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XVIII.
(P137)
Gesammelte fremde und eigene Beobachtungen aus dem Reiche der Natur.
Die Natur, wenn sie uns auch gleich
eine grosse Menge ihrer Schönheiten deutlich genug entwickelt,
hat doch noch eine eben so grosse Menge
Wunder gleichsam für sich allein aufbehalten. Tausend Erscheinungen, die wir
bald mit eigenen Augen sehen, bald von
glaubwürdigen Schriftstellern überliefert
bekommen, sind uns die größten Geheimnisse, und vielleicht bleiben sie es beständig. Viele grosse Naturforscher sind
zwar so glücklich gewesen, manches zu
entwickeln, was unsern Voraltern noch
ein unbegreifliches Wunder war, aber
wir werden unseren Nachkommen noch
manches überlassen müßen, ob sie es
vielleicht entwickeln, und den eigentlichen
Grund errahten möchten! Hieher
(P138)
gehören folgende Beyspiele, die ich gesammelt habe.
I.
Man hat in festen Steinen lebendige Geschöpfe angetroffen. Ich zähle hieher erstlich, die in steinen gefundenen
lebendigen Kröten. Die Sache ist ganz
außerordentlich, und wenn sie nicht durch
so wichtige Zeugen erhärtet werden könnte, so würde sie ganz unglaublich seyn.
Das
Brem. Magazin führet im ersten
Bande S. 390. ff. einige Beyspiele aus
dem
Gentlement. Magazin an, die hieher gehören. In einem Briefe, der
Luid seinem
Lithophylaceo Britanico angehänget hat, meldet der
D. Richardson,
daß er eine lebendige Kröte in einem festen Felsen angetroffen habe. Drey andere Beyspiele, welche
Karl Hall,
Martin Weinrich, und
Ulysses Aldrowand
erzählen, führet der fleißige
Lesser in seiner
Lithotheologie S. 102. der Ausgabe
Hamburg 1751. an. Mit diesen Beyspielen ist ein anderes verwandt, welches,
wenn es bewiesen werden könnte, noch
wundervoller wäre. Das oben angeführte
Bremische Magazin erzählet im
dritten Bande, S.291. aus einem engländischen Journal, daß sich in einem
Aenteneye eine lebendige Kröte gefunden
(P139)
habe. Hier aber können wir nichts thun,
als den Wunsch des Herrn Uibersetzers
S. 292. anhängen : wir wünschen mit
dem Sammler des engländischen Magazins , daß die Wahrheit des so fremdscheinenden Vorfalls durch giltige Zeugnisse möchte dargethan werden. Mit den Kröten sind die Frösche sehr
nahe verwandt. Dürfen wir den Zeugen glauben, die
Lesser in seinem Litotheologie S.103. anführet, so hat man auch
lebendige Frösche in Steinen angetroffen.
Lesser sagt Folgendes: Graf
Herrmann v. Hatzfeld erzählte
D. Sachsen, wie er
mitten in einem Steine, auf seinem Schlosse
Scheckenberg, einen lebendigen
Frosch stark qwackend gehöret habe.
Endlich wie der Stein von sich selbst
entzwey geplatzet, sprang er aus demselben ganz frisch heraus. Bey
Tolosa
wachsen mitten in den grossen Mühlsteinen rohte Frösche; die Mühlsteine, wenn
sie durch oftmaligen Umlauf erhitzt werden, bersten oft mitten von einander,
und die Frösche hüpfen heraus.
Auch lebendige Krebse will man in
Steinen gefunden haben. Lesser S. 124.
seines angeführten Buches sagt: Es giebt
Krebse, welche lebendig in den Spaltungen und Ritzen einiger Felsen, wiewohl
(P140)
sehr selten angetroffen werden. Er beruft sich hiebey auf
Sachsen,
Vdigten
und
Libavius, als seine Zeugen. Ein
Beyspiel führen unterschiedene Schriftsteller an.
Link dringt in seinem
Buche von den Seesternen aus dem Missonius
ein Beyspiel bey, daß man in den italiänischen Steinbrüchen, in der Mitte eines grossen Steines, einen lebendigen
Meerkrebs von vier
Pfunden gefunden
habe. S. die
Ononutolog. histor. natural. T. I. p. 459. Eben dieses bezeugt
Rajus, und
Missons Reise, wie Herr
Liberoth in seiner Abhandlung von dem
Wachsen der Steine im
Hamb. Magaz. V. Band, S. 437. angemerket hat.
Von Muscheln und Schnecken haben
wir beynahe noch die meisten Beyspiele,
die hieher gehören. Herr
Liberoth sagt uns am angezogenen Orte, daß
Brand berichte: In England habe ein gewisser
Herr Muscheln gegessen, welche vermittelst eines Pfluges aus der Erde geackert :
worden; ja bey der Stadt
Mold in Flinkshire würden unterschiedene Muscheln, ungefähr drey
Fuß tief im Sande angetroffen, in welchen lebendige Fische waren.
