s. Werk Szegedi
Bl\xE4ttern:
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ZUM GESAMTINHALT
Ungrisches Magazin,
Band 1, Heft 2, Text 22, (S. 221-232)
Hrsg. von
Karl Gottlieb Windisch
Pre\xDFburg,
L\xF6we, 1781
Autor:
Daniel Cornides
Zuordnung: Kulturgeschichte
(p221)
22. Von dem Ursprunge der ungrischen W\xF6rter Labantz und Kurutz
Es ist bekannt, da\xDF zu den Zeiten der
t\xF6k\xF6lischen und
r\xE1koczyschen Unruhen die Kaiserlichen Soldaten von den Ungern Lanbantzen, die Ungrischen
Malcontenten hingegen Kurutzen sind genennet worden. Man findet von beyden diesen Benennungen in der \xE4ltern ungrischen Geschichte, vor den K\xF6nigen aus dem Erzhause Oesterreich nicht die geringste Spur. Allein so neu auch diese W\xF6rter sind, so wenig ist dennoch ihre Ableitung den Ungern selbsten bekannt. Denn, um von den Beynamen Labantz zuerst zu reden, was soll Labantz eigentlich andeuten? Ist es ein urspr\xFCnglich ungrisches, oder ein fremdes Wort? Woher ist es entstanden? Es haben diese Frage verschiedene Gelehrte zu beantworten gesucht: ich zweifle aber sehr, da\xDF sie der Sache ein Gen\xFCgen geleistet haben.
Otrokotsi, dem seine etymologischen Versuche meistens mi\xDFlungen sind, leitet den Namen Labantz von dem ungrischen Zeitworte in der gebietenden Art: lobbants, her, welches so viel hei\xDFet, als: mache, da\xDF es auflodere. Wie weit ist dieses nicht hergeholet! Wie gezwungen! Keine einzige Anspielung irgend eines Geschichtschreibers, keine einzige besondere Gegebenheit, die sich auf das Auflodern bez\xF6ge, und welche diesen Beynamen k\xF6nnte veranlasset haben, beg\xFCnstiget die otrokotsische Muhtmassung. Die blosse Aehnlichkeit des Klanges, welche einige W\xF6rter verschiedener Bedeutung von ohngef\xE4hr haben k\xF6nnen, giebt noch keinen Grund eines gemeinschaftlichen Ursprungs ab. Und sollten wir die vom Auflodern oder Entflammen hergenommene metaphorische Benennung Labantz
(p222)
gelten lassen, woher ist es gekommen, da\xDF solche nur den deutschen Kaiserlichen Truppen beygeleget wurde, da sie doch auf die feindliche ungrische eben so gut pa\xDFte? Weg mit dergleichen Hirngespinsten! – Der Einfall den
Jakob Tollius gehabt, ist meines Erachtens nicht viel gegr\xFCndeter, aber doch weit witziger, und ertr\xE4glicher. Er behauptet, der Beyname Labantz k\xE4me vom Laban her, der den
Patriarchen Jakob durch unerf\xFCllte Versprechungen so oft get\xE4uschet hatte. Tollius dr\xFCckt sich hievon in seiner
Epistola Itineraria V. pag. 157. folgendergestalt aus: „Rebelles autem, Curuzzi, imo nec alio per Hungariam nomine, vocantur, indita sibi ipsis a Cruce appellatione, qua, injuste se a Caesarianis omnis cruciatum & persecutionum diritate affici, denotatare voluerunt, indito Caesareanis cognomine Labanicorum, a temeratae multoties datae fidei exemplo, es historia Labanis & Jacobi Patriarchae petito.