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ZUM GESAMTINHALT
Ungrisches Magazin, Band 2, Heft 4, Text 30 (S. 412-465)
Hrsg. von
Karl Gottlieb Windisch
Preßburg,
Löwe, 1782
Autor:
Daniel Cornides
Zuordnung: Kulturgeschichte
Vom ungrischen Ursprunge der Kutschen 1
Vom ungrischen Ursprunge der Kutschen 2
Vom ungrischen Ursprunge der Kutschen 3
Vom ungrischen Ursprunge der Kutschen 4
(P412)
30. Nachtrag einiger Bemerkungen vom ungrischen Ursprunge der Kutschen.
In des
Ungrischen Magazins ersten Bandes erstem Stücke S. 15. suchte ich darzuthun, daß die Kutsche eine Ungrische Erfindung, und daß selbst der in allen Europäischen Sprachen nur mit geringer Veränderung angenommene Name Kutsche, in Ungern zuerst entstanden sey. Bey den wenigsten meiner Freunde, wie sie mir solches selber gestunden, wirkte mein Aufsatz eine Uiberzeugung. Sie sagten, ich hätte darinnen nicht sowohl meinen Satz, als meinen Patriotismus bewiesen. Um also diesen zweifelnden Freunden ein Genügen zu thun, will ich noch einen letzten Versuch über diesen Gegenstand wagen, und sowohl die Ungrische Erfindung der Kutschen, als auch den Ungrischen Ursprung dieses Namens in ein helleres Licht zu setzen mich bemühen. Diese Arbeit muß mir freylich um desto leichter werden, da der berühmte
Herr Johann Beckmann, ordentlicher Professor der Oekonomie zu Göttingen, nur neulich erst von der Erfindung der Kutschen ungemein schön und gründlich geschrieben hat, 1.) und ich vieles von seinen gesammelten Materialien zu meinem größten Vortheile nunmehro benutzen kann. Es ist zwar dieser grosse Gelehrte nicht gänzlich meiner Meynung: doch schienen ihm meine Gründe wenigstens wehrt zu seyn, von ihm angeführt, ja sogar durch neue Data, die meiner Bemerkung
1.) Im dritten Stücke seiner Beyträge zur Geschichte der Erfindungen. Leipzig. 1782. 8. S. 390-428.
(P413)
entgangen waren, unterstützt zu werden. Durch den Beyfall eines so grossen Mannes aufgemuntert, will ich mich beeifern, solchen durch gegenwärtige Abhandlung noch mehr zu verdienen. — Mein Aufsatz soll zween Abschnitte haben. Im ersten werde ich mich befleißigen, den Ungrischen Ursprung der Kutschen; im zweyten aber die Ungrische Abstammung des Worts darzuthun.
Erster Abschnitt. Von dem Ungrischen Ursprunge der Kutschen.
Wenn ich erweise, daß 1.) die Kutschen in Ungern weit früher bekannt, und gebräuchlich gewesen, als in andern Ländern; daß 2.) der Ungrische Name Kotsi ungleich älter sey, als die beynahe ähnlich lautende Benennung dieses Fuhrwerks in andern Sprachen; daß 3.) auch ausländische beglaubte Schriftsteller die Erfindung der Kutschen den Ungern zueignen; wenn ich, sage ich, diese drey Stücke erweise: so glaube ich meinen Satz außer Zweifel gesetzt, wenigstens höchst wahrscheinlich gemacht zu haben. Was nun
Erstens:
den frühen Gebrauch der Kutschen in Ungern anbetrift, so finde ich es für nöhtig, von den Fuhrwerken in den ältesten Zeiten, nur ein paar Worte des Zusammenhangs wegen vorauszuschicken. Es ist eine bekannte Sache, daß bereits in den ältesten Zeiten bey den Römern, Griechen, und andern Völkern verschiedene Arten kostbarer Wägen, und vornehmer Fuhrwerke im Gebrauche gewesen, als da sind:
Arcerra,
Carpentum,
Rheda,
Cisium,
Petoritum,
Essedum,
Pilentum,
Carruca, etc. wovon
Johann Scheffer 2.) ein sehr gelehr-
2.) Johann Schefferus de re vehiculari veterum Libri duo. in Poleni Thesauri Antiquitatum Romanarum Graecarum novis Supplementis, Venetiis 1737. fol. Volum. V.
(P414)
tes Werk hinterlassen hat. Doch alle diese Fuhrwerke hiengen nicht in Riemen, oder eisernen Stangen, und waren überhaupt in Ansehung ihres Stofs, ihrer Bauart, und ihrer Einrichtung, von unsern heut zu Tage üblichen Karossen und Kutschen sehr unterschieden, wie solches aus denen vom Scheffer und
Montfaucon mitgetheilten Abbildungen deutlich zu ersehen ist. 3.) Es kann also gar nicht geläugnet werden, daß die Gewohnheit in prächtigen Wägen zu fahren, bey den alten Römern sehr im Schwange war, und daß solche mit zu dem Römischen Luxus gehörte. Als aber der grosse Staatskörper des Römischen Reichs durch den Einbruch verschiedener kriegerischen Völker zertrümmert, und dadurch der Grund zu der Entstehung der heutigen Europäischen Staaten gelegt wurde: kam das Wagenfahren völlig ab. Denn die rauhen wandernden Völker, die Europa überschwemmt, und sich der Römischen Provinzen einer nach dem andern bemächtiget hatten, kannten die Gemächlichkeit des Wagenfahrens nicht, und verstunden sich nur aufs Reiten, weil ihre beständigen Feldzüge und Wanderungen nicht anders, als zu Pferde und zu Fusse verrichtet werden konnten. Der Karren und Lastwägen bedienten sie sich nur zur Fortschleppung solcher Gerätschaften, die sich nicht füglich auf ihre Pferde packen ließen. Auch haßten sie die Weichlichkeit, und suchten einen vorzüglichen Ruhm darinnen, ihren Körper zu allen Strapatzen abzuhärten, um desto leichter Frost, Hitze, Hunger, Durst, hartes Lager, und alle andere Beschwerlichkeiten, denen sie bey ihren häufigen Kriegen unaufhörlich ausgesetzt waren, ertragen zu können. Würde sich wohl das Fahren in sanft einwiegenden prächtigen Wägen mit ihrer Lebensart und mit ihrer Verfassung vertragen haben? Ferner hat in spätern, Jahrhunderten die Denkungsart des Lehensystems, wie Herr Professor Beckmann am an-
3.) Man vergleiche hiemit auch Spanhem de praestantia numismatum. Amstelod. 1671. 4. pag. 613.
(P415)
geführten Orte S. 392. richtig angemerkt hat, den Gebrauch des Fahrens auf einige Zeit vollends zurückgetrieben. "Den Lehensherren, sagt Herr Prof. Beckmann, war zu sehr daran gelegen, daß ihre Vasallen zu allen Zeiten gleich zu Pferde dienen konnten, als daß sie das Fahren in prächtigen Wägen hätten begünstigen sollen. Sie sahen voraus, daß der Adel sich dadurch des Reitens entwöhnen, und zum Dienste unfertiger und ungeschickter machen würde. Herren und Diener, Männer und Frauen, Weltliche und Geistliche, ritten auf Pferden oder Mauleseln, und Frauen und Mönche noch beqwemer auf Eselinnen." Auf diese Weise ist das Wagenfahren in mittlern Zeiten völlig abgekommen, bis endlich Kutschen in Ungern erfunden, und deren Nutzen und Beqwemlichkeit auch andern Nationen nach und nach bekanntgeworden. Ich will, um dieses darzuthun, die vornehmsten Europäischen Reiche kürzlich durchgehen, und zeigen, daß Kutschen nirgends, ausgenommen in Ungern vor dem XVIten Jahrhunderte gebräuchlich gewesen.
Ich fange von Deutschland an.
Johann Peter Ludewig, in der vollständigen Erläuterung der güldenen Bulle, I. Theil, S. 100. not. y. soll mir hier das Wort reden. Er drückt sich hievon also aus: „Wenn man bedenket, daß vor deme die weiten Reisen alle zu Pferde geschehen, indem in der ganzen Aurea Bulla keines Wagens, aber doch öfters der Pferde, mit welchen die Kuhrfürsten ankommen sollen, Erwähnung geschiehet, dahero auch alle Berrichtungen in der Wahlstatt auch nur von einem Hause zu dem andern reitend vorgestellet worden: so ist die Ursache leichtlich zu finden, warum des Vorspannens und Fuhrwerkes hiebey keine Erwähnung geschehen sey: 4.)
4.) Daß die Deutschen zur Zeit der vom Kaiser Karl IV. verfertigten goldenen Bulle noch keine Kutschen gehabt haben, hatte schon auch Johann. Limnaeus in seinen Observationibus in auream
(P416)
Ludewig im angeführten Werke, II. Th. S. 259. not. r. sagt ausdrücklich: Dann von Kutschenfahren die alten Deutschen vor dem XVIten Jahrhundert nichts gewußt haben, davon oben p. 115. und anderswo gesagt worden ist." Und wiederum S. 1326. "Heut zu Tage ist nun die Gewohnheit zu reiten, (wenn nämlich ein Fürst kommt, vom Kaiser die Lehen zu empfangen:) ab, und an statt dessen, das Kutschenfahren, wovon man vor zweyhundert Jahren noch fast nichts gewußt, aufgekommen." Einzüge grosser Herren, Reichshofdienste der Erzämter bey der Kaiserkrönung, Belehnungen der deutschen Fürsten, und alle andere Verrichtungen geschahen dahero zu Pferde. Auf gleiche Weise ritten die Rahtsherren der Reichsstädte noch im Anfange des XVI. Jahrhunderts zu Rahte, und die Mitglieder des Rahts, welche als Gesandte zu Reichstägen und andern Gelegenheiten verschickt wurden, hießen deswegen Rittmeister, wie dieses Herr Prof. Beckmann, a. a. O. S. 393. gewiesen. Nur erst im XVIten Jahrhunderte wurden die Kutschen in Deutschland bekannt. Doch bedienten sich der Kutschen in Deutschland damals nur die vornehmen Frauen, da hingegen die Männer sich es für unanständig hielten zu fahren. Die Beweise hievon will ich dem Herrn Prof. Beckmann abborgen, und seine eigenen Worte hersetzen. Sie lauten S. 394. 395. also: "Wenn damals die Churfürsten und Fürsten die Reichstäge nicht selbst besuchen wollten, so entschuldigten sie sich dadurch bey dem Kaiser, daß ihre Gesundheit ihnen das Reiten nicht erlaube, und man nahm es für ausgemacht an, daß es sich für sie nicht schicke, wie Frauenzimmer zu fahren, (von
Ludolf Electa Juris Publici V. S. 417.) Was also nach damaliger Denkungsart nicht den Fürsten erlaubt war, das
Bullam Caroli IV. Imp. Rom. (Ad Caput I. §. 20. Observ. V.) edit. nov. Argent. 1686. 4. pag. 249. noch vor Ludwigen angemerket.
(P417)
war noch vielweniger ihren Bedienten erlaubt. Als
Graf Wolf von Barby vom
Churfürsten Johann Friedrich zu Sachsen zur Reise nach Speyer, zu dem daselbst angesetzten Reichskonvent im J. 1544 gefodert war, baht dieser um Erlaubniß, sich wegen seiner Unpäßlichkeit eines behangenen Wagens mit vier Pferden bedienen zu dürfen. Als zu des Churfürsten Halbbruders
Herzogs Johann Ernst Beylager, die Grafen und der Adel entbohten wurden, geschah es mit der Erinnerung: was sie von Ehrenkleidern mitzunehmen Willens wären, würden sie auf einem Wägelein wohl mitführen zu lassen wissen. (von Ludolf a. a. O.) Wären sie in Kutschen erwartet worden, so wäre diese Erinnerung überflüßig gewesen. Sogar dem Frauenzimmer ward der Gebrauch bedeckter Wägen lange Zeit erschwert. Im Jahre 1545 erhielt die Gemahlinn eines gewissen Herzogs von ihm nur mit Mühe Erlaubniß, zu ihrer Reise ins Bad, wobey doch sonst viele Pracht verschwendet ward, einen bedeckten Wagen zu nehmen, mit der ausdrücklichen Bedingung, daß ihre Begleiterinnen sich dergleichen enthalten sollten. (
Sattler in der historischen Beschreibung des Herzogthums Würtemberg, im ersten Theile, bey Erläuterung einer Urkunde vom J. 1389.) Und S. 399. spricht Herr Professor Beckmann: "Das erstemal, daß bey einer Reichsfeyerlichkeit die Gesandten in Kutschen erschienen sind, soll bey der zu Ehrfurth im J. 1613. wegen der
Jülichschen Sache gehaltenen Kaiserlichen Kommission gewesen seyn." (Ludolf electa juris publici V. S. 417. von
Moser Deutsches Hofrecht II. S. 337.) Was die Karossen anbelangt, so fieng man sich deren in Deutschland gleichfalls spät, und erst gegen das Ende des XVI. Jahrhunderts zu bedienen an, und auch diese waren von einer ziemlich schlechten und groben Bauart. Der
Königliche Verfasser der Suite des Memoires pour servir á l'Histoire de Branden-
(P418)
burg, p. 63. wo er die vom
Markgrafen von Brandenburg Johann Sigismund zu Warschau im J. 1594 wegen Preußen geleistete Huldigung erzählt, setzt hinzu: „L’usage commun des carosses ne remonte pas plus haut qu'a Jean Sigismond." Und wenn eben dieser gekrönte Verfasser a. a. O. p. 63. ferner meldet, daß der Brandenburgische Gesandte bey der Wahl des
Kaisers Mathias drey Kutschen hatte, so macht er noch dabey die Anmerkung: "C'etoient de mauvais coches composes de quatre ais grossierement joints ensemble." Wie selten übrigens nur noch vor hundert Jahren Kutschen und Karossen in Deutschland mögen gewesen seyn, belehrt uns Ludewig in seiner Erläuterung der güldenen Bulle, II. Th. S. 569. Hier sind wiederum seine eigenen Worte: "Und deßwegen sind die Karossen vor noch nicht hundert Jahren so seltsam gewesen, daß sich die größten Höfe und Städte mit einer einzigen beholfen. Welche der Stadtraht meistens gehalten, und bey üblem Wetter, zu Kindtaufen, Trauungen, Hochzeiten, Gastmahlen, und bey andern vorfallenden Gelegenheiten fürs Geld jedem hergeliehen hat. Ja ich erinnere mich eines grossen Churfürstlichen Hofes, in welchem noch vor 40 Jahren eine einzige sogenannte Hofkutsche gehalten, und die Staatsminister, wenn es übel Wetter, zu Rahte geholet worden, weil keiner unter denselben Pferd und Wagen gehabt hat." Doch genug von Deutschland.
