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X.

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Fortgesetzte Geschichte des Prinzen von**

Ich bin gewiß überzeugt, daß diese Entdeckung den Feldherrn augenblicklich bewegen wird, Ihnen freywillig die Ordre zusenden, mir so zu begegnen; wie ichs verlange; alle Ihre Geschäfte bis zu meiner Abreise bey Seite zu setzen, der Armee nicht weiter zu folgen; und mir allein Gesellschaft zu leisten. —

Dieses Anerbiehten war entscheidend. Der Prinz konnte es, ohne einige Unanständigkeit nicht abschlagen, und, sowohl die Ungewißheit, was für eine Person er vielleicht vor sich hatte, als auch vornämlich das zuverläßige Vertrauen, daß bey den damaligen Umstanden, der Feldherr nimmermehr einen so unnöhtigen Urlaub ertheilen würde, bewegte ihn, den Vorschlag einzugehen. Jedoch baht er sich zugleich bey der Dame die Erlaubnis aus, seinen eigenen Bedienten, mit einer feyerlichen Protestation in das Haupt-

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quartier zu senden, um in seinem Namen zu betheuern, daß es sein Wille, und Begehren gar nicht sey, bey itziger Gefahr von der Armee zurück zu bleiben; daß er mit der größten Sehnsucht, sein Commando fortzusetzen wünschte, und daß man ihn ja nicht beurlauben mochte, wann nicht die angeführten Umstände der Dame, es schlechterdings nohtwendig machten.

Dieses alles ward dem Prinzen eingerammt, und die Bohtcn giengen ab, und kamen wieder. — Aber, wie erstaunte er nicht, als er vom Feldherrn die eigenhändige Ordre empfieng, derjenigen Dame, die ihn besucht hatte, mit aller ersinnlichen Aufmerksamkeit zu begegnen, ihr in allen Stücken gefällig zu seyn, ohne ihre ausdrückliche Erlaubniß, weder im Hauptquartiere, noch im Felde zu erscheinen, ja ohne ihren Willen auch nicht einmal aus dem Zimmer zu gehen, sondern vielmehr alles ohne Widerrede zu thun, was sie von ihm begehren würde, wann es auch noch so seltsam scheinen sollte. Der Feldherr versicherte zugleich, daß ihm diese Person vollkommen bekannt ware,und,daß es desPrinzen eigenesGlück seyn würde, wann er sichdurch ihre Häßlichkeit, und seltsame Sitten nicht abschre-

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cken ließe, ihr aufs beßte, als einer Person vom höchsten Range zu schmeicheln.

Der Prinz schwitzte, und bebte über den ganzen Leib, als er diesen Brief las, und daraus ersah, daß er keine Hoffnung mehr übrig hätte, diesen Besuch bald wieder los zu werden. Inzwischen schienen ihm die Worte des Feldherrn, so nachdrücklich, und bedenklich, daß er nicht mehr zweifelte, es müße unter diesem Besuche ein sehr großes Geheimniß verborgen liegen. —

Endlich redete der Prinz die Dame mit einer höflichen Verzweiflung an, und sagte, daß, ob er gleich sonst, seinem Triebe zur Ehre, alles, ja selbst sein Leben aufopfern würde, er doch nunmehr nicht langer umhin könne, ihr den unverbrüchlichsten Gehorsam anzugeloben, und sich, ihr als einer, ihren ergebensten Diener, in allem zu unterwerfen. — Der Großvater des Prinzen, oder er selbst, würde im vorigen Jahrhunderte diese ganze Geschichte für ein Blendwerk und eine Zauberey gehalten haben, ja, es fehlte nicht viel, so hätte es der Prinz noch in der Mitte des gegenwärtigen gethan, ob er gleich einer von denen war, die den Teufel nur fluchen, ohne ihn zu glauben.—

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Die Dame, die ihn mit einem Mischen Lächeln starr ansah, konnte, wenn sie wollte, in seinem Gesichte, alle die Verwünschungen auf das deutlichste lesen, die er in der Verzweiflung wider sie, wider ihren Besuch, und wider das Geheimniß, davon er so wenig begriff, gern laut gesaget hätte, und sich doch kaum zu denken gctrauete. Allein, es war nun einmal nichts anders mehr übrig, als sich zu beqwemen.— Der Prinz ward vor ihr entkleidet, und mußte sich in einen Lehnstuhl neben sie setzen, und sich Von ihr unterhalten lassen. Es war schrecklich, daß sie verliebt in ihn zu seyn schien, und schon wünschte er, ein Abelard zu seyn. Allein es war weit schrecklicher, als sie ihm zu verstehen gab, daß sie es in Gnaden vermerken würde, wenn er sie öfters liebkosete, streichelte, und selbst pflegte. Diese Unverschämtheit ward am ersten Tage durch andere Bedingungen vergrößert, die sich die Dame wahrend ihres Auftnthalts, von dem Prinzin ausbaht, und wovon ihm keine besser anstund, als die erste. — Unterdessen hatte der Koch der Dame, die Mahlzeit zubereitet. Aber wie erstaunte nicht der Prinz, als er die karge Mahlzeit sah, die sich recht,in das Haus schickte, in wel-

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chem er wohnte, für seinen Geschmack aber, eine wahre Marter war. Inzwischen unterstund er sich nicht, Klage darüber zu führen, ob er gleich mit Entsetzen vernehmen mußte, daß die dünne Haberbrühe, das kleine weiße Brod, die zwo großen Flaschen voll Brunnenwasser, und ein wenig Milch, allein die Nahrungsmittel wären, womit sie sich begnügen müßte, und, daß sie von ihm die Gefälligkeit hoffe, er würde mit ihr vorlieb nehmen.