“ Allein wem f\xE4llt die Unwahrscheinlichkeit dieses Vorgebens nicht so gleich in die Augen? Tollius ohne es dem Leser anzuzeigen, aus welcher Qwelle er seine Nachricht gesch\xF6pft habe, erz\xE4hlet als einen sich wirklich zugetragenen Umstand ganz zuversichtlich, was blo\xDF die Erfindung seines spielenden Witzes war. Und gesetzt Tollius h\xE4tte seinen Einfall f\xFCr keine Begebenheit, sondern nur f\xFCr eine Muhtmassung ausgegeben, w\xFCrde er wohl auch in diesem Falle Beyfall verdienen? Ich zweifle sehr daran. Ein rohes, unwissendes, und aus dem niedrigsten P\xF6bel zusammen gerottetes ruchloses Volk, welches den gr\xF6\xDFten Theil der sogenannten Kurutzen ausmachte, wird wohl schwerlich an die Patriarchenhistorie, gedacht haben. Uiber dieses scheint es mir sehr ungereimt, den Beynamen Labantz aus der biblischen Geschichte vom
Laban und
Jacob, die mit dem Betragen des Kaiserlichen Hofes und der ungrischen Malcontenten nicht einmal eine entfernte Aehnlichkeit, herauszwingen, und gleichsam bey den Haaren herbey ziehen zu wollen. W\xE4re es ja damals
(p223)
den mi\xDFvergn\xFCgten Ungern um solche Benennungen durchaus zu thun gewesen, die sich auf gewisse biblische Geschichten des alten Testaments beziehen, w\xFCrde sie nicht vielmehr die Geschichte vom K\xF6nige Pharao und den Israeliten hiezu gew\xE4hlet, und die Kaiserlichen die Pharaoniten, sich selbsten aber die ihrer Meynung nach gedr\xFCckten Israeliten zweckm\xE4\xDFiger genennet haben? Da sie aber einmal auf die Geschichte vom
Laban und
Jakob verfallen sind, wie solches Tollius uns bereden will; warum haben sie denn selber, um in der Allegorie zu bleiben, den Beynamen der Jakobiten nicht angenommen, wie dieses der entgegengesetze Name der Labantzen, welchen die den Kaiserlichen Truppen beylegten, nohtwendig erforderte? Mu\xDFten nicht diese beyden Benennungen sich wechselweise auf einander beziehen, und einander entsprechen? Doch ich will mit der Widerlegung des Tollius mich nicht l\xE4nger besch\xE4ftigen; zumal da der Ungrund seines Vorgebens von sich selbsten so einleuchtend ist. – noch mu\xDF ich einer besondern Meynung, die der seel. Herr
Mathias Bel vom Ursprunge des Worts Labantz hegte, mit Wenigem erw\xE4hnen. Dieser grosse Mann, der in der Aufkl\xE4rung der ungrischen Geschichskunde und Geographie das Eis mit so gl\xFCcklichem Erfolge zuerst gebrochen hatte, verwirft zwar selber auch die vom Tollius beygebrachte Ableitung des Worts Labantz: allein diejenige, auf die er selber gerahtet, scheinet, die Wahrheit zu gestehen, nicht viel richtiger zu seyn, ob sie gleich ein ausgebreitete Belesenheit in den lateinischen klassischen Schriftstellern, und ungemein vielen Witz verr\xE4ht. Herr Bel h\xE4lt n\xE4mlich daf\xFCr, der Name Labantz r\xFChre vom lateinischen Participio: labans, welches in der \xE4chten Sprache der alten R\xF6mer einen Abfallenden oder untreu gewordenen bedeute. Die Stelle beym Herrn Bel ist zu sch\xF6n, als da\xDF ich solche hier nicht ganz einr\xFCcken sollte. Sie stehet in seiner
Notitia Hungariae, Tom.IV.pag.595.not.9. und lautet von Wort zu Wort also:
(p224)
