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ZUM GESAMTINHALT
Ungrisches Magazin,
Band 1, Heft 4, Text 37 (S. 423-460)
Hrsg. von
Karl Gottlieb Windisch
Pre\xDFburg,
L\xF6we, 1781
Autor:
Zacharias Huszty
Zuordnung: Medizin
(423)
37. Beschlu\xDF des Versuchs \xFCber den Menschen in Ungern, nach seiner physischen Beschaffenheit.
4. Von den Krankheiten in Ungern
Niemand lasse bey Erblickung dieser Aufschrift einen Verdacht in sich rege werden, da\xDF ich mit vielem Nachgeplauder klinischer Vorschriften und Anekdoten und die Krankheiten in Ungern nach Grunds\xE4tzen wolle heilen lehren. Dazu m\xFC\xDFte ich mehr System annehmen, als ich mir vorgenommen habe; ich k\xF6nnte dieses auch, ohne
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die Gr\xE4nzen des Ungrischen Magazins zu \xFCberschreiten schwerlich zu Stande bringen. Ich \xFCberlasse das Gesch\xE4ft, meine Landsleute von der Erhaltung und Herstellung ihrer Gesundheit zu unterrichten einem
Tissot,*
Fermin,**
van Swieten,+
St\xF6rk++ und andern ihrer Kollegen. Welchem aber mehr an einem m\xFCndlichen Unterrichte gelegen ist, und welchem ein unausweichbares Bed\xFCrfnis dazu antreibt, dem empfehle ich die Aerzte, an welchen Ungern nicht mehr mangelt.
Ofen giebt nun von Jahr zu Jahr mehr Zuwachs, und ich hoffe, da\xDF bald mehr Kranke ihre Zuflucht zu Aerzten werden nehmen k\xF6nnen, als es bisher geschehen konnte.
Aber noch ist es leider auch von Ungern wahr!
fingunt se medicos: hystrio, rasor, anus.
Garrulus, infelix, coecus, temerarius, amens,
Usque adeo sibi palpatur, seseque licetur.
Stultitiae fons est, et origo philautia vestrae,
Caligoque ingens, quae vos cognoscere verum
Posse vetat: tolle hanc, oculi meliora videbunt:
Et quae unc bona prima putas, fortasse negabis
Esse bona: et quae nunc credis mala maxima forsan
Non mala sunt dices, pulsis a corde tenebris.
Ergo seias, mortale genus nihil esse, nisi ut rem
Aeoliis plenum ventis:– –*
*Anleitung f\xFCr das Landvolk in Absicht auf seine Gesundheit.
**Unterricht an das Landvolk von der thierischen Haushaltung, als eine Fortsetzung von des Tissots Unterricht f\xFCrs Landvolk. Frankfurt, 1773.
+Description des maladies des arm\xE9es.
++Medizinisch-praktischer Unterricht f\xFCr die Feld- und Wund\xE4rzte.
*Palingenius
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Gewi\xDF ists Eigenliebe, welche das blinde Zutrauen zu seinen eigenen und fremden Vorurtheilen – Aberglauben – Jahrhunderte n\xE4hren kann; und Jahrhunderte werden noch vergehen, bis diese Blende den Verstand nicht mehr benebeln wird, oder bis wir ihre Ausf\xE4lle auf das Wohl der Menschen werden vereitelt sehen. Ob Ungern vor andern Provinzen in Ansehung dieser Lage was voraus habe, oder ob es nachstehen m\xFC\xDFte, daf\xFCr sollen die t\xE4glichen Erscheinungen und deren Verh\xE4ltnisse mit andern L\xE4ndern zum Beweise seyn. Man wird Ungern gewi\xDF durch keine betr\xE4chtliche Abweichung vom wagerechten Zustande, in welchem es mit Frankreich, Deutschland, Italien, und andern L\xE4ndern stehet, weit entfernet finden. Der Unterschied, welchen man dabey wahrnimmt, bestehet nur in der Verschiedenheit der Verfahrungsart, und der Mittel, welcher man sich, um das menschliche Geschlecht dem Elende zu \xFCberliefern, bedienet. Der Zeitpunkt es ganz herausgerissen zu sehen, ist eben so entfernt, als es je ein Planet von unserem Horizonte seyn kann.
Wer sieht bey dieser Aeu\xDFerung nicht, wohin in dieser Geschichte der Krankheiten meine Hauptabsicht ziele. Ich bin \xFCberzeugt, da\xDF man den halben Weg zur Wahrheit gewonnen habe, wenn das Falsche und die Widerspr\xFCche gehoben sind. Nichts hindert dann das Wahre desto leichter zu erringen. – Aber, o! da\xDF wir es lieber schon errungen h\xE4tten.
In Ungern giebt es keine besondern einheimischen Krankheiten. Ich sage damit nichts Neues. Dabey setze ich aber voraus, da\xDF man dadurch solche Krankheiten verstehen m\xFC\xDFte, welche nur Ungern allein eigen sind. Da\xDF es keine solchen Krankheiten in Ungern g\xE4be, wu\xDFte Dokter
Paterson Hain, ein Arzt des vorigen Jahrhunderts, und Physikus in
Eperies schon; wiewohl er den
Tsch\xF6m\xF6r und
Strint nicht ganz davon ausschlie\xDFen
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will.* Da\xDF man dieses aber mit Recht thun k\xF6nne, werde ich am Ende dieser Krankheitsgeschichte darthun.
Da es also keine
endemischen Krankheiten in Ungern giebt, so kann ich mich auch nur mit
epidemischen und sporadischen abgeben.
Da\xDF die epidemischen- oder Volkskrankheiten in Ungern oft sehr hefftig w\xFCten, und pl\xF6tzlich um sich greifen, davon haben wir von unsern Vorg\xE4ngern in vielen Schriften aufgezeichnete Beyspiele.
Ephemerides – acta naturae curiosorum, und wie sie sonst noch hei\xDFen, enthalten dar\xFCber manche Beobachtungen. Aber auch eben diese Beobachtungen sind ein zureichender Beweis, da\xDF die Grade und die \xF6ftern Ereignisse der Epidemien in fremden L\xE4ndern, den Ungrischen nichts nachgeben, wo nicht gar solche \xFCbersteigen. Ich sehe auch die ungrischen Epidemien, welche man hin und wieder in den Sammlungen aufgezeichnet findet, meistentheils in einer Gesellschaft solcher, welche auch andere Provinzen entv\xF6lkert haben.
*Morbi endemii in Hungaria nulli, epidemii saepe, sporadici semper. Habent tamen morbum aliquem, quem Cremer appellant; nimirum quando nauseam, vel ex cibo vario inordinate sumto, vel a potu nimio contrahunt, Cremer vocant, et slatim allio ulnam manus in parte domestica fortiter fricant, hanc partem sibi dolere dicunt. Alterum quoque quem Strint vocant, semper in ore habent et omnem in ore, vel in gutture vel in ano tumorem vel inflammationem Strint appelant, interim istius Etymi rationem ipsi reddere non valent. – D. Paterson Hain ex urbe Eperiensi Wratislaviam ad D. Sachsium, in Miscell. nat. curios. med. phys. An. II. 1681. p. 55. Ienae, 1688.
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Die Pest*
Es ist diese die einzige Krankheit, welche in Ungern nie anders, als epidemisch kann betrachtet werden, da im Gegentheile andere epidemische Krankheiten den Menschen immer auch sporadisch befallen k\xF6nnen. Ich sehe es nicht ein, wie man bey der Eintheilung der Pest auch eine sporadische hat annehmen k\xF6nnen: wie dieses
Sauvages,
Sagar, und andere gethan haben.
Cullen** sah das wohl ein, daher er auch die sporadische unter die zweifelhaften rechnet. Es ist auch im Grunde falsch, da\xDF in Ungern jemals Menschen von einer sporadischen Pest w\xE4ren befallen worden, wie dies unbedachtsame Aerzte und unerfahrne Wund\xE4rzte so oft ausgestreuet haben. Es ist nicht alles Pest, was daf\xFCr ausgeschrieen wird, das k\xF6nnen diejenigen glauben, die sich gern mit Altenweiberm\xE4rchen abgeben, und dazu geneigt sind, sich durch Possen \xFCberreden zu lassen. Da\xDF
die faulen Fieber oft eine Menge Menschen auffressen, das ist wahr. Unwissende und Leichtgl\xE4ubige sehen darinnen nichts als Pest; und kommen Krankheitsausw\xFCrfe durch Dr\xFCsengeschw\xFClste noch dazu, so ist die Uiberzeugung desto fester. Sind doch
Rohtlauf,
Brey- und
Speckgeschw\xFClste, und denen \xE4hnliche Hautkrankheiten mehr, f\xFCr Pest gehalten worden.*** Herr Dokter
Fuker kann Recht haben, wenn er die Wirklichkeit der Pest, welche man vor drey\xDFig Jahren in der
Sempliner Gespanschaft suchte, l\xE4ugnet. "Es hei\xDFt, sagt er, da\xDF vor drey\xDFig Jahren in erw\xE4hnter Gespanschaft zur Weinlese, um welche Zeit sich eine Menge Menschen dahin zu sammeln pfleget, die Pest
*Pestis Nosologorum. Febris pestilentialis. F. Hofmanni.
**In seinem Apparatus ad Nosologiam methodicam. Amstelod. 1775. pag. 178.
***Genselius in Ephemerid. nat. curios. cent. 7 et 8 in append. pag. 15. Norimbergae, 1719.
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solle geherrschet haben. Aber, warum ist diese durch die Menschen, welche aus andern Gespanschaften hier waren, und nach geendeter Weinlese nach Hause zogen, nicht mehr ausgebreitet worden? Oder, warum hat sie so bald nachgelassen? Niemand hat davon was aufgezeichnet."* Weiter hei\xDFt es auf der 44 Seite: "da\xDF seit einigen Jahren etliche Aerzte von Wien nach Ungern geschickt wurden, um die vermeynte Pest zu untersuchen; aber ihre Urtheile stockten, und stocken noch bis auf den heutigen Tag."
Die mannigfaltigen Gestalten, welche die Pest \xFCberhaupt anzunehmen f\xE4hig ist, m\xF6gen wohl Schuld daran seyn, da\xDF man sie oft verkennet hat; besonders wenn solche nicht nach ihren wesentlichen Kennzeichen untersuchet ward. Aber, welche sind diese wohl? Sie sind sehr schwer zu bestimmen, da wir noch nicht zwo Pestepochen kennen, welche uns von allen Seiten gleich w\xE4ren beschrieben worden. Vielleicht liegt auch in dieser Mannigfaltigkeit der Grund, da\xDF man in der heiligen Schrift so verschiedenen Benennungen der Pest im Grundtexte antrift.
