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Neues Ungrisches Magazin

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Autor: Johann Seivert
Zuordnung: Geschichte

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XVII. Ob die Siebenbürgischen Sachsen Nachkommen der alten Dazier sind?

Hätte auch ein Dämon die Sächsische Völkerschaft durch unterirdische Wege nach Siebenbürgen geführt: so könnten die Meynungen der Geschichtschreiber, so gar unserer eigenen, von ihrem Ursprunge kaum ungewisser und mehr verschieden seyn. Einige bewegen Himmel und Erde, ihr die Ehre der ältesten Nazion im Lande zu behaupten, und erklären sie für Nachkommen der alten Dazier, Geten und Gothen. Für diese Hypothese streiten insonderheit: Johann Tröster in seinem Alt- und Neuen

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Dazien, Lorenz Töpelt in Orig. & Oc. casu Transilvanorum, Martin Kelp in natalibus Saxon. Transilv. Mathias Miles im Siebenbürgischen Würgengel Georg Hauer in Ecclesiarum Transilvaniae, und unter den Neuern Martin Schmeitzel.

Da aber dieser seltsamen Meynung die öffentlichen Urkunden so laut widerspechen, so haben sich einige ein anderes Systemchen von ihrem Ursprünge gebauet. Sie sehen die Nazion für einen Zwitter an, für Nachkommen der alten Dazier, mit welchen sich neue deutsche Pflanzvölker vereiniget haben. Tychonianer in der Geschichte! — Brahe konnte das alte Ptolomäische Weltsystem nicht behaupten, das Kopernikanische erlaubte sein Ehrgeitz nicht; er verband also beyde mit einander, und das so artig, daß er keine Proselyten gemacht hat. Sollten unsere Geschichtschreiber die uns aus Daziern und Deutschen zusammen schmelzen, nicht gleiches Schicksal haben? Ihre Gründe sind so seicht und theils so offenbar falsch, daß sie kaum einer ernsthaften Widerlegung bedürfen. Man höre sie doch nur aus einer handschriftlichen Geschichte von Sieben-

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bürgen, eines neuern ungenannten Schriftstellers:

Es ist gar nicht wahrscheinlich, daß die alten Dazier, Geten oder Gothen gänzlich ausgerottet worden; sind sie es nicht, so müßen ihre Nachkömmlinge nohtwendig noch im Lande seyn. — Aber in welcher Völkerschaft? der Ungern, Seckler oder Walachen? Das wird niemand behaupten, folglich müßen sie noch in unseren Sachsen leben. — Dieses ist wohl das stärkste Argument für diese Meynung, und doch hinket es auf beyden Seiten. — Die Dazier, Geten und Gothen sind also ein Volk? Vortreflich! Die wilden Geten wurden von den Römern Dazier genennt, das ist wahr. Plinius bezeugt es a) und dieß erhellet auch aus andern Schriftstellern. Sveton nennet den Kotiso einen König der Geten, und Horatzens Muse singet:

a) Histor. Naturali, Libro IV. Cap. XII. --- Getae, Daci Romanis dicti. b) Libro LXVII. Dacos eos apello, quia ita, cum a se ipsis, tum a Romanis vocantur, etsi non ignoro, eos a quibusdam Graecis Getas esse dictos.

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Mitte civiles super urbe curas,
Occidit Daci-Cotisonis agmen.

Nach dem Kassius nennte sich diese Völkerschaft selbst Dazier. — Was haben aber die Gothen, ein deutsches Volk mit den Geten gemein? Waren denn diese Deutsche? — Und woher läßt es sich erweisen, daß bey der Hereinkunft deutscher Pflanzer, Gothen, oder die Nachfolger in ihren Sitzen, die Gepiden, in Siebenbürgen gewohnt haben? Als Tuhutum in dem Jahre 893 über das Gebirg Meschesch bey Klausenburg in das Land drang, und es glücklich eroberte, fand er darinnen keine andern Einwohner als Wlachen und Slawen, und die ersteren herrschten. Gelous ein Wlach, war Herzog von Siebenbürgen. a) — Das Andreanische Nazionalprivilegium gedenket der Seckler, Wlachen und Bissener, aber gar keiner Gothen oder Gepiden. Hätte es aber nicht geschehen müßen, wenn die Geisaischen Pflanzvölker sich mit den dorti-

a) Anonymus Belae Notar. Cap. XXV. --- XXVII.

