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XLV.
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Fortsetzung von dem Ursprunge der Berge.
Ray gleichfalls ein Engländer, dessen Hypothese der Italiäner
Moro weitläuftiger aus einander gesetzet nimmt an, daß die Berge mit der Schöpfung entstanden, und an einigen Orten durch ein unterirdisches Feuer in die Höhe getrieben worden, welches nicht stark genug gewesen, einen Bruch zu machen; an andern Orten hingegen, wo es sich eine Oeffnung verschaffet, eine Menge von Erde und Steinen herausgeworfen , woraus auch Berge entstunden. Man führet zur Bestätigung die ser Meynung viele Beyspiele an; unter andern eines neuen Berges, den ein Erdbeben 1538. in der Nachbarschaft von
Puzzoles hervorbrachte.
Der Herr
von Leibnitz ist der Meynung, die Erde sey vor Schöpfung der
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Pflanzen und Thiere, ganz mit Wasser bedeckt gewesen; sie habe viele innere Höhlungen gehabt, die sich in der Folge gesenket, in welche sich das Wasser eingezogen, und daraus wären die Ungleichheiten entstanden, die wir Berge und Thäler nennen.
Endlich behauptet der berühmte
Schwedenboeg, daß die Berge sich unter dem Wasser aufgethürmet, und daß die Gegenden, welche gegenwärtig mit Bergen bedeckt sind, vor dem der Grund des Meeres gewesen.
Von den Zügen der Häringe.
In Norden, unter dem ewigen Eise des Eißmeeres, ist ohnstreitig das Stammhaus aller Häringe, wo sie sich so erstaunlich vermehren, daß sie genöthiget sind jährlich zahlreiche Colonien von sich auszustossen und hinweg zu senden, damit die Zurückbleibenden ihren hinlänglichen Unterhalt finden können. Sobald diese Emigranten unter, dem Eise hervorkommen, so werden sie von der ungeheuren Menge der großen und kleinen Häringsfresser bewillkommet, die daselbst
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im Meere hungerig und grausam herumschwimmen. Die Häringe die von ihren hitzigen Verfolgern auf diese Weise geängstiget werden, halten sich, wie alle kleinere Fischsorten, wenn sie verfolgt, werden, in hohen und breiten Haufen dicht aneinander, und flüchten also Armeenweise aus einem Meere in das andere vor ihren Verfolgern her. Dieses ist der Ursprung ihrer Heerzüge, wovon sie auch den Namen Häringe erhalten haben. Wenn nun der ganze Schwarm früh im Jahre aus Norden hervorbricht, so lenkt sich der eine Flügel westwärts, und gehet im März auf der Insel Island in solcher Menge an, daß man ihre Ankunft an der Schwärze und dem Kräuseln des Wassers nicht allein schon von weiten beobachten, sondern auch mit einem Schepfer, womit die Seegel aus der See benetzt worden auf einmal eine große Menge derselben heraus heben kann. Vermuhtlich gehet ein Theil dieses isländischen Flügels nach den Bänken von
Terreneuf, und der an der Westküste von Island herniederstürzende Strich vertheilet sich anderwärts an unbekannte Oerter. Der östliche Flügel des Häringschwarmes wird von den
Meerschweinen, Kabbelauen, und an,
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andern solchen Häringsfeinden ; immer weiter herunter in die Nordsee getrieben. Dieser Flügel theilet sich aber gar bald wieder in andere. Denn es gehet ein Theil davon nach dem Nordkap und an den norwegischen Küsten herunter, wo er theils durch den Sund in die Ostsee fällt, theils aber sich an der Nordspitze von Jütland wieder trennet. Von diesem jütländischen Zuge läuft ein Arm an der Ostküste von Jütland herab, der sich aber durch die Belte mit dem Striche in der Ostsee bald wie der vereiniget; der zweyte Arm aber gehet an der Westseite von Jütland herunter, und streicht bey Schleswig, Holstein, dem Stifte Bremen und Vriesland hin, bis er durch den Texel und Blie in die Güdersee dringet, und nachdem er dieselbe umzogen hat, wieder in die Nordsee nach Hause kehret. Ein anderer Theil des östlichen Flügels lenket sich westwärts und ist der stärkste. Die Meerschweine, Hayen, Kabbelauen, Lengen, u. s. w. begleiten ihn treulich, und er gelanget durch ihre Verfolgung gar bald an den hittlandischen und orkadischen Inseln an, wo er die Holländer mit Schottland hernieder senket, und England umziehet, wobey er auch
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den Friesländern, Holländern, Seeländern, Braballdern, Flanderern und Franzosen etwas absendet, theils aber an der Westseite von Schottland und bey Irrland herabstreichet, bis endlich alle diese verschiedenen Heere im Canale wieder zusammen kommen, sich insgesammt in die Westsee stürzen, und sich daselbst entweder verlieren, oder weil sie die heiße Weltgegend scheuen, nach ihrer geliebten nordischen Heymaht wie der zurück kehren.
