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ZUM GESAMTINHALT
Ungrisches Magazin, Band 2, Heft 2, Text 17 (S. 253-259)
Hrsg. von
Karl Gottlieb Windisch
Pre\xDFburg,
L\xF6we, 1782
Autor:
Stephan Szal\xE1gy (\xFCbersetzt von
Paul Czindery)
Zuordnung: Religionsgeschichte
(P253)
17. Untersuchung \xFCber die Ismaeliter in Ungern.
von
Stephan Salagy.*
Cinamus, ein Schriftsteller des zw\xF6lften Jahrhunderts**, erw\xE4hnt der
Chalisier, eines mit den
*Auszug eines Schreibens an den Herausgeber - "Als mein vielgeliebter Freund und Z\xF6gling [der junge Paul Czindery von Nagy-Attad, ein J\xFCngling im 13ten Jahre, der sich mit grossem Eifer um gelehrte Kenntnisse bewirbt, und die sch\xF6nste Hoffnung blicken l\xE4\xDFt, da\xDF er zum Ruhme und zum Nutzen seines Vaterlandes gedeihen werde, gewisse gelehrte Anfragen las, erinnerte er sich alsobald, da\xDF die Frage \xFCber die Ismaeliter bereits in Stephani Salagy, De statu Ecclesiae Pannonicae Libro quatro (Quinque-Ecclesiis 1780) 4to S.328-333. sehr gr\xFCndlich untersucht sey, und \xE4u\xDFerte den Wunsch, solche f\xFCr das Ungrische Magaz. in das Deutsche \xFCbersetzen zu d\xFCrfen, dem ich mich umso weniger widersetzte, da des vortrefflichen Domherrn Salagy weit l\xE4ufigstes Werk bereits selten zu werden beginnt, und vlelleicht Wenige dergleichen Untersuchungen in demselben vermuhten. Ist Ihnen diese Arbeit anst\xE4ndig, so wird er einige andere \xE4hnliche St\xFCcke liefern. Die Note habe ich allenthalben berichtiget beygesetzet" - C.D.Bartsch
**Cinamus kam erst nach dem Kaiser Johann Komnenus, der im Jahre 1143, gestorben, zur Welt; sein Leben erstreckte sich wenigstens bis 1183, wo er bey der Belagerung von Lepandium zugegen war. Seine Geschichte besteht aus sechs B\xFCchern, wovon das erste ein kurzer Begriff von der Regierungsgeschichte des Kaisers Johann Komnenus ist, die \xFCbrigens behandeln die Historie des Kais. Manuel unter dem er lebte. —- S. Hambergers zuverl\xE4\xDFige Nachrichten von den vornehmsten Schriftstellern. Lemgo, 1764. IV. S.274. B.
(P254)
Dalmatiern verbundenen Volkes, und nennet sie Ungern, die keine Christen sind. Er schreibt von denselben* folgendes: „Einige R\xF6mische Kundschafter kehrten zu dem Kaiser — (Manuel Komnenus) - zur\xFCck, und berichteten, da\xDF auf dem entgegengesetzten Ufer des Flusses ein unz\xE4hlbares Kriegsheer (der Dalmatier) in Schlachtordnung versammelt sey; eines, das aus Eingebornen, und noch ein anderes, das aus Hilfstruppen bestehet, besonders aber aus Ungrischen Reitern und Chalisiern, die von denselben in der Religion verschieden sind; denn die Ungern haben das Christentum angenommen; diese hingegen leben noch iztt nach den Mosaischen, aber doch nicht nach den \xE4chten Gesetzen. Diese und die Pazinazer hinterbrachten sie, seyen mit ihnen verbunden. "— Und an einem andern Orte** „also gieng der Kaiser (von Zeugmenus) hinweg, und erbaute eine andere Burg, die er vielen Ungern, die er aus
Syrmien hatte kommen lassen, einr\xE4umte. Sie werden von denselben gew\xF6hnlich Chalisier genannt, und sind, wie oben gemeldet worden, von einer andern Religion, indem sie Meynungen wie die Perser haben. „
Durch dieses Zeugni\xDF des
Cinamus scheint mir, bleibe kein Zweifel \xFCbrig, da\xDF bey Syrmien, und in der an
Dalmatien gr\xE4nzenden Gegend, n\xE4mlich in
Slawonien, Ungrische V\xF6lker gew\xF6hnet haben, die noch im zw\xF6lften Jahrhunderte der christlichen Lehre unkundig waren. Diese Chalisier, glaube ich, seyen nicht Inl\xE4nder, sondern adoptirte Ungern gewesen, solche n\xE4mlich, welchen die Ungern das B\xFCrgerrecht gegeben, und ihre Sitten mitgetheilet
*S. Joanis Cinami Imperatorii Grammatiei Historiarum Libri VI. &c. Graece & Latine. Cum Notis Caroli Du Fresne, D. Du Cange &c. Parisiis 1670. fol. — Libr.III.N.VIII. S.61.