In Frankreich hatte es eben diese Bewandniß. Im XVIten Jahrhunderte ritten Könige, Königinnen, Prinzen und Prinzeßinnen, Hofbediente und Frauenzimmer, sowohl auf Reisen, als auch bey Feyerlichkeiten noch durchgängig. S.
Varietés Historiques, Physiques et Litteraires, Tom. II. a Paris, 1752, 12. pag. 89.-91. Im Jahre 1534 wohnte die
Königinn Eleonora, die Prinzeßinnen und die Hofdamen, einer Gottesdienstlichen
(P419)
öffentlichen Prozeßion in Paris sämmtlich zu Pferde bey. 5.) Sogar Gefangene brachte man aus der Bastille zu Pferde vors Gericht, die nach angehörtem Todesurtheile zum Gerichtplatze gleichfalls reiten mußten, wie dieses das Beyspiel des
Connetable de St. Pol ausweist. 6.) Die Parlamentsrähte, sind noch bis zu Anfange des siebenzehnten Jahrhunderts 7.) auf Mauleseln ins Parlament geritten. Was die Damen anbelangt, so sassen sie gemeiniglich hinter ihrem Stallmeister auf, oder es wurden ihre Pferde von einem oder zwey Bedienten geführt, wovon Sauval a. a. O. S. 187. häufige Beyspiele anführt. Oefters wurden Damen auch in Sänften getragen. Es pflegten übrigens nicht nur Frauenzimmer hinten aufzusitzen, sondern oft ritten auch zween Männer auf einem Pferde, und diese Gewohnheit erhielt sich in Frankreich bis ins vorige Jahrhundert.
Karl VI. stieg hinter
Savoisy, einem seiner Vertrautesten, aufs Pferd, um die Zurüstungen zum Einzuge der Königinn unbemerkt anzusehen. Als
Ludwig Herzog von Orleans, des obgedachten Karl VI. Bruder, 1407 ermordet ward, sassen die zwey
Ecuyers,
5.) Henri Sauval in seinem Werke: Histoire et Recherches des Antiquités de la ville de Paris. Tom. I. à Paris 1724. fol. Liv. II. pag. 188: "En 1534. à cette procession generale qui fut faite à la rue du Roi de Sicile, à l'occasion d'une image de la Vierge qui avoit eté prophanée, et où Francois I. assista, et toutes les Cours souveraines, la Reine Eleonor marcha a la tête sur une haquenée blanche, enrichie d'une housse de drap d'or frisé; les filles du Roi tout de même sur des haquenées, mais harnachées un peu moins richement; de plus les Princesses, les Dames, les Seigneurs et autres, étoient à cheval."
6.) Sauval l. c. pag. 189: "En 1475. sous Louis XI. le Conetable de S. Pol, vint de la remontant sur le même cheval, fut conduit à l'Hotel de Ville, et eut la tête tranchée à la Gréye."
7.) Sauval l. c. p. 188.: "Au commencement de celüi - ci (Siecle) les Presidens et les conseillers alloient au Parlement sur des mules. Pour monter dessus tant au Palais qu à leur porte, ils avoient des montoirs de pierre." Und in der Encyclopedie Tom. II. pag 705. heißt es von den Parlementsrähten: ils continuerent d'aller au Palais sur des mules jusqu au commencement du dix - septieme siecle."
(P420)
die ihn begleiteten, beyde auf einem Gaule. Von den Standespersonen, sowohl männlichen als weiblichen Geschlechts, die man 1413 am Hotel de St. Pol in der St. Antonsgasse gefangen nahm, ritten allemal zwey auf einem Pferde. Als der
Connetable d'Armagnac 1418. in Verhaft gebracht wurde, ließ man ihn hinter
le Veau de Bar Prevôt de Paris, aufsitzen. Kurz, die Gewohnheit, daß zwo Personen auf einem Pferde ritten, hat so lange gedauert, daß sie noch unter der Regierung
Ludwigs XIII. üblich gewesen ist. 8.) Erst im XVI. Jahrhunderte, und zwar in den letzten Regierungsjahren des
Königs Franz des I. hat sich der Gebrauch der Karossen und Kutschen von Italien aus, nach Frankreich zu verbreiten angefangen. Man weiß sogar die vier ersten Personen anzugeben, die sich in Frankreich der Karossen und Kutschen zuerst bedient haben. Eines dieser Fuhrwerke hat dem
Laval de Bois-Dauphin, einem dicken unbehilflichen Herrn, dem das Reiten unmöglich ward, das andere der
Königinn, das dritte der
Diana, Herzoginn von Anguleme, der natürlichen Tochter des
Heinrich II. die 1619 gestorben ist, und das vierte dem
Vater des berühmten Geschichtschreibers
Thuans,
8.) Sauval, l. c. p. 188. "Quant à l'autre maniere de monter à cheval, qui pourroit croire, qu'autrefois les Dames n'etoient pas les seules qui allassent en croupe, et que les hommes aussi bien qu'elles y allassent quelquefois? J'en prens à temoin Charles VI. qui voulant voir sans être conu les appareils de l'entrée de la Reine, monta en croupe derriere Savoisy, qui etoit un de fes plus cofidens; mais d'ou il revint charché de coups qu'il racut au milieu de la foule, a force de pousser, afin de de fe faire passage. Les deux Ecuyers qui en 1407. accompagnoient Louis de France, Due d'Orleans, lorsqu'il fut assassiné á la vieille rue du Temple, etoient montés sur un même cheval. Toutes ces personnes de qualité, tant hommes que femmes, qu'en 1413. on arrêta à l'Hotel de St. Pol de la rue St. Antoine, furent menés en prison, n'y ayant qu'un cheval pour deux. En 1418. lorsque le Connetable d'Armagnac alla en prison, on le fit monter en croupe derriere le Veau de Bar, Pevôt de Paris. Ensin l'usage de monter en croupe est si ancien, at a duré si longtems qu'il a passé jusqu'au regne de Louis XIII."
(P421)
dem
Christoph de Thou, Parlaments Präsidenten, der das Podagra hatte, zugehöret. 9.) Doch scheinen die ersten Karossen und Kutschen in Frankreich wenige Aehnlichkeit mit der Gestalt und Bauart der heut zu Tage üblichen gehabt zu haben. Der Wagen, in welchem
König Heinrich der II. den 2. Oktob. 1550. seinen Einzug zu Rouen gehalten, war ohne Räder, und wie ein Schlitten gebauet, und die zwey Pferde, die ihn fortschleppten, waren durch Kummete an den Hälsen ange-
9.) Jac. Aug. Thuanus, de vita sua, Libro III. (in Sylloge Scriptorum ejus varii generis et argumenti, Historiae ejus addita, Tomo VII. Londini, 1733. pag. 88. 89.) hat hievon folgendes aufgezeichnet: Quae (Jac. Aug. Thuani mater) cum lectica, ut aulicae principales matronae et virgines semper antea consueverant, et carruca, cujus tunc, usus rarus, vehi posset, tamen, ut modestiae caeteris instar esset, in equo post tergum sessoris domestici tapeti et stapedae insistens, per vicos portabatur. Et vero non ita diu est, ex quo effraenis illa in luxu licentia per urbem grassari coepit: nam primus, qui in urbe curru vectus est, extremo Francisci I. regno, fuit Jo. Lavallus Boscodelphinus, vir illustri loco alioqui natus, quod propter corporis obesitatem commode equo insidere non poterat; tantumque tunc in aula duae carrucae erant, ex Italia nuper usu invecto, altera Reginae, altera aliquanto post Dianae Henrici II. naturalis filiae; cujus auriga Placentinus, ab Horatio Farnesio Castri duce marito Italia tunc evocatus, nunc & adhuc, credo, in aedibus suis confectus senio quiescit. Prima in urbe fuit Christophori Thuani, postquam princeps senatus creatus fuit; qua tamen nec ipse cum in palatinum quotidie, & interdum jussus a Rege, nam nisi jubente Rege ex laudabili majorum instituto palatinis magistratibus eo itare religio erat, Luparam iret, minime utebatur, tantum uterque cum rus proficiscebatur, curru vehebatur: quod & in causa fuit, ut diu post nemo currum in urbe haberet Hodie ita multiplicatus est carrucarum numerus, ut quot Venetiis privatis vehendis naviculae, tot nunc in urbe carrucae numerentur;nec habito ordinis & conditionis delectu, etiam insimae conditionis homines iis promiscue utantur. Quod in transitu, ut multa heic, dictum sit.
(P422)
schirrt. 10.)
Heinrich der IV. ward 1610. in einer Karosse erstochen, aber gemeiniglich soll er in Paris geritten seyn. Er pflegte bey trübem Wetter einen grossen Mantel hinter den Sattel zu nehmen, um sich in ihn zu hüllen, wenn es zu regnen anfieng. 11.) Wenn Heinrich IV. ausfuhr, so wurden nur vier Pferde eingespannt. Als er aber einmal mit der
Königinn in St. Germain war, und die Pferde mit ihm durch, und ins Wasser giengen, weil man sie denselben Tag nicht getränkt hatte, machte er zu Vermeidung ähnlicher Zufälle die Anstalt, daß, wenn er aus der Stadt fuhr, hinführo sechs Pferde angespannt werden sollten, und ein Vorreiter mußte auf einem der vordersten Pferde aufsitzen, um sie zurück zu halten, wenn sich dergleichen wieder zutrüge. Diese Einrichtung war sogleich von den Vornehmsten am Hofe angenommen, und nachgeahmt. 12.) Doch wird die Menge seiner Nachahmer, und die Zahl der in Paris befindlichen Kutschen vermuhtlich nicht groß gewesen seyn, da selber Heinrich IV. und seine Gemahlinn zu ihrem Gebrauche nicht mehr als eine gemeinschaftliche Kutsche hatten. Denn es findet sich ein Billet Heinrichs IV. an einen seiner Vertrauten, in folgenden Worten abgefaßt: Ich kann euch heute nicht besuchen, denn meine Frau bedienet sich meiner Kutsche. 13.) Unter dieser Kutsche Heinrichs
10.) Varietés Historiques, Physiques & Litteraires, Tome II. Premiere Partie, pag. 92: "Le char du Roi Henri II. lorsqu'il fit son entrée dans Rouen le 2. d'Octobre 1550: n'etoit qu'une espece de Traineau, sans rouës, tiré par deux chevaux accolés, ce qui a fort peu de rapport à nos Carosses d'aujord'hui."
11.) Sauval, l. c. pag. 189.
12.) Sauval, l. c. pag. 191.
13.) Varietés Historiques, Physiques & Litteraires, Tome II. Premiere Partie, pag. 96: "J'ai oui dire à un homme de condition qu'on conservoit dans sa famille une Lettre écrite par Henri IV. à un de fes Ancêtres, qui etoit à sa cour & dans sa faveur, par la quelle le Roi lui mandoit: Je ne saurois Vous aller voir aujourd'hui, parceque ma femme se sert de ma coche."
(P423)
IV. darf man sich aber keine von itziger Bauart vorstellen. Sie hieng nicht in Riemen, doch hatte sie einen Himmel, und war mit Vorhängen umgeben. Wir finden davon Abbildungen unter den Kupferstichen der Königlichen Bibliothek, woraus sie
Roubo genommen, und in sein kostbares Werk:
L'Art du Menuiser. Troisieme Partie, 1771. Figures I. 2. et 3. auf der 171ten Kupfertafel übergetragen hat. 14.) Hingegen weis Roubo kein älteres Beyspiel in Frankreich von hangenden Wägen anzuführen, als den, worinnen
Ludwig XIV. vor ohngefähr hundert und dreyßig Jahren seinen feyerlichen Einzug in Paris über den Pont-Neuf hielt. Auch davon hat er auf eben der Kupfertafel Fig. 4. eine Abbildung geliefert, die er der nämlichen Qwelle zu danken hat. Noch verdient unsern Nachrichten beygetragen zu werden, daß unter den Personen aus dem Bürgerstande, eine reiche Apothekers Tochter zu Paris, genannt
Favereau, die sich von ihrem Manne
Bordeaux vom Tisch und Bette hatte scheiden lassen, die erste gewesen sey, die sich einer Karosse bedienet hat. Sie lebte gegen das Ende des XVIten Jahrhunderts. Kinder, und der gemeine Pöbel liefen und schrieen ihr oft wegen dieses neuen Aufzuges nach. 15.)
