Bl\xE4ttern:
< zum Text 45 –
zum Text 47>
XLVI.
(P361)
Uiber den Winteraufenthalte der Schwalben.
Es ist wohl nicht glaublich, da\xDF die so allgemeine Sage, von dem Uiberwintern der Schwalben in schiffreichen Wassern, ohne allen Grund oder aus wenigen zuf\xE4lligen Beobachtungen sollte entstanden seyn. Die einm\xFChtigen Versicherungen so vieler glaubw\xFCrdigen Augenzeugen, welche im Winter aus dem Wasser aufgefischte Schwalben zu sehen und in H\xE4nden zu haben Gelegenheit gefunden, k\xF6nnen ohne den gr\xF6\xDFten Eigensinn und die l\xE4cherlichste Zweifelsucht ohnm\xF6glich gel\xE4ugnet werden. Man mag immerhin die Unwahrscheinlichkeit, ja nat\xFCrliche Unm\xF6glichkeit der Sache, oder die bemerkten Wanderungen gewisser Schwalbenarten dagegen anf\xFChren; so wird es doch unl\xE4ugbar bleiben, da\xDF sich wenigstens
(P362)
eine Art der Schwalben bey Ann\xE4herung des Winters unter das Wasser begiebt, und nicht selten, mit unter dem Fl\xFCgel verborgnen K\xF6pfen, und oft fest an das Schilf angeklammerten Fu\xDFen, bald einzeln bald klumpenweise, in den Fischernetzen gefunden zu werden pflegt, besonders wenn damit an schilfigten Ufern hingestrichen wird. Ich k\xF6nnte mehr als zwanzig glaubw\xFCrdige Personen von unterschiednen Stande und aus verschiednen Gegenden Deutschlandes anf\xFChren, die selbst gefischte Schwalben gesehen, und zum Leben gebracht zu haben, mir versichern, und zu bezeugen bereit seyn w\xFCrden. Allein es scheint mir zur Best\xE4tigung einer eben so allgemein unter erfahrnen Landleuten und Fischern angenommenen, als von Naturk\xFCndigern durch theoretische Einw\xFCrfe bestrittenen Sache unn\xF6htig, nach dem Beyspiel des ehemaligen
Danziger Naturforschers
Klein, gerichtlich erh\xE4rtete Zeugnisse zu sammeln. Dagegen glaube ich, da\xDF man allem Zwist dadurch ein Ende machen w\xFCrde, wenn man untersuchen wollte, welche Art von Schwalben eigentlich im Wasser gefunden zu werden pfleget. Ich glaube, man w\xFCrde finden, da\xDF die Erfahrungen, welche von de Z\xFCgen dern
(P363)
Schwalben oder deren Uiberwintern unter der Erde, aufgezeichnet worden, sich ganz leicht mit jenen Nachrichten von Schwalben die man im Wasser gefunden hat , vergleichen lie\xDFen. Allein es ist zu bedauren, da\xDF fast alle Schriftsteller, die etwas \xFCber diese Materie aufgezeichnet haben, selbst Hrn. Klein nicht ausgenommen, in Absicht auf die Art von Schwalben, welche gefunden worden, nichts Zuverl\xE4\xDFiges bestimmt haben.
Viererley Arten von Schalben lassen sich im Sommer \xFCber ganz Europa, auch in dessen n\xF6rdlichsten L\xE4ndern sehen. Will man die seltnere Nachtschwalbe (Caprimulgus) darunter z\xE4hlen, so haben wir f\xFCnferley. Am wenigsten h\xE4ufig ist unter obigen vier Arten, die sogenannte Thurnschwalbe (Hirundo apus). Die gemeinsten und bekanntesten, weil wir solche best\xE4ndig um uns haben, sind, die Schwalbe mit der braunrohten Brust, oder Rauchwalbe, und die Schwalbe mit rauchen F\xFC\xDFen oder die Mehlschwalbe (H. rustica & urbica). Hingegen entfernt sich die vierte Art, n\xE4mlich die Strand oder Uferschwalbe, (H. riparia) von unsern Wohnungen, lebt zerstreut, und mag auch wohl wirklich minder zahlreich
(P364)
seyn, als die zwo anderen gemeineren Arten Unter diesen ist die Rauchschwalbe mit ihren Nestern gern an den innern Theilen der H\xE4user, ja sogar oft in den Schornsteinen, die Mehlschwalbe aber sucht mehrere Freyheit und bauet nur au\xDFenher, an die Geb\xE4ude, Mauern und auch an die B\xE4ume und Felsen, wo sie nur ein Obdach findet.
Da\xDF jemals Nachtschwalben oder Thurnschwalben im Winter bey uns gefunden worden, hat noch niemand aufgezeichnet, und mir sind aller Nachfrage ohngeachtet davon keine Beyspiele vorgekommen. Weit zuverl\xF6\xDFigere Wissenschaft hat man von den Winterqwartieren der Strandschwalben. Ich habe selbst dergleichen vormals bey
G\xF6ttingen aus den Ufern der Leine graben lassen. Ich fand deren zwey beysammen in einer ziemlich tiefen H\xF6hle, wo sie im Sommer genistet hatten. Ein Freund von mir, der aus der Gegend von
Hameln geb\xFCrtig ist, hat in seiner Jugend eine Uferschwalbe in einer aufgegrabenen Maulwurfsh\xF6hle gefunden, und in der Warme deutliche Merkmaale des Lebens an ihr wahrgenommen. Ein Freund des Hrn.
