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XIX.
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Von dem Ursprunge der Hunnen und Türken.
Aus dem Magazin Francois.
Unter den verschiedenen Völkern, welche dem römischen Reiche den letzten Stoß gaben, und zu seinem Untergange das Meiste beitrugen, thaten die
Hunnen demselben nicht weniger Schaden, als die
Gothen, und
Vandalen, die vor ihnen waren. Diese grausame, und wilde Nation, die bis zur Regierung des
Kaisers Valers in unersteiglichen Gebirgen eingeschlossen war, verließ ihre Wüsten, und Felsen, zog über die
faule See, oder die
maocischen Gewäßer, und breitete sich in den Ländern, welche die
Gothen damals im Besitze hatten, aus. Diese letztern, die sonst in ganz Europa fürchterlich gewesen, blieben bey dem Anblicke dieses fremden, und unbekannten Volkes, eine Zeitlang in einem solchen Zustande, daß sie nicht die Kraft hatten,
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zu ihrer Verteidigung die Waffen zu ergreifen. Vergebens erweckten sie bey sich das Andenken ihrer alten Thaten, um sich desto mehr zu ermuntern, Feinden, die ihnen so schrecklich schienen, den Streit anzukündigen. Ihre vereinigten Kräfte, und Bemühungen halfen nicht. — Da sie durch das schreckliche Ansehen der Hunnen schon halb überwunden waren, thaten sie dem Durchbruche derselben nur schwachen Widerstand. Nachdem diese Hunnen einen beträchtlichen Sieg über sie erhalten hatten, drungen sie nach ihrem Gefallen in das römische Reich ein, verheerten alles, was sie auf ihrem Zuge antrafen, verbrannten die Städte, und schlugen die Einwohner todt. Die Römer selbst wurden genöhtiget, ihnen Tribut zu bezahlen. Alles schmiegte sich unter die Macht der Hunnen; aber die Uneinigkeit richtete eine Trennung unter ihnen an, und verursachte, daß sie die Frucht von allen ihren Eroberungen verloren. Nun traf sie die Reihe, Niederlagen zu leiden; und die
Gothen bekamen ihr Land von Neuem wieder, welches bald hernach unter die Herrschaft der
Longobarder fiel. Unter
Justins Regierung bemeisterten sich die Hunnen desselben zum Zweyten male. Nachdem sie aber viele
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Schlachten gewonnen, und wieder andere verloren hatten, wurden sie endlich gezwungen, nach
Pannonien zurückzukehren, wo sie, mit andern Völkern vermengt, ihre Wohnung für beständig auf geschlagen haben. —
So ist das Volk beschaffen, wovon ich in dieser Abhandlung so viel Nachricht zu geben unternehme, daß man es genauer kennen möge. — Wir wissen den Ursprung und das Alterthum dieser Hunnen nicht, auch nicht, aus welchem Lande sie hervor gekommen sind. Die Schriftsteller von dem Abendreiche, die ihrer oft Erwähnung gethan, haben uns nichts als Fabeln erzählet, denen wir keinen Glauben beymessen können. Hier will ich, mit Hilfe der morgenländischen, und sonderlich der chinesischen Geschichtschreiber zeigen, daß diese Hunnen ein beträchtliches Volk in der großen
Tatarey ausmachten; und daß ihre Herrschaft mehr als zweyhundert Jahre über das Alter der christlichen Zeitrechnung hinaus gieng. Ich will erzählen, was zu ihrem Einbruche in Europa Gelegenheit gegeben, und ich will den Ursprung der Türken zeigen, welche mit diesen Hunnen ein, und das selbe Volk sind.
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Einige lateinische Geschichtschreiber* ziehen sie aus dem Innersten von Skandinavien hervor. Sie erzählen, da die Gothen an der
mäotischen, oder faulen See ihren Sitz aufgeschlagen, hatte ihr
König Philimer, gewisse Weibsbilder, die der Zauberey ergeben gewesen, und sich damals unter ihnen befunden, verjagt, und sie genöhtiget, sich in die Wüsten von
Scythien zu begeben. Diese Weibspersonen hatten mit den unreinen Geistern Gemeinschaft, und brachten Kinder zur Welt, welche, wie man vorgiebt, die Stammältern der Hunnen sind. Nach her näherten sich diese neuen Völker den Glänzen der
Gothen, und lagerten sich in den Gegenden der
mäotischen See, wo sie sich auf die Jagd legten. Einige von ihnen trafen eines Tages eine Hindinn an, und verfolgten sie so hartnäckigt, daß dieses Thier sich in das Meer zu stürzen genöhtiget ward, und gegenüber wie der an das Land kam. Die Jäger, die nicht weniger Dreistigkeit hatten, hielten sich nicht am Ufer auf, und kamen also über Moräste, über die sie zu kommen bisher für unmöglich gehalten hatten. Bey der Rückkunft zu ihrem Volke,
*Jornandes, Ammianus, Hyeronimus, Prokupius
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unterterließen sie nicht, ihr Abentheuer zu erzählen, und beredeten es, sich hinüber zu begeben. Es machte sich also auf den Weg, und kam auch in der That hin über. —
So erzählet man den Ursprung der Hunnen. Die chinesischen Geschichtschreiber lassen sie aus dem Innersten von
Scythien hervorkommen. Die Chineser, welche nach ihrer Lage weit besser im Stande sind, die
Tatarey zu kennen, berichten uns, daß das Volk, dessen Ursprung ich hier aufzusuchen bemühet bin, vormals in den Gegenden der grossen Wüste von China, zwischen Corea, an der östlichen, und dem Lande der
Geten, an der westlichen Seite, gewohnt habe. Sie geben ihnen zween verschiedene Namen:
Hion gnou, und
Toukiouc, das ist, Hunnen, und Türken. Den ersten hatten sie vor der Zeit des Christenthums; und den zweyten hat ein Uiberbleibsel von diesen Hunnen, die sich wieder in der Tatarey festgesetzt, angenommen.