„Neque meliora sunt, quae, de vocabuli Labantz, quo Caesarianos contumeliose adpellabant, origine adtexit (Tollius); quando a temeratae multoties datae fidei, exemplo, ex historia Labanis & Jacobi, petitum esse, adfirmat. Non est ita! Latinum malim credere convitium id, a Participio LABANS, arcesfendum, quo, forte fortuna, Latinus non nemo e Hungaris, ita Curuczonum adversaries, vocitarit: quasi qui Labantes essent, ab amore & fide, patriae debita. Quem animi habitum, vulgi variare labantia corda,
VIRGILUS dixit, Aeneid. XII. 223. &
JUSTINUS Lib. XIV. C. 13. Labantium animos deterruit. Et in auctoribus passim.” Vermuhtlich hat Herr Bel die Kurutzen als eben so zierliche Lateiner, und im
Virgil,
Justin, und andern klassischen Schriftstellern Latiums als eben so sehr bewanderte M\xE4nner sich vorgestellt, als er es selbstens war. Das hie\xDFe wahrhaftig dem Kurutzenlatein zu viele Ehre anthun! Soll \xFCbrigens Labantz so viel als labans, das ist, einen Abgefallenen oder Abtr\xFCnnigen bedeuten, so k\xE4me ja der Name Labantz auf keine Weise den Kaiserlichen, sondern nur den vom Kaiser abgefallenen Ungern zu. Allein zu allem Ungl\xFCcke verh\xE4lt sich die Sache gerade umgekehrt. Denn nicht die Ungern, die vom Kaiser abgefallen waren, sondern im Gegentheile die ihrem Kaiser getreu gebliebenen Deutschen, hie\xDF man Labantzen; ein Umstand, welcher der Belischen so sinnreichen Ethmologie schnurgrade zuwider ist. – Man wird nunmehr mit Recht erwarten, da\xDF ich mein eigenes Lehrgeb\xE4ude auf den Ruin der \xFCbrigen auff\xFChre. Ich will es wagen; vorher aber mu\xDF ich einige vorl\xE4ufige S\xE4tze, die mir zu meiner Wortforschung unentbehrlich sind, festsetzen. Zuf\xF6rderst also will ich darthun, da\xDF die deutschen Fu\xDFv\xF6lker, die
Kaiser Ferdinand der Erste in den Feldz\xFCgen gegen den
Johann von Zapolya gebraucht, nicht
(p225)
Infanteristen, (welcher Name erst in sp\xE4tern Zeiten in die deutsche Sprache aufgenommen zu seyn scheinet) sondern Landsknecht sind genennet worden. Es erhellet dieses deutlich aus der
Leibitzerischen Chronik, die der gelehrte
D. Karl Wagner im zweyten Theile seiner
Analectorum Scepusii ans Licht gestellt hat. Daselbst lieset man S. 57 folgendes: „Eodem anno (1556) 16. Februarii ingressi sunt Leutschoviam duo manipuli MILITUM PEDESTRIUM, quos Teutonice vocant LANDSKNECHT.“ Und in den zusammengezogenen
Zipserischen Annalen Conrad Spervogels, beym Herrn Wagner am angef\xFChrten Orte, S. 152. hei\xDFet es: „Johannes Katzianer Generalis Capitaneus Ferdinandi venit XXX. Martii Anno MDXXVIII Leutschoviam cum 500. Euqitibus Germanis, 500. Hussaronibus, & 3000. LANDSKNECHT seu PEDITIBUS.“ Eben daselbst beym Jahre 1531. S. 162 befinden sich nachstehende Worte: „Stipendiarii, seu LANDSKNECHT in castro Scepusiensi Ferdinando servientes, non obtento stipendio suo, abierunt ex arce.“ Und wiederum im Jahre 1537. S. 186: „in die Crispini venit Ebersdorff supremus Capitaneus, cum bis mille LANDSKNECHT, & centum equitibus Leutschoviam.“ Ferner mu\xDF ich anmerken, da\xDF die Ungern das deutsche Wort Landsknecht wegen der geh\xE4uften Mitlauter, und dem darinnen vorkommenden ch, nie anders als nach ihrer angebohrnen Mundart ausgesprochen und geschrieben haben, n\xE4mlich: Lantzkenet. Ich beruffe mich deshalb auf