Fracastorius verstehet unter der Pest ein
faules Fieber im h\xF6chsten Grade, in welchem der Saame der pl\xF6tzlichen Ansteckung und T\xF6dtlichkeit verborgen ist.** Im Gegentheile beobachtete
Herr Zimmermann die Pest in
Smyrna antz\xFCndungsartig.
Uiberhaupt aber sind von der wahren Pest folgende Charaktere unzertrennlich: eine allgemeine pl\xF6tzliche Ansteckung, die \xE4u\xDFerste Entkr\xE4ftung bey dem ersten Anfalle, das Blasen- und
Petechenfieber, der Ausbruch rohter Striemen und Beulen, welche j\xE4hling in den Brand \xFCbergehen, dann alle der erschrecklichsten Zuf\xE4lle, welche
*De salubritate et morbis Hung. pag. 43.
**Pestilentem febrim dicimus esse febrim sordidae et profundae putrefactionis includentem feminaria acutissimae contagionis per se, propter quod et lethalis est, et ad alios contagiosa. Hyeron. Fracastorius de peste.
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sogleich in den ersten Tagen ein Anblick des gewissen Todes sind.*
Die eigentliche Geschichte der Pest in Ungern, war bisher aus Mangel der Qwellen immer dunkel. So viel ist doch gewi\xDF, da\xDF sie in Ungern sowohl, als in England, Frankreich, Italien,
Konstantinopel, und Pohlen allezeit mit Blasen, Beulen, und der pl\xF6tzlichen Ansteckung und T\xF6dtlichkeit begleitet war. Niemals ist die Pest in Ungern zuerst entstanden, wie es aber bey der Ansteckung zugieng, davon wissen wir mehr nicht, als, da\xDF sie vom Orient zu uns her\xFCber kam. K\xF6nnte also wohl die ungrische Luft was dazu beygetragen haben? Vor der Entstehung nicht, wohl aber nach derselben, wenn man anders die Vereinigung der
pestilenzialischen Ausd\xFCnstungen durch eine schon vorhandene Pest mit der Atmosph\xE4re nicht l\xE4ugnen will. Da\xDF aber besondere Anlagen der Temperamente, der Lebensart und der Jahreszeiten, auch schlechte Vorkehrungen, eine schnellere Ausbreitung veranlassen k\xF6nnen, daf\xFCr sind alle \xE4chten Pestbeschreibungen mit Beweisen voll.
Wann hat sich wohl in Ungern die Pest zum erstenmale ge\xE4u\xDFert? Wenn man einem
Procopius,
Howel, und
Evagrius Glauben beymessen kann, so k\xF6nnte man wohl in dem 560igsten Jahre nach Christi Geburt, und dem folgenden auf die erste Pest in Ungern wahrscheinlich schlie\xDFen. "Die Pest, welche im Jahr 543 in Konstantinopel herrschte, hat das menschliche Geschlecht fast aufgefressen. –– Sie ist nicht nur einen Welttheil durchgegangen, hat auch nicht zu einer Jahreszeit allein getobet, sondern die ganze Welt \xFCber den Hauffen geworfen, und alle Geschlechter der Menschen zu Grunde gerichtet." Es soll auch diese Seuche \xFCber f\xFCnfzig Jahre ununterbrochen fortgedauert haben.** So eine
*Diemerbock Hodges, und Traite de la Peste, fait par ordre du Roy. Paris 1744.
**Frenid historia medicinae. Lugd. Bat. 1734. pag. 86. seqq.
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Pest, von welcher kein Land verschont blieb, mu\xDF ja auch Ungern – wenn man \xFCberdie\xDF noch die Nachbarschaft mit Konstantinopel erw\xE4get – heimgesuchet haben. Da\xDF sich von dieser Zeit an bis zum Anfange unsers Jahrhunderts in Ungern zu verschiedenen Zeiten Pestseuchen er\xE4ugnet haben, sagen uns nur die Traditionen, – vorausgesetzt, da\xDF auch deren wenige gegr\xFCndet sind. Bestimmtes haben wir nichts davon aufgezeichnet.
Gleich im Anfange dieses Jahrhunderts hat die Pest in Ungern sehr tiefe wurzeln gefa\xDFt. Die Nachrichten, welche uns davon \xFCbrig geblieben sind, haben wir dem Herrn v.
Peima Freyh. v. Beintema gleichzeitigen Archiater in Wien zu danken.* Dieser erhielt von einem Arzte in
Segedin und
Arad folgendes: "1. Der Anfang bey unsern Pestkranken hat sich durch ein gleichsam fieberhaftes Schaudern gezeiget, diesem folgten au\xDFerordentliche Kopfschmerzen, und eine Beklemmung in der Gegend des Herzens; welches man bey allen Kranken ohne Unterschied bemerkte. Dazu kamen 2. tiefe Seufzer, Kleinm\xFChtigkeit und eine Mattigkeit aller Glieder; 3. grosser Durst, und Trockenheit der Zunge; 4. schweres Atemholen; 5. verfallener Appetit; 6. finstere und schreckliche Blicke des Kranken; 7. best\xE4ndige Unruhe und Herumwerfen, daher der erleichternde Schweis immer zur\xFCckgehalten ward; 8. schwarze
Petechen, welche er aus der Zur\xFCckhaltung des Schwei\xDFes erkl\xE4ret; 9. ein Hang immer zu schlafen, 10. Blutfl\xFC\xDFe, mit Ohnmachten begleitetes Erbrechen, und entkr\xE4ftende St\xFChle; 11. Herzklopfen; 12. schwarzgelbe, gelbe, rohte, und schwarze Flecke zum Theil eines ungrischen Denari,** zum Theil eines Pfefferkorns gro\xDF, welche sich nach und nach erhoben. 13. Die die Pest allezeit begleitenden Zuf\xE4lle, die Beulen kamen meist unter den Achseln, und
*De Peima Lib. Bar. de Beintema S. C. M. Personae Med. et Consil. etc. historia constitutionis pestilentialis 1708 - 1713. Vien 1714.
**Silberungrisch, deren 5 einen Groschen galten.
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an den Leisten drey Qwerfinger unter den Dr\xFCsen zum Vorscheine. Ihre Gestalt war l\xE4nglicht, und im Anfange lagen sie tief, wie ein zusammenziehendes Band, und waren im Gegentheile aller Dr\xFCsengeschw\xFClste unbeweglich. Der Schmerz, den sie verursachten, war brennend, wie Feuer. Sie haben sich \xF6fters im Anfange, so bald der Schauder eingebrochen ist; oft aber den zweyten, dritten und vierten Tag gezeiget. Je fr\xFCher der Ausbruch geschah, desto besser war es. Hieher geh\xF6ren auch die Pestblasen. Diese sind wei\xDFe Blasen, welche so wie feurige Kohlen gebrennet haben: sie erhoben sich in wenig Stunden, und sind mit Entz\xFCndung begleitet gewesen. Wenn man sie aufgeschnitten hat, fand man sogleich den Brand unter denselben, welcher eines Thalers breit, und auch sehr tief um sich gefressen hat. Es wurden davon meistens solche Theile angegriffen, wo die Knochen bald unter der Haut sich befinden; das Schienbein zum Beyspiel, und die Arme; aber sehr \xFCbel war es alsdann, wenn auch das Gesicht nicht damit verschonet blieb. Es hat noch eine andere Gattung Pestblasen gegeben, welche ich aber nur dreymal beobachtete. Sie waren beynahe zw\xF6lf Qwerfinger lang, und zween breit geschw\xE4nzt." Des
Freyherrn von Beintema seine eigenen Bemerkungen, welche wir durch ihn von der Pest in
Wien aufgezeichnet finden, gehen in vielen Zuf\xE4llen von denen, welche in Ungern die gew\xF6hnlichsten waren, ab.* Briefe aus
Siebenb\xFCrgen enthielten wieder andere Nachrichten. Dort waren die Weiber zu Verstopfungen und Kr\xE4mpfungen geneigt, die Pestbeulen haben sich in den Dr\xFCsen selbst – nicht drey Qwerfinger unter denselben – erzeuget, und die Blasen \xFCberzogen den ganzen K\xF6rper. Doch, wer wird allen den Unterschied hererz\xE4hlen: vielleicht gab
*Sunt et alia pestilentiae signa; convulsionis, rabiei, aliorumque symptomatum, quae a venensis, venenatisque animalibus aplerumque animadvertimus: de Beintema Hist. const. pest. pag. 22.
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es auch nicht zween Kranke, welche alle Zuf\xE4lle gemein hatten. Man hat zu dieser Zeit in Wien die ausgeschnittenen Pestbeulen den Hunden zu fressen vorgeworfen, welche davon dem ungeachtet nicht gestorben sind; daraus wollten einige behaupten, da\xDF dies keine wahre Pest gewesen w\xE4re.* Heut zu Tage zerbrechen wir uns die K\xF6pfe dar\xFCber nicht mehr, da wir von der Verschiedenheit der Wirkungen der Gifte in verschiedenen thierischen K\xF6rpern besser \xFCberzeuget sind.
In
Pre\xDFburg hat sich diese Pest im Junius des 1713-ten Jahres angefangen. Es herrschten zugleich unter den Kindern b\xF6\xDFartige Pocken, welche fast immer mit
Petechen vermischt waren, und von der Pest nicht selten begleitet wurden. Im Anfange des Septembers eben desselben Jahres \xE4u\xDFerte sie sich in
Oedenburg. Bauchfl\xFC\xDFe, Petechen, und endlich Beulen und Blasen waren die Hauptzuf\xE4lle. Die Kranken starben meistens am siebenten und neunten Tage. Es wurde aber diese Seuche gegen dem December zu, immer ertr\xE4glicher.**
Seit diesen Jahren hat man in Ungern zwar oft von Pest geh\xF6ret, die genauern Untersuchungen aber haben der Wahrheit nie entsprochen. Daher erhielt sich auch das Andenken der Pest in den Gem\xFChtern der Ungern so lebhaft, da\xDF sie stets auf Pr\xE4servative daf\xFCr bedacht waren, und noch sind.
Krametsbrandwein, diese oder jene Gattung von
Pestessig t\xF6nen noch immer in den St\xE4dten, und auch auf dem Lande herum. Ich habe schon manche ihrer Pestessige sich freuen geh\xF6rt, und \xFCber ihre Hypochondrie,
Lungensucht, oder was es dergleichen sonst noch war, sind sie unbek\xFCmmert gewesen. Das wahre und be\xDFte Vorbauungsmittel haben wir doch immer der wei\xDFen Vorsicht einer sorgf\xE4ltigen Regierung zu danken. Denn w\xFCrde die Ansteckung nicht durch den an den t\xFCr-
*Genselius in ephemerid. nat. cur. cent. 7 et 8 in append. pag. 13 seqq.
