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IX.

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Geschichte des Prinzen von**

Aus der medicinischen Wochenschrift, der Arzt betitelt.

In dem letzteren Feldzuge, ungefähr um die Mitte des Augustmonats, begegnete einem gewissen Prinzen, der bey seiner Armee in Deutschland, als General diente, eine Sache, die damals viel Aufsehen machte, und von deren Wahrheit ich zuverläßige Zeugnisse in Händen habe.

Eines Morgens früh um 3 Uhr, als der Prinz schon angekleidet war, und eben zu Pferde steigen wollte, sah er in der Strasse des Dorfes, wo er in einem schlechten Hause einquartiret lag, einen vergoldeten Wagen, mit sechs unvergleichlichen Pferden bespannt, in vollem Galloppe herjagen. Als derselbe vor dem Hause des Prinzen angelangt war,

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ruften die zween Lakayen, die vorne aufsassen, dem Vorreiter mit lauter Stimme zu: Halt! Und fragten zugleich, ob nicht hier Se. Durchl. der Prinz von** logierten? Kaum hatten sie das Jawort vernommen, da sowohl sie, als die drey Lakayen, welche hinten auf dem Wagen stunden, mit gleichen Füßen herabsprangen, und zu der Thüre des Wagens eilten. Der Prinz, der hinter dem Fenster stund, und diesen Aufzug mit Verwunderung ansah, erblickte, da die Thüre des Wagens eröffnet wurde, ein Frauenzimmer, welches sehr prächtig gekleidet war, und der gegenüber zwo Kammerfrauen fassen, die alle Mienen derselben zu studieren schienen. Er sendete alsobald einige seiner Bedienten heraus, um sich nach dem Namen dieser Dame zu erkundigen, und ihr allenfalls behilflich zu seyn, wenn sie absteigen wollte. Unterdessen aber, da der Prinz diese Ordre gab, hatten die Lakayen, und Kammerfrauen, dieselbe bereits aus dem Wagen gebracht, und trugen sie auf ihren zusammgeschlungenen Armen in das Haus, und so weiter grade in das Wohnzimmer des Prinzen.

Ehe ich fortfahre zu erzählen, was in diesem Zimmer zwischen der Dame

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und dem Prinzen vorgieng, muß ich zuerst die Hauptperson ein wenig beschreiben, die alle diese unerwarteten Auftritte verursachte. — Nie hat man in einem prächtigeren Aufzuge, eine elendere, und häßlichere Person gesehen, als diese Dame war. In ihrem Angesichte waren alle Züge beysammen, die sich ein Kunstmaler aussuchen kann, wenn er ein Meisterstück der Häßlichkeit schildern will. Gleichwohl schien sie noch eine Person in ihren beßten Jahren zu seyn; allein, weder ihre Jugend, noch die Kleinodien, womit sie bedeckt war, konnten den Gräuel ihrer Häßlichkeit mildern, der sich durch ihre ganze Person ausbreitete. Ihr unförmlicher dicker Körper, von dem sich die Schmeichler selbst kaum getrauten, ihn eine Menschengestalt zu nennen, war in allen seinen Gelenken verlahmet, und mit Beulen, und Knoten gleichsam garniret. Da sie dieses zu aller Bewegung untüchtig machte, so mußte sie überall hingetragen werden, wohin sie verlangte; und obgleich ihr Wagen einer der beqwemsten war, und ihre Bedienten recht darauf ausgelernt hatten, sie sanft zu tragen, so schrie sie doch beständig überlaut, wegen der Schmerzen, die ihr die Bewegung verursachte; wobey sie den

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Mund so weit aufthat, daß der größte Borsdorfer Apfel ohne Anstoß hätte hin eingeworfen werden können. Mit diesem Geschrey, mit dieser abscheulichen Gestalt, mit diesem fürstlichen Staate und mit dem Mangel an Lebensart, langte sie unangemeldet im Zimmer des Prinzen an. So bald er sie so nahe bey sich sahe, verwandelte sich für Abscheu, Eckel, und Unwillen seine Gesichtsfarbe. Und dieser so außerordentliche Anblick versetzte ihn in eine solche Verwirrung, daß er wider seine Gewohnheit vergaß, ihr mit -Höflichkeit entgegen zu eilen, und sie als eine Dame vom Stande zu bewillkommen. Zum Glücke schien sie selbst wenig darum zu geben, und nachdem sie sich wegen der erlittenen Transportschmerzen ein wenig erhöhtet hatte, redete sie den Prinzen mit einer Freundlichkeit, die sie noch scheußlicher machte, folgendermassen an:

Liebster Prinz, es sind schon zween Tage, daß ich Sie suche; und da ich nun endlich das Glück habe, Sie zu finden, so muß ich Ihnen zu allererst bekennen, daß Sie sehr übel logiert sind, und daß ich noch nie, in einem so schlechten Hause, wie dieses ist, abgestiegen bin.— Der Prinz entschuldigte sich, so

