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XVII.

(P129)

Todtengespr\xE4ch \xFCber die Gen\xFCgsamkeit

Themistokles, und Diogenes.
D. Ist es auch wahr, Themistokles, da\xDF der grosse K\xF6nig Dir f\xFCnf St\xE4dte f\xFCr deinen Unterhalt angewiesen hat?
T. Ja es ist wahr, und diese St\xE4dte waren: Magresia, Lampsakus, Miunte, Perkote, und Palestepsia. Die erste mu\xDFte mir mein Gebackenes verschaffen, die zwote mein Getr\xE4nk, die dritte Gesottenes und Gebrattenes, die vierte die Kleider, und die f\xFCnfte das Schlafzeug.
D. Schatten des Themistokles, wie k\xF6mmt es doch, da\xDF ein Leib, der von f\xFCnf St\xE4dten ern\xE4hret worden, keinen fetteren Schatten, in diese untere Welt gebracht hat, als der ausgehungertste Mensch mit sich bringt?

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T. Ist hier der Ort zu scherzen, Diogenes?
D. Nein, aber bekenne mir, hast Du dir das Leben nicht darum mit Gift verk\xFCrzet, weil du f\xFCrchtetest, f\xFCr Hunger zu sterben?
T. Wie frostig ist dein Gel\xE4chter, an diesem ungeheuren Orte, und was f\xFCr ein gespenstma\xDFiges Aussehen hast du dabey!
D. So sage mir denn im wahren Ernste, von welcher Natur, und Gr\xF6\xDFe war Dein K\xF6rper ?
T. Ha! von der Statur eines Menschen! Sechs Schuhe hoch, oder etwas k\xFCrzer.
D. Ich dachte, du w\xE4rest ein Berg von Knochen, und Fleisch gewesen, da\xDF du eine Stadt zum Brodkasten, eine andere zur Speisekammer, noch eine andere zum Keller, und noch zwo zu Kleider und Ger\xE4htsladen n\xF6htig gehabt hattest. Mein Leib war so gro\xDF, als deiner, und ich hatte doch zu diesem allen, nichts mehr als ein Fa\xDF n\xF6htig.
T Ja, Dein Fa\xDF war das rechte Hundeloch, f\xFCr ein solches cynisches Thier!
D. Mein Fa\xDF stund mit der Gr\xF6\xDFe meines K\xF6rpers in der geh\xF6rigen Proportion; aber Deine f\xFCnf St\xE4dte hatten

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gar kein Verh\xE4ltnis mit deinem sechs schuhigen Leibe.
T. O! Du hast es niemals erfahren, wie angenehm es ist, aus einem grossen Vorrahtshause zu nehmen.
D. Schmeckt denn ein Sch\xE4ffel Waitzen, der aus einem grossen Magazine genommen wird, besser, als einer aus dem kleinsten Fruchtkasten; und ist ein Krug Wasser aus dem Strome niedlicher, als einer aus dem Bache?
T. Aber ein Krug Lampsackerwein ist niedlicher, als ein Krug Wasser, und ein Acipenser ist schmackhafter, als ein Schwamm, den die faule Erde hervorst\xF6\xDFt.
D. Ein hungriger Magen, wird in der schlechtesten Speise, und dem einf\xE4ltigsten Tranke eben so viel Schmackhafttigkeit finden, als in der leckersten Kost.
T. Die Geschichte mit den f\xFCnf St\xE4dten, so unn\xF6htig und \xFCberfl\xFC\xDFig sie zu meinem Unterhalte waren, wird immerfort ein Beweis bleiben, da\xDF ich mir die Gunst, und Gewogenheit der grossen Herren zu erwerben gewu\xDFt habe.
D. Es w\xE4re ein gr\xF6\xDFerer Ruhm f\xFCr Dich gewesen, wenn Du die Kunst gewu\xDFt h\xE4ttest, ihre Gunst so gut zu entbehren, als ich gethan habe.

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T. Du hast lieber dem P\xF6bel f\xFCr einen Pickelharing gedienet, und ihm mit Deinem possilichen Leben, t\xE4glich etwas zu lachen gemacht.
D. Wenn Du der Sache recht nachdenkest, so wirst du finden, da\xDF der P\xF6bel nicht \xFCber mich, sondern \xFCber sich selbst gelacht hat; indem mein Leben nichts anders war, als eine Verspottung des gemeinen Lebens der Menschen. Ich erwarb mir die Gunst der Leute damit, da\xDF ich ihnen ihre Wahrheiten trocken heraus sagte; Du aber hast die Gnade des Persers durch sklavische Schmeicheleyen erkaufet.
T. Ich wu\xDFte mich in die Zeit zu schicken, und mit Komplimenten dem Gl\xFCcke so geschickt aufzuwarten, da\xDF ich seine Gunst erhielt.
D. Ich weis Deine Geschichte. Du mu\xDFtest dich entschlie\xDFen, ein Ding von Bein, Adern, Fleisch, und Haut, von einer gleichen Art, wie Deine war, knief\xE4llig zu verehren. Und was noch sch\xE4ndlicher ist, so mu\xDFtest Du die Rolle eines Verr\xE4hters auf dich nehmen.
T. Du willst den Namen haben, da\xDF Du an niemand gebunden gewesen seyst, und warst doch denen, die dir ein Gericht Zugem\xFCte mittheilten, Dein Leben schuldig.

