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XXI.
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Zwote Fortsetzung der Gedanken von dem Uibergange der Hunnen
nach Amerika.
Die Vielweiberey ist zwar in Amerika eine erlaubte Sache, sie ist aber in diesem Welttheile bey weitem nicht so allgemein, wie in den asiatischen, und afrikanischen Ländern. Die
Iroquisen wenigstens, müßen sich an einer Frau genügen lassen. Uibrigens aber, sind ihre Hochzeitsgebräuche zum Theile griechisch, größtentheils aber
scythisch. Die Wahrsager, welche diese Völker Jongleurs nennen, werden, ehe man die Ehen schließet, befraget, gute Tage dazu gewählet, und allerhand Spiele, Gesänge und Tänze dabey gehalten. Wer die Aehnlichkeit dieser Gebräuche mit den
hunnischen, zusammenhalten will, wird sich dabey des Herrn
Mathias Bels Prodromi mit vielem Vergnügen bedienen können.
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Die Hunnen sowohl, als alle
scythischen Völker, hatten den griechischen Gebrauch, ihre Kinder, besonders aber die Knaben, gleich in der zartesten Jugend, an Wunden, und blutige Merkmaale zu gewöhnen, und zum Streite abzuhärten. Sie badeten sie im kalten Wasser, brannten sie im Gesichte, und zerschnitten ihnen die Wangen mit Säbeln, wie solches
Ammianus Marcellinus, und andere mehr berichten. Die Amerikaner haben fast die nämliche Gewohnheit. Sie ätzen ihren Kindern, wie die alten
Picti, ganze Figuren, als eine Schönheit in die Leiber. Sie schneiden ihren Knaben, sonderlich denjenigen, welche sie zu den Geheimnissen der Religion einweyhen, erschreckliche Zeichen mit einem scharfen Zahne über den Rücken und die Brust. Selbst die Mägdchen, sind einem so harten Verfahren ausgesetzet, indem man sie zur Zeit ihrer Mannbarkeit, sonderlich die ersten drey Mondenwechsel ihrer Reinigung, auf gleiche Art mishandelt. Von Kindesbeinen an, errichten die Wilden eine Art von Freundschaft, die bis in den Tod dauert. Einer befördert die Glückseligkeit des andern auf alle nur ersinnliche Weise, und sie werden eher alles, auch Weib und Kinder, als das
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Wohl ihres Freundes fahren lassen. Diese Freundschaft heißen sie Athenrofera, und dieses ist nichts anders, als was bey den Griechen Amator und Amafius gewesen.
Lucian von Samosata, in einem
seiner Gespräche des Toxaris, eines
scythischen Philosophen, führet ein ähnliches Beyspiel an, welches zum Beweise dienet, daß auch diese Gewohnheit von den
Scythen abstamme. „ Ein Scythe, sagt er, reisete mit seinem Freunde, mit seinem Weibe, und seinen Kindern übers Land. In der Herberge kam Feuer aus. Der Mann sah seinen Gefährten in äusserster Gefahr. Er ließ sein Weib und seine Kinder verderben, und trug den Freund auf den Schultern aus dem Hause. Die Antwort auf die Frage,
warum er dieses gethan habe, bestund darinnen: daß er gar leicht ein anderes Weib, und andere Kinder, doch einen solchen Freund sehr hart bekommen könnte.„ Die Beschäftigungen der Amerikaner stimmen mit den Verrichtungen unserer Vorfahrern völlig überein. Die Männer waren, außer der Nohtwendigkeit sich Häuser zu bauen, die Jagd zu betreiben, und in den Krieg zu ziehen, der Faulheit ergeben. Die Weiber
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hingegen arbeiteten fleißig, sie bauten das Land, und versorgten ihre Männer mit Speisen und Getränke. — Die Kleidung der
mitternächtigen Amerikaner bestehet aus Thierfellen, mit welchen sich die Hunnen ebenfalls bedeckten. Die
Parther hatten dieß vor andern im Gebrauche, besonders aber die Aufsetzung der Hörner, welches bey ihnen, so wie noch heute bey den Amerikanern, ein Zeichen der obersten Gewalt gewesen. Die schöne Art die Kleider mit Fette zu beschmieren, dörfen wir nicht erst in dem grauen Alterthume der Hunnen suchen, wir finden sie noch heut zu Tage, eben so gut als die mit Bast gebundenen Schuhe bey unsern Landesleuten, die sie
Botskor heißen.
Die Weiber der
Iroquisen suchen ihre Schönheit in langen Hahren, die sie künstlich zusammenflechten, und die Zöpfe davon mit gewissen runden Kügelchen von Gummi auszieren. Und sehen wir nicht auch dieß noch heut zu Tage an den Schönen auf dem Lande? Der Krieg und die Waffen sind das Hauptwerk der Mannspersonen. Die Absicht der Wilden bey ihren Kriegen ist, entweder einen Schimpf zu rächen, oder Freunden beyzustehen, oder auch
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Sklaven zu machen. So bald der Krieg beschlossen ist, wird ein Beil aufgerichtet, welches das Zeichen ist, sich bey dem Kregsobersten zu versammeln. Dieß ist nicht so bald geschehen, als der Krieg an allen Orten und Enden, besonders bey den Heerführern besungen, die Helden gerühmet, und die Feinde verachtet werden. Endlich schlachten sie ihrem Götzen
Areskowi zu Ehren einige Hunde, und zeigen damit, daß sie es ihren Feinden eben so machen wollen.