Link erzählet am angezogenen Orte der
Onomatologie, daß man
bey Gelegenheit eines Gebäudes, drey
(P141)
Schuhe tief eine sandichte Erde gegraben,
und endlich wahrhaftige Miesmuscheln
gefunden habe, welche nicht nur den
Seemytuln vollkommen gleich gewesen
wären, sondern auch in sich lebendige
Thiere eingeschlossen gehabt hätten. Die
Onomatologie setzt bald darauf hinzu:
„ So ist es auch eine bekannte Sache,
daß man zuweilen in den
mittelländischen Gegenden so wohl Austern, als
Kinkhörner, und neritische Meerschnecken,
auch anderes Muschelwerk ausgräbt,
worinnen man auch, manchmal lebendige
Thiere findet.,,
Seyfried erzählet in seiner
Medula mirabilium Lib. II. Part. II Cap. V. daß bey dem Kastel
Dnyno,
am venetianischen Meere, von den Felsen
am Meere grosse Stücke abgeschlagen
würden, darinnen man Schnecken in ihren Gehäusen findet, die man zur Speise genießen kann. Das sind ohne Zweifel diejenigen Schnecken, welche
Brückmann tactylos marinos nennet, und in
welchen er sogar das Original der Belemniten zu finden glaubte. Seine Worte im
Thesauro subterraneo Ducatus Brunsvicens. p. 73. sind folgende: „Schlüßlich
muß ich noch mit Wenigem anführen, daß
der Herr
D. Krüger, mein hochgeschätzter Collega, in seiner
historia curiosa calculorum
(P142)
p. 33 einer See-oder besser einer Steinmuschel gedenket, so tactylus marinus
genennet würde und häufig
zu
Tarento in den Steinen an der Seeküste
lebendig, angetroffen, und von den Einwohnern selbiger Stadt täglich aus den
Steinern herausgeschlagen, und gegessen würden, wodurch wir denn fast auf
die Gedanken gerathen sollten, ob vielleicht der Lapis Lyncis oder Belemnites eine solche Art Muschel, so pertrificiret
worden, wäre? ,, Herr Hofrath
Walch
muhtmaßet in seiner
Naturgeschichte der Versteinerungen Th. II. Abschn. II. Kap.
XV. S. 245. daß
Brückmann unter diesen, tactylis marinis die sogenannten Balaros, eine Art kleiner phorescirenden Fische verstehe, die man aus den Steinen,
welche man aus der See ziehet, zu
schlagen pfleget, und die man unter andern bey
Ankona finde.
Diese Fische aus den Steinen waren
sogar den Alten nicht unbekannt, ob ich
mir gleich nicht zu behaupten traue, daß
sie eben diese tactylos des Brückmanns,
oder diese Bularos meyneten.
Plinius erzählet in seiner
Naturgeschichte Lib. IX.
Cap. LVII.
Theophrastus sage, daß in
Paphlagonien Fische ausgegraben würden, wo kein Wasser wäre, und die doch
(P143)
gleichwohl einen höchst angenehmen Geschmack hätten. Vielleicht zielet auch
Seneca darauf :
Quaest. natural. Lib.X.
Cap. XVII. Multa hoc loco in mentem tibi venient, quae urbane in re incredibilifabulamdicas. Non cum retibus aliquem aut cum hamis, sed cum dolabra ire piscatum.
Man würde folglich allen historischen
Glauben aufheben müßen, wenn man
eine Sache unter die Fabeln zählen wollte, welche von so vielen Zeugen bestätiget wird. Wenigstens werden doch einige der angeführten Beyspiele wahr und ihre Zeugen geltend seyn. Man
wird folglich auch nicht darauf fallen,
die Möglichkeit einer Sache zu läugnen,
welche doch wirklich ist, da man von der
Wirklichkeit einer Sache, auf ihre Möglichkeit, sicher zu schließen pfleget. Allem
weit schwerer ist es, die Art zu erklären,
wie dieß möglich sey? Die Verfasser der onomatol. histor. natural. ziehen ihr Urtheil völlig zurück. Sie sagen nur am
angezogenen Orte, daß sich die Gelehrten darüber den Kopf bisher sehr, zerbrochen hätten. Es sey gleichwohl nicht
wahrscheinlich, wenn man auch zugeben
wollte, es habe die allgemeine Sündfluht diese Muscheln dahin geführet, daß
(P144)
die darinnen eingeschlossenen Thiere so
lange hätten können am Leben erhalten
werden.
Lesser halt im angezogenen Buche S. 104. die Sache, was die Frösche
und Kröten anbetrifft, gar nicht für unmöglich. Er setzt voraus, daß beyde als
Amphibien länger als ein halbes Jahr
zwischen Tod und Leben in einem mittlern Zustande liegen könnten. Er folgert daraus,daß sie auch wohl aufeine solche Art in Steinen könnten erhalten werden.
Büttner philosophiret in seinen
ruderibus diluvii testibus pag. 139. fast eben
also, doch hält er es auch S. 140. nicht
für unmöglich, daß ein Ovulum von
Laich, oder auch eine annoch zarte Brut
zwischen die unmerkbaren Klüfte eingedrungen, und daselbst vergrößert worden. Allein die Folge ist bey dem, was Lesser sagt, nicht richtig.
Die Fortsetzung folgt.
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