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D. Du irrest. Ich forderte es von ihnen, als etwas, darauf ich Anspruch hatte, weil es die allgemeine Speisekammer, die Erde, f\xFCr mich hatte wachsen lassen. Hast Du nicht geh\xF6rt, was ich einem Freunde, der mich zum Nachtessen eingeladen hatte, zur Antwort gab? — Ich werde nicht erscheinen, sagte ich, denn, ich kann es Dir nicht verzeihen, da\xDF Du das letztenmal, als ich bey Dir speiste, aus der Acht gelassen hast, mir zu danken.
T. O! des stolzen Bettlers!
D. Sage vielmehr, des freyen Menschen , der niemandes vonn\xF6hten hatte, weil er nichts mehr begehrte, als was mit dem kleinen Maa\xDFe seines K\xF6rpers \xFCbereinstimmte. Hast Du meine Geschichte mit dem Macedonier nicht vernommen?— Er schickte einen seiner Officieren, und lie\xDF mich zu sich holen; aber ich schlug es ihm ab, weil ich eben Willens war zu schlafen. Er kam darauf zu mir, fragte mich \xFCber vielerley Dinge, und boht mir dabey ansehnliche Geschenke an. Ich beantwortete seine Fragen, aber seine Geschenke schlug ich h\xE4rtnackig aus.
T. War es Dir ein solcher Ernst beym Ausschlagen, als beym Antworten?

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D. Ich stritt lange mit den Gedanken, etwas auszufinden, was ich nicht h\xE4tte, oder nicht entbehren k\xF6nnte; und mein Vorhaben war, es alsdann von ihm zu begehren. Aber ich fand nichts, das mir gemangelt h\xE4tte, als die Sonne, der er mich mit seinem Zwischenstande beraubet hatte. Ich forderte demnach von ihm, da\xDF er mir das Licht der Sonne, welches er mir nicht geben k\xF6nnte, auch nicht nehmen sollte. Dieses vermochte ihn zu sagen: da\xDF, wenn er nicht Alexander w\xE4re, er Diogenes seyn m\xF6chte!
T. Wu\xDFte er aber auch, was er sagte?
D. Das ist keine Frage, Aristoteles hatte ihm den wahren Werht der Dinge gezeiget, und ihm die Grunds\xE4tze, und Lehren aller philosophischen Sekten erkl\xE4ret. Dem ungeachtet konnte er seine Begierden nicht beherrschen. Sie waren so \xFCberm\xE4\xDFig, da\xDF ihm der Erdboden ein kleiner Raum zu seyn d\xFCnkte. Hingegen schien mir mein Fa\xDF so ger\xE4umig, als eine Erde. Warum? weil ich eiu gr\xF6\xDFeres, und von keinem Raume eingeschlossenes Gem\xFCht hatte. Er weinte, weil nur eine Erde w\xE4re, die er einnehmen k\xF6nnte. — Alexander erkannte

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meinen Vorzug, und daher entstand sein Urtheil. Mein kleines Fa\xDF machte mir mehr Ehre, als Deine f\xFCnf St\xE4dte. Hattest Du mit einem Fasse vorlieb nehmen k\xF6nnen, so hatte sich der Neid nicht an Dich gewagt, der Dir das Leben so m\xFChseelig und beschwerlich gemacht, indem er hundert Verl\xE4umder und Meuchelm\xF6rder auf dich losgelassen hat; und Du w\xE4rest dann auch nicht gen\xF6htiget worden, dein Leben mit eigener Hand zu verk\xFCrzen.
T. Die Gro\xDFmuht meines Todes wird mir allzeit Ehre machen, indem ich mir lieber den Tod anthun, als wider mein Vaterland zu Felde gehen wollen, ungeachtet ich in diesem Kriege meinem Ehrgeitze, und meiner Rachgier ein Gen\xFCge h\xE4tte thun k\xF6nnen. Aber bist Du nicht auch durch deine eigene Hand gestorben ?
D. Ja. Aber es n\xF6htigten mich keine fremden Umst\xE4nde dazu. Du hattest dich bey dem grossen K\xF6nige verbindlich gemacht, da\xDF Du wider die Griechen zu Felde gehen wolltest. Doch sch\xE4mtest Du dich die Waffen wider dein Vaterland zu f\xFChren, und noch mehr f\xFCrchtetest Du, da\xDF Du geschlagen werden m\xF6chtest. Und aus dieser Noht konntest du Dir nicht

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anderst, als durch einen gewaltt\xE4tigen Tod helfen. Ich erw\xFCrgte mich ohne dergleichen Zwangursachen; nur, damit ich mir von einem Fieber h\xFClfe. Ich konnte Arzneyen nehmen, oder warten da\xDF es ausw\xFCtete, aber ick w\xE4hlte lieber dieses geschwinde Mittel. T. Wahrhaftig ein bewahrtes Mittel wider alle Krankheiten! Aber dieses Mittel mu\xDF mit dem Leben bezahlet werden.
D. Kannst Du sagen, da\xDF wir nicht mehr leben, da wir so denken, uns unser dergestalt bewu\xDFt sind, und so miteinder sprechen?

Ein Gedanke.

Etwas versprechen, das man nicht halten kann, ist Thorheit, und Unvernunft, etwas versprechen, das man nicht halten will, ist Betrug, und Falschheit; und etwas versprechen, das man nicht halten darf, ist Gottlosigkeit.


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Topic revision: r10 - 30 Jul 2012, KatalinBlasko
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