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XX.
(P153)
Beschluß der gesammelten fremden und eigenen Beobachtungen aus dem Reiche der Natur.
V.
Man findet nicht nur unter den Menschen, daß sich viele oft ohne Ursache anfeinden und verfolgen;
sondern man erblickt auch an den unvernünftigen Thieren dergleichen Feindseeligkeit gar zu oft. Hieher gehören nicht
nur alle Raubthiere, sondern auch alle
diejenigen, die sich wieder von andern
Thieren nähren müßen. Der Habicht
verfolgt die Taube, wo er sie nur ansichtig werden kann; der Maulwurf thut
dieses unter der Erde mit dem Regenwurm; der Marder und die Ratze stöhren die Hühner oft genug in ihrer Ruhe,
und versetzen den Landmann dadurch in
(P154)
grossen Schaden. Von dieser Art werden
meinen Lesern noch tausend Beyspiele
bekannt seyn, die ich nicht anführen will.
Aber bey manchen Thieren findet man
eine gewisse Antipathie, bey welchen man
nicht allemal behaupten kann, daß sie
um der Nahrung willen sich äußere. Denn
es sucht sich sogar oft ein Thier des andern zu bemächtigen, welches ohne List
seinen Vorsatz nicht bewerkstelligen könnte. Einige Beyspiele werden die Sache
erläutern. In den
Berichten der Missionarien in Ostindien, welche der seelige
D. Gotthelf August Franke zu
Halle herausgegeben hat, werden in der 104. Continuation gewisse seltene und schwer zu
tödtende Thiere beschrieben, welche Elephanten umbringen können. Sie schlingen sich um den Rüßel der Elephanten,
und drücken ihn fest zusammen, so lange,
bis derselbe getödtet ist.
Die prima marina, oder die Holstermuschel hat zu ihrem Feinde den Vielfuß, daher diese Muschel einen kleinen
Wächter beherberget, der sie für den
Nachstellungen ihres Feindes sicher stellet.
Rumpf erzählet in seiner
amboinischen Raritätenkammer Kap. XXXVI.
S. 149. der deutschen Ausgabe: daß
das Amt dieser Hüter darinnen bestehe,
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daß sie die Steckmuscheln kneipen müßen,
wenn etwann einige Speise in der Schaale vorhanden, oder irgend eine Gefahr
zu befürchten ist.
Rumpf versichert ausdrücklich, daß eine jede Steckmuschel einen solchen Wächter habe. Der
Ritter Linne aber sagt dieß nur von der Pinnamuricata. S.
Chemnitzens Zusätze zum Rumpf. S. C. XXVI.
Das Elendthier, welches doch sieben
bis achthundert
Pfund wiegen kann,
wird von dem Hermelinchen getödtet.
Im 5ten Stücke des
Stralsundischen Magazins trägt die 4te Abhandlung,
Beyträge zur Naturgeschichte des Elendthieres, vor. Der Verfasser bezeugt daselbst, daß das Hermelinchen dem Elendthiere in das Ohr kriecht, und dasselbe
dadurch in solche Wuht bringe, daß es sich den Kopf einstosse. In den
Jenaischen gelehrten Zeitungen v. J. 1770.
St. VII. S. 50. wird behauptet, daß
diese Geschichte noch Bestätigung bedürfe. Allein der seelige
D. Pantoppidan
hat gleichwohl diese Sache auch also berichtet. Er sagt in seiner
Naturhistorie von Norwegen Th. II. S. 49. der deutschen Ausgabe: Wenn jene, nämlich der
Bär und das Elendthier, schlafen, so
springt das Hermelinchen ihnen ins Ohr,
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und beißet sich darinnen mit seinen scharfen Zahnen so fest daß es nicht wieder
abfällt, wenn gleich das grosse Thier
anfängt zu laufen und zu schreyen, und
endlich ganz abgemattet über einen Felsen herabstürzt, und ums Leben kömmt.
Die Seelen der Thiere, ihr System,
ihr Instinkt, oder wie man die Sache
nennen will, sind den größten Weltweisen von jeher grosse Geheimnisse gewesen. Bis auf unsere Tage hat man das
von nur Muhtmassungen hervor bringen können, vielleicht, daß sie es auch
stäts bleiben. Ich werde daher die obigen Geschichten ebenfalls mit einigen
Muhtmassungen begleiten können. -
Wenn wir die Schriftsteller nachschlagen, so weichen sie nur gar zu sehr von
einander ab.
Aristoteles legte den Thieren eine sinnliche Seele bey, welche Empfindung und Gedächtnisse hatten. Beydes kann man den Thieren nicht absprechen, aber es lassen sich dennoch nicht alle
obigen Fälle daraus erklären. Empfindung und Gedächtniß sind wohl die nächsten Ursachen, warum ein Thier seinen
Feind fliehet, aber woher weiß man es, daß
eben dieses Thier und kein anderes sein
Feind sey? Es ist wahr, die Alten suchen ihren Jungen ihren Feind kenntbar
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zu machen, aber wie können sie es dem
Gedächtnisse ihrer jungen Schüler beybringen? und durch solches Kunststück
bemeistern sie sich ihrer Empfindungen.