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gen Gothen oder Gepiden vereiniget hätten? denn, entweder genossen die letzteren schon die Vorrechte, welche die deutschen Pflanzer von den Königen Geisa und Andreas den Zweyten erhielten, oder nicht. — Im ersteren Falle würde und müßte der letztere nicht sagen: die vom Könige Geisa dem Zweyten berufenen Deutschen sollten mit den Gothen oder Gepiden ein Volk seyn, und gleicher Freyheiten mit ihnen genießen; so wie den gemeinschaftlichen Gebrauch der Waldungen und Flüße mit den Wlachen und Bissenern. — Gesetzt, es wäre der letztere Fall, daß die alten Gothischen oder Gepidischen Einwohner solche Vorrechte vorher nicht gehabt hätten, gewiß, so haben sie dieselben durch das Andreanische Privilegium auch nicht erlangt, und es sind folglich die deutschen Kolonien auch nicht mit ihnen verreiniget worden. Das Privilegium konnte es sicher nicht verschweigen, wenn sie ihnen damals ertheilet wären. — Doch, wozu alles dieses? Haben wir nicht sichere Urkunden, wer wir Deutsche oder Sachsen in Siebenbürgen sind?

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O! daß wir uns nur so gut moralisch als historisch kennten, so wäre uns geholfen!

Ist es denn auch eine notwendige Folge: weil die alten Dazier höchstwahrscheinlich nicht gänzlich vertilget worden sind, folglich müßen ihre Nachkommen noch im Lande seyn? Man müßte die ehemaligen Völkerwanderungen, die theils aus dringender Noht, theils aus freyen Willen so häufig geschahen, sehr wenig kennen, wenn man dergleichen behaupten wollte. Doch behaupte ich eine gänzliche Ausrottung der alten Dazier oder Geten, noch eine Auswanderung ihrer Nachkommen gar nicht. Nein, diese sind noch in Siebenbürgen, sie sind noch eine mächtige Völkerschaft, sowohl in dem Trajanischen Dazien, als jenseits der Donau in Thrazien und andern Ländern. Die Walachen oder besser Wlachen sind ihre fruchtbaren Nachkommen. Ich berufe mich hierbey auf die schöne Abhandlung des verstorbenen Professors Thunmann a) über die Geschichte und Sprache

a) In seinen Untersuchungen über die Geschichte der östlichen Völker. Leipzig, 1774.

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der Albaner und Wlachen. Man sehe auch die Dazier auf Trajans Säule zu Rom, ihre Mützen, langen weiten Hembden und Beinkleider, ihre zottigten Pelze — und man wird gewiß den Wlachen darinnen nicht verkennen. Schade, daß Ovids Lobgedicht in Getischer Sprache nicht mehr ist; wie viel würde es nicht entscheiden!

Ah pudet! & scripsi Getico sermone libellum,
Structaque sunt nostris barbara verba modis. a)

Ich sehe immer einen unserer Wlachen im Winter, wenn der unglückliche Dichter von seinen Geten schreibt:

Pellibus & sutis arcent male frigora braccis,
Oraque de toto corpore sola patent.
Soepe sonant moti glacie pendente capilli
Et nitet inducto candida barba gelu.

Die übrigen Gründe, daß wir Hybridisten wären, sind sehr lustig. —

a) Ex Ponto. Libro IV. Eleg. XIII.

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2. Der Verfasser beruft sich auf die gewöhnlichen Aemter unter der Sächsischen Nazion und deren Benennungen: Consul, Quaestor, Villicus, Aedituus, Tribunus plebis, Centuriones — welche nicht von den deutschen Pflanzvölkern des Königes Geisa eingeführet worden, folglich sehr wahrscheinlich alte Dazische Einrichtungen sind, deren Ursprung man den herrschenden Römern zuschreiben muß. — Warum denn nicht von den Deutschen? Sind denn solche Aemter und Einrichtungen in deutschen Provinzen, besonders, wo eine Aristokratisch-demokratische Regierung herrscht, so unbekannt? Auf die Namen der Aemter kommt es eben nicht an, noch weniger auf ihre römischen Titel, die ihnen gemeiniglich so gut angemessen sind, als die Riesenkleider einem Zwerge. Unsere itzige Staatsverfassung ist sicher nicht so alt als unsere Völkerschaft in Siebenbürgen. Die ältesten Urkunden gedenken nur der Richter (Comites) die noch heut zu Tage in einigen Gegenden Gräfen, in anderen Richter, in andern Hanen (Villici) heißen. Die Bürgermeisterwürde ist erst mit dem Stadtrech-