**Idem Gensel. loc. citato.
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kischen Gr\xE4nzen gezogenen Kordon eifrigst zur\xFCckgehalten, so w\xFCrden
Pestessig und
Krametsbrandwein immer schwache, wo nicht gar ohnm\xE4chtige Vorbauungsmittel bleiben.
Die \xFCbrigen epidemischen Krankheiten, welche sich in Ungern oft auch sporadisch zeigen, sind viele Gattungen von Fiebern, entz\xFCndungen, Schmerzen, Fl\xFC\xDFen, Schwachheiten und Beklemmungen.
Die\xDF fiel unter allen Gattungen der Fieber den Ausl\xE4ndern immer am meisten auf. Die ungrische Benennung desselben —
Hagym\xE1z bedeutet nichts anders, als eine hefftige Krankheit; eine Bedeutung, in welcher ich keine specifische Beziehung auf Ungern finden kann.
Man sagt, sie sey hier zu Lande unter
Maximilians Armee bey
Komorn 1566. zum erstenmale ausgebrochen;** wiewohl
Sennertus einen fr\xFChern Ursprung dieser Krankheit vermuhtet, und diesem Jahre nur den Ursprung der blossen Benennung zuschreibt.+
Als ob eben bey der Maximilianschen Armee ein neues Fieber entstehen mu\xDFte! Und, als ob Ungern nur allein zur Entwickelung dieser Krankheit geneigt w\xE4re: da\xDF der Saame davon, hernach durch ganz Europa h\xE4tte sollen ausgestreut werden! So liest mans hin und wieder.++
Mich wundert es sehr, da\xDF man soviel \xFCber Ungern, wegen der ersten Aeu\xDFerung dieser Krankheit schreyen mag, da nach des
Fracastorius Bericht das
Fleckfie-
*Febris Hungarica castrensis Nosolog, Tertiana remittens Sauvages: et Pringle, continua Rulandi.
**Kestner Historie der medizinischen Gelahrheit, Halle im Magd. 1748. S. 254.
+Lib. de febribus.
++Fuker de salubritate et morb. Hung.
(434)
ber, welches doch so nahe mit dem ungrischen verwandt ist, schon 1528 zum erstenmal in Italien sich ge\xE4u\xDFert hat.*
Es hat von je her den Aerzten viele M\xFChe gekostet, das ungrische Fieber von den \xFCbrigen, welche so viele Zuf\xE4lle mit ihm gemein haben, zu unterscheiden. Man ist immer von der n\xE4hesten Ursache abgegangen, und hat sich mit zuf\xE4lligen Kleinigkeiten abgegeben. Es haben daher die Untersuchungen und Speculationen, welchen zu Gefallen die Aerzte schon \xFCber zwey hundert Jahre lang geschwitzet haben, zu manchen unn\xF6htigen Streitigkeiten Gelegenheit gegeben.** Man sah so oft neue Krankheiten entstehen, so oft nur ein par noch nicht beobachtete Zuf\xE4lle, die zu dieser Gattung der Fieber sich zugesellet haben.
Cullen+ hat endlich dem Streite ein Ende gemacht, und Dank sey ihm, da\xDF er den Schleyer von unsern Augen zog, und uns das ungrische Fieber in seiner wahren Gestalt sehen lie\xDF. Nun wissen wir, da\xDF das ungrische Fieber unz\xE4hlige Masken anzunehmen f\xE4hig ist, ohne da\xDF es daher zu einer andern Krankheit wird, und ohne, da\xDF ihre Kranken anders d\xFCrfen behandelt werden.
Das Nervenfieber des
Sauvages; das pestilenzialische des
Fracastorius; das neue Fieber im 1685ten Jahre des
Sydenham; das faule Nervenfieber des
Wintringham 1721; das Petechenartige Katharrhalfieber
Junkers und
Hofmanns; das pestilenzialische Seefieber des
Huxham im Jahre 1740; das Hospital-und Kerkerfieber
van Swietens und
Pringles; das Lagerfieber der Franzosen in B\xF6hmen, welches
Scrinci 1742 bemerkte;++ das epidemische Petechenfieber
*Kestner vorbemeldte Historie der M. Gelahrh. S. 253.
**Bonis medicis similitudines pariet difficultates et errores. Hippocrat. popular. lib. VI. S. 8.
+Apparat. ad nosol. method. S. 156.
++Bey Haller Disputat. T. V.
(435)
zu
K\xF6ln 1672, welches
Donckers beschrieben hat, das 1683 in
Pre\xDFburg, welches
Loew beschrieb,* das 1734 zu
Cremona nach den Beobachtungen des
Valcarenghi, und da\xDF des
Hasen\xF6hrl** in
Wien 1757, und
Ludwigs in
Leipzig in dem n\xE4mlichen Jahre.+ Alle diese und noch andere Gattungen von Fiebern haben nach der
Cullenschen Vergleichung mit dem b\xF6sartigen Lagerfieber, der so genannten ungrischen Krankheit, ihre Entstehung und ihren Fortgang wesentlich gemein. Alle sind faule Fieber.
Fordyce++ beschreibt und heilet unter dem heftigen - faulen - b\xF6\xDFartigen - Gef\xE4ngni\xDF - Lager-Krankenhaus - oder Fleckfieber, immer eben dieselbe Krankheit.
Alle diese Fieber entstehen vom Genusse leicht in die F\xE4ulni\xDF \xFCbergehender Speisen: - Fischen, G\xE4nsen, Schweinfleisch, und \xE4hnlichen - auch von dem hefftigen und lange anhaltenden Schwei\xDFe, und der zur\xFCckgetriebenen Ausd\xFCnstung,+++ daher die Menschen zu allen Jahreszeiten davon k\xF6nnen befallen werden; oder von der faulen Luft entweder urspr\xFCnglich oder durch die Ansteckung, welche durch die Zusammenpfropfung einer Menge Menschen in einem engen R\xE4ume veranlasset werden kann, wie es die vielen Erfahrungen bey Kantonirungen, in Krankenh\xE4usern, und Kerkern best\xE4tigen; oder auch von einer verkehrten Heilungsmethode anderer Krankheiten, wenn z. B. Gallenfieber im Anfange mit schwei\xDFtreibenden Mitteln, mit magenst\xE4rkenden Arzneyen, mit Erpressung der Kranken unter dem Federbette, mit Verweigerung des erforderlichen Getr\xE4nkes, und Erstickung des Instinkts behandelt und forcirt werden.
*C.F. Loev in app. A.N.C. vol. II.
**Hist. med. cap.2.
+Adversar. med. pract.
++Grunds\xE4tze der aus\xFCbenden Arzneygelahrtheit.
+++Boerhaave inst. med. \xA7. 778. mutatur hinc circulatio aetinetur acre, oritur putredo.
(436)
Der Anfang und Fortgang dieses Fiebers k\xF6mmt selten nicht mit dem des
Tissotschen faulen Fiebers \xFCberein.* "Es meldet sich diese Krankheit einige Tage vorher an, durch eins starke Abmattung; Schwere des Haupts, Schmerzen in den Lenden und Knieen, einen widrigen Geschmack des Morgens n\xFCchtern, schlechte E\xDFlust, unruhigen Schlaf, zuweilen au\xDFerordentlich heftige Kopfschmerzen, welche einige Tage ohne einen andern Zufall anhalten. Hierauf folget ein Frost, und nach demselbigen eine trockene Hitze; der Puls, welcher w\xE4hrend dem Froste klein und geschwind ist, erhebt sich bey den Hitzen, und ist zuweilen sehr stark. - - Zu dieser Zeit sind die Kopfschmerzen au\xDFerordentlich hefftig, der Kranke hat fast best\xE4ndig Eckel, und zuweilen Erbrechen, Durst, unangenehmes Ausstossen aus dem Magen, bittern Mund, und er kann nur wenig Wasser l\xF6sen. Diese Hitze dauert nur einige Stunden, zuweilen die ganze Nacht durch; gegen den Morgen nimmt sie ein wenig ab, und der Puls, der allezeit fieberhaft ist, ist es ein wenig minder; der Kranke hat weniger zu leiden, allein er ist sehr niedergeschlagen. Die Zunge ist wei\xDF, unrein, auch an den Z\xE4hlen h\xE4ngt sich ein unreines Wesen an, und der Athem hat einen schlimmen Geruch. Der Harn \xE4ndert sowohl in Ansehung der Farbe, als der Menge und Dicke, ungemein ab. Einige Kranke sind verstopft, andere m\xFC\xDFen oft zu Stuhle gehen, wobey sie nur einen geringen Abgang haben, welches ihnen keine Leichterung verschaffet. Die Haut ist bald trocken, bald feucht, doch ohne Erleichterung. Das Fieber hat alle Tage einen neuen Anfall, und oft ohne eine gewisse Ordnung der Zeit.** Neben den starken Anf\xE4llen, die sich bey allen Kranken zeigen, sieht man oft bey einigen auch geringere. Wenn man das Uibel sich selbst \xFCberl\xE4\xDFt, oder schlecht besorget, oder wenn es st\xE4rker ist,
*Anleitung f\xFCr das Landvolk in Absicht auf seine Gesundheit. S. 237- 240.
**Oft haben diese Fieber gar keine Nachlassung. Ruland de morbo Hung. cap. VIII. quaest. 39.
(437)
als die Arzneyen; so vermehret sich das Fieber, die Anf\xE4lle dauern l\xE4nger, kommen \xF6fter, und ohne gewisse Ordnung; es giebt keine guten Augenblicke; der Unterleib dehnt sich aus; die Sinnen werden verwirrt; der Schwei\xDF dauert unaufh\xF6rlich fort; der Puls wird geschwind, klein, unregelm\xE4\xDFig. Zuweilen zeigen sich
Petechen. Alles, was voll dem Kranken abgehet, stinkt; es stellen sich gichterische Zuckungen ein, sonderlich all dem Gesichte; er kann nicht anders als auf den R\xFCcken liegen, und sinkt unvermerkt zu den F\xFC\xDFen der Bettstatt; er f\xE4ngt M\xFCcken. Der Puls wird so geschwind und klein, da\xDF man ihn noch kaum f\xFChlen, und unm\xF6glich mehr z\xE4hlen kann; die Bangigkeit ist unaussprechlich; es bricht ein kalter Todesschwei\xDF aus; die Brust f\xFCllt sich an, und der Kranke stirbt in einem elenden Zustande. - Ist aber die Krankheit nicht so hefftig, wird sie gut besorget, und thun die Arzneymittel ihre geh\xF6rige Wirkung, so werden die Anf\xE4lle des Fiebers nicht so anhaltend, auch nicht so hefftig als vorhin, und die Kopfschmerzen sind ertr\xE4glicher; die Stuhlg\xE4nge geschehen nicht so oft, hingegen sind sie mit h\xE4ufigerm Abgange begleitet, und verschaffen dem Kranken Erleichterung; der Harn gehet h\xE4ufiger ab, es stellet sich mehr Schlaf und Ruhe ein; die Zunge reinigt sich, und alle Tage wird es besser. — Die Krankheit hat keinen bestimmten Zeitpunkt, weder zur Genesung, noch zum Tode. Oft erfolgt der Tod am neunten Tage, oft aber auch den achtzehnten, oder zwanzigsten; zuweilen erst um den vierzigsten, nachdem viele Abwechslungen von Verbesserung und Verschlimmerung vorher gegangen sind.„
Da\xDF einige das ungrische Fieber unter die anhaltenden z\xE4hlen, und andere es wieder zu einem nachlassenden machen wollen,* daran glaube ich, ist allezeit mehr oder mindere B\xF6sartigkeit Schuld.
