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XX.

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Beschluß der gesammelten fremden und eigenen Beobachtungen aus dem Reiche der Natur.

V.

Man findet nicht nur unter den Menschen, daß sich viele oft ohne Ursache anfeinden und verfolgen; sondern man erblickt auch an den unvernünftigen Thieren dergleichen Feindseeligkeit gar zu oft. Hieher gehören nicht nur alle Raubthiere, sondern auch alle diejenigen, die sich wieder von andern Thieren nähren müßen. Der Habicht verfolgt die Taube, wo er sie nur ansichtig werden kann; der Maulwurf thut dieses unter der Erde mit dem Regenwurm; der Marder und die Ratze stöhren die Hühner oft genug in ihrer Ruhe, und versetzen den Landmann dadurch in

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grossen Schaden. Von dieser Art werden meinen Lesern noch tausend Beyspiele bekannt seyn, die ich nicht anführen will. Aber bey manchen Thieren findet man eine gewisse Antipathie, bey welchen man nicht allemal behaupten kann, daß sie um der Nahrung willen sich äußere. Denn es sucht sich sogar oft ein Thier des andern zu bemächtigen, welches ohne List seinen Vorsatz nicht bewerkstelligen könnte. Einige Beyspiele werden die Sache erläutern. In den Berichten der Missionarien in Ostindien, welche der seelige D. Gotthelf August Franke zu Halle herausgegeben hat, werden in der 104. Continuation gewisse seltene und schwer zu tödtende Thiere beschrieben, welche Elephanten umbringen können. Sie schlingen sich um den Rüßel der Elephanten, und drücken ihn fest zusammen, so lange, bis derselbe getödtet ist. Die prima marina, oder die Holstermuschel hat zu ihrem Feinde den Vielfuß, daher diese Muschel einen kleinen Wächter beherberget, der sie für den Nachstellungen ihres Feindes sicher stellet. Rumpf erzählet in seiner amboinischen Raritätenkammer Kap. XXXVI. S. 149. der deutschen Ausgabe: daß das Amt dieser Hüter darinnen bestehe,

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daß sie die Steckmuscheln kneipen müßen, wenn etwann einige Speise in der Schaale vorhanden, oder irgend eine Gefahr zu befürchten ist. Rumpf versichert ausdrücklich, daß eine jede Steckmuschel einen solchen Wächter habe. Der Ritter Linne aber sagt dieß nur von der Pinnamuricata. S. Chemnitzens Zusätze zum Rumpf. S. C. XXVI. Das Elendthier, welches doch sieben bis achthundert Pfund wiegen kann, wird von dem Hermelinchen getödtet. Im 5ten Stücke des Stralsundischen Magazins trägt die 4te Abhandlung, Beyträge zur Naturgeschichte des Elendthieres, vor. Der Verfasser bezeugt daselbst, daß das Hermelinchen dem Elendthiere in das Ohr kriecht, und dasselbe dadurch in solche Wuht bringe, daß es sich den Kopf einstosse. In den Jenaischen gelehrten Zeitungen v. J. 1770. St. VII. S. 50. wird behauptet, daß diese Geschichte noch Bestätigung bedürfe. Allein der seelige D. Pantoppidan hat gleichwohl diese Sache auch also berichtet. Er sagt in seiner Naturhistorie von Norwegen Th. II. S. 49. der deutschen Ausgabe: Wenn jene, nämlich der Bär und das Elendthier, schlafen, so springt das Hermelinchen ihnen ins Ohr,

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und beißet sich darinnen mit seinen scharfen Zahnen so fest daß es nicht wieder abfällt, wenn gleich das grosse Thier anfängt zu laufen und zu schreyen, und endlich ganz abgemattet über einen Felsen herabstürzt, und ums Leben kömmt. Die Seelen der Thiere, ihr System, ihr Instinkt, oder wie man die Sache nennen will, sind den größten Weltweisen von jeher grosse Geheimnisse gewesen. Bis auf unsere Tage hat man das von nur Muhtmassungen hervor bringen können, vielleicht, daß sie es auch stäts bleiben. Ich werde daher die obigen Geschichten ebenfalls mit einigen Muhtmassungen begleiten können. - Wenn wir die Schriftsteller nachschlagen, so weichen sie nur gar zu sehr von einander ab. Aristoteles legte den Thieren eine sinnliche Seele bey, welche Empfindung und Gedächtnisse hatten. Beydes kann man den Thieren nicht absprechen, aber es lassen sich dennoch nicht alle obigen Fälle daraus erklären. Empfindung und Gedächtniß sind wohl die nächsten Ursachen, warum ein Thier seinen Feind fliehet, aber woher weiß man es, daß eben dieses Thier und kein anderes sein Feind sey? Es ist wahr, die Alten suchen ihren Jungen ihren Feind kenntbar