Collinsons sahe einmal im M\xE4rz bey
Basel viele Knaben
(P365)
damit besch\xE4ftigt, solche Strandschwalben aus den hohen Ufern des Rheins mit einem Kugelzieher heraus zu bringen. Er bekam einige davon; ja eine lebte in seinem Busen auf, und flog davon. ( *
) Im
hannoverischen Magazine (
**
) wird auch als eine bekannte Sache angef\xFChrt, da\xDF Uferschwalben an der Leine ausgegraben w\xFCrden; und zu Seeburg bey
Halle, wie auch an vielen andern Orten in Ober- und Nieder
sachsen ist solches den Landleuten ganz wohl bewu\xDFt. Von dieser Art von Schwalben scheinen auch die unten angesetzten Verse des
Albinovans zu verstehen zu seyn. Und eben diese scheint es zu seyn, welche nach des
Heath Berichte (
***) im Winter in alten Zinngruben und Felsenritzen auf der Insel
Scilly gefunden werden. Ich will darum nicht behaupten, da\xDF alle Uferschwalben in den kalten L\xE4ndern auf diese Art \xFCberwintern; gleichwohl ist es gar nicht unwahrscheinlich, da\xDF sie, wie die Flederm\xE4use, Dachse, Murmelthiere und andere M\xE4usearten, w\xE4hrend der
(*) Philos. Trans. vol. 53. art. 24. p. 101.
(**) F\xFCr das Jahr 1766. n. 97. p. 1546.
(***) History of Scilly by Heath p. 300.
(P366)
kalten Jahrzeit in eine Art von Schlaf oder Bet\xE4ubung verfallen, und in denjenigen L\xF6chern, wohin sie die K\xE4lte der freyen Luft zuerst getrieben, bis zum Fr\xFChjahre liegen bleiben. Allein, da\xDF es diese Schwalben seyn sollten, welche (wie von einigen hat gemuhtmasset werden wollen) durch Uiberschwemmung oder Einf\xE4lle der hohen Ufer ins Wal ser geL\xE4ngen, daraus von den Fischern hervorgezogen werden, und zu der Erz\xE4hlung von dem Uiberwintern der Schwalben im Wasser Anla\xDF gegeben haben sollten, k\xF6mmt mir ans vielen Gr\xFCnden, und besonders darum wahrscheinlich vor, weil sie nicht eben schaarenweise, sondern nur einzeln in den L\xF6chern angetroffen werden, dahingegen im Wasser oft ganze Klumpen von Schwalben sollen gefunden worden seyn.
Eben so wenig scheint es mir glaublich, da\xDF die sogenannte Rauchschwalbe diejenige sey, welche im Wasser gesehen worden
Adanson hat selbige in Senegal, und der
Abt la Caille am Vorgebirge der guten Hoffnung eben in denenjenigen Monaten gesehen, da bey uns der Winter einf\xE4llt; und was das Besonders ist, so bemerkt Adanson, da\xDF sie alldort nicht nisten und br\xFCten,
(P367)
sondern sich in allen St\xFCcken wie Zugv\xF6gel, die nur auf eine kurze Zeit da sind, verhalten.
Vermuhtlich sind es eben solche Rauchschwalben gewesen, mit welchen
Frisch seinen Versuch angestellet, und welche ihm die um ihre F\xFC\xDFe gebundenen rohten F\xE4den, unentf\xE4rbt, nach Jahresfrist wiedergebracht haben. Vermuhtlich sind es auch eben diese, welche man einigen Berichten zufolge, sich hat schaarenweise versammeln und fortziehen gesehen, und deren jener Admiral, dessen
Collinson Erw\xE4hnung thut, einmal auf der See, beym Eingange des
brittischen Canals, eine ganze Schaar angetroffen hat, die sich auf sein Schiff zur Ruhe niedergelassen.
Da diese Schwalbenart bis in die n\xF6rdlichsten Gegenden von Europa dem Sommer folgt, so ist kein Wunder, da\xDF selbige auch in Nordamerika gefunden werde. Ich habe dergleichen aus
Virginien gebrachte im Jahre 1762. bey dem Hrn. Collinson gesehen, welche denen unsrigen in allen St\xFCcken gleich waren. Da\xDF sie aber auch in diesem Welttheile nach den w\xE4rmeren Gegenden ziehen, wenn der Winter im Norden einf\xE4llt, habe, ich daraus schl\xFC\xDFen m\xFC\xDFen, da\xDF
(P368)
mir dergleichen aus der in S\xFCdamerika gelegnen holl\xE4ndischen Colonie
Surinam unter allerhand ausl\xE4ndischen V\xF6geln \xFCbersandte, bey einem Freunde in Holland vorgekommen sind. Ich bin begierig zu erfahren, ob sie daselbst auch nur gewisse Monate hindurch bleiben, und habe meinen Freund ersucht, sich nach diesem Umst\xE4nde genau zu erkundigen. Ich wundere mich indessen desto weniger unter s\xFCdamerikanischen V\xF6geln eine eurov\xE4ische Schwalbe anzutreffen, da auch unser sogenanntes Goldh\xE4hnlein (Motacilla Regulus) und unsere gemeine Baumklette (Certhia familiaris) unter den surin\xE4mischen V\xF6geln nicht selten gefunden werden.
Das Uibrige k\xFCnftig.
Congelantur aquae, scopulis se condit hirundo,
Verberat egelidas garrula vere lacus. Albinovan.
Bl\xE4ttern:
< zum Text 45 –
zum Text 47>