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ZUM GESAMTINHALT
Ungrisches Magazin,
Band 1, Heft 2, Text 21 (S. 216-220)
Hrsg. von
Karl Gottlieb Windisch
Pre\xDFburg,
L\xF6we, 1781
Autor: o. N.
Zuordnung: Kulturgeschichte
(p216)
21. Von der Feuerprobe in Ungern.
Die
Feuerprobe ist eins von denjenigen abergl\xE4ubischen Mitteln, durch die man vor Alters, streitige und
(p217)
Zweifelhafte F\xE4lle zu entscheiden, und die Wahrheit zu entdecken gewohnt war. Au\xDFer dieser bediente man sich auch noch der
Zweyk\xE4mpfe, der
Wasserprobe, der
Kreutzgerichte, des
Bahrrechtes, und des
Gerichts des heiligen Abendmahls, und gab ihnen den allgemeinen Namen der
Ordalien, von deren Unsprunge man nichts mit Gewissheit sagen kann. Die alten Deutschen hie\xDFen sie Gottesurtheile, und im Lateinischen werden sie Judicia Die, Judicia Sti Spiritus, Judicia probabilia genennet.
Ihr Ursprung ist sehr alt, und geh\xF6rt au\xDFer Zweifel in die Zeiten des Heydenthums. Man behielt sie aber auch bey, nachdem man die Christliche Religion schon lang vorher angenommen hatte, ja, in einigen Christlichen L\xE4ndern, ist sie in zweifelhaften Sachen mehrentheils gebraucht worden, doch hat sie die Kirche wie es scheint, niemals gebilliget.* Da ich itzt einzig und allein von der Feuerprobe in Ungern eine kurze Nachricht zu geben, gesonnen bin: so werde ich mich in keine kritische Untersuchung einlassen, sondern nur bey der historischen Beschreibung derselben stehen bleiben. Und, da diese abergl\xE4ubische Gewohnheit, unfehlbar aus Deutschland nach Ungern gekommen, als
*Honorius der Dritte, welcher von 1216 bis 1227. auf dem P\xE4bstlichen Stuhle sa\xDF, schreibt L. V. Decret. tit. XXXV. Cap. III. also: Dilecti Filii, noviter in Livonia baptizati gravem ad nos querimoniam destinarunt, quod Fratres Templariorum, & alii qui temporalem in eis potestatem exercent, si quando de aliquo alio crimine infamantur, eos ferri Judicium subire compellunt: quibus, si qua exinde sequantur adultio, civilem poenam infligunt. Cum igitur hujusmodi Judicium sit penitus interdictum, utpote in quo Deus tentari videtur, mandamus, quatenus dictos Fratres, & alios, u tab hujusmodi conversorum gravamine omnino desistant, per oensuram Ecclesiasticam appellatione remonta compellas. Ein gleicheshat der Zweyk\xE4mpfe wegen, im Entscheidungsfalle auch T\xF6lestinus der Dritte um das Jahr 1193 geschrieben, eod. tit. Cap. I. und II.
(p218)
Woselbst man schon lange vorher ehe sich davon einige Spuren in unserm Vaterlande zeigen, ihren Gebrauch aufgezeichnet findet: so will ich hier nur aus so vielen die uns die Geschichte aufbehalten hat, ein paar sehr merkw\xFCrdige Beyspiele anf\xFChren. Als Kaiser
Karl der Dritte seine Gemahlinn
Richardis wegen einer Untreue im Verdachte hatte, und sie deswegen verstie\xDF: so erboht diese F\xFCrstinn, sich durch das Gericht Gottes zu rechtfertigen, und ein gl\xFCendes Eisen anzufassen.* Und
Kunigunda,
Heinrich des Zweyten Gemahlinn, gieng \xFCber zw\xF6lf gl\xFCende Pflugscharren, und hatte, weil ihr dieselben keinen Schaden zugef\xFCget, dadurch den Verdacht auf ihre Keuschheit von sich abgelehnte.** Wie alt der Gebrauch der Feuerprobe in Ungern sey, l\xE4sst sich nicht bestimmen. Wenigstens finden sich vor dem Jahre 969, und nach 1309, da er vom K\xF6nige
Karl Robert abgeschaft worden, keine Spuren davon. In dieser Zwischenzeit aber hat man h\xE4ufige Beyspiele dieser Handlung, wovon uns einige, in einem Trakt\xE4tchen, welches in der Sakristen der Domkirche zu
Gro\xDFwardein gefunden worden,*** beschrieben werden. Es sind ihrer bey vier hundert, und begreifen doch nur eine Zeit von ein und zwanzig Jahren.**** Es ist daher glaublich, dass das Gro\xDFwardeiner Domkapitel der Hauptort in Ungern war, wo man diese Proben vornahm, ungeachtet man auch bey den
Pressburger,
Neitrer, und mehr
*Regino Libr. II. Chronic. ad annum 887. beym Pistor. Tom. I. Script. Rer. Germ.
**Pistorius am angef\xFChrten Orte
***Es f\xFChret den Titel: Ritus explorandae veritatis in dirimendis controversiis, und ist zuerst im Jahre 1550 in Klausenburg gedruckt, hernach aber auch dem Belischen Adparatus ad Historiam Hungariae einverleibet worden.