Aristoteles sprach doch den Thieren das
Vermögen über ihre Handlungen nach
zudenken, wirklich ab, welches
Laktantius bey ihnen zu finden glaubte. Hätte Laktantius Recht, so würden wir
tausend Erscheinungen erklären können,
die uns itzo eine grosse Finsterniß sind.
Allein werden wir es wohl wagen dürfen den Thieren eine Vernunft beyzulegen? Oder werden wir uns ein Nachdenken ohne Vernunft denken können?
Kartesius erwählte daher einen sichern
Weg, allen Schwierigkeiten auszuweichen, indem er alles, was er von den Thieren fand, durch einen blossen Mechanismus erklärte. Hätte er es einen
Naturstrieb genennet, und die Sache für
ein Geschenk Gottes gehalten, welches ihnen beym Mangel der Vernunft nur gar zu
unentbehrlich war, so hätte seine Erklärung
vielleicht mehrern Beyfall verdienet. Die
Verfasser der
Onomatologiae histor. natural. T. I. p. 491. nehmen einen solchen
Naturtrieb an. „Man bemerkt es, sagen
sie, als eine Sache der Erfahrung, daß
auch ein gewisser eingepflanzter Naturtrieb ein Geschlecht mit dem anderen
(P158)
verbindet, und daß hingegen aus eben diesem Triebe, dessen erste Qwelle wir bisher noch nicht ganz erschöpfen können,
eines dem andern ganz zuwider ist, es ohne Anstand tödten, und aufreiben kann,
da es andere, die ihm eben so wenigen
Widerstand thun könnten, nicht nur
beym Leben läßt, sondern auch recht
freundschaftlich sich mit ihnen beträgt.
Sie suchen aber den letztern Grund, in
dem eingepflanzten Triebe, sich zu erhalten, und eine beqweme Nahrung aufzusuchen. Der Verfasser der Gedanken
vom Instinkt der Thiere hingegen redet
in dem
Dictionaire Encyclopedique von
ihrem Instinkte also, daß nicht viel fehlet, er lege ihnen gar Verstand und Vernunft bey. Er sagt: Wir sehen, daß
die Thiere empfinden, vergleichen, urtheilen, nachdenken, wählen, und daß sie in
allen, was sie unternehmen, durch ein
Gefühl von Selbstliebe getheilet werden,
welches die Erfahrung mehr oder weniger aufkläret. Besser machte es der
Verfasser der
Theorie du Systeme animal. Er beweiset im ersten Abschnitte des
zweyten Theils, daß die Abneigung und
Feindseligkeit der Thiere gegen einander
ein vortrefflicher Beweis für die beßte
Welt sey. Denn, sagt er, daß sich die
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Thiere zerstöhren, das geschiehst zu ihrem grossen Vortheile. Auf der einen
Seite werden dadurch viele neue Gattungen hervorgebracht, die außerdem nicht
entstehen wurden; auf der andern Seite aber ist die Entstehung neuer Geschlechter andern Geschlechtern gar nicht nachtheilig, sondern vielmehr nützlich. Die
Insekten, und viele kriechende Thiere
nähren sich von dem Aase gestorbener,
Thiere. Andere setzen sich auf den Körper lebendiger Thiere, und finden ihre
Nahrung in dem Fleische und Blute derselben. Hingegen sind eben diese Insekten wieder die Nahrung von anderen
Thieren. Die Raubtbiere und Raubvögel bringen andere Thiere um, weil ihr Fleisch ihre Nahrung ist. Selbst
der Mensch lebt vom Fleische. Würden
nicht die Thiere in ihrer Vermehrung
geschwächt, so würden sie der Erde endlich zur Last werden.
VI.
Ist irgend eine Begebenheit der Natur wunderbar, so ist es gewiß diejenige,
welche der Abt
Spalanzani erfunden,
und der Rath und Pastor zu
Regenspurg, Herr
Schäffer, fortgesetzt und
bestätiget hat. Die Begebenheit, daß
man den Erdschnecken die Köpfe abschneiden
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kann, ohne sie zu tödten, daß vielmehr nach einiger Zeit neue Köpfe wachsen.
Eine Anekdote vom Herzoge von Bukingham.
Ein Edelmann machte dem
Herzoge von Bukingham lange und ernsthafte Vorstellungen über verschiedene öffentliche Beschwerden. Der Herzog hörte ihn
mit vieler Geduld an, und als er fertig
war, sagte er zu ihm: Mein Freund, Sie
haben nur allzuviel Ursache misvergnügt
zu seyn, allein ich habe ein Mittel gefunden, alles in Kurzem auf guten Fuß
zu bringen. Eine Stelle von fünfhundert
Pfunden jährlichen Einkommens ist seit
diesen Morgen erlediget, und ich bin Willens, sie ihnen aufzutragen. — In der
That betrachtete der vergnügte Edelmann,
seit diesem Augenblicke die Nation als
das glücklichste Volk, so jemals auf Erden lebte.
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