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Band 4 Heft 2
ZUM GESAMTINHALT
St. Sch. [d.i.
Stephan Schönwisner, Windisch an Cornides, 07.02.1787]; Archäologie
(P 224)
13. Einige zu Nagy-Reötze, (Rauschenbach) einem Marktflecken in der Gömörer Gespanschaft, befindliche Alterthümer.
Beschrieben, und erklärt in einem Briefe an den Herausgeber
des Ungrischen Magazins.
Mit Kupfern.
Als ich in dem Fragmente einer kleinen Reise, welche im
dritten Stücke des dritten Bandes des Ungrischen Magazins, eingerückt ist, die Beschreibung, und Beurtheilung einiger sich
Nagy-Reötz, oder
Rauschenbach, befindlichen Antiquitäten las, errinnerte ich mich auf die Abrisse, welche ich in meiner kleinen Sammlung vaterländischer Monumente davon besitze, und entschloß mich sogleich, Ihnen solche zu überschicken. Hier sind sie:
Nro. 1. Die Glocke, 3 Schuhe, und 9 1/4 Zoll hoch; der untere Umkreis aber 3, Schuhe, und 8 Zolle breit. Ihre Gestalt, wie Sie hier im Aufrisse sehen, hat nichts Außerordentliches.
Nro. 2. Diese Glocke von innen. Das bey dem C. ist von Eisen, und daran hängt das Herz. DD sind die Massen, oder Zeichen, an die das Herz schlägt. Der Verfasser des oben gemeldten Fragments, giebt uns die Nachricht, daß der Anschlag, des Klöppels, oder Schwängels dieser Glocke, schon dreymal abgeändert worden, und daß einige bereits vor zwanzig, und mehr Jahren verstorbene, achtzig und neunzigjäh-
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rige Greise, von der Verfertigung dieser Glocke nicht nur nichts wußten; sondern auch oft erzählten, daß sie das Alterthum derselben von ihren Aeltern anrühmen hörten. Alles dieses beweist zwar, daß bemeldte Glocke kein Werk des gegenwärtigen Jahrhunderts seyn könne, daß sich aber ihr Alter bis zu dem Anfange des achten Jahrhunderts, nach Christi Geburt erstrecke, wie es der Verfasser behaupten will, ist weder, hinreichend zu überzeugen, oder diese Muhtmassung nur einigermassen wahrscheinlich zu machen.
Nro. 3. Der Aufriß einer gewundenen Weinrebe mit Laub, und Trauben, womit diese Glocke bey F. gezieret ist.
Nro. 4. Die Aufschrift, und Jahrzahl an der Glocke. Diese habe ich in Kupfer stechen lassen, um den Leser zu überzeugen, daß diese Aufschrift nicht mit alten, sondern mit neu Gothischen Buchstaben gemacht sey, und die hier nach einem jeden Worte ausgedrückten Unterscheidungszeichen, eine ganz andere Gestalt haben, als das vor 706. stehende Kreutzchen hat.
Dieses nun vorausgesetzt, will ich dem Verfasser des oberwähnten Fragments, zu Hilfe kommen, und beweisen, daß hier die Jahrzahl † 706, nicht für Siebenhundert Sechse; sondern für ein Tausend, zwey Hundert, und Sechse, oder gar nur für ein Tausend, fünf Hundert, und Sechse, zu lesen, und zu verstehen sey. Hier sind die Beweise in möglichster Kürze:
Erstens: Ist es eine bey der ganzen gelehrten Welt ausgemachte Wahrheit, daß die Arabischen Zifer, wie sie hier sind, in Europa erst seit dem dreyzehnten, höchstens zwölften Jahrhunderte nach Christi Geburt, bekannt und gebraucht worden. Wer die Namen vieler Gelehrten, die dieses vorsetzlich behaupten, wissen will, der kann solche in dem fünften Theile des
neuen Lehrgebäudes der Diplomatik, welche die gelehr-
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ten Benediktiner von der Congregation des
H. Maurus herausgegeben, 1) nachlesen. Es ist also die Folge, daß diese hier auf der Glocke mit Arabischen Zifern ausgedrückte Jahrzahl †706, nicht für sieben Hundert und sechse, gelesen werden könne. Man setze noch die mit dieser Jahrzahl verbundenen Neugothischen Buchstaben, welche ihren Anfang gleichfalls erst gegen das zwölfte Jahrhundert 2) genommen haben, hinzu. Den Gebrauch der Zeitrechnung von Christi Geburt, welcher, ungeachtet er schon im sechsten Jahrhunderte vom
Dionysius Exiguus erfunden worden, doch nicht ehe, als gegen die Hälfte des achten Säkulums in Italien und Frankreich, in andern Ländern aber viel später allgemein geworden ist; 3) endlich den Gebrauch der Kirchenglocken, und zwar der, mit dem Namen eines Heiligen getauften Glocken, welche ebenfalls um das Jahr Christi, Siebenhundert, nach dem Zeugnisse fast aller Gelehrten, welche diesen Stof behandelt haben, auch in der Abendländischen Kirche noch sehr selten war. Dieses alles mitgenommen, und betrachtet, kann man nicht einmal die Möglichkeit denken , daß eine Glocke, wie die
Nagy-Reötzer ist, schon um das Jahr Christi, 706, entweder in unserm Vaterlande, welches damals die heidnischen Awaren im Besitze hatten, oder in einem andern benachbarten Lande sollte seyn gegossen worden.
