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XLI.
Zwote Fortsetzung der Nachrichten von denen sogenannten, Patagoniern oder Riesen.
Längst dem Arme im Aermel trugen diese Riesen ihre Köcher mit Pfeilen, deren sie den Matrosen einige gaben, und ihnen die
Nachen aufs Land ziehen halfen. Man boht ihnen Brod, Wein und Brantewein an, sie wollten aber nichts genießen. Am folgenden Tage sah man von Bord mehr als 200. von ihnen versammelt.
Nur gedachter
Frezier erfuhr von den Spaniern (*), daß die um
Chiloe wohnenden Wilden, welche
Chonnos genennet werden, und nichts als eine viereckigt zugeschnittene Thierhaut zur Bedeckung haben, mit einem, weiter landeinwärts wohnenden Geschlechte von Riesen in gutem Verständniße leben. Diese
(*) Siehe am angeführten Orte S. 76.
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werden von jenen
Caucahues genennt, und zuweilen kommen deren einige mit zu den spanischen Wohnungen auf Chiloe. Don
Petro Molina, welcher auf dieser Insel Befehlshaber gewesen war; und andere Augenzeugen erzählten dem
Frezier, daß diese Riesen nicht viel unter vier
Barras oder castilianische
Ellen, das ist, 9. bis 10.
Pariserfuß hoch zu seyn pflegten.
Eine unbekannte Feder hat uns einen Bericht (*) von der durch drey holländische Schiffe im Jahr 1721. in die Südsee gethanen Reise ertheilet. Die Schiffe hießen Lienhoven, die afrikanische Galeere und Adler, und waren von der
holländischen Westcompagnie, zu Entdeckung neuer Südländer ausgerüstet worden. Der davon vorhandne Bericht
(*) Tweejaarige Reise rondom de Weerelt, de naader ontdekking der onbekende Zuidlanden, met drie Scheepen in her Jaar 178 ondernoomen, door last van de Nederlandsche Westind. Compagnie. Dordrecht 1758. 4. vorher aber schon gedruckt zu Amsterdam 1727. unter dem Titel: Kort en waaragtig verhaal van de Reise door drie Scheepen in 't Jaar 1721. gedaan op ordre van de Ed. Heeren Bewindh. der Westind. Comp. in Holland, om eenige zot nog toe onbekende Landen omtrent de Zuidzee geleegen, op te zoeken.
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ist mit, so vielen fremden Einschaltungen verunstaltet, daß man an dessen Aechtheit mit Grunde zweifeln könnte, wenn selbiger nicht unter den Augen gedachter
Compagnie herausgekommen, und die Hauptumstande wahr befunden worden wären.
Obgemeldete drey Schiffe entdeckten am 6ten April 1722, in dem stillen oder südlichen Ocean, auf 268°. der Länge, und 27°. südlicher Breite, eine bisher unbekannte Insel, welche sie wegen des eben damals einfallenden Osterfestes
Paaschen-Eyland nannten. Kaum hatte man bey dieser Insel die Anker fallen lassen, so sah man einen Wilden von wenigstens 12. Fuß, welcher auf dem Leibe mit einer braunen Farbe bemalt war, und in seinem aus viereckigten, etwann halbfüßigen Stücken Holz zusammengesetzten Fahrzeuge das Land zu erreichen suchte. Man hohlte ihn ein, und brachte ihn auf das Schiff; weil er aber allerley auf den südlichen Inseln sonst übliche Worte, die man zu ihm sprach, nicht zu verstehen schien, so setzte man ihn wieder in seinen
Nachen, und ließ ihn fahren.
Zwey Tage nach dieser Begebenheit erblickte man um die vor Anker gelegte
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Schiffe eine grosse Menge der wilden Bewohner dieses Eilands. Die Männer waren bis 12. Fuß, die Weiber aber nur 10. bis 11. Fuß hoch; jene waren auf dem Leibe mit einer rothbraunen, diese aber mit einer Scharlachfarbe geschildert. Es waren wohlproportionirte Menschen, die ungemein gut schwimmen konnten, und von außen an den Schiffen wie Katzen in die Höhe kletterten. Ihr diebisches Naturell offenbarte sich sogleich; sie nahmen alle verrostete Nägel und altes Eisenwerk, so sie bekommen konnten, und sprangen damit sogleich über den Bord. Sie suchten mit ihren Nägeln sogar die Boltzen aus dem Schiffe zu klauben. Uiber die Größe des Schiffes und Schwere des Geschützes, welches sie zum öftern mit den Händen aufzuheben versuchten, bezeigten sie sich höchst verwundert. Weit aber die Zahl dieser Gäste nach und nach dergestalt zunahm, daß man befürchtete, sie würden der Schiffsbesatzung zu mächtig werden, so suchte man sich anfänglich mit gutem, und wie das nicht fruchten wollte, mit Gewalt von ihnen zu befreyen, und trieb sie von den Schiffen hinweg.