Der Abend kam endlich heran, und der Prinz, der sich den ganzen Tag nach ihrem Eigensinne, auf das beßte beqwemet hatte, hoffte endlich, daß ihm die Nacht in seiner Qwaal zu Hilfe kommen würde. Er wünschte nichts mehr, als daß wenigstens ein achtundvierzigstündiger Schlaf die gute Dame erqwicken möchte. Nur bedauerte er, wie er sagte, daß die Anstalten allhier so schlecht waren, und daß er nicht wüßte, wie er für sie ein beqwemes Bette schaffen sollte. — Seyn Sie deßhalb nur ruhig, mein Prinz, versetzte sie, ich nehme mit dem Ihrigen vorlieb, und werde bey Ihnen schlafen. In dem Zustande, worinnen Sie mich sehen, fuhr sie fort, wird dieses bey niemand einen gerechten Verdacht erwecken können; und ich versichere Sie überdem, daß ich

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schon bey manchem Prinzen geschlafen habe. —

Himmel! — wollte der Prinz sagen, aber es entfuhr ihm in der Verzweiflung ein Fluch, der alles übertraf, was man noch je gefluchet hatte. Er erschrack selbst über diese Unachtsamkeit, und wollte um Vergebung bitten. Allein die Dame versicherte ihn, daß sie aus dem allen nichts machte, daß sie die gemeinsten Korporalflüche gewohnt wäre, und daß daran nichts läge, wann er nur das thäte, was sie von ihm verlangte.

Kurz, der Prinz mußte sich beqwemen, die Dame mit sich in das Bett zu nehmen; und, wie froh war er nicht, als er merkte, daß sie bald einschlief, und ihm selbst eine Erhohlung gönnte, die er so nöhtig hatte. — Es war aber des Morgens zwischen zwey und drey Uhr, als sie schon wieder erwachte. Und, weil sie merkte, daß der Prinz recht sanft schlief, und nicht Willens war zu erwachen, um ihr die Zeit zu vertreiben, denselben mit ihren Armen umsaßte, und rüttelte. Der Prinz, der wirklich schon erwacht war, nahm seine Zuflucht zur List, und that, als ob er noch immer fest schliefe. Allein, bey diesen Umstanden entschloß sich die Dame zu kräftigeren

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Hilfsmitteln. Sie ergriff seine Hände, und Füße, und knippte, und verdrehte sie mit so groben Handgriffen, daß der Prinz laut zu schreyen ansieng, und um Gnade baht. Er erhielt dieselbe nicht langer, als bis er wieder ruhiger wurde, und einschlafen wollte, da ihn dann neue Liebkosungen, mit gleichem Geschreye wieder erweckten. — So verstrich unter vielen Verwünschungen der Rest der Nacht, und am andern Morgen schien die Dame sehr wohl zufrieden zu seyn, dahingegen der Prinz mit vieler Furchtsamkeit fragte: ob es ihr nicht angenehmer seyn würde, wann sie künftig in seinem Bette allein schliefe, so wollte er unterdessen ein anderes gutes Bette für sich besorgen? Nein, Prinz, erwiderte sie, ich bin sehr wohl mit Ihnen zufrieden. Ich pflege mich recht gut an Ihrer Seite, und, ich vergnüge mich, wenn ich des Morgens erwache, Ihre warmen, und weichen Glieder zu fühlen. — Der Prinz mußte sich sogar am Tage neben sie setzen, und es leiden, daß sie ihm zuweilen die Hände streichelte, bey welcher Gnade er die Erlaubniß hatte, Ach, und Weh, zu schreyen, so viel er wollte.—

Alle Tage verstrichen so / nne der erste,und alle Mächte, so wie die erste verstri-

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chen war.— Wenn Sie mich nur erst kennen gelernet haben werden, sagte sie, so werden Sie meine Lebensart bald gewohnt werden; und ich weis gewiß, daß Sie künftig, gleich andern Prinzen, sich eine Ehre daraus machen sollen, wenn ich bey Ihnen einkehre.—

Nachdem dieser Besuch vierzehen Tage gedauert hatte, sagte die Dame eines Morgens zum Prinzen: Ich werde dießmal genöhtiget seyn, Sie früher wiener zu verlassen, mein Prinz, als ich anfänglich selbst glaubte. Ich besinne mich, daß um diese Zeit ein gewisser großer Wechsler auf mich wartet, der sich sehr grämen würde, wenn ich ihn verlassen wollte, weil er es für einen Schimpfhalten könnte, da er nur von bürgerlichem Geblüte ist. Allein, ich bin nicht so stolz, daß ich bürgerliche Leute verachten sollte, wenn sie mir nur standesmäßig begegnen. Ich muß Ihnen also die traurige Bohtschaft melden, daß ich heute Abends abreisen werde, damit ich Morgen noch vor Tage das Vergnügen haben könne, diesen guten Mann, bey dem ich allemal sechs Wochen bleibe, auf eine angenehm me Weise, in seinem Bette zu überraschen. —

Der Beschluß folgt über acht Tage.


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Topic revision: r10 - 15 May 2011, MarleneBurgstaller
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