Zweytens: Es muß also das hier vor der Zahl 706, stehende Kreutzchen wirklich ein Tausend, doch aber sammt den übrigen erst genannten Zifern, nicht
1) §§. 96. 108. III. 114.
2) Im 4ten Theile. §.724. eben daselbst.
3) Man sehe: Aegidius Bucherius, in Chronol. Reg. Francor. Sect. I. --- Francisc. Ant. Zacharias Excurs. Litt. Vol. I. p. 61. -- Du Cange Gloss. V. Annus.
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ein Tausend, siebenhundert. und sechse, sondern ein Tausend, zwey oder fünfhundert, und sechse bedeuten. Der Auslegung von ein Tausend, sieben Hundert, und sechste, widerspricht sowohl das oben angeführte Zeugniß der ältesten Einwohner des Städtchens
Nagy-Reötz , als auch die bey dieser Zahl stehende Art der Schrift, welche schon in dem vorigen Jahrhunderte gänzlich aufgehöret hat. Man muß hier also, wie gesagt, das †706, für 1206, oder für 1506 annehmen. Wie dieses geschehen kann, will ich sogleich erklären. — Man muß wissen, daß einige Arabische Zifer, der wir uns heut zu Tage beym Rechnen bedienen, ihre Gestalt seit dem Ursprunge derselben, schon oft verändert haben. Insonderheit ward der 7 in dem 13ten Jahrhunderte, statt der heutigen 2 gebraucht, und den itzt gewöhnlichen 7 schrieb man zu jener Zeit, fast wie ein umgekehrtes spitziges V, nämlich A. Zu Ende aber des fünfzehnten, und gegen Anfang des sechszehnten Jahrhunderts, findet man auch einige Urkunden, und Aufschriften, in welchen der 7, der sonst 2 bedeutete, mit dem 5 verwechselt wird. Diese, und andere Veränderungen der Arabischen Zifer erscheinen hier auf der zwoten Kupferblatte, die einen Auszug von Jahrzahlen enthält, die auf verschiedenen Urkunden des 13, 15, und 16ten Jahrhunderts erscheinen, und von welchen die Verfasser des oben gemeldten Lehrgebäudes, noch mehrere gesammelt, und auf der 60igsten Tafel des 4ten Theils, dem Leser vor Augen geleget haben. Denjenigen, die dieses kostbare Werk nicht besitzen, komme ich mit dem zweiten Kupferblatte zu Hilfe, auf dem man in sieben verschiedenen Jahrzahlen, fast alle Hauptveränderungen der Arabischen Zifer erblicken kann. Der 2 wie 7 gestaltet, findet sich unter den Numern 1245, und 1292; der 7 anstatt 5 gebraucht, unter 1513, und das 1 in der
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Gestalt eines Kreutzchens, erscheinet unter 1506, und 1519. — Nachdem es also schon gewiß ist, daß auf den Monumenten des mitteren Zeitalters, die Numer 1 in der Gestalt eines Kreutzchens, und der 2, ja auch der 5 zuweilen unter der Figur eines 7 zu finden sey: so kann man auch nicht minder versichert seyn, daß bey der Jahrzahl auf der alten
Nagy-Reötzer Glocke, das Kreutzchen ebenfalls anstatt 1, und der 7 entweder anstatt 2, oder anstatt 5 stehe, und daß folglich diese Jahrzahl entweder 1206, oder 1506 bedeuten müße.