14.) L'Art du Menuiser. Par M. Roubo le fils, Maitre Menuisier. Troisieme Partie, 1771. Chapitre I. Sect. I. pag. 457: "Ce ne fut guere que fous le regne de Henri le Grand, que l'usage des Voitures devint plus commun; mais ce n'etoit encore que des especes de Chars non-suspendus, couverts d'une impériale & entourés de rideaux, ainsi que les répresentent les Fig. 1, 2 & 3."
15.) Sauval, l. c. p. 191: "J'ai appris de la vieille Madame Pilou, qu'il n'ya point eu de carosses à Paris avant la fin de la Ligue, c'est-à-dire avant la fin du siecle passé: (seizième) la première personne qui en eut, etoit une femme de la connoissance & sa voisine, fille d'un riche Apoticaire de la ruë St. Antoine, nommé Favereau, & qui s'etoit fait separer de corps & des biens d'avec Bordeaux, Maître des Comptes son premier mari. - - - - - De dire comment étoit fait son carosse, c'est ce que la Dame ne m'a
(P424)
Auch England lernte den Gebrauch der Kutschen nur gegen das Ende des XVIten Jahrhunderts kennen.
Fitz-Allen, Graf von Arundell war der erste, der im Jahre 1580 eine Kutsche aus Deutschland nach England brachte, 16.) und erst ums Jahr 1605. fiengen die Kutschen an bey dem Adel und den bemittelten Leuten in London allgemein üblich zu werden. 17.) Mit sechs Pferden fuhr in London zuerst 1619. der
Herzog von Buckingham, worauf der
Graf von Northumberland gar achte vorspannte, doch nur um sich über diese neue Pracht des Buckingham aufzuhalten. 18.)
Italien hatte zwar seit mehreren Jahrhunderten eine gewisse Art Wägen, die in der Landessprache Caretta oder auch Cariola genennet wurden, und deren sich Prinzessinnen bey ausserordentlichen Feyerlichkeiten zuweilen bedienten. Allein diese Karetten oder Kariolen,
pas dit, elle se souvenoit seulement qu'il etoit suspendu avec des cordes ou des courroies; qu'on y montoit avec une échelle de fer, & qu'enfin il ne ressembloit presque point à ceux d'àprésent: que tant qu'il parut nouveau, les petits enfans & le menu peuple couroit apres, & souvent avec des huées. Pour aller par la Ville elle y faisoit atteler deux chevaux, & quatre quand elle alloit à la campagne."
16.) A. Anderson in seinem Historical and Chronological Deduction of the Origin of Commerce, from the earliest Accounts to the present Time, containing, an History of the great Commercial Interests of the British Empire &c. Vol. I. London 1764. fol. pag. 241. sagt: "In this same Year (1580) det Use of Coaches is said to have been first introduced into England, by Fitz-Allen, Earl of Arundell." Daß die erste Kutsche in England aus Deutschland gekommen sey, gründet sich auf die Aussage des John Stow, auf den Herr Prof. Beckmann, S. 414. sich beruft. Ich habe keine Gelegenheit gehabt, das von ihm angeführte Werk des Stow nachzuschlagen.
17.) Anderson am angeführten Orte, S. 469: About this Time (1605) Coaches came to be in general Use by the Nobility and Gentry at London; yet Hackney Coaches in London Streets were not as yet known, nor Stage Coaches to and from the Country."
18.) Herr Prof. Beckmann, S. 414. aus The History of Edinburgh by Hugo Arnot. Edinb. 1779. 4. p. 596.
(P425)
scheinen mehr einer auf Räder gesetzten Sänfte, oder einem mit Pölstern ausgestopften Karren, als unsern Galawägen oder Kutschen gegleicht zu haben. Das Reiten war übrigens in Italien eine Zeitlang eben so allgemein, und das Wagenfahren eben so ungewöhnlich, als in den bereits erwähnten Ländern, nur daß die Karossen in Italien früher als in Frankreich im Schwange gewesen. Als
Friedrich II. 1239. in Padua seinen Einzug hielt, kamen ihm die vornehmen Frauenzimmer, bey allem ihrem prächtigen Aufzuge, doch nicht in Wägen, sondern sedentes in phaleratis ea ambulantibus palafredis, entgegen. 19.) „Selbst im Päbstlichen Ceremoniel sagt Herr Prof. Beckmann, S. 393, ist keiner Leibkutsche und keines Leibkutschers, wohl aber des Leibpferdes und Leibmaulesels gedacht. Jenes sollte ein Schimmel, und zwar ein Schimmel ohne Muhtwillen, ein stiller gutwilliger Gaul seyn; man sollte dem Pabsten eine Stiege oder Schemel mit drey Stuffen herbeytragen, um auf den Schimmel kommen zu können; Kaiser und Könige sollten, wenn sie gegenwärtig wären, den Steigbügel halten, das Pferd führen, u. s. w. (
Sacrarum caeremoniarum Romanae Ecclesiae libri 3. auctore J. Catalano. Romae 1750. 2. Vol. fol. Vol. I. pag. 131.) Bischöfe sollten auf einem Palmpferde oder Palmesel ihren Einzug halten. (
J. P. von Ludewig gelehrte Anzeigen 1 Band, S. 426. aus dem
Caeremoniale episcoporum lib. 1. Cap II.) In dem
Notarial Instrumente vom 2. December 1493. über das Inventarium der sämmtlichen Mobilien, welche
Blanca Maria Sforza, eine Mayländische Prinzessinn, die Braut des
Kaisers Maximilians I. außer ihrer Mitgift, nach Deutschland mit sich gebracht hatte, 20.) befinden sich unter andern auch
19.) Herr Prof. Beckmann, S. 415.
20.) Instrumentum Notariorum super mundum muliebrem, Bona item mobilia, & paraphernalia Blancae Mariae Sfortiae Me-
(P426)
verschiedene Sättel und Reitsporne der Prinzessinn, und der Frauenzimmer von ihrem Gefolge, verzeichnet und beschrieben: Ephippia, heißt es daselbst, seu sellae pro Serenissima Domina Regina: videlicet sella una ex veluto cremesino ... cum fraeno ex argento ... et staffis, ex argento inauratis, et uno calcari argenteo inaurato. Sella una ex panno aureo rizo cremesino ... cum staffis inauratis, et cum uno calcari argenteo inaurato. Sella una ex panno argenteo coelesti ... cum staffa inaurata, et uno calcari argenteo inaurato. Sella una ex veluto viridi, cum munimento suo aurato. Sella una ex veluto beretino cum suo munimento inaurato. Sellae duodecim ex raso coelesti pro mulieribus, cum suis munimentis. Sellae duodecim panni transmontani pro mulieribus, cum suis munimentis.
In Spanien hat man die erste Kutsche 1546. gesehen. Es versichert uns dieses
Richard Twiß, in seinen Reisen durch Portugal und Spanien im Jahre 1772 und 1773. aus dem Engländischen übersetzt, mit Anmerkungen von C. D. Ebeling, Leipzig 1776, 8. S. 319. wo folgendes zu lesen ist: „1492, ward die erste Komödie in Spanien aufgeführt, und 1546 sah man die erste Kutsche daselbst." Twiß, der das Jahr so genau und so zuversichtlich angiebt, wird ohne
diolanensis, Sponsae Maximiliani I. Imp. quae ultra dotem attulit, de Dato 1493. II. Decemb. in des Marquardi Hergott Pinacotheca Principum Austriae, Parte priori. Friburgi Brisgoviae 1760. fol. Auctarii Diplomatici Nro. LX. pag. 61. segg. Die angeführten Worte stehn S. 65. Auf der nämlichen Seite wird unter die Gerähtschaften der gedachten Mayländischen Prinzessinn, auch Culcitra una parva, ut supra, pro cariola. Culcitra una parva prolectera castrensis, gezählet, welches meine von den Italiänischen Karetten oder Kariylen geäußerte Meynung gewissermassen begünstigen scheint.
(P427)
Zweifel seinen guten Grund dazu gehabt haben. Nur wünschte ich mit
Herrn Professor Ebeling in der Note zu dieser Stelle, das Twiß die Qwelle, woraus diese Nachrichten geschöpft sind, angezeiget, und etwas Weniges zum Beweise und zur Erläuterung hinzugefüget hätte. Doch ist an der Richtigkeit seiner Aussage nicht zu zweifeln, so frühzeitig auch sein angesetztes Datum in Vergleichung mit Frankreich und England uns vorkommen möchte.
Diese frühe Bekanntmachung mit einer Art Wägen, die eigentlich von Ungern herrühret, läßt sich leicht erklären, da des
damaligen Königs von Spanien, Kaisers Karl V. Bruder
Ferdinand, in Ungern regierte. Uiber dem
bezeugt ja Hortleder ausdrücklich, daß Karl V. in einem ungrischen Gutschwagen zu fahren pflegte.
Von Schweden berichtet
Olof von Dalin in seiner Geschichte des Reichs Schweden, ins Deutsche übersetzt durch Joh. Karl Dähnert, im IIIten Theile des 1sten Bandes, Kap. 8. §. 39. S. 402, daß in der letzten Hälfte des XVIten Jahrhunderts,
Herzog Johann von Finnland die erste Kutsche aus England nach Schweden gebracht habe. „Vorher setzt Dalin hinzu, führten die grossen Herren ihre Frauen mit sich auf dem Sattel, wenn sie aufs Land reiseten: Selbst die Prinzeßinnen reiseten zu Pferde, und nahmen einen kleinen Wachstuchmantel um, wenn es regnete: selbst nach Hofe fuhr man niemals anders; aber um diese Zeit (nach des Herzogs Johann Ankunft) kam alles auf einen andern Fuß." So weit Dalin.
Doch es ist Zeit, mit meinen Betrachtungen nach Ungern, meinem Vaterlande zurückzukehren, von dem mich die Nachrichten aus andern Staaten abgezogen haben. Wir sahen, daß die Kutschen im XVIten Jahrhunderte noch eine so grosse Seltenheit waren, daß nur Prinzessinnen und Fürsten sich derselben bedienen konnten.
(P428)
Hingegen in Ungern waren sie schon zu der Zeit so häufig, daß im Jahre 1523, in welchem, wie aus dem Obigen erhellet, in Deutschland, Frankreich, England, Italien, Spanien und Schweden noch keine Kutschen gesehen wurden, in Ungern der übermäßige Gebrauch derselben, durch einen ausdrücklichen Landtagsschluß eingeschränket werden mußte. Denn sogar Nobiles unius sessionis wollten die Feldzüge in Kutschen thun, wie der 20te Artikel des obgedachten Dekrets vom J. 1523. mit klaren Worten besaget: Et quod Nobiles unius sessionis per singula capita pariter insurgere et advenire teneantur, et non in Kotsi, prout plerique solent, sed exercituantium more, vel equites, vel pedites, ut pugnare possint, venire sint obligati.
Gehen wir in die vaterländische Geschichte weiter zurück: so finden wir auch schon im J. 1515. die Kutschen in Ungern sehr häufig. Denn als in dem nämlichen Jahre Kaiser
Maximilian I. Sigismund König von Pohlen, und
Wladislaw II. König von Ungern und Böhmen in Wien und Preßburg zusammenkamen, und die bekannte doppelte Heuraht schloffen; fuhren bey den damaligen Feyerlichkeiten viele Ungern in Kutschen, der König Wladislaw hingegen, und die
Prinzeßinnen, Anna seine Tochter, und
Maria seine künftige Schwiegertochter, in prächtigen Karossen.
Johann Cuspinianus, Leibarzt Kaisers Maximilian I. war bey allem zugegen, und
gab ein richtiges und genaues Tagebuch von diesem merkwürdigen Kongresse noch in eben demselben Jahre 1515 zu Wien heraus, welches
Freher seinen Scriptoribus rerum Germ. Tom. II. pag. 593. und
Mathias Bel seinem Adparatui ad Historiam Hungariae, Dec. I. Monumento VI. einverleibet hat. Nun dieser Cuspinianus sagt folgendes:
S. 283. nach der Belischen Ausgabe: Rex Hungariae Wladislaus in CURRU ei (Sigismundo Regi Poloniae, fratri suo) cum filio
Ludovico, oc-
(P429)
currebat.....In campo ubi vidit fratrem adventanem, jussit se ex CURRU in terram ponere in sella. . . . Rex Ludovicus, mirae indolis, patruum exosculatus, benignissime excepit: repositus in CURRUM senior Rex, ( Wladislaus II.) filius Ludovicus equum ascendit, et in latere sinistro cum patruo urbem ingressus est, mgno cum fastu praecentibus innumeris equitibus, nobilibus et CURRIBUS.
Dann S. 284. Sequenti die, hoc est XXIX. Martii, ingressus est urbem
Reverendissimus Cardinalis Strigonensis Thomas, Legatus de latere: cui et
D. Cardinalis Gurcensis cum omni curia sua (ductabat autem electam nobilitatem Austriae et Stiriae) et utsriusque Regis Proceres occurrebant Ipse sexigentos habuit equos demptis CURRIBUS: &c.
