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XII.

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Von den Polypen des süßen Wassers.

Ein Auszug, aus dem Magazin François à Londres.

Der Polype des süßen Wassers ist ein Thier, dessen Leib von der Größe einer Nadel, aus dem Theile, welcher mit dem Kopfe der Nadel übereinkömmt, viele Füße, oder Aerme in Gestalt eines Sterns, treibt. Die Anzahl dieser Aerme beläuft sich auf sechs, zwölf, achtzehn, und mehr, oder weniger, nach Verschiedenheit der Polypen. Diese werden in grüne, oder Polypen mit kurzen Aermen, und in rohte, oder Polypen mit langen Aermen eingetheilet. Die rohten theilen sich wieder in zwo Arten, nach der verschiedenen Lange ihrer Aerme, so, daß in allen drey Arten derselben herauskommen. Die erste Art von rohten Polypen, hat einen Leib

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von sechs Linien in der Langes und von einer überall gleichen Dicke; und Aerme von sechs Linien. Die zwote Art ist beynahe noch einmal so groß, ihr Leib wird gegen den Schwanz zu schmälers und scheinet daselbst gleichsam enge zugeschnürt; und ihre Arme, oder Füße, denn dieser Name ist bey eben denselben Theilen gemein, sind bis aus sieben, oder acht Zolle lang. — Was ihre Farbe betrift, so hängt dieselbe von der Nahrung ab, womit sie sich erhalten. Der Leib, und die Aerme des Polypen können sich gleich gut freywillig zusammenziehen, und verlängern, um so wohl fortzugehen, als zu fressen, ihren Raub zu erhaschen, und sich im Sande gegen das Licht, welches diese Thiere eben so, wie die kleinen grünen Würmer in den Blättern der Bäume, und Pflanzen, sehr lieben, zu bewegen. — Diese Handlungen sind es eben, welche gezeiget haben, daß diese Dinge wirklich Thiere sind, denn, wenn man sie blos ansieht, und die Art, und Weise, wie sie sich vermehren, und wieder hervorbringen, nachdem sie in Stücke zerschnitten sind, betrachtet, so sollte man schwören, daß sie Pflanzen seyen. Der Mund des Thieres ist an dem äußersten Ende des Leibes, welches

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den Mittelpunkt von allen Aermen ausmachet. Sein Magen ist sein Leib selbst, und dieser ist nichts, als eine Röhre, die von einem Ende bis zum andern hohl ist, sowohl in dem Körper, als in den Aermen. Alle seine Höhlungen aber haben miteinander Gemeinschaft. Man findet bey ihm weder Gehirn, noch Lunge, weder ein Herz, noch eine Leber, noch Eingeweide. Mit einem Worte, man findet bey ihm keine innwendigen Theile, keine Gefäße; eine blosse Haut macht seine Röhrchen aus , und diese Röhrchen machen das Thier aus.

Wenn man die Haut des Polypen mit dem Vergrößerungsglase anstehet, so scheint sie sowohl auswendig, als inwendig, wie Chagrin, löst man diese Haut weiter auf, so befindet man, daß sie aus unmerklichen Faserchen, aus einem schleimichten Zeuge, das, wie geschmolzenes Gummi ist, und den Zwischenraum dieser Faserchen ausfüllt, und aus Körnern, die in der schleimichten Materie liegen, und nur schwach unter einander verbunden sind, bestehet. Diese Körner sind es eben, die den Oberflächen des Polypen das Ansehen vom Chagrine geben; sie sind es auch, die ihm die Farbe mittheilen.

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Durch eine so einfache Zubereitung der Organisation geschieht es, daß der Polype gehet, verdauet, und seines gleichen hervorbringt. — Das Geschlecht der Polypen ist also notwendigerweise für der harten Geschwulst in der Leber, und dem Gekröse, von Kopfschmerzen, von Magenbeschwerden, von den Krankheiten der Brust und der Blase, befreyet. — Was für eines Gewühls von Uibeln würde uns unser Schöpfer überhoben haben, wenn er uns auf eine so einfache Art, als den Polype gebauet hätte! — Inzwischen ist doch der Mechanismus desselben vollständig, die wahren Grundsätze der Naturlehre finden dabey alles, was zu einem Thiere gehöret, und die Mechanik wird dem Polype in dieser Art oben an setzen, weil die einfachste Maschine die vollkommenste ist! —

Die ordentliche Nahrung der Polypen ist der grüne Wurm in den Blättern der Wanzen, der Taufendfuß, die kleinen Erdwürmer, die Weißfische, und allerhand andere kleine Fische, und Muschelwerk. — Wenn der Polype hungrig ist, so streckt er seine Aerme in dem Walser, wie Netze aus. Sobald nun der Raub in denselben fällt, so ergreifen ihn diese Aerme, und bringen ihn an den

