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IX.
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Dritte Fortsetzung des VI. Stücks.
Daß jegliches Clima besondere Arten
von Nahrungsmitteln für Menschen und Thiere hervor bringet,
ist außer allem Zweifel. Ich würde daher den Einfluß desselben in die Neigung
und Sitten der Einwohner um ein Grosses bestärken, wenn ich noch untersuchen
wollte, wie die Einwohner wegen der
Speisen, wovon sie sich ernähren, einen
verschiedenen Charakter unter einander
bekommen müßen. Allein ich darf dieses
wohl nicht ausführlich berühren. Wir
können uns davon überzeugen, wenn wir
uns nur in dem Verhältnisse mit unsern
Vorfahren, den alten Hungarn, betrachten wollen. Nachdem wir angefangen haben, uns an verschiedene ausländische Getränke zu gewöhnen; nachdem
wir die einheimischen Früchte, die uns
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der Boden darbietet, weniger als die
aus der Fremde herbey geschafften schätzen ; nachdem wir alle mögliche Mühe
anwenden unsern Körper kraftlos zu machen, und die Lebensgeister zu betäuben:
nachdem sind wir unter eben dem Himmel zu einer andern Art Menschen geworden, für die man neue Einrichtungen,
und neue Gesetze hat gehen müßen.
Wenn ich daher gegenwärtig zu dem
zweyten Punkte meines Entwurfes komme, so werde ich darinn ungemein sicher
verfahren, wenn ich die Beyspiele, die
in der Einrichtung verschiedener Völker
vorhanden sind, vor mich nehme, sie mit
dem, was ich oben vom Clima gesagt
habe, vergleiche, und meine Absicht dadurch erweise. Denn aus dem Vorhergehenden erhellet ziemlich deutlich, daß
das Clima in die Gemühtsbeschaffenheit
seiner Einwohner einen Einfluß hat.
Wird sich nun ein verständiger Gesetzgeber nach der Denkungsart und Beschaffenheit seiner Unterthanen richten, so
wird er sich eben dadurch zugleich nach
dem Clima richten. Und das ist es, was
wir die Wirkung des Clima auf die Gesetze nennen. Ich will dieses genauer
untersuchen, Ich will von einigen italiänischen Gesetzen anfangen, die mit dem
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dortigen Himmelsstriche, wohl bestehen,
da sie sich hergegen für den in Deutschland gar nicht schicken. Ich muß hiebey
alle diejenigen zum voraus um Vergebung bttten, die von keinem andern als
dem römischen bürgerlichen Rechte etwas
wissen wollen, und ihren Gebrauch für
alle Länder in der ganzen Welt gleich
geschickt halten. Denn, daß ich diese
Leute beleidigen werde, ist unstreitig, und
ich würde auch ihren Unwillen daraus
abnehmen können, weil ich von einer Sache reden muß, mit der sie sehr wenig
zu schaffen haben.
Die Römer hatten eine gewisse gesetzte
Zeit sich zu verheurahten, die man weder
in der Jugend noch auch im Alter über
schreiten durfte. Dem jungen Frauenzimmer wurde das zwölfte, den Jünglingen aber das vierzehnte Jahr angewiesen.
Dio Cassius berichtet ausdrücklich, daß
August allen gänzlich untersaget habe, sich mit einem Mädgen vor
dem zehenten Jahre zu verbinden, die
Heurath aber vor ihrem zwölften zu vollziehen. Der Juriste
Pomponius bestätiget dieses. Ein Frauenzimmer, spricht
er, das vor dem zwölften Jahre einem
Manne anvertrauet wird, ist denn allererst seine rechtmäßige Ehegattinn, wenn
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es bey ihm das gedachte Jahr über
schritten hat. Frägt man, woher die
Römer so jung zur Heuraht haben schreiten können, so darf man nur das Clima
von Italien betrachten. Beyde Theile
waren in den gedachten Jahren mannbar, und sie sind es noch itzo, wenn man
die Lebensart und den Zustand der heutigen Italiäner kennet.
Weil diese Leute unter einem ziemlich
warmen Himmel wohnen, die Deutschen
hergegen ein gemäßigteres Clima haben,
so haben bey ihnen beyderley Geschlechter
zum heurahten geschickter werden können,
als bey den Italiänern.
Tacitus, wenn
er von den Sitten der Römer etwas beybringet, setzet ihnen sogleich die Gewohnheiten der Deutschen entgegen, die, wie
er berichtet, allererst bey guten Jahren
unter sich zur Heuraht schreiten, wenn
sie ihre Kräfte völlig erlanget, und beyde Theile, wo möglich gleiches Alter haben. Ihre Kinder, setzet er hinzu, werden daher eben so stark, wie die Aeltern.