S. 290. 291: Post hos sequebatur Ludovicus rex junior aurea veste rubea inrertexta purpura ornatus, capillis, extensis bireto ex veluto fusco capite tectus pulchro et phalerato equo insidens ... Comitabatur hunc (Ludovicum) regina soror ejus Anna...quae in AMPLISSIMO CURRU DEAURATO AC IMAGINIBUS EXORNATO, octo equis canditis trahebatur.... Tum Rex Poloniae Sigismundus purpuratus et serico pileo tectus, pulchro equo vehebatur.... Postremo Rex Hungariae, pariter ut Caesar, Lectica ferebatur, quae veluto rubeo nobilissimo erat cooperta, quemadmodum pueri qui hanc cum equis et instrumentis.
Und wiederum S. 291: Regina (Anna, Wladislai II. filia) in CURRU surrexit, nam altus erat, et observantiam in Caesarem, verbis, vultu, et gestibus ostendit.
(P430)
S.292. Vehebantur multi Hungari in curribus illis velocibus, quibus nomen est patria lingua KOTTCHI.
S. 294. Deinde Anna filia Regis (Wladislai II.) vehebatur in pulcherrimo DEAURATO CURRU, in quo octo candidi equi incedebant. A latere ejus equitabat
Marchio Georgius et
Comes Petrus de Posingen. Currum antecedebat
D. Protesilaus de Schmihau, Magister Domus cum fratre Sequebatur hunc alius CURRUS DEAURATUS cum sex niveis equis. Et quatuor alii CURRUS in singulis quatuor equi unius coloris repleti virginibus et matronis, quae Reginae servierunt.
S. 296. Elegantissimo igitur ordine Caesar cum Regibus Poloniae et Ludovico in equis, Seniore (Wladislao II.) vehente in lectica, et Reginulis (Anna et Maria) in CURRIBUS.
Die nämlichen Umstände
führt auch Riccardus Bartholinus an, der in dem Gefolge des
Kardinals von Gurk, Mathaei Langi, gleichfalls bey allem gegenwärtig gewesen war. Er hat des Kardinal Reise zu diesem Kongresse beschrieben, 21.) und kömmt in seiner Erzählung mit dem Cuspinian überein. Folgende Stelle, die seine Reise von Wien nach Preßburg betrift, verdient alle Bemerkung: Hamburgium partim VEHICULIS QUORUM USUS FREQUENS IN PANNONIA EST, partim equis pervenimus etc. Von Maria, der
21.) Der vollständige Titel dieser sehr seltnen Schrift ist folgender: Odeporicon, idest Itinerarium Reverendissimi in Christo patris et Domini D. Mathei Sancti Angeli Cardinalis Gurcensis coadjutoris Saltzburgen. Generalisque Imperii locumtenentis, quaeque in Conventu Maximiliani Caes. Aug. Sereniss. que regum Vladislai, Sigismundi, ac Ludovici memoratu digna gesta sunt, per Riccardum artholinum perusinum aedita. Cum gratia & privilegio. Am Ende steht: Hieronymus Vietor hoc opus, impressit Viennae, impensis Joannis Vuidemann Augusten. quod impressioni XIV. Kalen. Septemb. datum est, absolutum vero, Idibus Septemb. Anno Dom. MDXV. 4.
(P431)
Braut des Ungrischen Kronprinzen Ludwigs sagt er: Ex arce igitur Regina (Maria) in AUREO PILENTO Gurcensis equo vect, hasticis ludis interfuerunt. Und vom Wladislaw II. König von Ungern, und seinem Kronprinzen Ludwig: Cum is (Sigismundus Poloniae Rex) mille fere passus (Posonio) abesset, Rex Wladislaus, Ludovicusque, pater et filius, ESSEDO, ut venientem exciperet, vecti sunt extra urbem. Pater quia jam senio confectus est, in curuli sella permansit. Filius equum ascendit, priorque obviam sese obtulit &c. . . . Urbem autem ingressi sic feruntur. Rex Senior (Wladislaus ll.) ESSEDO vectus est, Frater et filius Regius, ante equis vehebantur. Wir können uns noch auf den
Johann Dantiscus beruffen, der sich damals in dem Gefolge des Königs von Pohlen Sigismunds befand, und
die Pracht dieses Kongresses in einem lateinischen Gedichte besungen hat. Bartholinus hat es in sein
Odeporicon eingerückt, aus dem wir die hieher gehörigen Hexameter hersetzen wollen:
Rex Wladislaus CARPENTO protinus aeger Obvius in campum tenero cum Rege profectus. Enumerare prius possem . ... Ich lasse hier sechs Zeilen weg, in welchen die so genannten unzählbaren Dinge auf gut poetisch angeführt werden.
Singula quam tantae valeam spectacula pompae Dicere TOTQUE GRAVES CURRUS, RUBRASQUE QUADRIGAS,
Multaque nulla prior quae viderat ante vetustas. So viel vom Jahre 1515.— Aus den Jahren
1494 und 1495. findet sich ein geschriebenes Rechnungsbuch in der Kaiserlichen Bibliothek zu Wien, 22.)
22.) Es ist in klein Folio, drey Finger dick, inter codices MSS. Historiae profanae, Nro. CCCCLXXXVII. Der Codex hat auf der
(P432)
worein
Sigismundus Bischof von Fünfkirchen, Königlich-Ungrischer Schatzmeister, und, dessen Untergeordneter, der
Vice-Schatzmeister, Emericus Dombai, von Tag zu Tage Anno 1494 und 1495. auch die kleinsten Ausgaben und Einnahmen des Königs eingetragen hat. In diesen Rechnungen stehet ausdrücklich:
1494.
Prima die Februarii misit Dominus meus (so nennt Dombai seinen Prinzipalen den Bischof von Fünfkirchen) ad Zent Gerghwara Casparum Alemannum, pro portandis pecuniis Regiae Matti, cui pro expensis et ad CURRUM KOCHY dati sunt fl. XII.
Eodem die (29. Octobr.) pro KOCHY, qui praefatum Nicolaum cum praefatis rebus duxit
Waradinum, dati sunt fl. VI. Ipsi soli
Nicolau dati sunt fl. VI. faciunt fl. XII.
(19. Novembr.)
Nicolau Litterato cum certis Subiset praefatis poma, narantiis et aliis rebus ad Ream Mattem, ad
Petrum Varadiny , vel ubi repererit, pro expensis dati sunt fl. V. pro KOCHY iterum fl. V. faciunt fl. X.
1495.
Eodem die (1 Aug. ) missi sunt per Ream
Mattem Iwan SIesac aulicus, et Praepositus Pragensis, nec non
Mgr. Jacobus Bombardarius Regiae Majestatis in tribus CURRIBUS KOCHY, in
Nandor Albam et
Sabach & c.
30ma die Septembris
Jankoni, Familiari Domini Thesaurarii, ad Dicatorem
Comitatus Zem-
ersten Seite des ersten Blatts folgende Aufschrift: omnium proventuum Regalium in hys duobus infrascriptis Annis per Reverendissimum Dominum Sigismundum Episcopum Quinqueecclesiensem , Thesaurarium Regiae Majestatis in parata pecunia perceptorum. Inci piendo ab ultima die Januarii Anni Domini Millesimi Quadringentesimi Nonagesimi quarti, usque ad ultimum diem Anni ejusdem Millesimi Quadringentesimi Nonagesimi Quinti.
(P433)
pliniens per unum CURRUM KOCHY pro pecuniis misso, pro expensis et vectori dati fl. VI.
Septimo die Octobris per
familiarem Bradach Regiae Majestati ad
Chakwar lucerne et candele ad noctem, et minores ad mensam misse ad duas Septimanas, pro fl. VIII. Eodem die ad equos COCHY, super quo CURRU famulus ipsius Bradach pro praefatis lucernis venerat, ad emendam avenam dati Den. XXV.
Außer diesen sogenannten Kotsi-Wägen werden in gedachtem handschriftlichen Rechnungsbuche auch noch andere Staatswägen des Königs häufig erwähnt, welche von der vorigen Gattung unterschieden, und mit der jetzt gewöhnlichen einerley gewesen zu seyn scheinen. Ich will ein und andere Stellen daraus hier auszeichnen:
1494.
(Feria Sexta post Dominicam Reminiscere) A
Conrado Konch emte sunt viginti quinque Centenarii ferri laminis pro rottis ferrandis ad CURRUM Dni. Regis necessariis pro fl. XX.
Fabris Buden. pro ferratione CURRUM Reae Mattis. Ad emendum Carbones dati sunt fl. V.
Mgro. Georgio Kethelgyartho cum suo socio, pro cordis diversis magnis et minoribus, ad ligandum CURRUS Reae Mattis, nec non Istrangh per dictum
Mgrum Agazonem levatis, soluti sunt fl. XL.
Frenatoribus vel Corrigiatoribus Buden. pro diversis frenis equorum Regiae Mattis sellatis et CURRIFERIS, nec non stabulariis necessariis, et per Mgrum Agazonem levatis soluti sunt fl. C.
Rasoribus pannorum qui diversas pecias pannorum pro vestitura familiar. et pro opertura CURRUUM Regiae Majestatis raserunt, soluti sunt fl. XXVI.
(P434)
Eodem die (Cinerum) eidem
Mgro Georgio Sartori Regiae Majestatis de panno Neremberger rubei coloris pecias sex. unamquamque peciam pro flor. VII. computando pro coopertura CURRUUM Regiae Majestatis dati sunt, qui faciunt flor. XLII.
Eodem die ( 10. Febr.) Fabris Budensibus pro ferratione CURRUUM Regiae Majestatis dati sunt flor. IIII.
(18. Febr. )
Georgio Kwethelgyartho ultra primam summam iterum pro funis & cordis ad CURRUS Regiae Majestatis receptis, prout prius scripta sunt, dati sunt flor. XV.
Eodem(3. Martii) Magris Calcariparibus Budensibus pro faciendis strepis calcaribus Vectoribus CURRUM Regiae Majestatis & Stabularis iterum dati sunt fl. IIII.
Eodem die (9. Martii) empta snnt Strigilia ad equos Regiae Majestatis sellatos & CURRIFEROS. Ad relacionem Bradach fl. III.
Eodem die (18. Martii) Relicte
Nicolai Waczy pro trecentis ulnis Telarum, unamquamque ulnam per den. 2. emptam, pro Subductura Cooperturarum CURRUUM Regiae Majestatis soluti sunt fl. VI.
Eodem die (18. Martii)
Domine Margrrethe Wazon Aros dicte pro ulnis Telarum DCCC, singulam ulnam pro den. duobus computando, similiter pro Subductura Cooperturarum CURRUUM Regiae Majestatis soluti sunt fl. XVI.
Eodem die (26. Aprilis) ad babatandum equos CURRIFEROS Domini Regis sub Dispensatore existentes, dati sunt fl. II.
Tricesima Decembr.
Thome Majori, qui de Wylak, ex Commissione Regiae
Majestatis,
Matrem Domini Ducis Laurentii in tribus CURRIBUS
(P435)
Regiis, ad Castrum Palotha duxit, & inde cum equis & CURRIBUS Regiis
Quinqueecclesias rediit, pro nutriendis equis Regiis, & vectoribus pro expensis dedi fl. XXIIII. Eodem die Hwzaronibus Regiis, qui ipsam Dominam usque ad Palotha conduxerunt, pro expensis dedi fl. XX.
1495.
Eodem die (17. Febr.) Tela, ad relacionem Bradach, pro CURRIBUS Regis emi fl. III.
Eodem die (18. Febr.) ex Babolcha Regia Majestatis CURRUS suos cum equis propriis & Tentoriis Quinqueecclasias misit, pro expensis dedi fl. III.
Eodem die ( 30. Aug.) uni Corrigiatori Budensi pro faciendis REDIS Regiae majestati, & Strepis, dati sunt pro laboribus fl. XXXII.
Eodem die (29. Septembr.) Curriparibus Budensibus pro novis CURRIBUS Regiae Majestati faciendis, ad intrandum Bohemiam manibus Zekergyartho & Petri Wacy/ Magistro Cheharum dati sunt fl. XXX.
Eodem die ( 2. Octobr. )
Magistro Nicolao, qui diversis coloribus CURRUM Regiae Majestatis depingere debebat, dati sunt fl. II.
Eodem die ( 25. Octobr. )
Michaeli Cseh Civi Civitatis
Zegediensis pro duabus peciis pannorum, vulgo Cseh, pro Coopertura CURRUUM Regiae Majestatis, sub officio Korlathkwy existentium, de Commissione Domini Thesaurarii dati sunt fl. VIII.
Ultima die Octobris
Chanadini empte sunt REDE & Corde Regales, Sacci & Strigilia ad equos Regiae Majestatis, sub officio
Korlathkwy existen. De Commissione Domini Thesaurarii pro fl. II.
(P436)
Eodem die ( 2. Novembr.) quatuor vectoribus quatuor CURRUM Regiae Majestatis, sub officio Korlathkwy existen., puta
Stephano,
Mathi, &
alteri Stephano, ac
Peter Kovach pro salario ipsorum dati sunt fl. Xll.