Wann ich beweisen könnte, daß hier das erstere zu lesen sey: so wäre freylich die
Nagy-Reötzer Glocke unter allen Glocken, ja ich getraue wir zu sagen, unter allen möglichen Monumenten, das erste, und älteste mit Arabischen Zifern. —
Harduin giebt es für eine weltbekannte Sache aus, daß diese Zifern vor dem Ende des 13ten, oder dem Anfange des 14ten Jahrhunderts, in Europa nicht üblich waren. 4) Und
Kircherus sagt: er glaube, daß die Indianer zwar schon gegen das Ende des Zehnten Jahrhunderts solche Zifer angenommen haben, die Araber jedoch hatten erst gegen das 13te Jahrhundert, sie mit ihrer Weltweisheit und Mathematik, nach Spanien gebracht, und von daher hätte
Alphons der Zehnte, welcher im Jahre 1252, als König von Kastilien und Leon, erkannt worden, solche durch seine astronomischen Tafeln 5) auch in andern Ländern ausgebreitet. — Andere lassen den Gebrauch der Arabischen Zifer, nicht einmal über das 14te Jahrhundert hinaussteigen; 6) noch andere aber, die den griechischen Mönch
Planu-,
4) Msc. Reg. 6216. A. p. 211.
5) Arithmolog. P. I. c. 4.
6) Hist. de l'Academ. des Inscript. Tom. XVIII. p. 252.
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des der gegen das Ende des 13ten Jahrhunderts lebte, die Ehre zuerkennen, daß er sich dieser Zifer zuerst bedienet habe. 7) Der gelehrte Abt zu
Gottwich kann kein älteres Manuskript, als vom Jahre 1268 anführen, wo man in einem Kalender Arabische Zifer antrift. 8) Die gelehrten Verfasser des neuen Lehrgebäudes der Diplomatik, ungeachtet sie, ohne überzeugt zu seyn, glauben, daß man den Gebrauch dieser Zifer, sogar über das zwölfte Jahrhundert hinaus setzen müßte, können doch davon kein einziges Dokument aufweisen, welches das Alter des Jahrs 1245, überstiege. 9) — Wann ich nun beweisen könnte, daß auf der
Nagy-Reötzer Glocke †706, für das Jahr 1206. gehalten werden müße: so wäre dieses Monument, unter allen bisher bekannten, das erste und älteste, welches Arabische Zifer enthält. Allein, ich muß es der Liebe zur Wahrheit gestehen, daß ich vielmehr überzeugt bin, man müße das Alter dieser Glocke, noch um dreyhundert Jahre herunter setzen, und darauf statt 1206, lieber 1506 lesen. Denn erstens, schicket sich die Gattung der Buchstaben, welche sich mit besagten Zifern bey der Aufschrift dieser Glocke befinden, weit besser auf das fünfzehnte, und den Anfang des sechszehnten, als den Anfang des dreyzehnten Jahrhunderts. Ich könnte viele dergleichen Muster, der unter
Mathias Korvins, und
Wladislav des Zweyten, Regierung verfertigter Schriftarten, besonders in den Kirchenbüchern aufweisen. — Auch die gelehrten Benediktiner geben in dem so oft gelobten Lehrgebäude, dieser Gattung der Neugothischen Schrift kein höheres Alter zu. Um sich aber hierinnen zu überzeugen,
7) Lehrgebäude der Diplomatik. V. Th. §. 108.
8) Chron. Godwic. P. 114, seqq.
9) Eben daselbst, S. 82, und Tab. 60.