Eben dieses Urtheil fällt auch Cäsar von
den Deutschen, „Die am spätesten mannbar werden, verdienen unter ihnen das
meiste Lob. Sie glauben, daß dieses
das Wachsthum befördere, die Kräfte
unterhalte, und die Nerven stärke. Nichts
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ist schändlicher unter ihnen, als wenn jemand vor seinem zwanzigsten Jahre bey
einem Mädgen schläft.,, Und eben dieses war fast die gesetzte Zeit, unter welcher sich nicht leicht jemand bey den alten Deutschen verheurahtete: eine Zeit,
die den Römern in der That ein Wunderwerk würde gewesen seyn. Ein unverheurahtetes Mädgen von zwanzig
Jahren war in Rom dasjenige, was bey
uns eine Jungfer von achzigen ist.
Diejenigen, welche diese Verfassung
der Römer, ihre Kinder frühzeitig zuverheurahten, von ihrer besondern Staatsklugheit herleiten, haben nicht eben völlig Recht. Es kann seyn, daß sie es
für gut gehalten haben, wenn das Land
früher bevölkert würde, und neue Bürger, bekäme. Aber es kann doch nicht
seyn, daß sie ihre Staatsklugheit hätten
in Ausübung bringen können, wenn nicht
die Leute wegen des warmen Clima so
früh wären mannbar und zum Heurahten geschickt gewesen. Es ist freylich keine Ursache vorhanden, jungen Leuten,
die ihr gehöriges Alter und Kräfte haben, das Heurahten zu untersagen:
aber es sind triftige Ursachen da, sie von
solchen Ehen abzuhalten, wo sie der Republik schwache, und unnütze Bürger
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zeugen würden. Dieses sahen die alten
Deutschen gar wohl ein, und ihre Nachkommen haben es in diesen Ländern immer beybehalten.
Weil sich die jungen Leute in Rom schon so früh zusammen begaben, so geschah es, daß sie auch sehr früh aufhörten, die Endzwecke der Republik in diesem Stücke zu erfüllen. Die Römer
hielten daher alle diese Ehen in Ansehung des Kinderzeugens, als um welches willen eigentlich die Leute unter ihnen heurahten mußten, für ungiltig, die
ein Mann über sechzig, und eine Frauensperson über fünfzig Jahre mit einander
vollzogen. Man brachte so gar unterm
Claudius den persicianischen Rahtschluß
auf, wodurch einem solchen, der über
sechzig Zahre alt, annoch Heurahtete, eine beständige Strafe auferlegt wurde.
Man änderte zwar hierin nachgehends
etwas, allein darin blieb man doch einstimmig, daß bey dergleichen alten Personen der wahre Endzweck, den die Republik bey dem Ehestande hätte, gänzlich wegfiele.
Die Fortsetzung folgt.
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Beyspiel der Treue, und Liebe eines Hundes.
Ans dem British Magaz.
Nachdem ich neulich die Nordstrasse bereisete, und in Baldock einkehrte,
nahm ich, und mein Reisegefährter einen
Spatziergang um die Stadt vor; und
nach meiner Gewohnheit, an jedem Orte, wo ich hinkomme, besuchte ich auch
den Kirchhof. Wie wir hinaufgiengen,
wurden wir in grosse Bewunderung gesetzet, da wir einen kleinen Hund, welcher in der gewöhnlichen Stellung, als
ob er etwas sehnlich verlangte, ungefähr
vier
Ellen von einem, dem Anscheine nach
frischen Grabsteine saß, und mit nach
forschendem Gesichte,, und Aufmerksamkeit, die Aufschrift, als ob er sie läse,
anschaute. Wir betrachteten ihn fast eine Viertlstunde, während welcher Zeit,
er seine Augen niemals von seinem Gegenstande abwandte, oder uns im geringsten bemerkte, ob wir gleich kaum einen
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starken Schritt von ihm stunden. Wie
wir aber vollends auf ihn zukamen, lief
er weg. Wir überlasen die Aufschrift,
Und bemerkten daraus, daß Sara Goldsmith daselbst begraben läge. Gleich
darauf gieng, ein Einwohner der Stadt
über den Kirchhof. Die Neugierde trieb
mich an zu fragen: ob er etwas besonders von der Person, die hier, ich zeigte
auf den Stein, begraben wäre, wüßte?
Ja mein Herr, antwortete der Mann,
Merkwürdiges genug, denn ich glaube,
daß sie das dickeste Frauenzimmer in der
Welt war, denn sie wog 28.
Stein
(560.
Pfund) ohne der Eingeweide. —
Ich fragte, ob sie in ihrem Leben einen
Hund gehabt habe? Er antwortete: sie
hatte freylich einen kleinen verdammten
bellenden Hund sehr lieb, welcher seit 2.
Jahren, die Zeit, da sie gestorben, des
Tages dreymal nach ihrem Grabe läuft,
und daselbst eine Weile nachdenkend sitzt.
Dieser Vorfall gab mir eine ernsthafte,
obgleich angenehme Empfindung, und
wird es vielleicht auch den Lesern geben.
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