****N\xE4mlich von 1214 bis 1235. Aus der Menge dieser Proben von so verschiedener Art, kann man auch leicht vermuhten, da\xDF die weltlichen Richter um diese Zeit wenig m\xFCssen zu thun gehabt haben. Denn, in gedachtem Trakt\xE4tchen kommen fast alle Arten von Rechtsh\xE4ndeln vor, die durch die Feuerprobe entschieden worden.
(p219)
Anderen Spuren davon findet. Doch es ist weder meinen Absichten gem\xE4\xDF, noch der M\xFChe wehrt, einen Auszug dieses Werkchens zu liefern, indem es lauter seythische Namen enth\xE4lt, die itzt niemanden mehr bekannt sind. Ich will also nur die Handlung selbst, und die dabey gebrauchten Z\xE4rimonien beschrieben.
Wenn die Klage ordentlich geschehen, und der Beklagte erschienen war, um sich durch die Feuerprobe zu rechtfertigen, so ward dazu ein Tag bestimmet; zuv\xF6rderst aber musste er sich durch ein ununterbrochenes dreyt\xE4giges Gebeht und Fasten dazu vorbereiten. Erschien nun der Tag selbst, an welchem die Probe vorgenommen werden sollte, so fieng man die ganze Handlung, die allemal in der Kirche geschah, mit Lesung der heiligen Messe an, welche der Bischof, oder ein anderer Priester, der dessen Stelle vertreten musste, im bisch\xF6flichen Ornate verrichtete. Nach Endigung derselbst ergriff er das vor das Altar gebrachte Eisen mit einer Zange, und stimmte das Lobgesang der drey Knaben im feurigen Ofen an.* Er trug es sodann in das Feuer, nachdem er sowohl \xFCber dasselbe, als \xFCber das Eisen einen Seegen gesprochen hatte.** Wann nun das Eisen durchaus gl\xFCte, so musste der Beschuldigte durch einen Eid versichern, dass er in Ansehung der wider ihn gemachten Beschuldigungen v\xF6llig rein sey;*** und hierauf best\xE4tigte er die Wahrheit dieser eidlichen Aussage durch
*Benedicite omnia opera, cet.
**Die Formel lautet also: Benedic Domine Pater omnipotens aeterne Deus, per invocationem sanctissimi nominis TUI, & per adventum unigeniti filii TUI, Domini nostri Jesu Christi, atque per donum Spiritus Sancti, ad manifestandum verum judicium TUUM, hoc genus metalli, ut sit sanctificatum & consecratum, ut omni daemonum salfitate procul remota, fibelibus TUIs, veritas veri judicii TUI manifesta fiat, per Dominum nostrum Jesum Christum. cet.
***Der Priester fragte ihn: Frater, es justus ab hoc crimine de quo accusaris? R.Justus sum. Und abermal:Mundus? R. Mundus sum!
(p220)
den Genu\xDF des heiligen Abendmahls.* Sodann wurde das Eisen nicht nur mit Weyhwasser besprenget, sondern \xFCberdie\xDF auch noch vermittelst des Exorcisimus beschworen; und wann die\xDF alles verbey war, so musste der Beschuldigte die von ihm verlangte Probe machen, dabey er die Worte sagte: Per illud Corpus Domini, quod hodie sumsi, non confidens in ullum maleficium, nec in virtutibus herbarum, accipio hoc ferrum.** Diese Probe ward aber nicht auf einerley Art verrichtet, indem der Beklagte, bald ein gl\xFCendes Eisen in die Hand nehmen, und einige Zeit tragen; bald aber \xFCber einige gl\xFCend gemachte Pflugscharren gehen mu\xDFte. Kaum hatte er diese verrichtet, so wurden auch sogleich die H\xE4nde oder F\xFC\xDFe in ein Tuch gewickelt, versiegelt, und erst nach dreyen Tagen in Gegenwart des Kl\xE4gers, und einer Menge Volks aufgemacht, und entbl\xF6\xDFt. War nun der Angeklagte unverletzt, so wurde er \xF6ffentlich f\xFCr unschuldig erkl\xE4rt, und losgesprochen. Im Gegentheile aber glaubte man gewi\xDF, da\xDF er des angeklagten Verbrechens schuldig sey; und man belegte ihn sodann mit derjenigen Strafe, die das beschuldigte Verbrechen nach sich zog.
*Bey der Kommunion sagte der Priester: Interdico tibi o homo! coram omnibus adstantibus, per Patrem, & Filium, & Spiritum Sanctum, & per tremendum diem judicii, per mysterium baptismatis, per venerationem omnium Sanctorum, ut, si de hac re culpabilis es, aut fecisti, aut scivisti, aut bajulasti, aut concessisti, aut propter actam culpam denominatam, sciens factoribus juvisti, ut Ecclesiam non introes, Christianae societati non miscearis, si relatum nolueris confiteri admissum, antequam judicio examineris publico.
**Vielleicht ward auch w\xE4hrend dieser Zeit Manches unter der Decke gespielet, und der durch das gl\xFChende Eisen zugef\xFCgte Schade, durch schleunige Hilfsmittel geheilet. Denn, es kamen ihrer viele v\xF6llig unbesch\xE4digt davon.