringt das Geld mehr in Umlauf; wenn es aber zu gleichen Theilen unter alle vertheilet würde, so käme auf eine Person um nichts Merklichers mehr, als

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es sey in welcher benachbarten Gespanschaft: wohl aber hat die Zips einige Mittel zum reich werden in ihrer Gewalt, nämlich arbeitsame Hände, und die stärkste Anlage zur klugen Sparsamkeit. Es fehlen nur Unternehmer, und im Fabrikwesen erfahrne Leute; an geschickten und leicht abzurichtenden Handarbeitern ist hier kein Mangel.
Topic revision: r18 - 08 Apr 2012, ValerieSeidler
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