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II.

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Uiber die Erhaltung der Gesundheit.

Unter den unzähligen Thorheiten, wodurch wir uns in unserer Jugend, Reue und Gewissensbisse aufs Alter sammeln, befindet sich kaum eine, für welcher man so vergeblich warnet, als die Vernachläßigung der Gesundheit. Wenn die Triebfedern der Bewegung in ihrer völligen Stärke sind, wenn das Herz für Munterkeit hüpft, und das Auge vom Muhte funkelt, lassen wir uns schwerlich überzeugen, welche Schwächlichkeit und Zärtlichkeit die Stunde auf uns bringt, und können wir uns nicht einbilden, daß die Nerven, die jetzt mit so vieler Stärke gespannt sind, und die Glieder, die so geschäftig spielen, alle ihre Kräfte unter der kalten Faust der Zeit verliehren, erschlaffen, und für Schwachheit zittern werden.

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Unter den Gründen, die man wider die Klagen unter den Beschwerlichkeiten des Lebens, gebrauchet hat, haben die Weltweisen, meines Erachtens vergessen, die Unglauben derer zu erwähnen, denen wir unser Leiden erzählen. Wenn aber die Absicht der Klage ist, Mitleiden zu erregen, und wenn Mitleiden eine Sympathie voraussetzen muß: so ist es gewiß etwas unnützer für Alter und Schwachheit, ihre kläglichen Geschichten zu erzählen. Denn eine geringe Aufmerksamkeit wird ihnen zeigen, daß diejenigen, welche keine Pein fühlen, selten gedenken, daß andere leiden; und ein geringes Nachsinnen wird fast jedermann lehren, daß man ihm die Beleidigung heimgiebt, die er andern erwiesen hat, indem er sich besinnen kann, wie oft er die Schwächlichkeit mit Verachtung behandelt, ihre Warnungen verspottet, und ihre Ungeduld getadelt habe. Das Geschlecht der Kränklichen hat die Sorgfalt für die Gesundheit dadurch lächerlich gemacht, daß sie ihr die Oberherrschaft über alle andere Betrachtungen eingeräumet haben; so wie der Geizhals die Sparsamkeit in Verachtung ge bracht hat, indem er die Liebe des Geldes sein Gemüht nicht nur zum Theile,

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sondern ganz und gar hat einnehmen lassen. Sie irren beyde, indem sie die Mittel mit dem Endzwecke verwechseln. Die einen dürsten nach Gesundheit, bloß, um sich wohl zu befinden; wie die an dern nach Geld, bloß um reich zu seyn : und vergessen, daß jedes irrdische Gut hauptsächlich kostbar ist, in so ferne es Fähigkeiten zur Ausübung der Tugend verschaffet. Die Gesundheit ist in der That zu allen Pflichten des Lebens sowohl als zu seinen Ergötzlichkeiten so nohtwendig, daß es ein eben so grosses Verbrechen als Thorheit ist, sie zu verschulden; und derjenige, der einigen wenigen Vergnügungen zu gefallen, sich Schwachheiten und Krankheiten zuziehet, und für die Lustbarkeit einer Handvoll Jahre, die im lärmenden Getöse, im Getümmel des Zeitvertreibs, und im Geschreye der Fröhlichkeit, zugebracht ward, den reiferen und erfahrenen Theil seines Lebens ins Zimmer und ins Bette verdammt, verdienet, nicht nur ein Verschwender seiner eigenen Glückseligkeit, sondern auch ein Räuber des Publikums genannt zu werden; weil dieser Elende sich vorsätzlicher Weise zu den Pflichten seines Standes untüchtig gemacht, und

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jenes Amt ausgeschlagen hat, das die Vorsehung ihm in dem allgemeinen Tagwerke der menschlichen Natur angewiesen hatte. Vielleicht giebt es sehr wenige Umstände, die mehr Mitleiden verdienen, als der Zustand eines geschäftigen und erhabenen Geistes, der unter der Last eines kränklichen Leibes arbeitet. Die Zeit eines solchen Mannes wird allezeit angewendet, Entwürfe zu machen, an deren Ausführung ihn eine Veränderung des Windes hindert. Seine Kräfte verrauchen in Planen und Hoffnungen, und der Tag der Thatigkeit bleibt ewiglich aus. Er legt sich voller Freude über die Gedanken des folgenden Morgens, nieder; schmeichelt seinem Ehrgeize mit dem Ruhme, den er erwerben, oder seiner Gutthätigkeit, mit den Wohlthaten, die er erzeigen will. — Allein, in der Nacht überläuft der Himmel, die Luft ändert sich; er erwacht in Mattigkeit, Ungeduld und Verzweiflung, und wünscht nichts mehr als Ruhm, und fühlt nichts mehr als Pein. Man kann sagen, daß Krankheit gemeiniglich jene Gleichheit anfange, die der Tod vollendet. Die Vorzüge, die einen Menschen so sehr über den andern erhöhen, werden