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so vergleiche man nur die Aufschrift unserer Glocke mit jener, welche in dem dritten Theile des
neuen Lehrgebäudes der Diplomatik, unter der IX. Numer, auf der XXXIII. Tafel, mit dem Anfange stehet: adorabunt eum omnes gentes &c. und man wird sogleich die nämliche Gestalt der Buchstaben wahrnehmen. — Doch, was mich zweitens, am meisten überzeugt, daß diese unsere Aufschrift in dem Jahre 1506, verfertiget worden sey, ist, weil auf der Glocke zu
Poloma, (Ungr. Nagy - Vesveres) einem Dorfe in der nämlichen
Gömörer Gespanschaft, eine der Gestalt der Buchstaben sowohl, als in dem Style und Ausdrucke ganz ähnlichen Aufschrift, das Jahr 1495, zu lesen ist. — Wie? die Glocke zu
Poloma, soll die Jahrzahl 1495. haben? Meldet denn nicht das Fragment einer kleinen Reist, in dem
oben angeführten Stücke des Ungrischen Magazins, daß auf dieser Glocke ausdrucklich das Anno Domini 1290, zu lesen sey. Ja, diese Nachricht stehet da; 10) aber sie ist auch völlig falsch. Ich berufe mich auf das Zeugniß des dortigen Pfarrers, seines Kaplans, und des Schulmeisters, welche auf mein Ersuchen, den Thurm erst neulich bestiegen, die ganze Aufschrift, sammt der Jahrzahl von der Glocke treulich abgeschrieben, und mir überschicket haben. Sie lautet also: est factumin honorem Dei omnipotentis, Sacnti Nicolai, Anno Domini 1495. — Diese Jahrzahl ist auf der beygefügten zwoten Kupfertafel ganz unten, nach dem Originale gestochen, und verdienet bemerkt zu werden. Man muß sehr unwissend seyn, wann man die zwote hier abgezeichnete Zifer, nicht gleich bey dem ersten Anblicke, für den heutigen 4. erkennen sollte. Denn, es sind keine Jahrzahlen häufiger, als die des fünfzehnten Jahrhunderts,
10) Auf der 271zigsten Seite.
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in welchen die 4 in einer solchen Gestalt erscheinet, anzutreffen. — Die andere Jahrzahl, welche auf eben dieser Kupfertafel, unter der heutigen Zahl 1470 zu sehen ist, habe ich aus dem Wappenschilde des Königes
Mathias Korvins, welches auf dem Thurme der Pfarrkirche in der Festung zu
Ofen stehet, genommen. Hier sieht man auch die 7 in seiner alten Gestalt; woraus man schließen kann, daß die heutige 7 auf den zur selbigen Zeit gemachten Aufschriften, nicht nur für 7, sondern für 5 gehalten werden müße; indem man ohnedieß weis, daß man um diese Zeit nicht mehr der 7 statt 2, wie in dem13ten Jahrhunderte, sich bedienet habe. Jedoch, um sich noch mehr zu überzeugen, daß die Schrift auf der
Nagy-Reötzer Glocke nicht älter sey, als die zu
Poloma; so merke man die Aehnlichkeit des Geschmacks dieser beyden Aufschriften: est, factum in honorem Dei omnipotentis, & Sancti Nicolai, Anno Domini &c. heißet diese; jene aber: Facta est Campana ista in honore Dei omnipotentis, & in honore Sancti Quirini, sub Anno Domini &c. Von der Achnlichkeit der Buchstaben ist oben schon gesagt worden. Man betrachte also nur die Unterscheidungszeichen, welche bey der Aufschrift der
Nagy-Reötzer Glocke, auf der ersten Tafel; und bey der Jahrzahl der Glocke in
Poloma, hier auf der zwoten Tafel in Kupfer gestochen erscheinet. Welche Aehnlichkeit! Sogar die Numer 1 ist auch auf dieser nicht ganz einem Kreutzchen unähnlich, ungeachtet die Horizontallinie viel kürzer ist. Alles, alles verräht, daß das Zeitalter dieser zween Aufschriften, nicht weit von einander entfernet sey, mithin, daß wann auf einer derselben 1495. gelesen wird: so müße auf der andern, das †7o6. nichts anders, als 1526. bedeuten. —
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Diese zwo Kirchenglocken sind also unter der Regierung des Königes
Wladislaw des Zweyten, verfertiget worden. Zu
Debrezin befindet sich eine, welche noch um zehn Jahre älter, als die in
Poloma, und um 21, als die
Nagy-Reötzer ist. Die Jahrzahl derselben ist, auf dem beygefügten Kupferblatte, die allerletzte: die ganze Aufschrift aber mit grossen lateinischen Buchstaben gemacht, und lautet also : CAMPANA S. TRINITATI. BEATE. VIRGINI. MARIE. S. NICOLAO. EPO. ET. SANCTIS. OIBUS. PRESENS. DEDICATA. ANNO. DOMI. 1485 . PER. R. D. ALBERTUM. WETHESIUM. EPM. WESPREMIENS. EXTITIT.; und etwas unterhalb, MAGISTER. PETRUS. Die wahre Gestalt der Arabischen Zifer nach dem Originale gezeichnet, ist wie gesagt, auf der Kupfertafel zu finden. Hier ist nun wieder 7 anstatt 5, weil man aus der oben angeführten Jahrzahl, welche auf dem
Korvinischen Wappenschilde zu sehen ist, schon weis, daß man den 7 dazumal unter einer ganz andern Gestalt geschrieben habe.