Sebastianen Tinodi, eine Zeitgenossen des
Kaisers Ferdinand des Ersten, und
Johanns von Zapolya, der die merkw\xFCrdigen zwischen diesen beyden Kronkompetenten vorgefallenen Schlachten in ungrische Werke gebracht hat, und von dessen historischen Gedichten und Lebensumst\xE4nden man einige Nachricht beym
(p226)
Joh. Szegedi in
Rubric. Jur. Hung. P. II. p. 115. not. a. und beym Herrn
Peter Bod in seinem
Magyar Athen\xE1s p. 293. aufgezeichnet findet. Dieser Tinodi wenn er das im Jahr 1552. bey Pall\xE1st unterm
Erasmus Teuffel vorgefallene Treffen beschreibt, dr\xFCckt sich unter andern so aus: H\xE1rom ezer LANTZKENET indulla, u.s.w. und kurz darauf: A LANTZKENET N\xE9met el\xF6sz\xF6r futni kezde, u.s.w. Da\xDF hier Tinodi durch seine Lantzkenet niemanden anders, als die deutschen Infanteristen verstehe, ist aus dem
Ischtw\xE1nfy erweislich, der Lib. XVIII. p. m. 205. 206. die n\xE4mliche Bataille mit den n\xE4mlichen Umst\xE4nden erz\xE4hlet, dabey aber die tinodischen Lantzkenet ausdr\xFCcklich Pedites Germanos, oder auch Legionem Germanicum nennet. Denn was Tinodi in den kurz vorher angef\xFChrten Worten von seinem Lantzkenet in ungrischer Sprache meldet, gerade das N\xE4mliche hat Ischtw\xE1nfy lateinisch in folgende Ausdr\xFCcke eingekleidet: Tria quoque millia PEDITUM GERMANORUM mercede conducta, quorum dimidia pars sclopetarii, caeteri hastati erant, & c. und wiederum: primo omnium LEGIO GERMANICA turpi fugae se committit, etc. Noch ist ferner n\xF6htig zu erinnern, da\xDF die Ungern fremde mehrsylbigeW\xF6rter, wegen ihrer beschwerlichen Aussprache sehr gerne abk\xFCrzen, indem sie entweder die Anfangs- oder Endsylben eines solchen Worts wegzulassen pflegen. Auf diese Weise ist, zum Beyspiele, aus Catharina im Ungrischen Kata, aus Brandenburgus aber Burgus entstanden. Eine \xE4hnlichen Bewandtni\xDF hatte es auch mit dem Worte Lantzkenet, welches mit Weglassung der zwey letzten Sylben gemeiniglich nur Lantz schlechtweg ausgesprochen wurde. Den Beweis hievon nehme ich wiederum aus oberw\xE4hnten Tinodi her, der, wie es ihm einf\xE4llt, manchmal Lantzkenet und manchmal Lantz spricht. So ist, zum Beyspiele, die erstangef\xFChrte Stelle des Ischtw\xE1nfy; tria millia peditum germanorum --- quorum dimidia pars
(p227)
Sclopetarii, caeteri hastati erant, nicht als eine Uibersetzung folgender Tinodischen Werke: h\xE1rom ezer LANTZ, pusk\xE1s, kopias, i\xF6ue. Vermuhtlich hat der damalige dumme Nationalha\xDF der Ungern gegen die Deutschen, damit ich dieses hier gleichsam im Vorbeygehen ber\xFChre, aus dem Wort Lantz, dass, wie gesagt, einen deutsche Infanteristen bezeichnete, die h\xF6chst s\xFCndliche Formel des ungrischen Fluches: L\xE1ntzos &c. welche ganz nieder zu schreiben ich mir ein Gewissen machen w\xFCrde, hervorgebracht; wenigstens scheint Kaiser Ferdinand der Erste in seinem Dekret vom Jahre 1563. art.42 auf etwas dergleichen anzuspielen, indem er den Ungern gewisse Gottesl\xE4sterliche Redensarten, his proximis annis exortas, so nachdr\xFCcklich verbeut. Doch dieses lasse ich itzt an seinem Orte gestellt seyn, und merke nur noch dieses an, da\xDF das Wort L\xE1ntz in der Bedeutung eines deutschen Soldaten sich bis zu den Zeiten des Botschkaischen Kriegs in der ungrischen Sprache allzeit erhalten habe. Ich besitze eines Brief, welchen