*Morbum sive sebrem Hungaricam ad tertianas remittentes cum Sa uvagesio et III. Pringle supra retuli: nec dubium est, quin morbus Hungaricus dictus saepius sub forma remittentis apparuerit; sed simul constat, sebrim in eastris Hungaricis prorao ortam, et per milites inde redeuntes, per totam fere Germaniam dispersam, ex genere continuarum fuisse, (vide Ruland. De morbo Hungarico, cap. VIII. quaest. 39.) et plerumque eandem esse, quam nunc in Nosocomiis quibusque saepe exorientem bene novimus. Cullen apparat. Ad Nosolog. Method. Pag. 157.
(438)
Es wird dieses Fieber in Ungern zu allen Jahreszeiten ausgebr\xFCtet, in welchen die Ursachen entweder einzeln, oder verkn\xFCpft vorhanden sind. Der gemeine Mann erliegt am meisten darunter; der Ursachen wegen, welche ich im Abschnitte von den Gewohnheiten bey Gelegenheit des Weines, des Schweinfleisches, der Kerker und andern Gelegenheiten, wobey die Luft faul und unrein wird, erz\xE4hlet habe. Hieher kann man mit Recht auch die Gewohnheit rechnen, da\xDF man Todte, welche an faulen Fiebern gestorben sind, acht und vierzig Stunden liegen l\xE4\xDFt. Wenn jemals gerichtliche Nachsicht statt findet, so ist dies der Fall. Warum sollte man denn nicht lieber die Ansteckung unterdr\xFCcken, als solche noch mehr um sich greiffen lassen? Diese K\xF6rper stinken schon, ehe sie noch ihr Geist verl\xE4\xDFt, was kann man erst in acht und vierzig Stunden, besonders zur Sommerszeit erwarten? Noch ist kein stinkender K\xF6rper lebendig begraben worden! Ich d\xE4chte, da\xDF die\xDF immer eine gr\xF6\xDFere Gei\xDFel des Staats sey, wenn seine Glieder durch Ansteckung verloren gehen, als wenn hundertj\xE4hrige M\xE4hrchen von Lebendigbegrabenen erz\xE4hltet werden, oder wenn es in zweyhundert Jahren einmal zur Wirklichkeit k\xF6mmt. Es k\xF6nnen aber f\xFCr beyde F\xE4lle Maa\xDFregeln angenommen werden, ohne da\xDF der Einflu\xDF eines oder des andern in das Wohl des Staats aufh\xF6ren wird.
Die \xFCbrigen Ausschl\xE4ge, welche in Ungern auch epidemisch herrschen, sind die Pocken, die Masern, das Scharlachfieber, die Schw\xE4mchen.
(439)
Pocken.*
Aberglaube, Vorurtheil, \xFCbertriebene Liebe der Eltern gegen ihre Kinder, Religion, wer weis woher! wars, ists, und wird es noch lange bleiben, — der erschreckliche Gedanke \xFCber die Inoculation der Pocken, welcher in ungrischen V\xE4tern, M\xFCttern, Taufpahten, und Anverwandtinnen sich herumtr\xE4gt. — Wir haben in Ungern gutartige sowohl, als b\xF6\xDFartige Pockenepidemien, je nachdem die Jahreszeit, die Lage der Oerter, oder die Witterung mehr oder weniger dazu beytr\xE4gt, und nachdem der K\xF6rper, den sie befallen, eine kachektische oder gute Leibesbeschaffenheit hat. Dem der Bewegungsgrund, welcher sich ausdiesem Unterschiede der Pockenepidemien herleiten l\xE4\xDFt, nicht hinreichend ist, der Pockeneinimpfung beyzupflichten; welchem so wenig daran gelegen ist, ob seine Kinder die eingeimpften Pocken zu der Zeit, da gutartige Blattern herrschen, besser ertragen; als zu einer andern, da sie durch die b\xF6sartigen dem Tode \xFCberliefert werden; dem kann der vern\xFCnftige Mann nie anders, als mitleidig mit dem Wunsche begegnen, da\xDF seine Augen bald m\xF6chten aufgethan werden, damit er besser f\xFCr seine Kinder sehe.
Noch haben die Inoculation in Ungern nur Aerzte an ihren eigenen Kindern unternommen, und vielleicht an einigen ihrer Herzensfreunden. Unstreitig ist
D. Reimann Physikus in
Eperies der ersten einer gewesen, welcher nichts dabey zu wagen \xFCberzeugt war, und sein eigenes Kind dieser damals so neuen Behandlung unterwarf. Es geschah dieses im Jahre 1717* um f\xFCnf Jahr fr\xFCher, als es in England geschah. Denn erst im Jahre 1722 lie\xDF die
Worthly Montague ihre Tochter derselben unterwerfen, wie wohl nicht mehr mit der Besorg-
*Variolae Nosolog.
**Lissoviny epitom. histor. variolarum. pag. 81.
(440)
ni\xDF, als man es ein Jahr vorher an sechs Gefangenen, die den Tod verwirkt hatten, aber doch zum Gl\xFCcke der Verurtheilten, unternahm.*
Und doch giebt es Inoculation in Ungern. Aber ohne Vorbereitung, und ohne es zu wissen, da\xDF auch die\xDF Inoculation sey. Man kauft die Blattern eben so, wie der gemeine Mann im Herzogthume Wallis, in Sachsen, Ost- und West - Gothland, es ist aber diese Art einzupropfen nicht immer zuverl\xE4\xDFig.**
Es ist hier der Platz nicht, an welchen ich als Vertheidiger der Inoculation auftreten k\xF6nnte. Dem haben
Tissot,
Rosen, und
Unzer genug gethan, wo sie diesen Stof wohl nicht gar ersch\xF6pften. Aber wehe jedem unserer vaterl\xE4ndischen Aerzte, welcher sich mit unsern Antiinoculisten zu weit einl\xE4\xDFt, ausgenommen, wenn es ihm gleich viel ist, ob man ihm Religion und Menschenliebe abspricht, oder nicht. —
Die Zwischenzeit der epidemischen R\xFCckkehr der Pocken in Ungern ist immer unbestimmt. Oft kommen sie nach einem Jahre wieder, oft aber auch nach zweyen, dreyen, und sieben Jahren.
Herr
D. Fuker+ hat Recht, wenn er auf dem Lande mehr gutartige Blattern findet, als in den St\xE4dten; ja er will sogar, da\xDF ihr Verlauf so gelinde sey, als solcher immer durch die Einpfropfung es werden k\xF6nne. Aber Witterung, vorher gegangene andere Epidemien, und eine \xFCble Leibesbeschaffenheit tragen dazu doch auch immer das Ihrige bey. Es mu\xDF daher nohtwendig die Frage des Herrn
D. Lischoviny++ entstehen: ob die Blattern in unserm Vaterlande gelinder, als in andern L\xE4ndern sind? Er antwortet: "Die Jahrb\xFCcher der ungrischen Pockenepidemien sind gar nicht betr\xE4chtlich.
*Rosen von Rosenstein von der Pockeinpfropfung.
**Rosen von Rosenstein und Murray.
+In seinem oft erw\xE4hnten Schediasma S. 66.
++ S. 76 der schon bemeldten Hist. variol.
(441)
Sollte wohl die\xDF ein Beweis f\xFCr die Gutartigkeit unserer Blattern seyn k\xF6nnen? -
Fischer hat wenig b\xF6sartige unter den Einwohnern an dem Karpathischen Gebirge gesehen; aber auch Fischer sah zu
Iglo \xFCber dreyhundert an den Blattern zu Grunde gehen, und in der
Sch\xE1roscher Gespanschaft hat eben derselbe beobachtet, da\xDF kaum der halbe Theil der Kranken am Leben geblieben ist. — Die Menge der Todten von eilf Jahren in
Debretzin, betr\xE4gt den achten Theil solcher, welche durch die Blattern umkamen.* Was das f\xFCr eine Niederlage ist! Da doch in London die gr\xF6\xDFte Niederlage nur den zw\xF6lften Theil ausmachte.** Oft hat sie auch
Marikow\xDFky in dem benachbarten
Slawonien b\xF6sartig gefunden.+
Es giebt also in Ungern b\xF6sartige und gutartige Pockenepidemien. Nebst diesem giebt es aber auch alle andere Gattungen der \xE4chten und Afterpocken. Alle haben ihre ungrische Benennung: z.B. Fatty\xFA-Himl\xF6, die Afterpocken; Vizes-Himl\xF6, B\xE1r\xE1ny-Himl\xF6, die Wasserpocken; \xD6szveforrott-Himl\xF6, zusammenflie\xDFende Blattern; \xD6szve-ragad'tt-Himl\xF6, aneinander h\xE4ngende Blattern ; Kristalyforma-Himl\xF6, krystallinische; H\xFCvelykes, schottichte, und Sz\xF6m\xF6lts\xF6s-Himl\xF6, warzichte Blattern, u. a. m.
Das Recht die Blattern zu heilen, beh\xE4lt sich das weibliche Geschlecht noch in Ungern vor. So lange man in der Heilmethode so verf\xE4hrt, wie die Einwohner in der
Arver Gespanschaft, da ist es noch immer ertr\xE4glich. Denn ihre Behandlung ist k\xFChlend, ihre Arzney ist saure und s\xFC\xDFe Milch. Vor dem Ausbruche der Blattern geben sie ihren Kranken frisches Wasser, und nachher Mol-
*Ab Anno 1759-1769 inclus. mortui 9769: ex his decessere variolis 1238. Anno 1766 -67 Debretzini frequentes fuerunt Carbuneuli, regnante epidemia variolosa cum funestissimo eventu. Weszpr\xE9mi.