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zu machen, aber wie können sie es dem Gedächtnisse ihrer jungen Schüler beybringen? und durch solches Kunststück bemeistern sie sich ihrer Empfindungen. Aristoteles sprach doch den Thieren das Vermögen über ihre Handlungen nach zudenken, wirklich ab, welches Laktantius bey ihnen zu finden glaubte. Hätte Laktantius Recht, so würden wir tausend Erscheinungen erklären können, die uns itzo eine grosse Finsterniß sind. Allein werden wir es wohl wagen dürfen den Thieren eine Vernunft beyzulegen? Oder werden wir uns ein Nachdenken ohne Vernunft denken können? Kartesius erwählte daher einen sichern Weg, allen Schwierigkeiten auszuweichen, indem er alles, was er von den Thieren fand, durch einen blossen Mechanismus erklärte. Hätte er es einen Naturstrieb genennet, und die Sache für ein Geschenk Gottes gehalten, welches ihnen beym Mangel der Vernunft nur gar zu unentbehrlich war, so hätte seine Erklärung vielleicht mehrern Beyfall verdienet. Die Verfasser der Onomatologiae histor. natural. T. I. p. 491. nehmen einen solchen Naturtrieb an. „Man bemerkt es, sagen sie, als eine Sache der Erfahrung, daß auch ein gewisser eingepflanzter Naturtrieb ein Geschlecht mit dem anderen

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verbindet, und daß hingegen aus eben diesem Triebe, dessen erste Qwelle wir bisher noch nicht ganz erschöpfen können, eines dem andern ganz zuwider ist, es ohne Anstand tödten, und aufreiben kann, da es andere, die ihm eben so wenigen Widerstand thun könnten, nicht nur beym Leben läßt, sondern auch recht freundschaftlich sich mit ihnen beträgt. Sie suchen aber den letztern Grund, in dem eingepflanzten Triebe, sich zu erhalten, und eine beqweme Nahrung aufzusuchen. Der Verfasser der Gedanken vom Instinkt der Thiere hingegen redet in dem Dictionaire Encyclopedique von ihrem Instinkte also, daß nicht viel fehlet, er lege ihnen gar Verstand und Vernunft bey. Er sagt: Wir sehen, daß die Thiere empfinden, vergleichen, urtheilen, nachdenken, wählen, und daß sie in allen, was sie unternehmen, durch ein Gefühl von Selbstliebe getheilet werden, welches die Erfahrung mehr oder weniger aufkläret. Besser machte es der Verfasser der Theorie du Systeme animal. Er beweiset im ersten Abschnitte des zweyten Theils, daß die Abneigung und Feindseligkeit der Thiere gegen einander ein vortrefflicher Beweis für die beßte Welt sey. Denn, sagt er, daß sich die

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Thiere zerstöhren, das geschiehst zu ihrem grossen Vortheile. Auf der einen Seite werden dadurch viele neue Gattungen hervorgebracht, die außerdem nicht entstehen wurden; auf der andern Seite aber ist die Entstehung neuer Geschlechter andern Geschlechtern gar nicht nachtheilig, sondern vielmehr nützlich. Die Insekten, und viele kriechende Thiere nähren sich von dem Aase gestorbener, Thiere. Andere setzen sich auf den Körper lebendiger Thiere, und finden ihre Nahrung in dem Fleische und Blute derselben. Hingegen sind eben diese Insekten wieder die Nahrung von anderen Thieren. Die Raubtbiere und Raubvögel bringen andere Thiere um, weil ihr Fleisch ihre Nahrung ist. Selbst der Mensch lebt vom Fleische. Würden nicht die Thiere in ihrer Vermehrung geschwächt, so würden sie der Erde endlich zur Last werden.

VI.

Ist irgend eine Begebenheit der Natur wunderbar, so ist es gewiß diejenige, welche der Abt Spalanzani erfunden, und der Rath und Pastor zu Regenspurg, Herr Schäffer, fortgesetzt und bestätiget hat. Die Begebenheit, daß man den Erdschnecken die Köpfe abschneiden

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kann, ohne sie zu tödten, daß vielmehr nach einiger Zeit neue Köpfe wachsen.

Eine Anekdote vom Herzoge von Bukingham.

Ein Edelmann machte dem Herzoge von Bukingham lange und ernsthafte Vorstellungen über verschiedene öffentliche Beschwerden. Der Herzog hörte ihn mit vieler Geduld an, und als er fertig war, sagte er zu ihm: Mein Freund, Sie haben nur allzuviel Ursache misvergnügt zu seyn, allein ich habe ein Mittel gefunden, alles in Kurzem auf guten Fuß zu bringen. Eine Stelle von fünfhundert Pfunden jährlichen Einkommens ist seit diesen Morgen erlediget, und ich bin Willens, sie ihnen aufzutragen. — In der That betrachtete der vergnügte Edelmann, seit diesem Augenblicke die Nation als das glücklichste Volk, so jemals auf Erden lebte.


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Topic revision: r16 - 15 May 2011, MarleneBurgstaller
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