Alle diese Stellen beweisen unwidersprechlich, daß in unserm Vaterlande bereits im XV. Jahrhunderte Leute vom Mittelstande in Kutschen, der König hingegen und vornehme Damen gemeiniglich in Karossenförmigen, mit verschiedenen Malereyen verzierten, oder auch auswendig mit feinem meist rohtem Tuche, inwendig aber mit Zeug beschlagenen Wägen fuhren. Daß aber auch die Hofbedienten sich der letztern Art Wägen zu bedienen pflegten, läßt sich aus nachstehenden beym J. 1494. vorkommenden Worten des obgedachten Rechnungsbuches schließen: Eidem
Magistro Georgio (Sartori Regiae Majestatis ) de panno Wratislaviensi similiter pro coopetura Curruum Regiae Majestatis & aliquorum aulicorum date sunt pecie XX V. unaquaque pecia pro flor. 4. & Ortone faciunt fl. CVI. Ort. I. Und wiederum: Sexto die Martii (1494.) Dispensatori Domini Regis, seil. Korlathkwy pro emendis cophinis ad currus suos, de mandato Regio dati sunt fl. II. den. 45. Eodem die ad emendum ferrum pro curribus ipsius Korlathkwy necessarium dati sunt flor. III. Ferner (9. Martii 1494.) Ad emendas Mattas curribus ipsius Dispensatoris necessarias de Commissione Regiae Majestatis datus est flor. I. Diese Wagen des Königs und der Hofbeamten hat man aber nicht von Ausländern verfertigen, oder erst aus entfernten fremden Ländern kommen lassen. Nein! Sie sind in Ungern selbst, und zwar zu Ofen von geschickten Meistern gemacht worden. Es ist dieses schon aus denjenigen Worten, die in unsern allererst mitgetheilten Verzeichnisse bey 1495. 29. Septembr., stehn, offenbar. Gleichwohl will ich zum
(P437)
Uiberfiusse aus ofterwähntem Kaiserlichen Codice noch einige hieher gehörige Rubriquen nachholen.
1494.
(Feria sexta post Dominicam Reminiscere) Curriparibus Buden. pro emendis lignis pro rotis faciendis dati sunt fl. III.
Eodem die (25. Febr.) Curriparibus Budensibus pro labore Curruum Regiae Majestatis dati sunt fl. VI.
1495.
Eodem die (10. Aug.) Curriparibus Budensibus pro reformatione Curruum sub officio Korlathkwy Dispensatoris Regiae Majestatis existen. pro quatuor novis rotis & aliquibus vulgo Thengel (so heißt im Ungrischen eine Achse) & aliquibus plantis rotarum, soluti sunt flor. IIII. Eodem die pro emendis ferris datus est flor. I. Fabris vero pro reformatione eorundem Curruum dati sunt fl. ll. qui in toto faciunt fl. III.
Aus dem, was in der obigen Liste auf das Jahr 1494. bey Feria sexta post Dominicam Reminiscere, und beym 18 Febr. aufgezeichnet stehet, sieht man, daß die Zugstränge an denen Königlichen Wägen blosse Stricke gewesen sind. Uiberhaupt scheint die Mode der eingeführten ledernen Zugstränge erst in den neueren Zeiten aufgekommen zu styn.
Herr Prof. Beckmann S. 398. 399. führt aus
Rinks Leben Kais. Leopolds S. 607. eine Beschreibung der Kutschen an, deren sich dieser Kaiser bediente, wo denn Rinks sich unter andern so ausdrückt: "Die Kaiserlichen Kutschen hatten hierinnen auch etwas besonders, daß die Zugstränge von Leder waren, dahingegen alle Kutschen, worinnen in der Kaiserlichen Suite die Hofdames fuhren, nur mit Stricken vorlieb nehmen mußten."
Wir verlassen hier die Nachrichten aus der Regierung Wladislaws II. und wenden uns zu dem, was
(P438)
aus dem Zeitalter seines grossen Vorgängers, des
Mathias Korwin zu unserm Zwecke dienlich ist. Ihm schreibt, wie wir in unserm erstern Aufsatze erwähnt haben,
Johannes Listhius, Bischof zu Weßprim, die Erfindung der Kutschen zu. Aber es ist wahrscheinlicher, daß sie vom Mathias nur einige Verbesserung erhalten haben. So viel ist richtig, daß er sich ihrer oft und zu schleunigen Reisen mit seinem größten Vortheile zu bedienen wußte, nach dem Zeugnisse des
Kaspar Heltai in seiner Ungrischen Chronik, betitelt: Qhronica az Magyaroknac dolgairól, Klausenburg 1575. in klein Folio, auf der zweyten Seite des 180. Blattes, wo es vom K. Mathias heißt: A hova megyen vala, ugy megyen vala, mintha röpülne. Koczis postán egy nyihány száz mélföldic el-ment, czac: keuves napic. Das ist: wenn er wohin reiste, war es nicht anders , als flöge er. In der Kutsche legte er etliche hundert Meilen nur in wenig Tagen zurück. — Nirgends findet man auch vor Mathias Zeiten des Namens Kotsi Erwähnung gethan, ob sichs gleich erweisen läßt, daß auch vorher die Ungern in Wägen gefahren sind; die aber den Namen und die Ausbildung der vom Mathias besser eingerichteten Kutschen noch nicht erhalten hatten. Selbst vergoldets Galawägen waren unter Mathia keine seltene Erscheinung. Bey der Vermählung und Krönung der
Königinn Beatrix, Mathiä Gemahlinn, 1476, sah
der Pfälzische Gesandte, der diese Feyerlichkeiten beschrieben hat, die prächtigsten Karossen. Nec Ionge post ( sagt er in Herrn
von Schwandtners Scriptor. rer. Hung. Tom. I. pag. 519) Regina sequebatur, vecta in DEAURATO & SUMTIUOSO CURRU. Und wiederum am angeführten Orte, S. 523: Octo etiam, Budam ingrediens Regina, AUREOS CURRUS habebat & junctos singulis sex caballos niveos. Diese Erzählung eines so glaubwürdigen Augenzeugens kann wohl schwerlich in Zweifel gezogen werden.
(P439)
Mathiä Vorgänger, der
König Ladislaus posthumus, schickte der
Königinn von Frankreich 1457. einen prächtigen Wagen zum Geschenke, den man in Paris allgemein anstaunte: denn er war, wie
Roubo 23.) aus einem gleichzeitigen von ihm nicht genannten Geschichtschreiber anführt, branlant & moult riche. Dieses Wort branlant ist eine buchstäbliche Uibersetzung des Ungrischen Hintó (eine Karosse), weil dieses letztere von hintázni, schwingen, branler herkommt. Es ist also Hintó eigentlich ein Adjektiv, von dem der heutige Sprachgebrauch das Substantiv Szekér weggelassen hat; ehedessen aber sagte man Hintó - Szekér. Man findet noch diese beyden Worte zusammengesetzt in Ungrischen Büchern des vorigen Jahrhunderts. Der Umstand übrigens von dem prächtigen Hangenden Wagen, den die Gesandten
Ladislai V. der Königin von Frankreich nach Paris zum Geschenke gebracht hatten, leitet mich auf eine wahrscheinliche Vermuhtung, die ich hier gleichsam als im Vorbeygehen kürzlich anbringen will. Es soll
Kaiser Friedrich III. in den Jahren 1474. und 1473. in einem stattlichen Hangenden Wagen nach Frankfurt gekommen seyn; wenn anders des
Lersners Angabe in der Chronica der Stadt Frankfurt l. S. 106. und 108., der es Herr Prof. Beckmann S. 396. nacherzählt, richtig ist. Wie? Sollte dieser hangende Wagen Kaisers Friedrichs lll. nicht ebenfalls Ungrischen Ursprungs gewesen seyn? Mir kömmt es wenigstens nicht unglaublich vor: denn Friedrich war der Vormund, Pflegevater, und nächster Verwandter Ladislai V, und hatte über dieses sehr viele Gemeinschaft
23.) Rouboin l'art du. Menusier. Troisieme Partie Chapitre I-. pag. 457: En l'an 1457, sous le Regne de Charles VII, les Ambass deurs de Ladislas V., Roi de Hongrie & de Boheme offrirent à la Reine entr'autres présents un Charriot, qui fut fort admiré de la Cour & du peuple de Paris, parceque, dit l'Hiustorien du temps, ce Charriot étoit branlant & moult riche.
(P440)
mit Ungern, wovon er auch den Königlichen Titel sich anmaßte. Daß sein Sohn, Kaiser Maximilian I, bey dem Gedränge der Zusammenkunft mit dem Könige von Ungern Wladislaw II. und dem Könige von Pohlen Siglsmund, im J. 1515 in einem Hangenden Wagen gefahren, ist wohl nicht zu zweifeln. Der aufmerksame Augenzeuge,
Riccardus Bartho Linus versichert uns dieses in seinem
Odeporico, Lib. II. Aulici omnes, qui inermes erant, praecessere, pone Ephoebi duodeni (ut arbitror ) nobili genere prognati, serico induti plumatili ingentes equos, mirificeque phaleratos insidebant, a tergo Caesar pensili Rheda 24.) vehebatur. Doch ich kehre zu meinem Vorhaben zurücke.
Vom
Sigismund, König in Ungern und Kaiser, dem mütterlichen Großvater Ladislai posthumi, berichtet Kaspar Heltai, aber vielleicht nur aus einer einheimischen mündlichen Überlieferung, daß er seine
geliebte Walachinn, die schöne Morschinai, mit einer grossen Summe Dukaten, und einem sechsspännigen Wagen beschenket habe. Heltai bedient sich 25.) hiebey folgender Ausdrücke: Az aszszonyt kedig nagy somma arany forintokkal, és egy hat lovu kóllyáual megajándékoza. Kóllya ist ein veraltetes ungrisches Wort,
24.) Diese pensilis rheda des Kais. Maximilians I. kam gleichwohl dem Wagen, in welchem damals die Ungrische Prinzessinn Anna fuhr, an Kostbarkeit nicht bey. Ich beruffe mich dießfalls wiederum auf obgedachten Bartholinum, bey dem man noch folgendes liest: Ludovicus Boemiae Rex, Reginaque Anna soror obviam, ut Caesarem exciperent, processere; hic ex equo Caesaram in Rheda post junctam dextram latine his verbis salutavit: Sacratissime Caesar ego saluto Majestatem Vestram tanquam patrem & Dominum meum. Secundus salutandi locus ex AUREA RHEDA, qua sola vehebatur, Annae Reginae datus est. Sed cum ad Arborem pervenissent, tertius Vladislaus Panonniae Rex ex Gestatorio & ipse magna Caesarem salute imperetiit.
25.) In seiner Chronica az: Magyaroknac dolgairól. Claudiopoli 1575. Auf der Rückseite des 82. Blattes.
(P441)
tas heut zu Tage nicht mehr gehört wird, und dessen Abstammung ich von keinem andern bekannten Wurzelworte herzuleiten weis. Es bedeutet beym
Albrecht Molnár in seinem zu Nürnberg 1604. 8. herausgekommenen Ungrisch-Lateinischen Wörterbuche so viel als Carpentum, Pilentum, Essedum, Arcera. Allem Ansehen nach ist Kólya nichts anders, als das Illyrisch-slawische Wort Kóla, das einen Wagen bedeutet. S.
Lexicon Latinum, interpretatione Illyrica, Germanica, & Hungarica locuples, &c. ab Andrea Jambressich, &c. Zagrabiae 1742. 4. pag. 167. Unter eben dieses Siegmunds Regierung reiste man in Ungern gewöhnlich in curiibus levibus, den nunmehr seit den Zeiten des Mathias Korwins so genannten Kotsi-Wägen. Der Beweis dazu liegt besonders in einem Briefe Siegmunds ad fratrem
Jacobum de Marchia, Vicarium Vicariatus Bosnae, de dato: in Apostoli, Anno Domini 1435. (Beym
Luc. Wadding Annal. Minorum Tom. X. pag. 234. Zu unserer Absicht dient folgende Stlelle daraus: „Scripsimus enim, ut praefertur, & mandavimus per alias Litteras nostras, praesatis Dominis Episcopis Quinqueecclesiensi & Bosnensi, ut alter eorum, in cujus videlicet Dioecesi, nunc existitis, in CURRU LEVI, & equis recentibus. atque expensis suis propriiis Vos, &, vestram personam, ad nostram conduci faciat Majestatem." — Weiter unten, bey der Regierung
Ladislaus des Kumaners wird von den Ungrischen Curribus levibus, und von ihrer Beschaffenheit, ein Mehreres gesagt werden, wohin wir den Leser verweisen.
Auch im XIVten Jahrhunderte waren, nach dem Berichte unserer einheimischen Annalen, die Karossen in Ungern nichts Seltenes. Die beyden Königinnen,
Elisabeth und
Maria, Mutter und Tochter, fuhren
Karl
(P442)
dem Kleinen entgegen, als er sich der Stadt
Ofen näherte, und nahmen ihn in ihren reichvergoldelen Wagen auf. 26.) Sie machten auch 1386. nach der Ermordung Karls, die Reise in den untern Theilen von Ungern in Wagen. Denn als sie bey dieser Gelegenheit
Johann Horváth, Ban von Kroatien, überfallen und gefangen nehmen ließ, schützte sich der sie begleitende
Palatinus Nikolaus Gara lange dadurch, daß er sich durch den Königlichen Wagen den Rücken frey hielt. Zuletzt kroch er darunter, ward aber hervorgezogen, und ermordet; die Königinnen aber nebst ihren Hofdamen wurden aus ihren Wägen gerissen, und gefangen zum Bane fortgeschleppet. 27.) Dieser ließ endlich die Maria los, und erlaubte ihr in ihren Wägen wiederum nach Ofen zurückzukehren. 28.) Ein noch älteres Beyspiel eines prächtigen Königlich - Ungrischen Wagen aus der ersten Hälfte des XIVten Jahrhunderts bietet uns die Nachricht von dem Leichenbegängnisse des im Jahre 1342. beerdigten Königs
Karl Roberts dar. Sehr umständlich und kläglich wird diese Solennität von einem
26.) Thuroczius in Descriptione miserabilis casus Caroli Regis, Cap. 5: „Quare propinguanti Carolo, graves deglutientes dolores, in CURRU DEAURATO, pompaque Procerum se comitantium superba, ambae reginae occurrunt: cumque accipientes secum, intra Civitatem veniunt.