**Henslers Briefe \xFCber das Blatterbelzen. II. Th. S. 388.
+Ephemerid. Syrmienses. Vondob. 1767.
(442)
ken, oder Milch, womit sie noch ein laues Bad vom blossen Wasser verbinden.* Aber wie betr\xFCbt ist es dann, wenn
Gensels** Sage wahr wird, wenn die Absichten des Wohlwollens und der Gutherzigkeit der weiblichen Aerzte im Tode vereitelt da liegen.
Unter die ungrischen Afterkuren der Pocken geh\xF6ret vor allen andern: das Erpressen der Kranken, und jede zu erw\xE4rmende Behandlung; dann die Verweigerung der frischen Luft; eine unn\xF6htige Sorge f\xFCr die Augen, wo darnach oft langwierige Entz\xFCndungen erfolgen; das Gurgeln im Halse; Pflaster, und andere Qwacksalbereyen um die Eiterung zu forciren, wohin man auch das Einschmieren mit ranzichtem Eyer\xF6le zur Verh\xFCtung der Narben rechnen mu\xDF; das unvorsichtige Er\xF6ffnen der Pocken, das Zutrauen zu dem Linsenwasser; selten Antispasmodikum, aber desto mehr Markgrafenpulver und Krebsaugen u. d, m. Dawider sollen ganze Heere von
Haens,
Lentins,
Ludwigs, und
Unzers Anh\xE4ngern auftreten, so werden sie doch nur selten durchdringen.
Masern.***
Von der Einpfropfung derselben weis man in Ungern noch gar nichts, Vermuhtlich hat die B\xF6sartigkeit der Masern einen
Home dazu angetrieben, da\xDF er 1759 die Inoculation in Schottland bekannt machte; in Ungern lie\xDFen uns meistens gutartige Epidemien darum unbek\xFCmmert seyn.
Nichts destoweniger fehlt es uns doch nicht an betr\xFCbten Beyspielen, absonderlich wenn sie sich mit den Pocken vereinigen, oder wenn das Subjekt von
*Fischer bey Lischoviny, — Es ist also diese Verfahlungsart so neu nicht mehr.
**Anno 1711 variolae et morbilli mense Iunio invalescebant, aliquibus etiam funestae, illis praeprimis, quos vetulae curabant. Constitut. epidem. inf. Hung. in Ephem. nat. cur. Append. p. I. An. VII. VIII.
*** Rubeola Sauvagesii, sebris morbillosa Hofman: morbilli Iunkeri.
(443)
einer \xFCbeln Leibesbeschaffenheit ohnehin ist, oder wie es
Gensel 1711 bemerkt hat, wenn die Kranken schlecht behandelt werden. Vielleicht aber hat man auch oft b\xF6sartige Masern in Vergleichung der b\xF6sartigen Pocken, die die\xDF immer in h\xF6hern Grade sind, als gutartige angesehen, und daher aus der Verwandtschaft dieser zwoen Krankheiten Gelegenheit genommen, sich von der Gutartigkeit der ungrischen Masern zu \xFCberreden. Abzehrungen, Heischerkeit, fl\xFCssige Augen, Dr\xFCsengeschw\xFClste, bald fr\xFCher oder sp\xE4ter nach der Uiberstehung, - Leichen, - alles das entspricht meiner Vermuhtung. Doch nie nach Pockenart, daf\xFCr aber auch die Masern immer eine gelindere Krankheit sind, und sie w\xFCrden die\xDF noch mehr seyn, wenn man von der M\xF6glichkeit ihrer B\xF6sartigkeit mehr \xFCberzeugt w\xE4re.
Scharlachfieber.*
Es ist auch dieses Fieber in Ungern gutartig** sowohl, als b\xF6sartig.+ Gutartig herrschte es 1779 in
Modern, einer K\xF6nigl. Freystadt in der
Pressburger Gespanschaft. Die Leichen, welche diese Epidemie machte, waren dem Todtengr\xE4ber wenig ertr\xE4glich. Ihr Verlauf war derjenige, wie wir ihn in vielen Schriften,
Sydenhams z.B. aufgezeichnet finden. Aber noch lie\xDF uns die Vorsicht keine b\xF6sartige Epidemie dieses im Grunde pestilenzialischen Fiebers empfinden. Vielleicht doch, nur da\xDF es von unsern Aerzten unaufgezeichnet blieb, oder da\xDF ich das Gem\xE4lde davon nicht zu Gesichte bekam. Sollte es denn m\xF6glich seyn, da\xDF das Groteskeste von allen Krankheiten so einzeln zerstreut, oder gar verborgen bleiben k\xF6nnte? Sporadisch habe ichs an einem zehnj\xE4hri-
* Scarlatina Nosolog.
** Scarlatina beninga; scarlatina Sydenhami.
+Tissoti Esquinancie: avis au people \xA7. 117 Scarlatina anginosa Sauvag.
(444)
gen Knaben gesehn. Die Heftigkeit war so gro\xDF, da\xDF der Kranke den vierten Tag starb. Der erste Anfall war mit den gew\xF6hnlichsten Fieberzuf\xE4llen, und mit Halswehe begleitet, die Hitze nahm von Stund zu Stunde zu, und war immer mit der \xE4u\xDFersten Trockenheit verbunden. Den zweyten Tag Abends konnte der Kranke nicht mehr schlucken, den dritten Tag brachen die Flecken aus, und erhielten sich auf der Oberfl\xE4che der Haut bis an die zwo letzten Stunden vor dem Tode. W\xE4hrend dem Ausbruche der Flecken stellte sich das Irrereden und Herumwerfen ein, und dauerte eben auch bis zum Tode, da aber noch das M\xFCckenfangen vorher gieng. Der Harn war die ganze Zeit durch feurig, der Puls bis an den vierten Tag sehr geschwind, stark und voll; da aber die St\xE4rke und V\xF6lle desselben nachlie\xDF, hat sich statt diesen ein kleiner schwacher, und ausbleibender eingefunden. Es wurde zweymal die Ader ge\xF6fnet, und da ich merkte, da\xDF der Puls sinken wollte, lie\xDF ich lasenpflaster auf die Waden legen, welche aber kaum eine R\xF6hte der Haut verursachet haben. Die Geschwulst des Halses war gr\xF6\xDFtentheils innerlich, nur wenig hat man sie an den \xE4u\xDFern Theilen bemerken k\xF6nnen. Dabey lie\xDF ich es nie an erweichenden Umschl\xE4gen und an Sinapisinen im Nacken mangeln. Die Rinde lie\xDF ich durch Klystiere beybringen, durch den Schlund aber vermochte der Kranke weder Arzney, noch Getr\xE4nke zu sich zu nehmen, denn da ich zuerst geruffen ward, war die Unm\xF6glichkeit des Schluckens schon vorhanden. Nach dem Tode wurde der ganze K\xF6rper gr\xFCn und blau. Der Chyrurg, und zwey von den Umstehenden sind bald darauf mit Halswehe jedoch ohne \xFCbeln Folgen, befallen worden.
(445)
Schw\xE4mchen.*
Ich kenne keine Epidemie davon. Wohl aber kenne ich sie als einen Zufall bey vielen epidemischen Krankheiten, wie bey den Ruhren, faulen Fiebern, Lungenentz\xFCndungen u. d. m. auch bey sporadischen und langwierigen; wie bey der Lungensucht, dem
Friesel** dem Mutterkrebse, und der Lustseuche.
Unter den S\xE4uglingen+ find sie bey uns nichts Neues, und entstehen gemeiniglich aus den gew\xF6hnlichen Ursachen.++ Unsere Deutschen hei\xDFen es den Mehlhund, welchem sie mit wei\xDFen aufgel\xF6\xDFten Vitriol so lange begegnen, so lange keine B\xF6sartigkeit dazu schl\xE4gt, welches aber auch selten geschieht.
Unter die Ausschlagfieber rechnet man auch das Frieselfieber, den
Rohtlauf, und das Blasenfieber. Dieses letzte ist fast unbekannt, der Friesel nach der vorhergehenden Note nicht epidemisch, der Rohtlauf aber allgemein, besonders bey dem weiblichen Geschlechte, doch aber auch ohne einem epidemischen Merkmaale. Selten kuriren solchen Aerzte. Die so genannte Elisabethinerkugel, die aus Bleyweis und Kampher bestehet, ist das gemeinste Mittel, welches \xE4usserlich gebrauchet wird. Daher aber auch die so gew\xF6hnliche Wiederkehr dieses Fiebers. Nebst diesen giebt es noch verschiedene Volksmittel. Der unz\xE4hligen Anh\xE4ngsel gar nicht zu gedenken, will ich nur zweye anf\xFChren. Das eine ist ein lebendiger Krebs, welchen man auf die Geschwulst bindet, und ihn so lange, bis er stirbt, darauf l\xE4\xDFt; das andere ist zusammengesetzter: man nimmt einen gl\xFChenden Ziegel, in welchen man vorher
*Nosolog. Aphthae.
**Es mag der Friesel in andern L\xE4ndern immer epidemisch seyn, in Ungern ist ers nicht, ausgenommen man wollte ihn blos darum dazu machen, weil solcher manchmal ein Zufall der epidemischen Krankheiten ist.
+Rosen von den Kinderkrankheiten, im 9. Abschnitt.
++Aphtha lactucimen Sauvag.
(446)
eine Grube gemacht hat; dann stellt sich der Kranke mit dem Ziegel unter eine Decke, tr\xF6pfelt Terpentin\xF6l in die bemeldte Grube des Ziegels, und r\xE4uchert sich so gut, als er es vertragen kann, damit aus. Es hilft, und der Rohtlauf k\xF6mmt doch bald wieder.
Es giebt au\xDFer diesen Ausschlagfiebern in Ungern noch viele andere Gattungen der anhaltenden und nachlassenden Fieber,* die in den meisten der schon allgemein bekannten Gestalten erscheinen, und in Absicht auf Ungern keinen besondern oder au\xDFerordentlichen Gegenstand ausmachen, daher ich sie auch unbemerkt lassen will.
Wechselfieber.**
Diese entstehen in Ungern eben so wenig, als sonst irgendwo vom Obste. Ich will dabey dem unreifen Obste seinen Einflu\xDF auf die kalten Fieber nicht absprechen, besonders wenn schon Anlagen vorhanden sind. Ungern ist dieserwegen freylich verschryen; aber warum mu\xDF denn die\xDF vom ganzen Lande gelten? In den Pl\xE4nen sind diese Fieber j\xE4hrlich zweymal gewi\xDF, wenn nicht \xF6fter, epidemisch, - bald gut - bald b\xF6sartig; m\xFC\xDFen sie's aber darum in erh\xF6hten Gegenden auch seyn? Das sind sie nicht, oder sie sind es um viel seltener. Sporadisch sind sie in ganz Europa, Ungern mit begriffen, zerstreuet — also auch hier kein Bissen f\xFCr die Liebhaber des Sonderbaren. Sollten sie sich aber mit dem Sonderbaren der Volkskuren begn\xFCgen lassen wollen, so will ich sie bald beruhigen.