Helena Orm\xE1ndi, die Wittwe eines vornehmen ungrischen Edelmanns,
Franz Kapy genannt, an ihre beyden S\xF6hne,
Johann und
Siegmund Kapy im Jahr 1604. hat ergehen lassen, und worinnen sie ihren S\xF6hnen unter anderem folgendes berichtet: „Kasz\xE1n sz\xE1z LANTZ hajlott, ´s-Magyarr\xE1 lett, mindgy\xE1r\xE1st kurta Dolm\xE1nyt tsin\xE1ltak n\xE9kiek: das ist: Zu Kaschau sind 100. deutsche Soldaten zu den Ungern \xFCbergegangen, denen man sogleich kurze R\xF6cke hat machen lassen.“ Hieraus erhellet zur Gen\xFCge, dass der Ausdruck Lantz noch im Jahr 1604. unter den Ungern \xFCblich und im Schwange gewesen. Allein nach und nach gerieht diese Wort in v\xF6llige Verwessenheit, und heut zu Tage wird von tausend gebohrnen Ungern wohl schwerlich ein einziger es wissen, dass Lantz einen deutschen Infanteristen jemals bedeutet habe. Es wurde n\xE4mlich das veraltete Wort Lantz unvermerkt in Labantz verwandelt, welches unter seiner etwas
(p228)
ver\xE4nderten Gestalt, durch den Reiz der Neuheit endlich die Oberhand f\xFCr jenem behielt, und es in der Folge g\xE4nzlich verdrang. Auf was Weise aber Labantz an die Stelle des Worts Lantz gekommen, und was zu dessen Einf\xFChrung und Aufnahme mag Anla\xDF gegeben haben, ist f\xFCr mich ein unaufl\xF6sliches Problem, und wird es wohl ewig bleiben. Vielleicht klang damals das Wort Labantz in ungrischen Ohren weit sch\xF6ner, als Lantz; vielleicht gab hiezu eine Kleinigkeit, als etwa ein Scherz, oder eine Anspielung auf einen gewissen Namen, oder auf einen gewissen andern uns zur Zeit noch unbekannten Umstand, Gelegenheit: vielleicht liegt gar der Grund hievon in der Analogie anderer auf eben diese Art formirter ungrischer W\xF6rter, so wie man aus T\xE1r, Tavar; aus T\xE1rnok-Mester das lateinische Tavernicorum Magister, aus z\xE1r, in der Moln\xE1rischen in ungrische Reime gebrachte Uibersetzung der Psalmen, Psalm 141, v.3. z\xE1v\xE1r; aus ett, evett, u.d.g. gemacht hat. Konnte nicht nach diesen Mustern aus Lantz ebenfalls Lavantz, oder Labantz, auf die n\xE4mliche Art entstehen? Ich f\xFCr meinen Theil sehe hierinnen gar nicht Ungereimtes, oder auch nur Unwahrscheinliches. Freylich sind dieses nur lauter Vielleichte, lauter Muhtmassungen, die nicht entscheiden; allein wer wei\xDF, ob solche einem sp\xE4henden Nachforscher in Zukunft nicht auf die rechte Spur verhelfen k\xF6nnen? Uibrigens versichere ich, dass ich mein System von der Entstehungsart des Wortes Labantz, welches ich bis itzo noch immer f\xFCr das richtigste halte, den Augenblick aufgeben will, sobald man mich eines bessern belehren wird.