27.) Thuroczi P. IV. Cap. I. Garensis autem Palatinus----descendens ab equo, & Reginarum junctus CURRUI, in hostes gladio utitur, seque ac Reginas viribus defendit totis.---- & interim tantae cohorti obsistis (Gara Palatinus) donec ter quendam militem, reginali desub CURRU, unde non timebat, per pedes arreptus, in terram dejicitur ---- ibidem capite truncatur. Quo peremto, & reginalibus aulicis, aliis deletis, aliiis fugatis, feritas illa Croacorum, honoris ignara, reginales CURRUS invadit pariter & evertit; ac Reginas simul, & Domicellas earum sine venia sexus, & absque reginalis reverenti a dignitatis, CURRIBUS de eisdem extrahendo, & multis afficiendo contumeliis, captivas, sui Bani adducunt in praesentiam.
28.) Turoczi IV. cap. 2: Quapropter Reginae (Mariae) CURRUS coaptantur, & ipsa Regina, velut e flumine erepta, Budensem opttatam deducitur in Civitatem.
(P443)
ungenannten Chronisten, der sie selber mit angesehen zu haben scheint, beschrieben, und dessen Anzeige unser Thuroczi seiner Ungrischen Chronik von Wort zu Worte einverleibet hat. Es meldet dieser anonymische Geschichtschreiber beym Thuroczi Part. II. cap. 99. unter andern folgendes: Et tandem antedicti trini dextrari solennes, cum armis & operimentis omnibus ipsorum gloriosissimis, seu attinentiis, cum sarteneo CURRU seu mobili aut ostilario regnal, signo & gemmis adornato ----dicto Monasterio dati & concessi extiterunt.
Aus dem XIIIten Jahrhunderte habe ich zwar noch keine Beweise von ungrischen Karossen gefunden: doch finde ich zweyrädrige Wägen, die also vermuhtlich so, wie die in der letzten Hälfte des vorigen Jahrhunderts in Frankreich eine Zeitlang im Gebrauche gewesenen Brouettes mögen ausgesehen haben. Ich beziehe mich wieder auf das unverwerfliche Zeugniß unsers Ungrischen Chronisten beym Thuroczi P. II. cap. 8l. das also lautet: Illo tempore (Regis nempe
Ladislai Cumani) biga, scilicet duarum rotarum vehiculum, a regni incolis, currus Ladislai regi dicebatur; quia. propter continua spolia, animalia vehicula trahientia, defecerant in regno: sed homines, more pecorum, bigis juncti, vices animalium impendebant. Durch dieses duarum rotarum vehiculum ist wohl meines Erachtens kein Schiebkarren zu verstehen. Denn ein Schiebkarren hat nur ein einziges Rad, und wird nicht durch vorgespannte Thiere gezogen, sondern von einem Menschen vorwärts geschoben. Auch läßt sich jenes zweyräderige vehiculum keineswegs durch einen Lastwagen, worinnen Kisten, Fäßer, Kaufmannswaaren, und andere dergleichen ins Gewicht fallende Dinge verführt werden, erklären. Denn dazu wäre ein zweyräderiges Fuhrwerk viel zu schwach. Es ist über dieses
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erweislich, daß Frachtwägen, oder die ehedessen im Ungrischen so genannten Mázás-Szekér 29.), zu Ladislai, Cumani Zeiten, auch vor und nachdem in Ungern eben sowohl, als anderwärtig, vier Räder gehabt haben, und von Lastthieren sind gezogen worden. 30.)
29.) Im Dekrete Sigismunds vom J. 1405. art. 15. wird dieser Ungrische Name, der nachher völlig abgekommen ist, Lastwägen «beygelegt: extunc, si currus. in quibus hujusmodi Ballae & pondera adferentur, magni, onerati, vulgo Masa dicti extiterint &c. Und eben diese Benennung hatten die Frachtwägen auch schon zu Ladislai Cumani Zeiten. Es erhellet dieses aus einem noch ungedruckten Schenkungsbriefe dieses Königs, den ich, weil er ohnehin kurz ist, hier ganz niederschreiben will; Nos Ladislaus Dei Gratia Rex Hungariae significamus quibus expedit universis, memoriae commendantes, quod nos ob devotionem, quam erga beatam Virginem gerimus, propter remedium animae nostrae, volentes Monasterio B. Virginis de Kompold ad reparationem eiusdem aliquali remedio succurrere. Tributum ad aedificationem ipsius Monasterii concessimus ordinandum taliter, videlicet, quod de quolibet curru salifero unum sal, & de uno curru qui Masa vocatur unum pondus, & de una Tunella vini duos denarios in perpetuam elemosinam & dirutorum reformationem solvere debeant per villam Kombold traseuntes. Unde volumus & praecipimus universis transeuntibus in praedicta via, quatenus nullus vestrum ipsum Tributum ultra formam nostrae Ordinationis factum audeat vel praesumat denegare. Datum in Zezkzou feria tertia proxima post Dominicam Judica, Anno Domini MCCLXXX.
30.) Eben deswegen scheint ein dergleichen Mázás-Szekér im Latein des mittlern Zeitalters Currus Summarius geheißen zu haben. Dieser Ausdruck kömmt bey Herrn Karl Wagner Analect. Scepus. P. l. pag. 56 vor, in Königs Sigismunds Bestätigungsurkunde der Käsmärkischen Privilegien vom J. 1435. Item quod ipsi praeter currus magnos sum marios, vulgo Mázás Szekér vocatos &c. Im Mittlern Latein wurde ein jedes Lastthier, besonders aber der Esel summarius, somarius, saumarius, samarius genennet. So sagt: z.B. Mathaeus Parisiensis ad an. 1245. equis clitellariis, quos summarios vocamus. Und Andr. Dandulus in Chron. Venet. beym Muratori Script. rer. Ital. Tom. XII. col. 216: Tuno Oliba Comes sua relinquens filio cum multa divitiarum copia, XV, scilicet onustis thesauro Somariis &c. Imgleichen heißt es in einer Urkund vom J. 1135. beym Calmet Histor. Lothar. Tom. II. col. 304: Tunc ipse advocatus duos Sau-
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Es ist demnach höchst wahrscheinlich, daß es eben diese duarum rotarum vehicula sind, welche in späteren Zeiten den Namen Kotsi bey uns erhalten haben, nachdem sie nämlich durch einige Modifikationen und Verbesserungen ausgebildet, und beqwemer eingerichtet sind worhen. Denn da
Cuspinianus und
Brodericus die Kotsi der Ungern ausdrücklich Ieves und veloces illos currus nennen; da Mathias Corvinus einer kotsi sich bediente, um in wenig Tagen etliche hundert Meilen zurück zu legen, wie wir oben erinnert; da man ferner unter Wladislaw II. Bohten in Kotsi-Wägen, zu verschicken pflegte, so oft die Sache einiger Schleunigkeit bedurfte, wie aus dem Vorhergehenden gleichfalls zu ersehen ist: so scheint Kotsi ein ganz besonders leichtes und schnelles Fuhrwerk ursprünglich gewesen zu seyn, wozu sich freylich ein duarum rotarum vehiculum am
marios stipendis oneratos, & duos equos cum duobus hominibus eos deducentibus accipiet &c. und in einem Schreiben des Salzburger Erzbischofs Eberhardi vom J. 1160 beym Hansiz Germaniae Sacrae Tom. II. pag. 258. Per quem (Praepositum) misimus duos Samarios oneratos piscibus & casels. Daher wird auch noch jetzt ein Esel im Italiänischen Somaro, und im Ungrischen Szamár genennet. Popowitsch hat diese Abstammung des Ungrischen Worts Szamár eingesehen, und unsern sel. Math. Bel, den er irrig den Jüngern nennt, mit vieler Bitterkeit deswegen getadelt, weil er es unter diejenigen Wörter gezählt hat, die mit keinem Europäischen gleicher Bedeutung übereinkommen. Zum Beweise der Unbescheidenheit, womit er den grossen Bel behandelt, wollen wir die Stelle selbst aus seinen Untersuchungen vom Meere, Frankf. 1750. 4. S. 302. not. d. hersetzen: „ Dieses wußte Herr Bel der Jüngere abermal nicht, welcher in der Abhandlung de peregrinate linguae Hungaricae, das von den Italiänem entlehnte itzt Ungrische Szamár a sinus, unter diejenigen Wörter gesetze hat, die mit seinem Europäischen gleicher Bedeutung sollen übereinkommen. Die einheimischen Geschichtbücher zeigten ihm, wie dieses Wort, nebst vielen andern Italiänischen, nach Ungern hat können gebracht werden. Der Herr Verfasser sollte daher alle Europäische Sprachen bevor gelernt haben, als ihm in den Sinn gekommen, ein Werkchen mit einer so verwägenen Aufschrift ans Licht zu stellen."
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allerbesten schickte. Daß aber unsere Kotsi vor diesem wirklich nur zwey Räder gehabt haben müßen, ergiebt sich unter andern auch daraus, weil die dem Ungrischen Kotsi - Wagen nachgeahmten, und eigentlich so genannten Kutschen der übrigen Europäischen Völker, ehedessen gleichfalls nur zweyräderig gewesen sind, und das zwar bis zum Ausgange des XVIten Jahrhunderts. Es erhellet dieses aus dem Buche, das die Aufschrift führt:
Nomenclator octilinguis omnium rerum propria nomina continens. Ab Adriano Junio 31.) ante-hac collectus nunc vero renovatus, actus &c. Accessit huic postremae editioni alter Nomenclator e duobus veteribus Glossaris. Hermanni Germbergii opera & studio. Parisiis 1606. fol. Daselbst steht S. 154 folgendes: Cisium. Cic. Vehiculum duabus rotis nitens διφϱος Alemanicae, Kutschen; Belgice, Cotse; Gallice, Cocche; Italice, Cocchio; Hispanice, Cocho. Ferner bestätiget dieses der bekannte
Baron, Johann Nicot der in den Jahren 1559. 60. 61. französischer Gesandte in Portugal gewesen, woher er den ersten Tabacksaamen nach Frankreich gebracht hat, weswegen auch die Tabakpflanze Herba Nicotiana genennet wird. Dieser hat unter andern
31.) Adrianus Junius ist 1511. gebohren, und 1575. gestorben. Wie zuversichtlich man sich, was technologische Wörter des damaligen Fuhrwesens betrift, auf seinen Nomenclator verlassen könne, ist daraus leicht abzusehen, daß dieser grosse Mann sich herabließ, mit Kutschern zuweilen in der Schenke zu zechen, um nur einige zu ihrem Metier gehörige Benennungen von ihnen zu erlernen- Bayle in seinem Dictionaier Historique & critique T.H. art, Hadrien, Junius, not. H. S. 884. der Amsterd. Ausgabe, 1730. trägt diese Anekdote so vor: Son Nomenclator est en son genre un Iivre excellent. Le choix des termes en huit Langues n'yest pas moins une preuve de l' erudition, que de la patience infatigable de Junius — Mr. Colomiés a public (Opusculor p. m 132.) un petit Conte qu'il tenoit d'Isac Vossius, qui prouveroit que Junius ne négligeoit rien pour perfectionner son Nomenclator, & qu'il s'abaissoit a boire avec des chartiers pour aprendre les termes propres de leur metier.
