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XXXVIII.
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Der Bienenstaat.
Ein Bienenkorb kann mit einer wohl gebauten Stadt verglichen werden, worinn man 16000. bis 18000. Einwohner antrifft. Der Staat ist monarchisch, und bestehet aus einer regierenden Königin, aus Hofleuten, Soldaten, Handwerkern und dem gemeinen Volke. Die Königinn residirt in einem Schlosse mitten in der Stadt. Die Hofleute und Ministers wohnen in Pallästen, das gemeine Volk aber in kleinen Häusern. Die Löcher, welche man in einem Bienenkörbe gewahr wird, sind die Häuser der Bienen, von denen einige größer, als andere sind. Die grossen werden von den Hofleuten der Königinn, die kleinen aber von dem Pöbel bewohnet. Die Löcher können als öffentliche Gebäude angesehen werden, welche dem ganzen Staate zugehören. Denn bey dieser Natur ist die
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Gemeinschaft der Güter eingeführet. Einige Löcher sind zugeschlossene Provianthäuser, worinnen man den Honig verwahret, um einen Vorraht zu haben, wenn etwa sich ein Mangel an dieser Speise eräugnen sollte. Andere sind offene Magazine zur täglichen Nahrung der Bienen. In andere legt man das rohe und noch nicht verarbeitete Wachs, welches die Bienen bereiten, die nicht aus ihren Löchern gehen. Die übrigen Löcher aber, deren Anzahl die größte ist, sind dazu bestimmt, um die Eyer aufzunehmen, woraus neue Bienen hervorkommen. In einem Bienenkorbe ist insgemein nicht mehr, als eine einzige, welches die Königinn der Bienen ist, die den ganzen Korb belebet. Denn, wenn man die Königinn wegnimmt, so höret alle Arbeit und Munterkeit der Bienen auf einmal auf, und der Staat ist auf einmal zerstöret. Die Königinn ist von aller Arbeit frey. Ihre Verrichtung bestehet allein darinn, daß sie Eyer leget, und von ihr kommen alle andere Bienen her. Denn sie kann in einer Zeit von 7. Wochen 10 bis 12000. Junge zeugen, des Jahrs aber in allem 30 bis 40000. hervorbringen. Die Hofleute, oder eigentlich zu reden, ihre Galans und Liebhaber,
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deren Anzahl sich zuweilen auf 1000. erstrecken kann, sind alle Bienen männlichen Geschlechts. Man findet sie aber insgemein in dem Bienenkorbe, nicht länger, als vom Anfange des Wintermonats bis an das Ende des Julius, weil sie um diese letztere Zeit fast alle eines gewaltsamen Todes sterben. Diese Hofleute sind gleichfalls von aller Arbeit frey, und ihre Verrichtung bestehet lediglich darinn, daß sie der Königin aufwarten, deren Männer sie sind. Diese Aufwärter speisen nichts als Honig, da im Gegentheile die gemeinen Bienen größtenteils nur Wachs zu ihrer Nahrung brauchen. Wenn diese letztern den Korb ganz zeitig und noch vor Sonnen Aufgang verlassen, und niemals anders, als mit Honig und Wachs beladen, zum Beßren der ganzen Societät, wieder zurück kommen, so wagen sich diese Aufwärter niemals eher aus, als um 11. Uhr Vormittages, um sich zu erfrischen, und der Luft und Speise zu genießen. Um 6. Uhr des Abends aber begeben sie sich wieder zurück, weil ihnen alsdann die Luft schon zu kalt wird. Sie haben keinen Stachel, weil die Natur sie allein zum Vergnügen der Königinn gebildet hat. Die übrigen Bienen,
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welche unter dem Namen des gemeinen Volks begriffen werden , und von keinem gewissen Geschlechte sind, sind alle Arbeiter. Nichts aber ist bewunderenswürdiger und außerordentlicher, als wie die Bienen gezeuget werden. Die Königinn ist ihrer aller Mutter, und kann auf einmal mit mehr denn 5000. Eyern schwanger gehen, welche sie auf folgende Art legt: Wenn die Zeit herannahet, daß sie die Eyer legen will, so begiebt sie sich in Begleitung einer grossen Menge anderer Bienen nach allen Löchern in dem Korbe, und besuchet solche zweymal. Das erstemal steckt sie nur den Kopf hinein, und gehet sogleich weiter. Das zweytemal aber kriecht sie rückwärts hinein. Das erste thut sie deswegen, damit sie sehen möge, ob das Loch auch leer und rein, oder ob etwas darinn befindlich ist, welches den Eyern Schaden zufügen kann. Das zweytemal aber leget sie ein Ey, welches in einem Augenblick geschiehet. Wenn sie 5. bis 6. Eyer nacheinander geleget hat, so ruhet sie ein wenig aus. Bisweilen gehet sie ein Loch vorbey, wenn sie merkt, daß dasselbe entweder zu groß oder zu klein für das Ey ist, welches sie legen will. Um dieses zu verstehen, muß man
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merken, daß in einem jeden Bienenkorbe dreyerley Arten von Löchern angetroffen werden. Die kleinesten unter diesen sind zu den Eyern bestimmt, woraus das gemeine Volk herkommt. Die andern, welche größer sind, dienen zum Behältnisse derjenigen Eyer, aus denen die vornehmen Bienen, oder die Aufwärter der Königin entstehen. Die dritte Art der Löcher, welche eine ganz andere Einrichtung und Gestalt haben, empfängt die Eyer, woraus die Königinnen erzeuget werden. Das wundernswürdigste hierbey ist, daß sich die Königinn niemals irret, sondern dieselbe weiß es gleichsam aus einer Eingebung, was für Eyer sie legt, und wird daher niemal ein gemeines Ey in eine vornehme, oder ein vornehmes in eine gemeine oder kleine Höhle legen.