Beynahe h\xE4tte ich vergessen, dass ich auch von dem entgegengesetzten Beynamen Kurutz, und dessen Abstammung noch etwas hinzuf\xFCgen soll. L\xE4cherlich w\xE4re es, wenn wir mit Herrn
Oerteln in
Harmonia Linguarum Orientis & Occidentis, speciatimque Hungaricae cum Hebrae, p.52. annhemen wollen, Kuruz
(p229)
W\xE4re nicht anders, als das umgekehrte Wort Zur\xFCck, welche r\xFCckw\xE4rts gelesen, den Namen Kuruz darstellt. Dergleichen Spielwerke \xFCberlasse ich einem jeden, der an solchen T\xE4ndeleyen einen Geschmack findet; mir wenigstens schiene es ein wahrer Zeitverlust, wenn ich mich dabey nur einen Augenblick l\xE4nger aufhielte. Diejenigen hingegen verdienen unsere ganze Aufmerksamkeit, die das Wort Kurutz a cruce herleiten; denn diese haben allerdings weit mehr Wahrscheinlichkeit f\xFCr sich. Tollius, dessen Worte ich bereit oben angef\xFChrt habe, bahauptet, die Ungern h\xE4tten deswegen den Beynamen Kurutz a cruce angenommen, weil sie ihrer Meynung nach vieles Kreuz und Verfolgung von den Kaiserlichen h\xE4tten ausstehen m\xFC\xDFen. Diesem widersetzt sich Herr Mathias Bel, der zwar die a cruce hergeholte Ethymologie zugiebt und billiget, aber nur kein Kreuz im tropischen oder verbl\xFCmten Verstande, wie Tollius, dondern die wirkliche Figur eines Kreuzes mim eigentlichen Wort gebrauche, als die wahre Ursache dieser Benennung ansieht. Herr Bel glaubt n\xE4mlich, der Name Kurutz schriebe sich von dem im Jahre 1514. unter dem
K\xF6nige Wladislaw den Zweyten ausgebrochenen Bauerkriege her, weil damals die Bauern in Ungern, die man zu einem Kreuzzuge wider die T\xFCrken ausge\xFCstet hatte, und die wegen des Kreuzes, womit ihre Kleider bezeichnet waren, im Lateinischen Cruciati genennet wurden, anstatt wider die T\xFCrken loszugehen, die Waffen gegen ihr eigenen Vaterland gekehrt, und solches durch Rauben, Morden, und Brennen erb\xE4rmlich zugerichtet h\xE4tten; woher es denn gekommen w\xE4re, dass nach diesem der Name Cruciati oder Kurutzen allen ungrischen Rebellen w\xE4re beygelegt worden. Herrn Bels eigene Worte, deren er sich in seiner
Noticia Hungariae, Tom.IV. p.595. not.q. bedienet, lauten also: „Ita est, a cruce, convitiosum vocabulum (Kurutz) traxit originem; sed non ab ea, quam somniat TOLLIUS; verum, qua se
(p230)
Promiscua, & essera plebis multitudo, sub WLADISLAO Polono, anno MDXIV. In Turcas profectura, inaugurato, significaverat.” Ein Gleiches versichert uns
Joh. Szegedi in Rubricis Juris Hung. P.I. p.147. not.a. wo er sagt: “Hos (Cruciatos, Wladislai Decr. 1514. art. 4. commemoratos) quia vulgus a cruce Kurutzios vocitabat; factum est, ut tumultuantes patriae cives semper Kurutzii posthac audirent: vocabulo adsitis quoque Nationibus noto.” Auch Herr
Steph. Kaprinay Hist. Diplom. Temporibus Mathiae de Hunyad P.II. p.297. not.3. ist dieser Meynung zugetan: “Hungari, sagt er, cruce signatos vocavere Curucios (Kuruczok) a cruce: at quia hi anno 1541. temporibus Uladislai II. E rustica potissimum plebe collecti, Ducibus Georgio Dosa, ac Laurentio quodam Prebytero, a fide Regis & Regni, desciscentes ingens nobilitati bellum Curucii nomen in Hungaria adhaesit.” Mehrere anzuf\xFChren ist unn\xF6htig, weil sie uns doch nichts anders sagen w\xFCrden, als was wir schon vernommen haben. Kurz, diese Ableitung a cruce, weil sie so ungezwungen ist, und sich durch die Wahrscheinlichkeit so sehr empfiehlt, hat durchg\xE4ngig einen so allgemeinen Beyfall erhalten, dass es noch niemenden eingefallen ist, an deren Richtigkeit nur einmal zu zweifeln. Und eben dieses kanonishe Ansehen einer verj\xE4hrten Meynung macht mich einigermassen sch\xFCchtern, meine Zweifel, die ich darwider habe, vorzutragen. Wird man mich nicht f\xFCr einen Skeptiker, oder wenigstens f\xFCr einen Sonderling halten, wenn ich anders denke, als andere Leute? Vorw\xFCrfe dieser Art mu\xDF ich nun freylich gew\xE4rtig seyn; doch gerne werde ich mir alles gefallen lassen, wenn nur die Wahrheit dabey gewinnt. – Dasjenige nun, was ich wider die herrschende Meynung vom Ursprunge des Namens