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ein französisches Wörterbuch geschrieben, oder vielmehr ein bereits vorhandenes altes Französisches Wörterbuch eines gewissen
Aimar de Ranconnet umgearbeitet, und sein Werk kam unter den Titel:
Thresor de la Langue Françoise, tant Ancienne, que Moderne &c. par Jean Nicot &c. à Paris 1606. in Folio heraus. Es wird darinnen ausdrücklich behauptet, Coche sey ein Ungrisches Wort, und bedeute soviel als Chariote im Französischen, und Petorium, Cisium, im Lateinischen. Nun ist bekannt, daß Cisium bey den alten Römern ein schneller Wagen mit zwey Rädern hieß. Doch Nicot erklärt sich selber deutlich genug, wenn er die Chariote nach ihren wesentlichen Bestandtheilen beschreibt, und ihr nicht mehr als zwey Räder giebt. Hier sind seine eigenen Worte S. 128: Coche, est un mot HONGROIS, signifiant vautant comme Chariote, Petoritum, Cisium. Und S. 113. Chariote. Est une petit Charette DEUX ROUËS, sur le milieu & aisseul de la quelle est assise une littiere sans brancars couverte de cuir, ou d'autre estoffe; à porter à couvert les personnes par pay. Gerade so, und nicht anders mögen anfänglich die Ungrischen Kotsi beschaffen gewesen seyn. Wirklich hatten diese Ungrischen Wägen bis ins XVIIte Jahrhundert hinein, nur zwey Räder. Ein unverwerfiicher Zeuge davon ist
Simon Schárdi in seinem Lexicon Juridicum, Coloniae Agrippinae, 1616. fol. voce: Cisiarius, pag. 206. Er sagt: Cisarius, a cisio, quod vehiculi ge, cujusmodi nunc HUNGARI utuntur; und Cisium erklärt er gleich darauf für genus vehiculi biroti, eine Art eines zweyräderigen Fuhrwerks. Hieraus aber folgere ich, daß man das Eigenchümliche der ehemaligen Ungrischen Kotsi - Wägen gar nicht darinnen setzen dürfe, daß man in selben gemächlich habe schlafen können, wie Herr Prof. Beckmann S. 419. muhtmaset. Ich gebe es gerne zu, daß es darinnen recht
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beqwem möge zu fahren gewesen seyn, auch wird man wohl zur Noht darinnen haben schlummern können; allein die Bauart sowohl, als auch das überaus schnelle Fahren der Ungrischen Kotsi-Wägen würde sich mit der Absicht ruhig darinnen zu schlafen wohl schwerlich vertragen haben. Aus dem Argumente des Herrn Beckmanns, daß Karl V, nach Hortleders Erzählung, sich einmal in einem Ungrischen Gutsch-Wagen schlafen legte, als er das Podagra hatte, folgt noch nicht, daß er ein zum Schlafen beqwemer Wagen gewesen seyn müße. Vermutlich war dieß der Fall: Karl war auf der Reise, bekam einen Anfall von der Gicht, und fand keinen ruhigen schicklichen Ort, wo er hätte schlafen können. Er mußte also den Ungrischen Gutsch-Wagen wählen, worinnen er gereist war, und erwartete da Linderung und Schlaf. Ferner unterstützt Herr Prof. Beckmann seine Vermuhtung damit, daß Gutsche ehemals auch ein Ruhbette, Faulbette, bedeutet habe. ,,Von dieser Bedeutung (setzt Herr Prof. in der Note hinzu), scheint es herzurühren, daß man noch jetzt die erhabenen Triebbeete, worauf Tabackpflanzen gezogen werden, Tabackskutschen nennet. Dieser Ausdruck (fährt er fort) ist alt, denn ich finde schon in Pet. Laurembergii hotricultura; Francof. (1631) 4. S. 43: Solet a [GRIECHISCH] in paratu haberi peculiare terrae praeparate genus, quod ipsi praegnans stratum, ein Schwanger Bett oder Gutsche, für ein Gartenbett genommen, hat gewiß nichts Gemeinschaftliches mit dem Begriffe einer Kutsche, sondern ist unstreitig von der falschen Aussprache des französischen Worts, Couche, das ein Gartenbett bedeutet, entstanden. Aber ich entferne mich zu weit; ich komme wiederum zur Sache. Es war das Wagenfahren so gar schon im XI. Jahrhunderte bey uns nichts Ungewöhnliches. Der Kö-
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nig Ladislaus I. giebt mir dazu den Beweis an die Hand. Er erhub ein ganzes Dorf in den Adelstand, weil einer von den Einwohnern eine besondere Treue an den König bewies. Der Bauer sah nämlich, daß am Königlichen Wagen der Vorstecknagel an der Achse verlohren war, und sich das eine Rad auch bald los machen würde. Um also diesem zuvorzukommen, steckte er in Ermangelung eines Stück Eisens oder Holzes seinen Finger an die Stelle, und lief so neben den Wagen eine gute Strecke her. Der König belohnte ihn und die sämmtlichen Bauern seines Dorfs auf die gedachte Art, und ihre Nachkommen werden noch jetzt Nobiles Sancti Ladislai, Szent-László Nemessei genennet. 32.)
32.) Szegedii in Tripartio Juris Hungarici Tyrocinio, Part. II. Tit. 14, §. 7. pag. 332 edit. Tyrnav. 1767, 8. "Sunt in Comitatu Szaladiensi (in quo plus quam bis mille quiengentae Familiae, Nobilitatem suam coram stricto Judicio paucos ante annos edocuere) haud procul Canisa, complures, Nobiles S. Ladaslai dicti: Sz. László Nemessei, eo ut ferunt, eventu creati: Quod dum Rex sororem suam invisurus, Dalmatiam peteret, rusticus quidam clavum de rota currus Regii excidisse advertens, digitum inseruerit, sicque spation jugeri unius, Regem a lapsu praeservaverit. Quod Rex benignissimus animadvertens, miratus simplicem, at fidelem hominis obsequendi sollicitudinem, gratiam a se deposci jussit. Petiit ille (instinctu, ut credibile est, contributiom suorum) omnes ut ejus pagi incolas Rex nobilitaret, fundosque, quantos ipse horis aliquot obequitando circuiret, ipsis attribueret. Annuit clementer Ladislaus, exoslustisque prioribus Posssessoribus Creaturas suas latifundiis amlissimis ditavit." Zur Bestätigung und genauern Bestimmung dieser Nachricht, verdienet hier angeführt zu werden die Erzählung des Sigismundi Podlussani, de Balash, der sich selbst für einen Abkömmling dieses glücklichen Bauers hält. Gedachter Schriftsteller in seinem zu Raab 1742. in 8. herausgekommenen Werke: de rebus gestis Hungariae Regum, Cap. IX. pag. 31. 36. 37. beschreibt diese Gegebenheit mit folgenden Worten: Huc quoque repitito itinere illud posterorum memoriae commendatum accepimus: curru subinde vectum ad urbem Canisam piissimus Regem, gravi sopore acquievisse, ut non rotarum per orbitas obstrepentium sonum exaudierit. Forte prosilientem ab una rotarum fibulam amissem, neque rem fortuitam continuo a ministris regis fuisse
(P450)
Noch mehr. Schon der
H. Gerhardus, erster Bischof zu Tschanad, der weit früher als der
König Ladislaus I, obgleich in dem nämlichen Jahrhunderte lebte, bediente sich, seiner schwächlichen Gesundheit wegen, eines Wagens. Beatus Gerardus Episcopus, heißt es beym Thuroczi P. II. cap. 40, eum esset brevis statura omnesque vires suas, in servitio Dei, funditus consumsisset, CURRUS subvectione utebatur. Und weiter unten: At illi (Vatha & complices ejus) -- impetum fecerunt in eum (B. Gerardum) & everterunt CURRUM ejus in ripam Danubii; ibique abstracto eo de CURRU ejus &c. Weiter wollen wir unsere Untersuchungen nicht treiben; genug, daß wir hoffen können, der unbefangene Leser, der alle die Thatsachen zusammen nimmt, die wir aus der Europäischen Völkergeschichte bisher zusammen getragen haben, werde nicht abgeneigt seyn uns beyzupfiichten, daß unser Vaterland weit früher als andere Völker, in dem Besitze der Kutschen gewesen sey. Nunmehr aber darf ich es
Zweytens,
Als eine ausgemachte Wahrheit annehmen, daß der Ungrische Name Kotsi ein ungleich höheres Alter habe, als die Namen Kutsche, Coche, Cocchio,
notatam, minus aliam ad manus exstitisse, aut substituam. Itaque Blasium unum de subditis terrae, locum clavi digito implevisse, rotamque ipsam lubricam, diu sustentasse a casu, quantus esset tractus unius jugeri. Atque Blasium cum caeteris contrubulibus suis praemium fidei Regem, pietatisque integerrimae, libertatem, easque terras, quas eques per complures horas obequitasset accepisse. Esseque ejus stirpis bis mille quingentas etiamnum nobiles domos, non falso astruimus. Meamque ipsius generis originem isthinc caeptem magis credo, quam scio; neque me in alicoum genus in undo. Quippe, nem quam fama duntaxat didici & majoribus, proexpolorata dicere non ausim. Caeterum compertum habeo: Progenitores meos aliunde commigrasse, ascendisseque ab Szaladiensi tractu, tum pretio elegisse sedem, ubi Beczkovium est.
(P451)
Coach &c. Denn ist es nicht eine ganz natürliche Felge, daß weil die Sache selbst in Ungern früher bekannt gewesen, als bey andern Völkern, auch die Ungrische Bezeichnung der Sache unstreitig älter seyn müße, als die davon abstammenden, ein winig abgeänderten Benennungen bey andern Nationen? Und in der That kömmt das Ungrische Wort Kotsi schon in Denkmaalen des XVten Jahrhunderts häufig vor, wie oben gezeigt worden, da man hingegen den deutschen Ausdruck Gutsche in Schriftstellern des XVIten Jahrhunderts zum allererstenmale antrift.
Joh. Leonh. Frisch in seinem Deutsch-Lateinischen Wörterbuche, I. Th. S. 560. kennt keine ältere deutsche Bücher, worinnen der Gutsche Erwähnung geschähe, als die
Kaisersbergische Postill, Fol. 106. b.
Hortledern vom deutschen Krieg, p. 612. und
Stettlers Nuchtländische Chronik, l. II. p. 497. Nun aber haben die Verfasser dieser Werke erst im XVIten Jahrhunderte gelebt. Das Nämliche gilt auch von dem französischen Coche, vom italiänischen Cocchio, und allen übrigen Uibersetzungen. Man wird sie schwerlich in ältern Schriften als in
Nicots französischem Wörterbuche, und in des
Junius Nomenclatore finden. Mir wenigstens ist kein älteres Werk bekannt, wo irgend einer der besagten ausländischen Namen stünde. Auch weiß Herr
Prof. Johann Ihre in seinem Glossario Suiogothico, Tom. I. col. 1178. für den Gebrauch des schwedischen Ausdrucks Kusk, keine Stelle eines alten einheimischen Schriftstellers, wie sonsten bey andern Wörtern, anzuführen. Doch ich will mich hiebey nicht länger verweilen. Es ist Zeit, daß ich
Drittens
Den Ungrischen Ursprung der Kutschen durch ausdrückliche Zeugnisse einiger gelehrten Ausländer bestätige, die zunächst der Epoche ihrer Erfindung, da wenigstens
(P452)
das Andenken davon noch nicht erloschen war, gelebt haben, und denen nichts als die Gewißheit der Sache, und die Liebe zur Wahrheit, ein solches Geständniß hat abdringen können. Ich will zuerst den
Füretiere auftreten laßen, der zwar hierinnen selber nichts entscheidet, aber doch ältere französische Schriftsteller, die die Erfindung der Kutschen den Ungern beylegen, namhaft macht. In seinem
Dictionaire Universel, troisieme edit. Tom. I. à Rotterdam 1708. fol. bey dem Worte: Coche, sagt er:
Menage & Nicod (soll vermuhtlich Nicot heißen) derivent ce mot de I'Hongrois Kotczi, disant que les cohes sont de l'INVENTION DES HONGROIS. Man liest dieß Nämliche auch im
Dictionaire de Trevoux, Tom. I. col. 1884. Was Nicot von dieser Sache geurtheilet, haben wir schon beygebracht; wir brauchen es also hier nicht zu wiederholen. Wir wollen nun hören, was
Menage spricht. Dieser hat ein schätzbares Werk unter dem Titel:
Les Origines de la Langue Françoise. à Paris 1650. 4. herausgegeben, wo er sich S. 780. mit nachdrücklicher Kürze so ausdrückt: COCHE. Du mot, Hongrois Kotczy. Les coches sont de l'INVENTION DES HONGROIS: Ich beruffe mich ferner auf den gelehrten Engländer
Samuel Johnson, der unter meinen Gewährsmännerm gleichfalls einen vorzüglichen Platz verdient. Es hat dieser um die Schönheiten der engländischen Sprache so verdienstvolle Mann in seinem vortreflichen
Dictionary of the english language: in which the Words are deduced from their Originals &c. Vol. 1. London 1755. Fol. bey dem Worte: Coach, folgende Anmerkung zum Vortheile meines Satzes gemacht. COACH. n. s. Coche Fr. Kotczy, among the HUNGARIANS, BY WHOM this vehicle is said to have BEEN INVENTED:
Minshew. Wer dieser Minshew, auf den Johnson seine Leser verweist, gewesen sey? oder wenn er gelebt? und was er geschrie-
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ben? Das habe ich zu untersuchen noch nicht Zeit gehabt. — Was kann endlich deutlichers und bestimmters als das Zeugniß des
Nicolaus Bergier seyn? eines Mannes, der unter die größten Antiquarier des XVIten Jahrhunderts gehörte, und dessen Ausspruch hierinnen desto entscheidender wird, je ausgebreiteter seine Kenntnisse in allen Arten von Alterthümern waren, und je weniger hierinnen der Verdacht einiger interessirten Absichten auf ihn fallen kann. Die wichtige Stelle, auf die ich mich beziehe, steht in seiner sehr gründlich ausgeführten Schrift,
de publicis & militaribus Imperii Romani viis, Lib. IV. Sect. X. n. 8. in
Graevii Thesauro Antiquitatum Romanorum, Tomo X. col. 430. Sie lautet also: Caeterum puto dicta ista Vehicula, Rhedas, Carpenta, valde convenisse cum nostris Vehiculis, quae Coches vulgo vernacule vocamus, voce ab HUNGARIS mutata, a quibus et PRIMA eorum INVENTO ad nos pervenit. Und hiemit schließe ich den ersten Abschnitt meiner Abhandlung.
Zweyter Abschnitt. Von der Ungrischen Abstammung der Worte: Kutsche, Coche, Cocchio, Coach &c.
Diejenigen Wortforscher, die das eigentliche Vaterland der Kutschen nicht kannten, sind, was den Ursprung dieses Namens anbetrift, sehr verschiedener Meynungen. Wir wollen die Vorzüglichsten kürzlich berühren, und zuletzt die wahre Etymologie dieser in allen Sprachen beynahe gleichlautenden Benennung aus der Ungrischen bestimmen und erweisen.