Von dem Ursprunge der Qwellen.
Es giebt drey Hypothesen von dem Ursprunge der Qwellen, deren jede einen gewissen Grad der Wahrscheinlichkeit hat, und woraus man sich eine wählen kann, obgleich gegen jede derselben wichtige Zweifel gemacht werden können. Allein, da so vieles in der Natur für uns verborgen ist,, so müßen wir uns da mit dem Wahrscheinlichen begnügen, wo wir nicht zur völligen Gewißheit gelangen können.
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Es ist bekannt, daß alle Qwellen, woraus sowohl die großen als kleinen Flüße entspringen, nicht in der Ebene, sondern in der Mitte oder an den Füßen der Berge befindlich sind. Nun ist die Frage, woher diese unaufhörlich fließen den Wäßer ihren Ursprung haben? Nach der Meynung des berühmten
Cartesius dringet das Wasser in dem Meere unter der Erde nach allen Seiten durch, bis es an dem Fuße der Berge geräumige Höhlungen, und einen hinlänglichen Grad der Wärme antrift, um es in Dünste aufzulösen, und aufwärts steigen zu lassen. Die Dünste setzen sich alsdann an die Decke des. Gewölbes, sammeln sich, und rieseln daran hernieder, bis sie eine Oessnung finden, wodurch sie als Qwellen heraus stießen; so wie beym Distilliren die Dünste sich in dem Helme des Brennkolbens sammeln, und durch den Hals herab tröpfeln. Das in dem Seewasser befindliche Salz kann wegen seiner Schwere nicht mit den Dünsten aufsteigen, sondern bleibet auf dem Boden der Höhlung liegen.
Hie zwote Hypothese setzet voraus, daß die Erde genugsam durchdringlich sey, um dem Wasser überall einen freyen Durchgang zu lassen, und zugleich
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dichte genug, um es zu reinigen, und das Salz davon zu nehmen, so, daß das Wasser, ob es gleich aus dem Meere gekommen, dennoch süß und trinkbar in die Qwellen und Flüße tritt.
Das dritte System will, daß das Meer unter der Erde keine Gemeinschaft mit den Bergen habe, sondern über der Erde. Daß von den Flüßen, Seen und Meeren beständig Dünste aufsteigen, welche in der Luft, in der Gestalt einer Wolke, oder eines Nebels, fortgeführet werden ; daß diese Dünste dem Stosse der Winde weichen, und wenn sie eine kalte Luft antreffen, oder durch Gebürge aufgehalten werden, sich verdicken, und in Thau, Schnee oder Regen aufgelöset werden; daß das hieraus entstehende Wasser alsdann verschiedene Oeffnungen finde, um in das Innerste der Berge einzudringen, wo es auf Banken von Stein oder Thon stehen bleibe, und durch die erste Oeffnung, die es zur Seite findet, heraus stieße, und solchergestalt entweder eine beständige, oder nur eine Zeitlang fließende Qwelle mache, nach Beschaffenheit der Größe und der Tiefe des Bäckens, worin es sich versammelt.
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Allegorische Beschreibung des Zustandes der Menschen in der Welt.
Der Eintritt des Menschen in die Welt,
dem man den Namen Geburt bey
leget, ist eigentlich nichts als der Ausgang aus einem sehr unbekannten Lande, um ein anderes Land durchzureisen, welches wir niemals werden kennen lernen, und in welchem wir stets Fremdlinge bleiben. Wir kennen niemand, wenn wir darinnen ankommen, und leben fort, ohne uns selbst jemals zu kennen. Nach einem Aufenthalte von einigen Jahren tritt man aus Noht, oft aus Furcht und Mistrauen mit diesen und jenen in Gesellschaft, doch allemal ohne sich und andere recht zu kennen, und sich unter einander zu lieben. Mit der Zeit werden wir es mit allen Leuten gewohnt, wir gehen mit ihnen um, und endlich scheiden wir wieder von hinnen, ohne Erkenntniß unserer selbst, ohne gründliche Einsicht, ohne richtige Begriffe, ohne sichere Grundsätze.
Der Beschluß folgt.
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