(p231)
Kurutz einzuwenden habe, bestehet erstens darinnen, da\xDF dieses Wort vor dem Ausgange des vorigen Jahrhunderts nie geh\xF6rt worden, und bey keinem einzigen Schriftsteller fr\xFCherer Zeiten vork\xF6mmt. W\xE4re die im Jahre 1514. mit einem Kreuze bezeichneten rebellirenden Bauern in der ungrischen Sprachen Kurutzen genennet worden, so w\xFCrden sie gewi\xDF auch bey den ungrischen Schriftstellern des damaligen sechszehnten Jahrhunderts also hei\xDFen m\xFC\xDFen. Nun aber wissen
Stephan Sz\xE9kely,
Mathias Nagy-Batzai, und
Caspar Heltai, deren jeder im 16ten Jahrhunderte gelebt, und uns Nachrichten von erw\xE4hntem Bauernkriege in ungrischer Sprache hinterlassen hat, nicht das Geringste von Kurutzen: denn jene mit einem Kreuze bezeichneten Rebellen werden von ihnen nie anders, als Keresztesek betitelt, welches eine buchst\xE4bliche Uibersetzung des lateinischen Ausdrucks Cruciati ist. Es mu\xDF also der Name Kurutz unl\xE4ugbar erst in neuern Zeiten aufgenommen seyn, und keineswegs a cruce herkommen. Zweytens: wenn jemals die Ungern mit dem Worte Kurutz den Begriff eines Rebellens verkn\xFCpft h\xE4tten, w\xFCrden sie sich wohl selber diesen schimpflichen Namen beygelegt haben? Wer kann das glauben? Und dennoch ist es mehr als gewi\xDF, da\xDF dieser Beyname von den Ungern selbsten angenommen, und gef\xFChret worden. Folglich mu\xDF Kurutz ohnfehlbar ganz was anderes, als einen Rebellen bedeutet haben. Was aber? Das w\xFCrde schwer zu errahten seyn, weil Kurutz nicht die geringste Verwandtschaft mit irgend einem andern ungrischen Worte hat. Vielleicht ist dieses Wort zugleich mit t\xFCrkischen Hilfstruppen, die T\xF6k\xF6lyi von der ottomanischen Pforte erhielt, aus der T\xFCrkey nach Ungern her\xFCber gekommen. Kurudschi bedeutet in der t\xFCrkischen Sprache so viel: als militem emeritum, einen gepr\xFCften alten Soldaten, der seines Dienstes entlassen ist. Diesen Namen m\xF6gen die Ungern \xF6fters von den T\xFCrken geh\xF6rt, solchen aufgefangen, und wohl endlich
(p232)
gar, wegen des Ruhms der Verdienste und Tapferkeit, die der Begriff eines Kurudschi voraussetzt, sich selber zugeignet haben. Es w\xE4re ja dieses weder das erste, noch das einzige Beyspiel dieser Art. Denn kommen nicht die Ausdr\xFCcke Martalosi, Haramia, Besli, sogar in unserm Gesetzbuche vor, welche doch ebenfalls t\xFCrkische Benennungen gewissen Gattungen von Soldaten sind, so wie Kurudschi? Und verlangt man mehrere dergleichen zum Kriegswesen geh\xF6rige t\xFCrkische W\xF6rter, die ehedessen das ungrische B\xFCrgerrecht erhalten hatten: so lese man nur das vortreffliche ungrische Heldengedicht des
Grafen Niklas Zrini, welches unter dem Titel:
Adriai Tengernek Siren\xE1ja im vorigen Jahrhunderte zu Wien im Druck erschienen ist. Man wird sich nicht genug wundern k\xF6nnen \xFCber die Menge der darinnen vorkommenden t\xFCrkischen Kriegsw\xF6rter, die damals noch unter den Ungern gebr\xE4uchlich gewesen sind, und die kein Unger heut zu Tage mehr versteht. Doch genug hievon!
M. Daniel Cornides.