Man sieht in Ungern t\xE4gliche, dreyt\xE4gige, viert\xE4gige Wechselfieber, und diese einfach, doppelt, und verdoppelt; auch unordentliche: alle mit unendlich abwechselnden und verschiedenen Zuf\xE4llen, so da\xDF auch zehn Epochen
*Ephemera, Synocha, Sinochus Galeni, Typhus Hyppocratis, Hectica Galeni, Amphimerina, Tritaeophya, Tetartophia etc. Nosolog.
**Nosolog. intermittentes.
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zehn verschiedene Wechselfieberarten geb\xE4hren, deren, nach den Zuf\xE4llen verglichen, keine der andern gleich sieht. Die gew\xF6hnlichsten sind die drey- und viert\xE4gigen, und, wie allgemein gew\xF6hnlich, im Herbste immer hartn\xE4ckiger und gallichter, als zu einer andern Jahreszeit.
Volkskuren. Mehr als der halbe Theil der Febricitanten wird abrakadabrisirt. Andere werden in Gottes Namen angesprochen, weiter nichts, und damit soll es gut seyn. Andere setzen ihr Vertrauen in Anh\xE4ngsel, wo allerhand Saamen, Wurzeln, — Alraunwurzel, — geistliche Bilder, mystische Karaktere, oder alle drey Reiche der Natur vern\xE4ht sind. Wieder andere exorzisiren das Fieber, - und dergleichen gutherzigen Aberglauben mehr, wie es solchen in Europa immer unz\xE4hliger, als in andern Welttheilen giebt.
Brandwein mit Pfeffer vor dem Paroxismus verschluckt, — und das gewi\xDF eine t\xFCchtige Gabe, — ist die wahre Nationalkur. Aber nicht nur allein in Wechselfiebern, auch in Durchf\xE4llen, R\xFChren, Gallen- und andern Fiebern. Eine Erkl\xE4rung hier\xFCber, w\xFCrde sie wohl den P\xF6bel bessern? Dieser liest ja das ungrische Magazin nicht; und eine Erkl\xE4rung f\xFCr den Kenner w\xFCrde mich so sehr besch\xE4men, als die\xDF immer eine Erkl\xE4rung \xFCber die M\xF6glichkeit des Todes bey einer Herabst\xFCrzung von dem steilsten Felsen, thun k\xF6nnte.
Es giebt keine Ortschaft in allen Welttheilen, besonders in Europa, welche nicht bew\xE4hrte Wundertropfen, oder andere Medikamentalformen f\xFCr das Fieber ausg\xE4be; und Ungern sollte davon ausgenommen seyn? Da\xDF doch die Nationen nicht lieber Verstand, als Wahnsinn unter sich gemein haben? Arsenick innerlich zu gebrauchen, ist doch immer Wahnsinn genug; dazu fehlt es auch in Ungern an Qwacksalbern nicht. Aber haben ihn nicht schon ansehnliche M\xE4nner empfohlen, und als ein h\xF6chstwohlth\xE4tiges Medikament angepriesen? Wehe denen, die sich durch sie bel\xFCgen lassen, sie werden bald dem Tode
(448)
mit verzweiflungsvoller Sehnsucht entgegen sehn, der gewi\xDF darauf erfolgen, und die traurige Scene ihres Lebens schlie\xDFen wird! * Schade, da\xDF wir in Ungern ein Gesetz haben, welches den \xF6ffentlichen Verkauf des Arsenicks, und anderer Gifte, z. B. der Koloqwinten, des Mohnsafts, des Sublimats, und noch anderer sehr hefftig wirkender Arzneymittel, verbietet: ich habe noch wenig Befolgung desselben angetroffen, worunter wohl aber auch niemand \xFCbler, als der Arme daran ist, der, anstatt sich das Leben mit geringen Kosten zu erkaufen, gewi\xDF einen wohlfeilen Tod dahin stirbt. Au\xDFer dem Arsenick hat man unendlich vielerley Gattungen von Fiebertropfen, welche gr\xF6\xDFtentheils aus Myrrhen, Safran, Aloe, Lerchenschwamm, Jalappe, bittern Wurzeln und Kr\xE4utern, und Brandwein bestehet, und alle Fieber, sie m\xF6gen Namen haben wie sie wollen, werden damit best\xFCrmet.
Aber die
China, auch aus den H\xE4nden des vern\xFCnftigsten Arztes, wird von unserm P\xF6bel gef\xE4hrlicher angesehen, als jedes andere Gift von Aerzten in den H\xE4nden des P\xF6bels. Der blosse Name ersch\xFCttert schon, man l\xE4\xDFt sich die Besorgni\xDF, da\xDF sie nicht wieder aus den K\xF6rper k\xF6nne getrieben werden, Geschw\xFClste, Verh\xE4rtungen, und Wassersuchten tr\xE4umen. Aber warum m\xFC\xDFen selbst Aerzte diese Narrheiten n\xE4hren; man giebt Laxative , und dann das Visceralelixir, ohne die wahre Absicht dem Krankelt zu sagen: man macht ihn dabey wei\xDF, es m\xFC\xDFe die China abgef\xFChrt werden.
Endlich ganz besondere Fieber in Ungern. Die sind Tr\xE4ume von Leuten, die nichts weniger als Aerzte sind; oder von Aerzten selbst, welche au\xDFer dem selbst Gesehenen weiter nichts wissen, denen alles was sie noch nicht gesehen, neu und sonderbar vork\xF6mmt: sie haben selbst grosse Erfahrung, aber die Erfahrungen, welche
*Frigens medicinische Annalen. l. B. S. 319.
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andere grosse M\xE4nner ausgezeichnet haben, blieben ihnen verborgen.*
Entz\xFCndungen.
Ich habe die Lungenentz\xFCndungen—worunter ich auch das Seitenstechen verstanden haben will — die Br\xE4unen, dieKolicken, und entz\xFCndungsartige Ruhren im Abschnitte \xFCber die Gewohnheiten in Ungern S. 287. 292. schon gefolgert. Es sind diese die gew\xF6hnlichsten. Der Sonnenstich** bey uns ist eine Seltenheit. Hirnentz\xFCndungen zeigen sich zwar hin und wieder, aber gr\xF6\xDFtentheils nur als Zuf\xE4lle.
Au\xDFer diesen gew\xF6hnlichsten Entz\xFCndungen werden die Ungern nicht selten von Ohren - Augen - rheumatischen Leber-Milz - Nieren- Ged\xE4rmentz\xFCndungen befallen. Seltener zeigen sich Zwergfell - Magen-Netz-Mutter-und andere Entz\xFCndungen. Aber
sind nicht alle diese in den praktischen Jahrb\xFCchern von allen Welttheilen, seltener als die vorigen? Die Lage der leidenden Theile, und die Wuht der Menschen, in solche ist sich \xFCberall gleich.
*Fuker
**Die Ausnahme, zu welcher hier au\xDFerordentliche Ph\xF6nomene Gelegenheit geben, vereitelt meine Bemerkung noch nicht. Die ungew\xF6hnliche Hitze, welche in den ersten Tagen des Heumonats dieses gegenw\xE4rtigen Jahres auf unsere Horizonte wirkte, verdient allerdings, als ein au\xDFerordentliches Beyspiel hier angemerkt zu werden. Erst den 9ten Nachmittag lie\xDF diese Hitzperiode merklich nach. Die ganze Zeit fiel der Fahrenheitische Thermometer nie bis zu den 100ten Grade. Der h\xF6chste Grad war der 105te und best\xE4ndig war Windstille; den 6ten dieses ausgenommen, da ein Sturm ausbrach, aber auch nur etliche Stunden w\xE4hrte; die vorige Hitze kam dann wieder. Es fielen dabey viele Leute auf dem Felde pl\xF6tzlich tod und halbtod hin. Im Jahr 1775 war die Hitze bey uns gewi\xDF gro\xDF , und doch war der h\xF6chste Grad nur der 90te. Und \xFCberhaupt haben wir heuer besondere Witterung und besondere Krankheiten.
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Soll ich etwann auch hier Mi\xDFbr\xE4uche entdecken? Das sind sie ja ohnehin. Der Mensch \xFCberhaupt ist von Natur geneigt, blindlings in sein eigenes Eingeweide zu w\xFCten, und der gr\xF6\xDFte Hauffe ist \xFCberall durch Vorurtheile gegen die Stimme der Vernunft bet\xE4ubt. Wer diese Wahrheit immer vor Augen hat, der wird nichts mehr als Ungereimtheiten entdecken, unter welchen die Halsstarrigkeit gegen die Aderl\xE4\xDFe und erweichenden Mittel , und die g\xE4nzliche Ergebung alles dessen, was dem gemeinem Tone nach St\xE4rkung hei\xDFt, die ersten sind.
Widernat\xFCrliche Ausleerungen.
Die Ruhren, Gallenruhren, und Durchf\xE4lle sind auf dem Lande die gew\xF6hnlichsten; davon giebt es fast j\xE4hrlich Epidemien. Es verh\xE4lt sich aber auch in den St\xE4dten nicht anders, nur mit dem Unterschiede, da\xDF sie sich immer in einer zahlreichen Gesellschaft anderer Ausleerungen befinden. Diese sind Lienterie, Nasenbluten, Blutspeyen, Blutbrechen; goldene Ader, kolliquative und n\xE4chtliche Schwei\xDFe, Harnflu\xDF, und widernat\xFCrliche Ausleerungen bey dem weiblichen Geschlechte. Alle nach einem bald bestimmten, bald unbestimmten Ursachenregister.*
Seltener ereignet sich der schwarze Bauchflu\xDF, und der Leberflu\xDF.
Schmerzhafte Krankheiten.
Die Gicht, das Podagra, chronische Rheumatismen, Lendenweh, H\xFCftweh, Kopfschmerzen,und wie sie noch weiter von den Nosologen hererz\xE4hlet werden, sind ohne Ausnahme, in Ungern nur allzubekannt. Es hat aber auch jeder Schmerz sein eigenes sympatheti-
* Man vergleiche damit die Nahrungsmittel und die Gewohnheiten.
(451)
sches Mittel, seine besondere Salbe, Rauchen, und dergleichen Viehhirtenkuren mehr.
Krampfartige Krankheiten.