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Wie man den 10ten April darauf mit wohlbewaffneten
Schalupen eine Landung vornehmen wollte, so fand man eine grosse Menge dieser Wilden am Strande versammelt, um die Landung zu verhindern. Sie machten drohende Gebärden und stellten sich sehr muhtig an; sobald man aber durch eine Salve aus dem kleinen Gewehr einige derselben niedergelegt hatte, fiengen sie an mit den wunderlichsten Gaukeleyen ihre getödteten Mitbrüder und deren Schußwunden zu besehen, und nahmen gar bald, mit einem erbärmlichen Geheule und mit Fortführung ihrer Todten, die Flucht.
Die Kleidung dieser Riesen war aus vielfarbiger Baumwolle und Seiden zusammen, gewebt, welches vielleicht nicht allzu glaubwürdig scheinen möchte. Ihre Ohren waren entsetzlich lang, und hiengen meistentheils bis auf die Schultern herab; auch hatten sie so grosse Löcher in denselben, daß man ohne Mühe eine Hand durchhin stecken konnte.
Der Reisebeschreiber meldet, daß diese Riesen nachher friedfertig geworden, und
Pisang wie auch andere Früchte, nebst einer grossen Menge Hühner zu den Schiffen gebracht hatten. Sehr weitläuftig spricht er von einem Abgott
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derselben, welcher in einem wohl sieben Klafter im Umfange dicken und auf einem andern Felsstücke ruhenden Steine bestanden, und woran in der Höhe ein ausgehauenes und mit einem Kranze von kleinen eingesetzten Steinen geziertes Menschengesicht zu sehen gewesen seyn soll. Um diesen Stein sprangen und tanzten, seinem Berichte nach, diese Riesen unter beständigem Händeklatschen herum, wobey man sie oft die beyden Worte Dago und Taurico ausrufen hörte. So oft sie einen Kanonenschuß vernahmen, sprangen sie und ruften das erstere Wort mit mehrerer Heftigkeit, wiesen auch mit den Händen bald nach den Schiffen, bald nach ihren Abgott hin, als ob sie selbigen gegen die Ankömmlinge zu Hilfe rufen wollten.
Man wird an der Aufrichtigkeit aller kleinen Umstände der hier gegebenen Erzählung, oder wenigstens an der Fähigkeit des Verfassers obangeführter Reisebeschreibung zu zweifeln anfangen, wenn ich hinzusetze, daß derselbe aus dem Worte Dago, welches er für den Namen des Steines oder Abgottes hält, den Ursprung seiner Riesen von denen
kananitischen, deren die heil. Schrift Meldung thut, hat herleiten wollen.
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Es kömmt noch eine andere Riesengeschichte in der nämlichen Reisebeschreibung vor. Ein Theil der Schiffsbesatzung trat auf der grossen, in allen neuern Karten, verzeichneten Insel
Neu-Zeeland, oder wie sie von ihrem Erfinder
Dampier genannt worden, Neubrittannien, ans Land. Daselbst kamen ihnen die Einwohner mit starken Schritten und einem schrecklichen Geschrey entgegen. Der Schriftsteller sagt, es seyen lauter Männer von 9. bis 10. Fuß, und ganz schwarz von Farbe gewesen, die auch muhtig genug zu seyn geschienen. Man kam zu ihren Hütten und fand darinnen einige Erdäpfel und Fischernetze.
Diese beyden Nachrichten sowohl, als die oben angeführte des
Abel Tasmans und die von
Valentyn in seinem
alten und neuen Ostindien verzeichneten, setzen die Riesen fern von dem festen Lande von Amerika in die wenig, besuchten Südländer. . Ja die letzte der eben erzählten beyden Begebenheiten betrifft Riesen von einer schwarzen Farbe, und also von einem ganz andern Stamme von Menschen, als die rechten Patagonier, nämlich von der Rasse der Mohren, welche von Afrika aus verschiedene
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südliche Inseln bevölkert haben. Daß die Mohren in diesen Gegenden zu einer mehr als gewöhnlichen Größe gelanget sind, siehet man schon aus der Nachricht, welche
Dampier von den schwarzen Bewohnern von
Neuholland giebt. Woraus den zu folgen scheint, daß die außerordentliche Statur dieser Menschen dem Einfluß des südlichen Clima zuzuschreiben seyn möchte, und daß die Patagonier auch vielleicht nur Leute von zufälliger Größe sind, die aber unter den amerikanischen Wilden in dem südlichen Himmelsstriche öfters gebohren werden, als dergleichen ungeheure Personen in andern Weltgegenden zum Vorschein kommen. Die untermischte Größe der Bewohner dieser Spitze von Amerika macht dieje Muhtmassung noch wahrscheinlicher.
Die Fortsetzung folgt.
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