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gut es seine Bestürzung zuließ, und sagte, daß er im Felde oft noch viel schlechter hätte für lieb nehmen müssen. — Ey nun erwiederte sie, man muß sichs einmal gefallen lassen. Itzt will ich die Gnade haben, Ihnen die Absicht meiner Ankunft zu melden. Ich reise incognito, und, dieses wird auch nächstens in den Zeitungen, wie gewöhnlich, bekannt gemacht werden. Ich komme aus der französischen Armee, wo ich mich über ein Vierteljahr bey einem liebenswürdigen Grafen, und bey der Gemahlinn des Generals** aufgehalten habe, die mir, wie ich es nicht anders sagen kann, alle meinem Stande gebührende Ehre erzeiget haben. —

Gnädige Frau, fiel ihr der Prinz in die Rede, darf ich mich erkühnen, Sie zu bitten, daß Sie mir ihren wahren Stand und Namen entdecken mögen, damit ich ebenfalls im Stande seyn könne, Ihnen nach Würden zu begegnen. — Ihre Dienerinn, antwortete die Dame; es ist mir angenehm, daß Sie mich noch nicht kennen, und ich will das Vergnügen haben, Ihnen die Entdeckung meiner Person noch ein wenig vorzuenthalten. Ich habe schon oft dieses Vergnügen gehabt; und ich versichere sie, daß es

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Ihnen zuletzt selbst angenehmer seyn wird, wann ich Sie noch eine Zeitlang in Ungewissheit lasse. Unterdessen können Sie versichert seyn, daß Sie mit einer Person vom höchsten Stande umgehen, die aber keine Umstände liebt, und die sich selbst diejenige Beqwemlichkeit von Ihnen ausbitten wird, welche sie, ihrem Stande gemäß, von Ihnen erwarten darf. — Ich bleibe fünf oder sechs Wochen bey Ihnen, mein lieber Prinz, und alles, was ich mir von Ihnen ausbitte, ist, daß Sie mir nur beständig Gesellschaft leisten. Uibrigens soll mein Koch, And mein Volk, alles Nöhtige für uns beyde besorgen.

Man stelle sich den Gemühtszustand des Prinzen vor, der schon itzt für langer Weile, über einen so verdrießlichen, und eckelhaften Besuch wohl zwanzigmal gegähnt hatte, und der für Ungeduld, um im Hauptquartiere zu erscheinen, und neue Ordres zu empfangen, kaum seiner Glieder mehr mächtig war, die seinem ehrliebenden Eifer nacheilen wollten. Inzwischen tröstete ihn noch dieses, daß er die triftigsten Ursachen von der Welt vorwenden konnte, um das höchstseltsame Ansinnen der Dame von sich abzulehnen.

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Gnädige Frau, sprach er, Ihr Stand, und Ihre Absicht bey der Ehre, die Sie mir bezeugen, mich zu besuchen, sey welcher er wolle, so muß ich Ihnen im Voraus aufrichtig gestehen, daß es mir in meinen gegenwärtigen Umständen schlechterdings unmöglich sey, Dero Befehl nach der Strenge zu erfüllen.— Prinz, versetzte die Dame, ehe wir weiter reden, so setzen Sie sich erst, und machen Sichs beqwem. Meine Bedienten sollen Ihnen die Stiefel abziehen, und Sie entkleiden. Machen sie keine Umstände, ich bitte Sie! Sie wissen noch nicht, wer ich bin, und worauf mein Besuch bey Ihnen abzielet. So viel aber kann ich Ihnen sagen, daß ich nicht umsonst zu Ihnen komme, und, daß Sie das größte Unglück, was Ihnen widerfahren kann, zu befürchten haben, wann Sie mir nicht in allen Stücken zu Willen leben. —

Der Prinz betheuerte, daß er diesen Augenblick in das Hauptquartier kommen mußte, und daß ihm nichts in der Welt davon abhalten dürfte. Er versicherte zugleich, daß die Armee vielleicht noch heute aufbrechen, und naher gegen den Feind vorrücken würde, und daß er folglich dieses Quartier selbst bald verlassen, und vielleicht ehester Tage, an der Spi-

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tze seines Haufens in die Schlacht gehen müßte. Zudem, sagte er, wenn mich auch meine eigene Ehre nicht triebe, alles dieses zu thun, so bedenken Sie selbst, wie das einen General kleiden, und was der Verwand beym commandirenden Feldherrn gelten würde, wenn ich mich von der Armee beurlauben wollte, um einer Dame, die ich nicht kenne, und die mich ganz unvermuhtet besucht, Gesellschaft zu leisten. —

Prinz, erwiederte die Dame, ich vergebe Ihnen alle diese Umstände blos darum, weil Sie mich nicht kennen, und die Absicht meiner Ankunft nicht wissen. Misgönnen Sie mir das Vergnügen nicht, daß ich Ihnen noch eine Zeitlang unbekannt bleibe. Allein, es ist von meiner Seite auch billig, daß ich Sie, Ihrer Ehre wegen, beruhige. Zu dem Ende, will ich einen meiner Bedienten sogleich zu dem Feldherrn senden, und demselben meinen Namen, und Stand, meine Ankunft bey Ihnen, meine Absicht, und die Dauer meines Besuches melden.

Die Fortsetzung folgt im künftigen Blatte.


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Topic revision: r13 - 15 May 2011, MarleneBurgstaller
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