Und so haben wir nun zwo Aufschriften von dem Ende des 15ten, und eine dritte, vom Anfange des 16ten Jahrhunderts, bey welchen die Zahl 5, wie 7 erscheinet. Diese Verwechselung findet man sogar auf einer unter
Ludwig dem Zweyten, im J.C. 1525. geprägten Münze, welche desto mehr zu bewundern ist, da schon lang vor diesem Jahre, die Zahlen 5 und 7, nach der heutigen Gestalt und Bedeutung, gebraucht wurden. Dieses kann man für keinen Fehler, oder ein Versehen des Münzmeisters ansehen : weil die ganze Münze, besonders aber die darauf befindlichen Arabischen Zifer, mit ganz besonderem Fleiße und Genauigkeit, gemacht zu seyn scheinen. Diese Münze ist ein grosser, sauber ausgeprägter silberner Groschen,
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der sich in dem Kaiserlichen Münzkabinett in
Wien befindet. Der Abdruck davon stehet in dem prächtigen Werke:
Catalogue des Monnoies en argent du Cabinet Imperiale, zu Ende der 149igsten Seite. Auf der Hauptseite liest man:
LUDOVICUS D.G. HVNGARIE. BOHEMIE. REX, und in der Mitte stehet das Brustbild des Königs; auf der Rückseite aber: DALMACIE. CROACIE. ETC. MARCH. MORA. In der Mitte ist ein Wappenschild, neben welchem rechts, der Anfangsbuchstabe der Münzstadt
Kremnitz, K; links aber, der des Münzmeisters Bernhard Bechem, B. 11) oberhalb dem Wappenschilde aber, stehet die Jahrzahl 1727, für 1525, sehr zierlich und deutlich ausgedrückt. Ich könnte auch einen überaus seltenen silbernen Denarius von gemeiner Größe, und von gewöhnlichem Gepräge des nämlichen Königs mit der Jahrzahl 1527. anführen, welcher in dem Münzkabinete der
Ofner Universität aufbewahret wird, und sehr wohl erhalten, und scharf ausgedruckt ist; weil aber auf dieser hier sichtbaren Jahrzahl neben dem 7, auch der 5. in gewöhnlicher Gestalt zu sehen ist: so kann man wohl billig zweifeln, ob diese Münze nicht
König Ludwig der Zweyte, in dem letzten Jahre seiner Regierung, das ist im Jahre 1526, für das nächstfolgende 1527igste, welches er nicht mehr erlebte, habe prägen lassen; wenigstens versicherte mich einer meiner Freunde, daß er sich erinnere, irgendwo gelesen zu haben, daß ein solcher Befehl von besagtem Könige ergangen sey. Doch, ich brauche diesen Denarius zu dem nicht mehr, was ohnehin schon hinlänglich bewiesen ist, nämlich: daß man zu Ende des 15ten, und gegen den Anfang des 16ten Jahrhunderts, sich
11) Dieser Name ist auf einem Thaler dieses Königs, ganz ausgeschrieben, und auf der folgenden Seite dieses Werks, zu finden.
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nicht selten der Zahl 7, für 5 bedienet habe; und daß folglich auf der
Nagy-Reötzer Glocke auch in dieser Betrachtung, die Jahrzahl +706, für 1506. zu lesen sey.