Diese Hunnen, oder Türken wohnten unter Zelten, die auf Wagen stunden, und führten dieselben, wegen ihren Heerden, die ihnen Unterhalt, und Kleidung verschaften, an diejenigen Oerter, wo die reichlichste Weide war. Sie hielten die
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Alten sehr gering, und schätzten nur die jungen Leute wehrt, als die zu dem Kriege, ihrer einzigen Beschäftigung, geschickter waren. — Ihr Reichthum bestand im Viehe, vornehmlich aber in der grossen Anzahl von Sklaven, die sie im Kriege gefangen genommen hatten. Die Hirnschaalen lhrer Feinde dienten ihnen, bey ihren grossen Festen, zu Trinkgefäßen. Alle Jahre begaben sie sich zu dem kaiserlichen Lager, und brachten ihren Vorältern, dem Himmel, der Erde, und den Geistern Opfer. Alle Morgen behtete der Kaiser die aufgehende Sonne, und des Abends den Mond an. Die linke Hand war bey diesen Völkern, wie noch heut zu Tage bey den Türken zu
Konstantinopel, die vornehmste Seite, oder der Ehrenplatz; und bey allen ihren Lagern war das Zelt des Kaisers allzeit an dieser Seite, und nach Norden gerichtet.
Bey dem Tode ihrer Kaiser hatten sie den Gebrauch, ihn mit seinen schönsten Kleidern in einen Sarg zu legen. Hierauf führten sie ihn, unter der Begleitung seiner Familie, und seiner Officiere, oder Bedienten, an seinen Begräbnißort. Einen Monat lang bedienten sie ihn eben so, als wenn er am Leben gewesen wäre; die Tapfersten hielten Rennspiele, wie unsere Ritter bey den Turnieren.
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So lebten die Hunnen in den ersten Zeiten, das ist, unter ihren
Tanjous, oder Kaisern. Diese Sitten haben sich aber mit der Zeit geändert. — Nachdem sie ihren Sitz wieder in dem
Turkestanischen aufgeschlagen hatten, führten sie, in Ansehung ihrer Könige, eine sehr barbarische Gewohnheit ein. Sobald ihr
Großkhan gestorben war, ward sein Sohn, oder sein nächster Anverwandter, der nach ihm in dem Reiche folgen sollte, zum Kaiser erkläret. Damit man nun erfahren mochte, ob sein Reich glücklich, und von langer Dauer seyn würde, schlug man ihm einen seidenen Strick um den Hals, und zog ihn so lang zusammen, bis er nicht mehr Athem holen konnte. Darauf ließ man nach, und die ersten Worte, die er in seiner Betäubung aus sprach, waren gleichsam die Vorbedeutungen von dem, was unter seiner Regierung vorfallen sollte.
Diese Hunnen in dem
Turkestanischen, sind daselbst von den ältesten Zeiten her. In den folgenden haben sich, wie es scheint, auch viele Chineser in diesen Theil der Tatarey begeben. Nach der Zerstörung der Regierung von
Hia, flüchtete ein Prinz von diesem Geschlechte, ein Sohn des letzten Kaisers, mit allen seinen
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Leuten dahin, und nach dem Zeugnisse der chinesischen, und persischen Geschichtschreiber, sind die Kaiser, oder
Tanjous der Hunnen, seine Abkömmlinge.
Dibbakawi, dessen in
Mirkhond Erwähnung geschiehet, ist kein anderer, als der
Kaiser Yu, der Stifter der chinesischen Regierung, welche
Hia heißt, und einer seiner Nachkommen, der
Ogouzkhan, oder
Maotun Tanjou heißt, wird als der Stifter des Reiches der Hunnen angesehen, welcher grosse Kriege wider die Chineser auszustehen hatte. Seine Nachkommenschaft regierte sehr lang über alle Hunnen, und hatte den Titel
Tanjou, welcher um ein Wort verkürzt ist, und in der Sprache dieser Völker so viel bedeutet, als der Sohn des Himmels. Diese Hunnen haben oft mit den Chinesern, ungeachtet der Friedensschlüße, und der Bündniße, die sie mit ihnen machten, Krieg gehabt.
Die Fortsetzung folget im nächsten Blatte.
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