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in der Düsternheit eines Krankenzimmers sehr wenig bemerkt. Hier erwartet man umsonst, Zeitvertreib von den Fröhlichen, oder Unterricht von den Weisen; wo aller menschliche Glanz verdunkelt, der Witz umnebelt, der Verstand verwirret, und der Held bezwungen wird: wo der Höchste und Glänzendeste unter den Sterblichen findet, daß ihm nichts mehr übrig bleibt, als das Bewußtseyn der Unschuld. Unter den Fragmenten der griechschen Dichter findet man ein kurzes Lobgedicht auf die Gesundheit; worinn ihre Macht, die Glückseligkeit des Lebens zu erhöhen, die Güter des Glücks zu verschönern, und den Besitz mit Genüsse zu krönen, so nachdrücklich und reizend eingeschärft wird, daß niemand, wenigstens niemand, der jemals unter der Pein und Schwächlichkeit einer langweiligen Krankheit geschmachtet hat, ihn lesen kann, ohne dessen Bilder in seinem Herzen zu fühlen, und von seiner eigenen Erfahrung dem Wunsche neue Kräften, und von seiner eigenen Einbildungskraft, dem Gemälde neue Farben zu geben. Die besondere Veranlassung die ses kleinen Gedichtes ist nicht bekannt; es ist aber zu vermuhten, daß sein

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Verfasser krank gewesen war, und in den ersten Entzückungen der wiederkehrenden Kräfte, die Gesundheit folgendermaßen angeflehet hat. "Gesundheit, verehrenswürdigste unter den Mächten des Himmels! Beglücke den Uiberrest meiner Tage, versage mir deinen unschätzbaren Segen nicht ! Denn welche Schönheit oder Vergnügen wir an Schätzen, an Kindern, oder der Oberherrschaft, dem höchsten Gipfel menschlichen Genusses, oder in jenen Gegenständen der Begierde finden, die wir in das Garn der Liebe zu jagen trachten; welchesErgötzen und welchen Trost uns die Götter auch zur Minderung unserer Arbeiten verleihen, so keimen alle diese Freuden nur in deiner Gegenwart, du Mutter der Glückseligkeit, nur alsdenn blühen sie! In deiner Gegenwart blühet der Frühling des Vergnügens, und ohne dich ist keine Freude!,, So mächtig ist die Gesundheit, daß ohne ihre Mitwirkung jedes andere Gut, unschmackhaft und leblos ist, wie die Kräfte des Pflanzenreichs ohne die Sonne. Und dem ohnerachtet wird dieser Segen gemeiniglich in gedankenloser Nachläßigkeit oder thörichten Versuchen

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unserer eigenen Stärke verschleudert, wir lassen ihn zu Grunde gehen, ohne uns seines Werhts zu erinnern; oder verschwenden ihn, um zu zeigen, wie überflüßig wir ihn besitzen. Bisweilen wird er der Haushaltung des Leichtsinnes und Zufalles überlassen, und bisweilen für den Beyfall der Ausschweifung und Schwelgerey verkaufet. Die Gesundheit wird von den Anhängern der Arbeit und den Nachfolgern des Vergnügens gleich sehr und gleich thöricht verabsäumt. Die einen zerstöhren das Gebäude ihrer Leiber durch unaufhörliche Schwelgereyen, und andere durch übermäßiges Studieren. Die einen reißen es durch Ausschweifungen darnieder, und andere untergraben es durch Unthätigkeit. Es würde wenig nützen, dem lärmenden Schwarm bacchanalischer Schwelger Ermahnungen zu geben; so leicht man auch beweisen kann, daß, wer Gesundheit verliert, Vergnügen einbüßet Ihr Geschrey übertäubt das Lispeln der Warnung; und sie rennen in der Laufbahne des Lebens zu eilig, als daß sie auf den Ruf der Weißheit sollten stille stehen. Eben so wenig Gehör werden vielleicht diejenigen, deren Geschäft es ist,

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Tausende auf Tausende zu Haufen, dem, jenigen geben, der sie erneuern wollte, ihren Wünschen langsamer zuzuellen, weil aber dennoch Liebhaber des Geldes gemeiniglich kaltsinnig, nachdenkend und gesetzt sind; so sollten sie gewißlich bedenken , daß sie das größere Gut dem geringern nicht aufopfern sollten. Gesundheit ist gewiß kostbarer als Geld, weil man durch und in Gesundheit Geld erwerben kann; dahingegen Tausende und Millionen wenig helfen können, die langsame Folter des Podagra zu lindern, die zerbrochenen Werkzeuge der Sinnen auszubessern, oder die Kräfte der Verdauung wieder zu erwecken. Die Armuht ist in der That ein Uibel, das wir natürlicher Weise fliehen! laßt uns aber nicht von dem einen Feinde zum andern rennen, noch in die Arme der Krankheit fliehen! - Proiecere animam! quam vellent aethere in alto Nunc & pauperiem, & duros tolerare labores!

Das Uibrige künftig.


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Topic revision: r7 - 15 May 2011, MarleneBurgstaller
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