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Mund, der ihn verschlinget. Der Polype erwartet nicht allzeit seinen Raub, er merkt ihn, und geht hin, ihn zu suchen wo er ist, wie er hingeht, das Licht zu suchen. Die meisten Thiere, wovon sich der Polype nähret, verhalten sich nach ihrer Größe zu seinem Munde, so, wie sich eine Birne, die so groß, wie der Kopf des Menschen wäre, zu dem Munde eines Menschen verhalten würde, dennoch erweitert sich dieser Mund des Polypen, und verschlingt diese Thiere. Sein Mund erweitert sich sowohl, als der Leib, dergestalt, daß man oft das verschluckte Thier ganz deutlich durch den Polype hindurch siehet. Das verschluckte Thier zerschmilzt in dem Leibe desselben, und es scheint, daß er den Saft daraus sauget, worauf er hernach das Gerippe oder andere grobe Theile, durch eben den Ort, durch den sie hinein gekommen sind, wies der von sich giebt.

Die Polypen schlagen sich bisweilen um einen Raub, und man hat gesehen, daß einige ihre Feinde verschluckt haben. Allein, diese sterben nicht in dem Leibe dessen, der sie eingeschlucket hat, wenn sie gleich vier bis fünf Tage darinnen bleiben, und der Feind, wirft sie wieder gesund, und wohlbehalten von sich.

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Die Polypen leben nicht langer als zwey Jahre. Allein in dieser kurzen Zeit haben sie vielerley Arten sich zu vermehren. Wenn man sie in Stücke zerschneidet, so werden sie vom neuen aus ihrem zerstörten Uiberreste geboren, So viele Stücke, so viele Polypen. Man vermuhtet auch aus einigen Versuchen, daß die Körner wovon wir geredet haben, oder doch ein Theil derselben, Eyer seyen, aus welchen Junge kommen. So haben sie auch, da sie einer Pflanze so ähnlich sehen, von derselben wirklich das Vermögen, daß sie gleich den Bäumen Schößlinge treiben, und sich durch Sprossen vermehren. Diese Gprossen, die man anfänglich für kleine Ausgewachse anflehet, vergrößern sich allmahlig, treiben Aerme aus, und werden endlich Polypen. Der Schwanz eines jungen Polypen ist mit dem Leibe der Mutter vereiniget, und hat an ihrer Nahrung eben so viel Theil, wie die Aerme dieser Mutter selbst. Hernach bekömmt die junge Brut selbst Aerme, hascht ihren Raub selbst, verschluckt ihn, verdaut ihn, und vertheilt den Saft davon, bis in den Leib der Mutter. Eine Mutterpolype hat oft fünf, sechs, auch acht und mehr Junge, oder Sprossen.

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Ein Polype bringt monatlich ungefähr zwanzig Junge hervor, und ein jedes derselben kann nachvier bis fünf Tagen von seiner Absonderung an, schon wieder Junge austreiben; so, daß man in einem Monate leicht sechs Stufen der Erzeugung oder der Abkömmlinge, von einem, und eben demselben Polypen, und folglich schon durch dieses einzige Mittel, eine ausnehmende Vermehrung dieses Thieres haben kann. Es giebt sogar kleine Polypen, die noch an ihrer Mutter befestiget sind, und schon selbst wieder Junge austreiben. Ja man hat bisweilen gesehen, daß die letzteren noch ein drittes Geschlecht ausgetrieben haben, so, daß der erste Polype, der die Mutter war, zu gleicher Zeit, drey Geschlechter trug. — Nun sind alle Polypen Mütter, und vermehren sich, wie man eben gesehen hat, ohne Vermischung mit einem andern Geschlechte, und ohne alle Art der Gesellschaft. —

Wie viele widersinnige Wahrnehmungen legen uns diese Arten von Thieren vor die Augen! Wie viel Ausnahmen von den bekannten Regeln, die man bisher als allgemeine Gesetze angesehen hat! Und, wo bleiben die angenommenen Begriffe von der Befruchtung? Wie

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hat ein kriechendes Thier, das mehr einem Fäserchen von Kraut, als einem Thiere ähnlich sieht, ein Vermögen, sich selber wieder hervorzubringen, das den Vollkommensten Thieren versaget ist? — Noch eine andere Art, sich zu vermehren, die den Polypen natürlich, aber, weit seltener als die vorhergehende, ist, daß sie sich in zween Polype theilen. Die Mitte eines Polypen zieht sich enger zusammen, und wird trocken. Ein jedes Stück sondert sich ab, und bringt an jedem, das, was ihm, einen vollkommenen Polypen auszumachen fehlet, wieder hervor. — Die Eyer, wodurch sich dise Thiere vermehren, gehen aus ihrer Oberfläche. In diesem Falle gehören sie zu gleicher Zeit zu den lebendig gebührenden, und auch zu den eyerlegenden Thieren; und sie besitzen auf diese Weise allein alle Arten sich zu vermehren, die bey den Thieren, und Pflanzen vorkommen. —

In dem nächsten Blatte, wird man das Uibrige hiervon finden.


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Topic revision: r15 - 15 May 2011, MarleneBurgstaller
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