Der Tetanus oder Todtenkrampf, die Starrsucht, die Mundsperre, die heilige Krankheit,* sind uns fast unbekannt. Daf\xFCr aber giebt es wenig andere Krankheiten, welche nicht von Zuckungen als Zuf\xE4llen begleitet w\xFCrden. Die periodische fallende Sucht \xE4u\xDFert sich bey Erwachsenen nicht selten, aber doch nicht allgemein; die nicht periodische** hingegen bey Kindern, fast als ein best\xE4ndiger Zufall der gew\xF6hnlichen Kinderkrankheiten. Aber alles dieses in
St\xE4dten mehr, als auf dem Lande. So ist die hysterische Krankheit bey unserm st\xE4dtischen Frauenzimmer schon mehr Temperament, — die heftigern Anf\xE4lle davon ausgenommen, — als Krankheit, wor\xFCber ich mich bey Gelegenheit, da ich von den Gewohnheiten geredet habe, schon erkl\xE4rte.
Die Wasserscheue, welche
Macbride nicht unrecht unter die Nervenkrankheiten rechnet, ist zweyerley. Die eine, welche von selbst entstehet, und die andere, welche auf den tollen Hundsbi\xDF erfolget. Die erste Art ist selten in Ungern, ich habe sie nur einmal an einer hysterischen Person beobachtet, welche so oft sie Wasser zu sich nahm, Zuckungen bekommen hatte, die nicht anders, als durch Wein, oder schwarzen Kaffes ged\xE4mpfet werden konnte. Das hei\xDF ich Idiosynkrasie, wenn es jemanden nicht belieben
sollte, es eine Krankheit zu nennen! An Hunden fehlt es Ungern nicht, und davon werden oft manche toll. Man hat daher ein bew\xE4hrtes Mittel daf\xFCr f\xFCr das ganze Land drucken lassen. Es ist das so theuer erkaufte, und von dem K\xF6nigl. Preu\xDFischen Ober-
*Hieranosos Cullenii.
**Ecslampsia Nosolo. Rosens von Rosenstein Zuckungen und Jammer der Kinder.
(452)
kollegio Medico in Berlin 1777 bekannt gemachte Mittel. Die Art, wie es zusammengesetzt ist, schmeckt laut nach Scharlatanerie. „Sollte man nicht Theriak genug haben , so nimmt man statt desselben Hollundermu\xDF." Wenig Bedenklichkeit bey so einem Unterschiede von Arzneymitteln, die so viele hundert Jahre schon, nie eines f\xFCr das andere Dienste thaten. Herr
Hofraht Fritze machte Versuche damit, und nun warnet er f\xFCr den Gebrauch desselben. Er hat befunden, da\xDF nur die von gen\xE4ckten oder zornigen Hunden Gebissene, davon kamen, und sonst keiner.*
Schwachheiten.
Die ganze Klasse derselben, sie m\xF6gen Schlagfl\xFCsse, L\xE4hmungen, oder Ohnm\xE4chten hei\xDFen, sind \xFCberhaupt entweder in einer vorhergegangenen Krankheit, oder in einer schon gegenw\xE4rtigen gegr\xFCndet. Selten machen sie eine Hauptkrankheit aus, ausgenommen nach ungef\xE4hren gewaltsamen Ursachen, welchen die Menschen auf dem ganzen Erdboden ausgesetzt sind, und daher nicht selten unterliegen m\xFC\xDFen.
Veklemmungen.
Alle Arten derselben leiden f\xFCr Ungern keine besondere Ausnahme. Da ihre Ursachen immer individuel sind, so k\xF6nnen sie auch nicht anders als sporadisch angesehen werden. Jedoch mu\xDF der Keichhusten bey Kindern hievon ausgenommen werden; denn auch in Ungern zeigt er sich nicht anders, als epidemisch, aber selten. Ich habe noch keine vielbedeutende Epidemie davon gesehen. Es lohnte sich aber der M\xFChe, da\xDF die, welche sie sonderbar gesehen haben, ihre Wahrnehmungen bekannt machten.
*Fritzens medicinische Annalen. S. 355.
(453)
Wahnsinn.
Die\xDF ist die Krankheit der innern Sinnen, welche die gr\xF6\xDFte Aufmerksamkeit verdienet. Da\xDF es unendliche Arten der Raserey g\xE4be,
best\xE4tiget sich auch in Ungern. Da der Grund dieser Verschiedenheit meistens im Temperamente liegt; da es zwar vier
Haupttemperamente, aber tausend und dar\xFCber, oder, wenn man will, eben so viel als Menschen sind, giebt; kann man es leicht einsehen, da\xDF des Wunderbaren da nicht zu viel sey. Es giebt \xFCberall geistliche und weltliche Narren; Prinzen, Selige, Verdammte, Besessene, Arme, Reiche, Todte, Neugebohrne, Verst\xFCmmelte, u. d. m. je nachdem ihre Nerven zuf\xE4llig oder nohtwendig, angebohren oder erworben, zu dieser oder jener Art von Narrheit gestimmt werden. Alzeit ist die \xFCberspannte Reitzbarkeit die n\xE4chste Ursache der Narrheiten \xFCberhaupt, und die durch die Leidenschaften verdorbene Einbildungskraft der Narrheiten ins besondere.
Ungestalten.
Am meisten kommen dem aus\xFCbenden Arzte unter die H\xE4nde: die D\xF6rrsucht, die englische Krankheit, die Bleich-und Gelbsucht, die Wassersucht, die Windsucht, der
Scharbock, die Kr\xE4tze, der Krebs, die Lustseuche, und die meisten Gattungen von diesen. Kr\xF6pfe giebt es bald in Pl\xE4nen, bald in Gebirgen; was wohl die Ursache dieser so besonders verschiedenen Erscheinung seyn mag? Selten werden sie kuriret. Denn das Bi\xDFchen verstellte Stimme, und die Ungestalt achtet der Bauer nicht; und der junge Bauernbursch freuet sich seines und seiner Dirne Kropfes.
Die englische Krankheit sehen unsere Weiber gemeiniglich f\xFCr Verrenkungen an, und schmieren die aufgeschwollenen Knochen so lange, bis vollkommene Ausw\xFCch-
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se entstehen, da\xDF selbst der Arzt nicht mehr helfen kann. Wenn diese Krankheit zuerst nach Ungern gekommen, weis ich nicht; in Deutschland zeigte sie sich zu Ende des vorigen Jahrhunderts, und von da mu\xDF sie bald hernach auch zu uns gekommen seyn. Vielleicht aber ist ihr Daseyn \xFCberhaupt \xE4lter, als es die Geschichte sagt. Denn die Gegenwart der Ursachen macht die Krankheiten entstehen, und das waren jene schon vor einigen Jahrhunderten. Da\xDF sie itzt geh\xE4ufter sind, das lasse ich immer gelten; Blattern, Masern, durch die Lustseuche und andere Krankheiten, welche die Ausschweifungen heut zu Tage gew\xF6hnlicher machen, entnervte Eltern , tragen sehr vieles, wo nicht gar das Meiste dazu bey. Die \xFCbrigen Ursachen sind so neu nicht, folglich kann es auch ihre Wirkung nicht seyn. Vervielf\xE4ltigen sich aber die Ursachen, so mu\xDF notwendigerweise ihre Wirkung ausgebreiteter, und im h\xF6hern Grade seyn. Und die\xDF glaube ich, ist das Wahrscheinlichste von dieser Geschichte. Benennung und erste Beschreibung einer Krankheit bedeutet weiter nichts, als da\xDF sich die Ursachen dazumal vervielf\xE4ltiget, folglich auch mehr Aufmerksamkeit auf sich gezogen haben. Die\xDF ist der gew\xF6hnlichste Gang der Entdeckungen. In Ungern ist diese Krankheit an feuchten Orten h\xE4ufiger, als an trockenen, mehr in St\xE4dten , als auf dem Lande, hefftiger in Pl\xE4nen, als in den Gebirgen, — aber das ist allgemein; es ist Natur der Krankheit, keine Seltenheit, — Wirkung, durch welche das Wesen der Krankheit bestimmt wird.
Bleichsuchten sind nur in St\xE4dten das Plurale, auf dem Lande aber fast gar ein unbekanntes Wort.
Umgekehrt verh\xE4lt sichs mit der Gelbsucht, welche seltener in St\xE4dten, als auf dem Lande herrscht. Doch nicht in dem entfernten Verh\xE4ltnisse, wie die Bleichsuchten. Der Grund dieses Unterschieds ist gar nicht verborgen, und l\xE4\xDFt sich auch von superficiellen Kennern aus der Verschiedenheit der Lebensart leicht erkl\xE4ren. Allezeit
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giebt die sitzende zur Bleichsucht, und die bewegende zur Gelbsucht mehr Anlage. Aber weniger hartn\xE4ckig k\xF6nnten beyde Arten dieser Suchten seyn, wenn des Abrakadabrisirens* dabey vergessen w\xFCrde.
Der Scharbock steckt in Ungern fast immer im Keime, und entwickelt sich selten. An feuchten Planen trift man diese Keime am meisten an: wie z. B. in der ganzen Gegend um den Neusiedler See. Uiber die Seltenheit der Entwicklung habe ich mich schon im Abschnitte \xFCber die Gewohnheiten erkl\xE4rt, da ich mit Schweinfleisch und Sauerkraut zu thun hatte. In gebirgichten Gegenden aber hat man fast gar keine Spuren davon.
Der Kr\xE4tze, so eckelhaft sie auch nur der Gedanke macht, mu\xDF ich doch auch gedenken. Sie ist doch immer ein Produkt der Bev\xF6lkerung eines Staats, und jeder Vorzug ist selten vollkommen, — sunt mala mixta bonis — immer vermehrt die anwachsende Menge der Menschen die Bed\xFCrfnisse, die Klassen des Volks, es mu\xDF da mehr Werkst\xE4tte f\xFCr die Befriedigung der Bed\xFCrfnisse geben, — und nicht alle sind rein. Uiberhaupt sind die Ursachen der Kr\xE4tze zu allgemein, als da\xDF man sie einem Lande allein auszeichnend zumuhten sollte.**
Aber die Lustseuche, — auch die sucht man nicht mehr in Ungern, — diese zeigt sich durchgehends in ihrer vollen Bl\xF6\xDFe. Ihrer verst\xFCmmelten Ritter viele d\xFCnken sich gro\xDF dabey, und \xFCberreden sich und andere, da\xDF man es als einen Beytrag zur Erfahrung und Kenntni\xDF der grossen Welt annehmen m\xFC\xDFe. Ich w\xFCnsche, da\xDF ich m\xF6chte gelogen haben. Aber man frage unsere Stutzer und Koquetten um das erste Recht in der grossen
*Ich verstehe es im weitl\xE4uftigen Verstande, — alle Anh\xE4ngsel und sympathetischen Kuren.