**In dem oben angef. Werke, Libr.V.N.XX.S.143.
(P255)
haben. Der
ungenannte Notarius des
K\xF6nigs Bela sagt* von dem
Toxus, dem Herzoge der Ungern: "Audita pietate ipsius, multi hospites confluebant ad eum ex diversis nationibus. Nam de terra Bular** venerunt quidam nobilissimi Domini cum magna multitudine Hismahelitarum, quorum nomine fuerunt Billa & Bocsu; quibus Dux per diversa loca Hungarorum condonavit terras & insuper castrum, quod dicitur Pest, in perpetuum concessit. Billa vero & frater ejus Bocsu, a quorum progenie Ethey descendit, inito consilio, de populo secumducto duas partes ad servitium praedicti castri concesserunt; tertiam vero partem suis posteris dimiserunt. Et epdem tempore de eadem regione venit quidam nobilissimus miles, nomine Heten, cui etiam Dux terras & alias possessiones non modicas condonavit." - Diese Stelle h\xE4tte einigen Kritikern darthun sollen, da\xDF diese Ungrischen Ismaeliter weder Juden, noch Sarazenen ihrer Herkunft nach gewesen seyen, dergleichen zu verschiedenen Zeiten des Wuchers halber nach Ungern gekommen; denn wer wird glauben, da\xDF J\xFCdische oder Sarazenische Handelsleute, zur Besatzung einer Burg gebraucht worden, oder sich auf dem Ackerbau gelegt h\xE4tten, wie der Notarius dieses von den Ismaeliter, schreibet, welche unter der Regierung des Herzogs Torus in grosser Anzahl in Ungern eingewandert, und sich festgesetzt haben? Da\xDF diese Ungrischen Ismaeliter keiner herumschweiffenden Leute gewesen seyen, welche in Zeltern wohnten, sondern da\xDF sie feste Sitze gehabt haben, d\xE4ucht mir, werde aus den Dekreten unserer K\xF6nige klar. Im Jahre 1092. fertigte der
Heilige Ladislaus f\xFCr die Ismaeliter dieses Dekret
*S. Anonymi Belae Notarii Cap.LVIII.S.38. in Schwandtneri Script. R.Hung.T.I.
**Dieses, meyne ich, sey das \xFCber der Donau gelegene Bulgarien, heut die Walachey. Salagy.
(P256)
aus*: De negotiatoribus, quos appelant Ismahelitas, si post baptismum ad legem suam antiquam per Circumcisionem rediisse inventi suerint, a sedibus suis separati ad alias villas removeantur. Illivero, qui inculpabiles per judicium apparuerint, in propriis sedibus aut aedibus remaneant. uiber eben dieselben ergieng vom K\xF6nige Koloman dieses Dekret**: "Si quis Ismahelitas in jejuno, seu in comesiione, porcinae carnis abstinentia, vel in ablutione, vel in quodlibet suae Secat facinore deprehenderit, Ismahelitae Regi deputentur, qui verso eos accusabit de substantia eorum partem accipiat." Weiter hei\xDFt es: "Unicuique villae Ismahelitarum Ecclesiam aedificare, de eadem villa dotem dare praecipimus, quae postquam aedificata fuerit, media pars villae Ismahelitarum emigret, ficque aut extrinsecus sedeant, aut quasi unius moris in domo: mater autem nobiscum una eademque Christi Ecclesia individua unanimiter consistat." Und endlich*** "Ismahelitarum autem nullus audeat filiam suam
jungere matrimonio alicujus de genere sua, sed nostra."
Es ist daher unstreitig, da\xDF die Ismaeliter keine Zelte, oder unst\xE4te Sitze, sondern ganze Dorfschaften (villas) und feste Wohnpl\xE4tze inne gehabt, und mit den Ungern sich gemeinschaftlich in der Ehe verbunden haben. Da\xDF diese Ismaeliter aber von eben dem Volke abstammen, von welchem der ungenannte Notar des K\xF6nigs Bela schreibt, sie w\xE4ren in grosser Anzahl unter dem Herzoge Toxus aus dem Lande
Bular nach Ungern \xFCbergegangen, scheint mir fast au\xDFer Zweifel, da ihnen der besagte Schriftsteller/ welcher dem K\xF6nige
Bela dem Ersten, der im Jahre 1061. die heilige Krone erhielt,
*S. Corpus Iuris Ungarici: Ladislai Regis Decret.L.I.Cap.IX.
**Ebendaselbst, Colomanni Reg. Decret.L.I.Cap.XLVI.
*** Ebendaselbst, Cap.XLVII.
(P257)
diente (wie solches
Katona * sehr einleuchtend beweiset,) eben diesen Namen giebt, den sie in den Dekreten unserer K\xF6nige f\xFChren, die vom n\xE4mlichen Jahrhunderte sind. Ferners: wie die K\xF6nigl. Dekrete melden, da\xDF die Ismaeliter in D\xF6rfern sich aufgehalten, so sagt auch derselbe, da\xDF der Herzog
Toxus ihnen Grundst\xFCcke, die Pestherburg, und andere nicht unbetr\xE4chtliche Wohnplatze einger\xE4umet habe. Und da eben dieser Schriftsteller berichtet, da\xDF zween Theile dieses Volks, welche neuerdings nach Ungern gekommen, zur Bewahrung der Pestherburg gebraucht worden seyen, so dient diesis zum Beweise, da\xDF die Ismaeliter auch zum Festungsdienste brauchbar gewesen. Diese Nation wird die Sitten der Ungern, in deren Lande sie wohnte, nach und nach so stark angenommen haben, da\xDF sie von denselben in nichts als in der Religion verschieden geblieben.