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te eingeführet worden. Bis itzt habe ich noch keinen ältern Bürgermeister von Hermannstadt entdecket, als den Jakob Henzemanisse, der es 1366 war. Medwisch erhielt sie erst unter dem Könige Ferdinand den Ersten. Kronstadt, Nösen, Mühlenbach und Broos haben noch keine. Unsere Ahnen nennten die Bürgermeister, Rahtsherren, Kirchenväter, mit besserem Rechte so wie die deutschen: Magistri civium, Jurati, oder auch Consules, und Vitrici Ecclesiae. Der Vorsteher des äußeren Rahts, oder der so genannten Hundertmannschaft in Hermannstadt heißet der Wortmann derselben, und lateinisch wohl recht, Orator; aber Tribunus plebis ist zu viel!

3. Unter den Namen der Sächsischen Geschlechter finden sich viele und zwar der vorzüglichsten, die aller Wahrscheinlichkeit nach ursprünglich römische sind. — Etwas Neues! Wenn ich mich also türkisch kleiden sollte, so wäre ich ein Türk? — Man sage mir nur einen einzigenen, der nicht ein metamorphosirter deutscher Name wäre. Die alte Mode der Deutschen, ihren Namen griechische oder römische Kleider anzuziehen,

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herrschte auch bey unseren Vätern; z.B. Albinus, Weiß, Melas, Schwarz, Rusinus, Roht, Calvinus, Glatz, Scaevola, Schlemm, Majus, May, Thurinus, Weyrauch, Draconites, Wurmlöcher, Leporinus, Haas, Leo, Löw, Lupinus, Wolf, Ursinus, Bär, Vulpinus, Fuchs, Fabricius, Schmid, Rasoris, Scherer, Figuli, Töpfer u.s.w. Alle sehr bekannte Namen unter uns, sowohl deutsch als lateinisch! — Manche gaben ihren Namen römische Endigungen, als: Frohn, Fronius, Klos, Closius, Barben, Barbenius, Ungleich, Unglerus. — Auch sind, manche Taufnamen in Geschlechtsnamen ausgeartet, z. E. Christiani, Friderici, Simonis, Valentinianus; unsere Pankraziusse aber stammen von einem adelichen Geschlechte in Oesterreich ab. Ihr Stammvater Georg Pangratzius diente unter dem berühmten Feldherrn Basta in den Siebenbürgischen Kriegen, verließ nach hergestelltem Frieden die Waffen, und wählte Mühlenbach zu seiner Ruhe, wo er auch eine Gattinn nahm. — Würde man meinen Verstand nicht im Monde suchen, wenn ich Melanchtone, Oeko-

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lampade, Lykosthene — wegen dieser Namen für Geschlechter griechischen Ursprungs halten wollte?

4. Soll es auch die Sächsische Kleidertracht erweisen. — Die Sachsen tragen Kleider die sie nicht aus Deutschland mitgebracht , noch von den Hunnen erhalten haben, denn diese letztern hüllten sich in Felle wilder Thiere, folglich ist es sehr wahrscheinlich, daß eine solche Kleidertracht von den Römern auf die Dazier, von diesen auf die Sachsen, und endlich auf die übrigen Einwohner von Siebenbürgen gekommen sey. — Das ist wahr. Unsere Mannspersonen tragen meistentheils solche Kleider, die schwerlich deutschen Ursprungs sind, aber auch keines ungrischen? Das wäre wunderlich! Da wir für manche so gar keine als ungrische Namen haben; z. B. Menti (Mente) Doleman (Dolmány) Schismanen (Csiszma) eigentlich ein türkisches Wort, Gatg (Gatya) a) Die

a) Eine weite leinerne Hose, darüber eine andere von Tuch angezogen wird. Gesittete Leute nennen sie itzt Niederkleider, aber sehr uneigentlich, da man sie vielmehr Unterhosen, oder Unterbeinkleider nennen sollte.