** Scabiem, Phtiriasin, et similia, morbos hungaricos esse, joculatores dicunt. Sed talia quoque, infantibus imprimis, saepissime obveniunt, non a climate, sed a sorditie hominum. Fuker.
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Welt aufzutreten, ob sie es nicht sogleich f\xFCr sich bejahen werden: und diese, sind es eben, — die \xE4rmsten — die ihre meiste Zeit mit Dekokt-und Pilleneinnehmen zubringen m\xFC\xDFen. Die\xDF sind die Fr\xFCchte, wenn sich unfl\xE4tige Menschen eines Landes, mit ihres Gleichen eines andern Landes vergesellschaften, und die\xDF glaube ich, ist auch der eigentliche Ursprung der Lustseuche in Ungern. Ob es nun Kriege, Wanderungen, oder Reisen ins Land gebracht haben, und wie es dabey zugegangen, dar\xFCber brauchen wir des Kopfbrechens wenig. Der Gang der Leidenschaften l\xE4\xDFt ja oft erst dann die steilen Wege erkennen, wenn man schon herabgest\xFCrzt ist.
Wichtelz\xF6pfe bel\xE4stigen den Nationalunger nie; da\xDF die Juden dazu geneigt sind, ist bekannt, und bey diesem Volke kommen sie auch in Ungern manchmal den Aerzten unter die H\xE4nde.
Bandwurm.
Dieser soll in Ungern eine der au\xDFerordentlichsten Seltenheiten seyn. So beliebt es Aerzten zu sagen, wenn sie zu einem Kranken kommen, welcher damit behaftet ist, Sie glauben durch diesen Weg zum Rufe des gro\xDFen Namens leichter zu kommen, als durch ein redliches Gest\xE4ndni\xDF. Damit man ja glauben soll, sie haben Wunder
gethan, wenn es dabey gegl\xFCckt; oder da\xDF man sie entschuldige, wenn die Prognostiken fehlschlagen. In Holland ist jeder zweyte, und in der Schwei\xDF jeder zehnte Mensch mit dem Bandwurms geplagt; in Finnland und Ru\xDFland ist er sehr h\xE4ufig. Da wird er mit Fischen verschluckt. * Mit diesen verglichen, ist er freylich in Ungern selten, aber noch nicht au\xDFerordentlich. In unsern Schweinen findet man ihn sehr oft, — Gelegenheit genug, um in den Menschen zu kommen. Ich habe seit vier Jahren f\xFCnf Beyspiele gesehen, von welchen ich drey
*Rosen, von den Kinderkrankheiten. S.444.
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unter meinen H\xE4nden gehabt habe. Ein Knabe, welcher die Abzehrung schon im h\xF6chsten Grade gehabt hat, als man mich geruffen, starb bald darauf. Jedoch giengen einige St\xFCcke von ihm ab. Das zweyte war ein Mann von ungef\xE4hr vierzig Jahren; es giengen gr\xF6\xDFere St\xFCcke von ihm, und w\xE4hrend der Bandwurmkur verfiel er in ein faules Fieber, \xFCberstand es aber gl\xFCcklich; und es ist nach diesem weder ein Bandwurm abgegangen, noch hat er die geringsten Zuf\xE4lle mehr davon versp\xFCret. Der dritte war ein Landmann, es giengen St\xFCcke von ihm, einige einer Elle lang, er hat sie aber selbst abgerissen, und ward zu fr\xFCh des Einnehmens satt.
Jedem dieser Kranken gab ich Zinnstaub und Theriak, und habe dabey
Alstons Wahrnehmung best\xE4tiget gefunden. Alle drey hatten den Bandwurm von der zwoten Art des
Linnee.* Viel gemeiner als dieser sind bey uns die Spring-und Spulw\xFCrmer, besonders bey Kindern. Der Beschreibung nach, soll es auch die Fasciola intestinalis geben, gesehen aber habe ich sie noch nicht.
Nichts weniger, als besondere, oder endemische Krankheiten.
Tsch\xF6m\xF6r bedeutet in der ungrischen Sprache so viel, als Eckel; und megtsch\xF6m\xF6rlent,*** oder einen Abscheu vor den Speisen bekommen, wenn man sich vorher den Magen \xFCberladen hat, ist eins. Diese Krankheit ist es eigentlich, welche mit ihrer Ursache, die bey dem Uiberflusse der Nahrungsmittel unm\xF6glich selten seyn kann, vielen so sonderbar vork\xF6mmt. Es ist nicht eine Krankheit, sondern eiye ganze Genealogie von Krank-
*Taenia vulgaris: oseulis lateralibus geminis. Lin. Lumbricus latus, Plater.
**Ts\xF6m\xF6r.
***Megts\xF6m\xF6rleni.
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heiten,* welche eine durch die andere entstehen; und wird die Ursache nicht bey Zeiten weggeschafft, so m\xFC\xDFen notwendiger Weise alle Krankheiten daraus entstehen, welche je ein praktischer Arzt nach Vernunft und Erfahrung herleiten konnte.** Und wie viel Krankheiten giebt es nicht, welche mit Eckel, Mattigkeit und Schauder anfangen; da hei\xDFt es alsobald, man habe den Tch\xF6m\xF6r. Die Knoten, welche man an der Wurzel der Hand dabey sich einbildet, sind Phantasie, denn bey einem jedem Fieberfroste ziehen sich die muskul\xF6sen Theile mehr zusammen, wo der Kurzsichtige sich gar leicht betriegen, und Knoten empfinden kann. Die Kur wird durch das Einreiben einer Salbe aus Knoblauch und Fett verrichtet: auch Knoblauch allein. Man schmieret damit sowohl die Wurzel der Hand, als auch den ganzen R\xFCckgrad, uyd der Nachdruck, mit welchem die\xDF geschiehst, ist nie ohne grosse Schmerzen; sodann mu\xDF sich der Kranke mit beyden H\xE4nden auf die Schultern eines t\xFCchtigen Kerls h\xE4ngen, um sich fast die Eingeweide heraus sch\xFCtteln zu lassen. Einige legen sich wohl gar auf den Bauch nieder, und lassen sich in dieser Absicht treten. Bey aller dieser Behandlung soll sich das Knycken der Knochen als ein besonders Ph\xF6nomen h\xF6ren lassen. Was doch das viel Sonderbares ist? Als ob nicht jeder ausgeruhte Knoche auch bey einem gesunden Menschen knacken k\xF6nnte! Und, wer weis nicht, da\xDF die K\xE4lte alle K\xF6rper zusammen ziehe? Hier ist der Fall der zusammen gezogenen Gelenke
*Dyspepsia Cullen, bentriculi functio idiopathice turbate per anorexiam, nauseam, vomitum, inflationem, ructum, ruminationem, cardialgiam, gastrodyniam et alvum plerumque adstrictam indicata.
**Cibi et potus si nimia copia peccant, nimis extenditur ventriculus, hic convulsione nata ora ejus comprimuntur, dilutio, digestio, contritio, separatio, expulsio horum prohibetur, inde dyspnoea; circuitus, nausea, cardialgia, vomitus, putrefactio, vertigo, confusio, cachexia, quae omnia vitia hic semel nata vix corriguntur in functionibus sequentibus, Boerhaave instit. med. \xA7. 756.
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durch den Fieberfrost, welcher ja allen Gattungen der Fieber gemein ist; was Wunder also, wenn ein unsausstehlisches Ersch\xFCttern aller Gelenke, den widernat\xFCrlichen Zusammenhang derselben, welchen sie durch die K\xE4lte erhielten, knackend st\xF6rt. Wie bey allen Empfindungen die Einbildung oft den Meister spielt, so l\xE4uft es auch bey dem Tsch\xF6m\xF6r nicht leer ab. Vollkommen gesunde Personen bilden sich oft ein, da\xDF sie diese Krankheit schon am Halse haben, wenn sie die schwere Luft, oder ein verborgener R\xFClpser dr\xFCckt. Diese k\xF6nnen sich immer nach der gew\xF6hnlichen impertinenten Weise kuriren lassen, sie werden gewi\xDF gesund davon. Aber sollte das Uibel wirklich von einer solchen Beschaffenheit seyn, wodurch alle Verrichtungen unsers K\xF6rpers gest\xF6rt worden sind, so m\xFC\xDFte man ja an Menschenverstande krank liegen, wenn man sie noch mehr st\xF6ren wollte. Die Wirkung h\xF6rt nur dann auf, wenn die Ursache gehoben ist, aber nicht wenn diese vervielf\xE4ltiget wird. F\xFCr die Qwelle der Geschichte dieser Krankheit mu\xDF ich Herrn
D. Fucker danken. Ich bin \xFCberzeugt, da\xDF er mehr Gelegenheit sie zu beobachten gehabt habe, als ich, denn die Gegenden, wo ich mich am meisten aufhielt, sind meistens von Deutschen bewohnt, und denen ist dieses Ebentheuer von Krankheitsgemischen g\xE4nzlich unbekannt.
Das Andenken des Strints ist heut zu Tage v\xF6llig erloschen. Herr
D. Fucker h\xE4tte gewi\xDF Meldung davon gethan, wenn es sich erhalten h\xE4tte. Ich habe den Strint blo\xDF wegen der Nachricht des D. Hain, welcher sie uns im vorigen Jahrhunderte aus Oberungern gab, anmerken wollen.
Selbst
Hain sah ihn f\xFCr nichts Sonderbares an. Den Strint, sagt er, f\xFChret mall immer im Munde, und jede Geschwulst oder Entz\xFCndung im Munde, Gaumen oder After hei\xDFt man so, ohne zu wissen, wo der Grund dieser Benennung herzuholen sey.*
*Oben erw\xE4hnte Misc. nat. cur. An. II. 1681. pag. 95.
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Nun, so sieht der Mensch in Ungern aus! Ich weis, da\xDF ich ihn nicht ganz geschildert habe. Ich \xFCbergieng das Allgemeine der Menschen - und Krankheitsgeschichte
mit Flei\xDF, um nicht schon bekannte Wahrheiten auf den Markt zu bringen. Das Sonderbare ber\xFChrte ich nur zum Theile, und ich sch\xE4me mich nicht, zu bekennen, vielleicht auch den gr\xF6\xDFten Theil davon nicht gewu\xDFt zu haben. Daf\xFCr aber stehen alle L\xFCcken jedem Forscher ger\xE4umig offen, und ich werde selbst forschend immer der Erg\xE4nzung mit Sehnsucht entgegen sehen!
Z. G. Hu\xDFty v.Ra\xDFynya
d. A. K. D.