Nro. 5. Der Aufriß eines Kelchs, den der Verfasser des Fragments, sehr alt zu seyn glaubet. Doch es ist fast zu viel gesagt, wann man auch nur behaupten wollte, daß solcher das Ende des 16ten Jahrhunderts erreichet. Den Namen eines andächtigen, unbekannten Frauenzimmers, Maria Nekdiu, welche diesen Kelch verfertigen lassen, findet man auf der zwoten Kupfertafel, nach dem Originale gestochen. Da dieser Name in zwo Reihen um den Kelch gestochen stehet; so ist es zweifelhaft, ob man NEKDIV, oder DIVNEK, lesen soll. Die Gattung der Buchstaben, womit hier MARIA geschrieben ist, war unter der Regierung des Königes
Mathias Korvins, und
Wladislaw des Zweyten, sehr stark im Gebrauche. Uibrigens hat dieser Kelch weder an seiner Gestalt,noch an den Verzierungen etwas, das ein höheres Alterthum verrichte. Die darauf angebrachten Bildnisse sind auch noch heut zu Tage auf unsern Kelchen nicht ungewöhnlich. Man siehet nämlich, auf dem obern Theile desselben die symbolischen Bilder der vier Evangelisten, den Engel, Löwen, Ochsen, und Adler; sodann auch das Lamm Gottes mit einem Fähnlein, und wieder einen Engel, mit dem Schweißtuche der H. Veronika. Auf dem Fusse des Kelchs aber ist die Auferstehung Christi, der Kreutztragende Heiland, und abermal der Engel mit dem so genannten Schweistuche der H. Veronika.
Nro. 6. Das Schüßlein, womit der Kelch zugedecket wird, ist mit den drey Buchstaben i h s in einem Zirkel eingefaßt. Diese Buchstaben sind ihrer besondern Gestalt wegen, auf der zwoten Kupfertafel,
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ebenfalls abgezeichnet. Ihre Bedeutung: Jesus hominum Salvator; oder auch nur der heiligste Name Jesus, nach der Schreibart des mittleren Zeitalters, ist leicht zu errahten. Die Verzierung dieser drey Neugothischen Buchstaben, ist eine Nachahmung der Franko-gallischen Lettrinen.
Nro. 7. Die Aufschrift um den Kopf eines gemalten Ordensheiligen, welcher sich auf der rechten Seite des Hochaltars zu
Nagy-Reötz befindet. Sie ist ebenfalls auf der zwoten Kupfertafel abgezeichnet: und heißet: Sanctus c Conrardus orat pro no----- Das einzelne c vor dem Namen Conrardus, heißt confessor. Die Häßlichkeit dieser Neugothischen Schrift ist gewiß nicht älter, als die viel bessere Aufschrift, welche unter der vierten Numer angeführet worden. Man findet von dem nämlichen Jahrhunderte, vielleicht auch hundert verschiedene Gattungen der nämlichen Neugothischen Schrift, von welcher eine immer schlechter, als die andere ist. — Auf der hier angeführten, siehet man ein liegendes s, ein umgekehrtes t, und drey verschiedene Gestalten von r; alle Buchstaben aber sind grob, winklicht, eckicht, und spitzig.
Nro. 8. Ein Monogramm mit einem Stern unter demselben. Siehe die zwote Kupferplatte. Dieses siehet man an dem Gewölbe des Sanctuarii, in der
Nagy-Reötzer Pfarrkirche. Vielleicht ist es ein Wappen des ersten Stifters dieser Kirche. Ich überlasse dieses zwar andern zu beurtheilen; doch will ich noch bemerken, daß ich einen ähnlichen Stern auf einem Siegel vom Jahre 1502, wahrgenommen habe. Die Aufschrift desselben ist: S. COMITIS PETRI DE. S. GEIORGIO. PR DE BOZII. IVDICIS. CRIE. REGI P. In der Mitte stehet ein in vier Felder getheilter Wappenschild; auf dem ersten und lezten ist allein ein solcher Stern, wie der auf der Kupfertafel,
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im zweyten und dritten aber, ein einfacher Adler mit ausgebreiteten Flügeln; eben so, wie der Pohlnische Geschlechtsadler, in dem Wappen des Ungrischen Königes
Wladislao des Zweyten, welcher vielleicht das alte Wappen des Petri Judicis Curiae, nämlich den Stern, mit diesem Adler vermehret hat. Doch, dieß nur im Vorbeygehen; denn bey blossen Muhtmassungen halte ich mich nicht gern auf. — Erhalten Sie mir Ihre Freundschaft, und leben Sie wohl.
Ofen, den 6ten Febr. 1784.
St. Sch.