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ersteren waren bey unsern Vätern lang und weit, und ihre ungrischen Stiefel hatten noch im sechszehenten Jahrhunderte, vorn einen langen gekrümmten Schnabel. a) So ist zwar itzt die ungrische Kleidung nicht, aber sie ist nur seit dem sechszehenten Jahrhunderte nicht mehr. Sámoschkösi bezeuget es und nennet die neumodischen kurzen und engen Kleider mit Abscheu. b)

a) Dergleichen Schnäbelschuhe wurden 1350 unter den Deutschen Mode. Vorher trugen sie stumpfe Schuhe ohne Absätze. Faust Limpurg. Chronik, Col. 10.

b) Rerum Transilv. Pent. 17. Libro 1. Taceo schreibt er, prodigiosum vestitum, qui populariter omnes ordines , his paucis annis pervasit, foedum & obscenum sanctisque majoribus nostris invisum atque inauditum. Siquidem illi, sicut tota Hungarorum progenies, laxo talari, fluenti, manuleato ampleque sinuato vestitu, ad omnem honestatem comparato, orientalium instar populorum, cujates & ipsi sumus, a prima gentis origine usi sunt; nunc curta tunica, vix uno palmo infra cingulum demissa, pallium dimidiatum, angustum, succisum ac tunicae conformem, manicis

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Auch einige Aufschriften beweisen, daß noch, vor den Zeiten des Königes Geisa des Zweyten, Deutsche in Siebenbür-

desectis, omnibusque suis partibus truncum, nullas in universum rugas habens, vix ventrem, dimidiasque tegit nates. Caligae perquam angustae substrictae ac male atque inconcinne semori cohaerentes, Cynicam obscenitatem ad plenum exprimunt; quam soeditatem fatyricam, vel potius cynoedicam, si triginta saltem ab hinc annis, superiora tempora publice vidissent, non est dubium quin isti turpissimi & obscoeni in medio foro, a pueris & morionibus putribus ovis & stercoribus suissent lapidati. Equidem cicures juxta & ferae bestiae istis honestiores videri possent, quarum membra, quae honeste ad aspectum prostare natura noluit, ita intra clunes sunt illatebrata, pilisque & cauda velata, ut genuinus decor in iis manifeste apparet. Cum autem abominabilis hic usus ex vicinorum occidentalium contagione huc irrepserit, sane cuilibet recte aestimanti, proclive ad conjecturam videri potest, idque a prudentissimis viris auditum est, Ungaros Transilvanos antiquato gentilitio habitu, & novo ascitioque vestitu indutos, eorum imperio olim subditoros, quorum amicitiam tam indecore suissent imitati, quod omen de Dario quoque & Alexandro Magno memoriae proditum est.

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gen gewohnt haben. Die denkwürdigste derselben befindet sich in der Dorfkirche zu Groß-Ailisch im Schäßburger Stuhle. Sie ist gar zu schön, als daß ich sie verschweigen könnte:

Hujus Sacrae Aedis exstructio finita Anno Jubilaeo 1076. Pastore ab eadem & Decano existente Nicolao Erasmi. Renovatur procurante provido Thoma Schuller Anno 1180. Dealbatur & corrigitur a scultilibus vivente Pastore Mich. Delio, Decano Capituli Bogatziensis, Anno 1631. d. 13 7bris. Inst. 1711.

Sollte man hiebey nicht ausrufen: Spectatum admissi, risum teneatis amici! — Im Jubeljahre 1076 soll diese Kirche seyn erbauet worden, aber diese hundertjährigen Feste stiftete Pabst Bonifazius der Achte, erst im Jahre 1300; und Sixtus der Vierte feyerte sie 1475 zuerst im fünf- und zwanzigsten Jahre. Wer siehet also nicht, daß es 1676 (1476) heißen muß, und für 1180 wahrscheinlich 1580? Anderer Merkmaale ihres jüngeren Alters zu geschwigen. —

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Gewiß! haben die Freunde unseres Gothischen Ursprungs keine schärferen Waffen, so werden sie immer den Sieg denen überlassen müßen, welche unsere Völkerschaft für deutsche Pflanzer halten, denn, sie stützen ihr Gebäude auf weit sicherere Gründe!

S.
Topic revision: r13 - 08 Apr 2012, ValerieSeidler
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