Falsche Ankläger ihrer selbst.
Ein französischer Bäcker hatte eine Frau, die ihm sein Leben recht schwer und sauer machte. Die Uneinigkeit dieser
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beyden Leute war in der ganzen Nachbarschaft bekannt. Das Weib verlor sich, es sey nun, daß das Bezeigen ihres Mannes unerträglich gewesen, oder, daß sie müde war, ihren Mann länger zu qwälen, oder, daß sie den Verdacht gegen ihren Mann erwecken wollen, als habe er sie getödtet. Man merkte gar bald die Abwesenheit seiner Frauen. Es breitete sich allenthalben ein Gerücht aus, als wäre sie von ihrem Manne getödtet worden. Man versicherte sich seiner Person; man fragte ihn, wo seine Frau wäre? und er antwortete, daß er sie getödtet hatte. Man hielt ihn an, den Körper seiner Frauen anzuzeigen; er aber versetzte, daß er sie in seinem Ofen zu Asche verbrennet hatte. Die Frage ward wiederholet, und die Antwort blieb dieselbe. Allein in dem Augenblicke, da dieser unsinnige Mensch auf der Folter war, erschien seine Frau. Er entsetzte sich bey diesem Anblicke, und rief mit Ungeduld aus: Barbarische Frau! willst du mir, nachdem du mir mein Leben sauer genug gemacht hast, auch den Trost eines schnellen Todes rauben ?
Ein fast gleicher Fall soll sich in den vereinigten Niederlanden zugetragen haben.
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Ein gewisser Mensch, der seines Lebens überdrüßig war, kam von Hamburg nach Amsterdam. Vor seiner Abreise von Hamburg fassete er ein Schreiben an den Magistrat der Stadt Amsterdam ab, darinn er sich selbst als einen Mörder anklagte. Er beschrieb darinnen alle Umstände der vorgegebenen Mordthat sehr genau, den Namen des Thäters, und das Schiff, mit welchem er abgegangen. Diesen Brief gab er selbst auf die holländische Post in Hamburg. Es hatte seine Vorstellung auch die abgeziclte Wirkung. Das Schiff kam an, und es wurde dasselbe von der Gerichtsoberkeit angehalten. Man durchsuchte das Schiff, und man fand auch den im Briefe angeklagten und beschriebenen Menschen. Man versicherte sich seiner Person, und befragte ihn wegen der beschuldigten Mordthat. Er bekannte auch, daß er der Thäter wäre, und würde ohne Zweifel als ein solcher abgestraft worden seyn, wenn nicht die weise Oberkeit seine Verstellung entdeckt hatte.
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Der Doktor wider seinen Willen.
Als der rußische
Czaar Boris Goudenow an dem
Podagra krank lag, ließ er öffentlich ausrufen: wer ihn heilen würde, sollte reichlich belohnet werden. Eines
Bojaren Frau, die von ihrem Manne übel gehalten wurde, gab deswegen bey dem Czaar an, daß ihr Mann diese Krankheit curiren könnte, er würde es aber nicht in der Güte thun. Der Bojar wurde also nach Hofe geholet und geprügelt, daß er ein Doktor werden sollte. Er bat um eine vierzehntägige Frist, schabte unterdessen alle Kräuter, böse und gute, die er bekommen konnte, zusammen, und bereitete dem Czaar ein Bad daraus. Weil nun der Schmerz damals von ungefähr nachließ; so ward der Bojar ohne Verschulden ein grosser Doktor, und bekam beydes Held und Güter zur Belohnung.
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