Sie führen in ihren Kriegen, Käule, Bogen, und hölzerne Schwerdter, Schilder, und eine Art Hauben von Fellen. Ihre Verschanzungen sind rund, und mit Erhebungen und Absätzen vom Holze gebauet. Sie fechten unordentlich und flüchtig. Den Todten lösen sie die Hirnschaalen ab, und die Gefangenen sind ihre größte Beute. Diese Unglückseligen werden zu Hause auf eine sehr unmenschliche Art gemartert. Es wird ihnen die Haut lebendig von dem Hirnschädel gelöset, endlich werden sie zerstücket, und gekochet, und ihr Fleisch ist ihren Uiberwindern ein eben so guter Leckerbissen,als ihnen ihr Blut ein herrliches Getränk ist.
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Wenn man die Geschichte der alten Hunnen, und ihrer Gewohnheiten, deren sie im Kriege gefolget, etwas genau untersuchet, so wird man, außer dem Unterschiede, daß die Hunnen meistens zu Pferde gestritten, und wie alle Möotider, eiserne Waffen führten, die größte Uibereinstimmung mit einigen amerikanischen Völkern antreffen. War nicht der Säbel des Gottes
Mars, der zu den Zeiten des
Attila, als ein Zeichen des Krieges aufgestecket worden, eben dieses, was das Beil der
Iroquisen vorstellet? Zu diesem Säbel wurden alle Streiter berufen, und bey diesem Zeichen alles beschlossen. Diese Gewohnheit kam von den Hunnen auf die
Awaren, und von diesen auf die Hungarn, bey denen sie bis auf die Zeiten
Salamonis gedauert hat.
Daß die Hunnen ihre Gefangenen dem Gotte Mars zu Ehren geschlachtet, ihr Fleisch gefressen, das Blut aus den aufgelösten Hirnschädeln getrunken, und aus den Knochen derselben, sich, und ihren Pferden allerley Zierrahten gemacht haben, hat
Herodotus weitläufig beschrieben. Und daher hat auch schon
Horn in seinem
Tractate de America, diese Völker für Abkömmlinge der Hunnen gehalten. Es ist mir zwar nicht
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unbekannt, daß der gelehrte Verfasser des Buchs
de initiis & originibus Hungarorum, welches zu Ofen herausgekommen, diese schändlichen Gebräuche den Axenis, und andern wilden Völkern, welche die Hunnen in Europa zuerst gefunden haben, zuschreibet. Allein, wenn auch dieses gewiß wäre, so sind es doch Völker gewesen, welche von den
Scythen abstammten. Bey den Amerikanern vertreten die Wahrsager die Stelle der Aerzte. Wenn sie eine Krankheit überfällt, so glauben sie, daß sich ihre Feinde in böse Geister verwandeln, und sie verfolgen. Sie beweinen ihre Todten mit einem Gehäule, und stellen dabey die größten Gastmahle an. Einige derselben werden in die Erde verscharret, andere aufgehänget, andere auch wohl verbrennet, und den wilden Thieren vorgeworfen. Bey sehr vornehmen Begräbnissen, werden sowohl Sklaven als Weiber, nebst anderem Hausgesinde, dem Verstorbenen zu Ehren umgebracht, und auf den Ort des Begräbnisses setzen sie allerhand Zeichen. Was ist natürlicher, als was
Herodotus von den
Scythen, und
Juvencus Cälius,
Calanus Dalmata, und
Jornandes von dem grossen Leichbegängnisse
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des
Attila, melden? Gewiß, alles davon hat die größte Gleichheit mit der Pracht bey der Beerdigung der ältesten Könige. — Gleich nach der Bekanntmachung des Absterbens des Attila, zog seine Gemahlinn
Hildico schlechte Kleider an, und betrauerte ihn mit verschnittenen Hahren, und verhülltem Angesichte, in einem einsamen Orte. Die Höflinge beschnitten sich die Hahre und den Bart, stachen sich Wunden in den Leib, und besudelten den todten Körper mit ihrem Blute. Das Leichbegräbniß selbst war überaus prächtig. Gold, Silber, und Edelgesteine wurden bey allen Zelten und Kleidern des Verstorbenen nicht gesparet. Die berühmtesten Helden, und die tapfersten Soldaten sangen Lob und Trauerlieder. Daß einige Menschen dabey um das Leben gekommen, wird von einigen behauptet, von andern aber geläugnet. Seine Waffen, und andere Zeichen der oberherrlichen Würde, wurden seinem Grabe mit einverleibet. Das Gastmahl aber, welches in goldenen, silbernen und kupfernen Schüßeln aufgetragen worden, übertraf an Kostbarkeit, und Verschwendung alles, was man sagen kann.
Das Uibrige künftig.
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