Und diese Ismaelite, meyne ich, seyen eben die Chalisier des
Cinamus, welche er Ungern nennt; denn die Chalisier bekannten sich, nach dessen Zeugnisse, zur Mosaischen Religionslehre; die Ismaeliter aber hatten auch die Beschneidung, die Enthaltung vom Schweinfleische, und die Reinigungen, welche nach dem Mosaischen Gebote sind, beobachtet, wie es in den angef\xFChrten Dekreten der K\xF6nige Ladislaus und Kolomans lautet. Und weil die Chalisier, wie Cinamus sagt, zwar nach den Mosaischen Geboten, aber nicht nach den \xE4chten, sondern nach falschen Gesetzen lebten, so haben sie die Ungern, welche Lateinisch redeten , nicht Juden (Judaei) welche in gerader Linie von Abrahams Weibe abstammten, sondern Ismaeliter genennt; gleichsam uneigentliche Juden von Ismael, der aus der Magd gebohren worden, — nicht zwar wegen ihrer eigentlichen Herkunft, sondern wegen ihrer falschen Beobachtung des Mosaischen Gesetzes.
Da\xDF
*S. St. Katona historia critica primorum Hungariae Ducum. Pestini 1778. Svo. S.7.
(P258)
dieses Volk, welches bey, den Ungern in der lateinischen Sprache unter dem Namen der Ismaeliter bekannt war, sonst allgemein (vulgo) Chalisier genannt worden, schreibt
Cinamus, folglich m\xFC\xDFen sie in Ungrischer Sprache also gehei\xDFen haben. Wie wenn der Grieche diesen Namen etwa aus dem Ungrischen Worte
Kalaiz herausgebracht h\xE4tte, womit heutzutage gewisse herumschweiffende Leute bezeichnet werden, weiche Pfannen, Tiegel und andere dergleichen Geschirre ausflicken? - Die Illyrier, welche in Syrmien wohnen, nennen Calagier diejenigen, welche in St\xE4dten und D\xF6rfern Buden halten, und verschiedene Kleinigkeiten verkaufen, und die fast allgemein Rascischen oder Bulgarischen Ursprunges sind; den n\xE4mlichen Namen geben sie auch den Pfannen - und Hafenflickern, und daher scheint mir eben das Ungrische Kalaiz zu stammen. Vielleicht war es diesem Volke, welches, wie es aus dem Dekrete des K\xF6nigs Ladislaus erhellet, zum Handel geneigt war, eigen, durch dergleichen Erwerbungsmittel sich zu erhalten, woher die Ungern dem ganzen Volke diesen Namen beygelegt, wie die Kroaten die Dalmatier gew\xF6hnlich Salzh\xE4ndler (Szol\xE1r) nennen, weil viele mit Meersalz nach Kroatien handeln. Auch in Ungern werden in den meisten Komitatern die Slowaken gemeiniglich Leinwand -— ( Gyoltsos T\xF3t) Safran— (S\xE1fr\xE1nyos T\xF3t) oder Oelhandler — (Olajos T\xF3t) genennet, weil sie mit Oel, Safran oder Leinwand handeln. Endlich sagt auch Cinamus, die Chalisier h\xE4tten im Kriege gedient, welches mit der Angade des Anonymus \xFCbereinstimmt, da, nach dessen Zeugnisse die Ismaeliter auch zur Bewachung der Pestherburg bestimmt gewesen sind.
Durch dieses Bishergesagte hoffe ich, da\xDF die Ungrischen Geschichtforscher fernerhin die in unsern Gesetzen erw\xE4hnten Ismaeliter nicht mehr weder f\xFCr T\xFCrken, Juden, Sarazener, nach was weis ich f\xFCr andere herumschweifende Leute ausgehen werden; denn alle diese
(P259)
Nationen waren dem
Cinamus bekannt; er h\xE4tte die Chalisier also mit einem von diesen Namen beleget, wenn ihnen einer davon zugestanden w\xE4re, und h\xE4tte sie nicht Ungern genannt, was auch unsere Landesleute gethan h\xE4tten, da auch ihnen diese Namen nicht unbekannt seyn konnten. Der
Heil. Ladislaus nach dem Dekrete, welches er f\xFCr die Ismaeliter gemacht hat, unterscheidet sie deutlich von den Juden, indem er in dem folgenden Kapitel sagt: "Si Judaei &c. — Auch
Andreas der Zweyte unterscheidet die Juden von den Ismaelitern also:* "Comites & Camerarii monetarum, Salinarii & Tributarii Nobiles Regni nostri sint. Ismaelitae & Judaei fieri non possunt."
*Ebendaselbst, andreae Reg. Decret. Art.XXIV