Den deutschen Ausdruck: Kutsche, leitet
Joh. Georg Wachter (in Glossario Germanico Lipsiae
(P454)
1737 Fol. voce: Kutsche, col.900) so wie Kutsche, Küttel, Kotzen, aus dem veralteten deutschen Worte Kutten, das ist, decken, tegere, her, und seinen ganzen Beweis kleidet er in die Frage ein: Quid enim est Kutsche, nisi vehiculum cameratum? Es liegt aber in dem Wachterischen Schlüsse mehr als eine Unrichtigkeit. Denn einmal setzt Wachter voraus, daß Kutsche ein dem Ursprunge nach deutsches Wort sey. Was berechtigt ihn aber dieses willkürlich vorauszusetzen? und ist es nicht gerade dieses eben, was er vorher hätte ausmachen sollen? Denn nur alsdann erst würde das Stammwort in der Sprache der alten Deutschen mit Recht zu suchen gewesen seyn. Da aber alle andere Nationen ebenfalls im Besitze dieses, oder doch eines sehr ähnlichlautenden und gleichvielbedeutenden Wortes sind: so hätte ja müßen vorher festgesetzt werden, bey welcher es eigentlich zu Hause sey, ehe man sich in weitere etymologische Untersuchungen einließ. Unabhängig von dieser Einschränkung, hätte nicht der Franzose, der Italiäner, der Engländer, der Spanier, der Böhme, u.s. w. ein gleiches Recht, das Wurzelwort von Kutsche, ein jeder in seiner eignen Landessprache finden zu wollen? Und dennoch könnten diese aus so vielen und so verschiedenen Sprachen erzwungene Derivationen unmöglich alle zugleich wahr seyn. Ferner finde ich auch darinnen zu viel Willkürliches, daß Wachter nur so schlechterdings annimmt, das Bedecktseyn mache das Eigenthümliche der Kutschen aus. Heut zu Tage sind die Kutschen freylich bedeckt; aber waren sie es denn auch bey ihrer allerersten Entstehung, als selbst der Name Kutsche aufkam? Mußten sie denn auch vor Zeiten nohtwendig bedeckt seyn, um Kutschen genennt werden zu können? Ich zweifle sehr daran; wenigstens würde dieses sehr schwer zu erweisen seyn, weil sich im Ungrischen der Unterscheid zwischen fedeles Kotsi, und fedél nélkül való Kotsi, das ist zwischen einer bedeck-
(P455)
ten und unbedeckten Kutsche noch bis zur Stunde erhalten hat. Daß übrigens Kutte, vestis monachalis, imgleichen Küttel, sagulum, und Kotzen, stragulum villosum, von Kutten, tegere, herkommen möge, das räume ich Wachtern gerne ein. Denn Kutte, Küttel, Kotzen, sind unstreitig deutsche, und in keiner andern Sprache gebräuchliche Wörter. Uiberdieß kömmt denselben der Begriff des Bedeckens wesentlich zu. Allein ganz anders verhält es sich mit dem Worte: Kutsche, wie wir nur eben erinnerten. Hier mache ich gelegentlich nur noch die Anmerkung, daß
Herr ab H. ein wenig zu übereilt schließt, wenn er (im
Ungr. Magaz. I. B. IV. St. S. 460.) daraus, daß kotschen bey den
Zipsern so viel als bedecken andeute, die unerwartete Folgerung zieht, es wären die Kutschen in Zipsen erfunden, Wie? Ist denn das Wort Kotschen in der Bedeutung des Bedeckens nur den Zipsern eigen? Ausschließungsweise eigen? Stehet es nicht in allen deutschen Glossariis? Ganz gewiß ist es bey sämmtlichen Völkern deutscher Abkunft vormals im Schwange gewesen, und mag in der Mundart einiger Provinzen Deutschlands auch noch bis jetzt sich erhalten haben. So viel ist wenigstens gewiß, daß die Siebenbürger Sachsen noch bis auf den heutigen Tag Kotschen sprechen, anstatt Decken. S.
Ungr. Magaz. I. B. III. St. S. 272. Wenn also die vom
Herrn ab H. angegebene Ursache allenfalls gölte, würden nicht die
Siebenbürger Sachsen auf die Erfindung der Kutschen einen eben so gegründeten Anspruch machen können, als die Zipser? Gesetzt aber endlich auch, daß der Ausdruck kotschen für bedecken, ein charakteristisches Unterscheidungszeichen der Zipserischen Mundart wäre, was gewönne man damit? Alle diejenigen nicht leicht zu hebenden Schwierigkeiten, die wir der Wachterischen Ableitung entgegen gesetzt haben, würden vollkommen und ohne Ausnahme auch auf jene passen. Dem
berühmten Herrn Raht
(P456)
Adelung zu Leipzig muß gleichfalls Wachters Meynung nicht viel wahrscheinlicher vorgekommen seyn, weil er in seinem
Versuche eines vollständigen grammatisch-kritischen Wörterbuchs der hochdeutschen Mundart, II. Theil, Leipz., 1775. 4. col. 1854. sie nicht nur nicht vertheidigt, sondern sogar eine gerade entgegengesetzte äußert. Weit entfernt, die Abstammung des deutschen Worts Kutsche in der deutschen Sprache zu suchen, spricht er solche vielmehr der französischen oder italiänischen zu. "Das Wort, sagt Herr Adelung, ist so wie die Sache selbst aus üppigem Gegenden nach Deutschland gekommen, und stammet entweder von dem Franz. Coche, oder Ital. Cocchio ab." Nichts von alle dem! Das Wort ist so wie die Sache selbst aus Ungern nach Deutschland, und nach andern Länder gekommen. Uiber die Sache selbst waren wir schon richtig; unser erster Abschnitt handelt ganz davon. Der Ursprung des Worts wird sich in der Folge finden.
Nun schreite ich zu dem italiänischen Cocchio.
Octavius Ferrarius will uns bereden, es sey aus cubare, coucher, entstanden. Er trägt in seinen
Originibus Linguae Italicae, Patavii 1676. fol. S III. seine Meynung so vor: Cocchio a cubando dictum videtur. Cubile,cubitum, cocchio. Germ. Cutsch. Qualia carpenta oblonga, in quibus veterum lecticarum more, porrecto corpore jacere, & cubare possunt. Nam Galli coucher cubare, & Couche cubile. Accoucher d'enfent, parere, a puerpera cubante. Et cochon Hispanis, porculus a partu recens, & coche scrofa a cubando. Das heiße ich ein Wort recht auf die Folter spannen! Kann man sich wohl was Lächerlichers vorstellen, als diese Auslegung, wo Kindbetterinnen, Säue, und Spanferkel untereinander geworfen, und so zu sagen, bey Hahren und Borsien herbeygezogen werden, blos deswegen, weil das Gebähren liegend geschieht, und liegen im Fran-
(P457)
zösischen coucher heißt, welches mit dem Italiänischen Cocchio dem Wortklange nach verwandt ist. Und wie schickt sich denn endlich das Liegen und die Kutsche zusammen? Es sind ja die Kutschen weder dazu bestimmt, noch darnach eingerichtet, um darinnen zu liegen, sondern um sitzend darinnen fahren zu können. Nur in dem Leiterwagen kann sich der Bauer nach seiner ganzen Länge hinstrecken; wer hat aber jemals den Leiterwagen deswegen Cocchio genennt? Und dennoch würde nur der Leiterwagen allein diesen Namen verdienen, woferne die Meynung des Ferrarius statt fände. Mit Recht hat solche auch Wachter verworfen. Es scheint sogar, daß selbst die neuern italiänischen Gelehrten auf des Ferrarius Einfall nicht viel halten wollen, da sie dessen im mindesten nicht gedenken, dabey aber vom Ursprunge des Ausdrucks Cocchio selber, etwas gewisses zu bestimmen sich nicht getrauen. Der Abt
Anibal Antonini in seinem beliebten Dictionnaire Italien, Latin, & François. Nouvelle Edition, à Amsterd. 1760. 4. beym Worte: Cocchio, S. 159. läßt uns in völliger Ungewißheit, ob die Italiäner ihr Cocchio vom Coche der Franzosen, oder ob letztere ihr Coche vom Cocchio der Italiäner hergenommen haben. „Alcuni, sagt er, credono la voce Ital. (Cocchio) presa dal Franc. Ma Nicosio crede il Franc. preso dall' Italiano." Weiter läßt sich Antonini nicht heraus. Ja der grosse
Muratori, Antiquit. Italic, medii aevi, Tom. II. Dissert. XXX. col. 1096. setzt Cocchio ausdrücklich mit in seinen Catalogum aliquot vocum Italicarum, quarum origo aut ignota, aut dubia est.
Vielleicht sind aber die Spanier in ihren Wortforschungen glücklicher? Wir wollen es sehen.
Coaruvias hegt, wie Ferrarius am angeführten Orte meldet, von dem spanischen Namen Coche die nämliche Meynung, die Ferrarius vom italiänischen Cocchio. Coaruvias setzt zugleich hinzu, daß es einigen dünke, Co-
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che wäre nichts anders, als das abgekürzte Carroche, carozza. Bey der ersten Ableitung wollen wir uns nicht aufhalten weil wir doch nur dasjenige wiederholen müßten, was wir eben jetzo wider den Ferrarius erinnerten. Die letztere aber enthält so viel Ungereimtes, daß sie nicht einmal eine Widerlegung verdient. Dürfen wir daher, nach diesen Mustern zu urtheilen, was bessers vom
Joh. Ludw. de la Cerda erwarten? Es stehet dieser Mann im Zweifel, ob das spanische Coche aus dem lateinischen Worte Cisium entstanden sey, oder ob es von der mythologischen concha Veneris herrühre; für beyde diese verunglückten Einfälle scheint er gleich stark eingenommen zu seyn. Doch wir wollen ihn selber anhören. Er spricht in seinen
Adversariis Sacris (Lugduni 1626. fol.) Cap. CXXV. n. 12. pag. 249. hiervon also; Coche Hispanum nomen unde originem ducat, in dubio est. Ego existimo a cisio provenire. Saltem cisium nominat coche in Nomenclatore Junius, & cisarius est carrucarius, quod quamvis duabus rotis cisium autumet, non videtur differentia essetialis etiamsi nunc quatuor agatur. Alii putant a concha provenire Veneris, concha, enim Venus per maria vecta est, quod ex concha nata sit. Plautus Rudente loquens de hac Dea: Te ex concha natam esse autumant. & Stat. in Sylvis.
- - - inque sua ducet super aeqora concha. Conchae Veneris lata est ubique mentio &c. Kaum sollte man glauben, daß es möglich sey, auf so albernes Zeug zu verfallen. Coche soll also das verdorbene Wort Cisium seyn! Welche unerwartete Metamorphose! Würde man nicht auf die nämliche Art, und mit eben so vielem Witze, den Namen Isak in Nebukadnezar verwandeln können? - Aber die concha Veneris! Elende Zuflucht, die man zu einem Undinge nimmt! Hilf, was helfen kann; in der Noht hält man
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auch die allerentfernteste Anspielung für gut genug. Läßt sich wohl eine frostigere gedenken, als diese ist: Venus ist in einer Muschel auf der See gefahren; eine Muschel heißt concha; aus concha, kann coche werden mit Weglassung des einen Buchstabens hier, und mit Veränderung eines andern dort; folglich kömmt der spanische Name coche von concha Veneris. Unvergleichlich! Nur Schade, daß man auf solche Weise Alles aus Allem herausbringen kann. Hiezu kommt noch der wichtige Umstand, daß sich nicht die geringste scheinbare Ursache angeben läßt, warum man die Kutsche, eine Sache, die sich nur fürs feste Land schickt, von einer Muschel, einem Seeprodukte benennet hätte. Das wäre eben so gut, als wenn ich behaupten wollte, man hätte das Schif einen Wagen nennen sollen. Doch, wozu alle diese Gründe, da sogar Ferrarius, der doch wohl selbst der feinste Kunstrichter nicht war, diese
Cerdaischen Ableitungen für ungeschickt erklärte; ein sicheres Zeichen, daß sie nichts taugen: „
Cerda Advers. CXXV. 12. a Cisio, vel a concha, inepte." Aber schon zu viel hiervon.
Bishero sind wir die gewöhnlichsten Etymologien des Namens Kutsche durchgegangen. Wir haben gesehen, daß keine davon Stich hält. Und wie wäre es auch anders möglich? So lange man die Nation nicht kannte, von der die Erfindung der Kutschen herrührt, so lange mußte man freylich auch den wahren Ursprung ihres Namens mißkennen. Da wir nun aber einmal gewiesen, daß die Ehre dieser Erfindung den Ungern zukomme! so dürfen wir jetzt um desto zuversichtlicher behaupten, daß mit der Sache auch der Name selbst in Ungern zuerst aufgekommen sey. Die Folge ist, dächte ich, einleuchtend. Auch ist der Satz, daß der Ungrische Name Kotsi das Stammwort alles übrigen Benennungen in andern Sprachen sey, keinesweges als eine Frucht meiner Neuerungssucht anzusehen. Grosse Män-
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ner haben schon vorlängst die nämliche Bemerkung gemacht; ein Nicot, ein Bergier, ein
Menage, ein Johnson, und wer weis, wie viele noch andere, die meiner Aufmerksamkeit entgangen sind. Wenn Kuspinianus, Leibarzt Kaisers Manmilian I. (beym Bel in Adpartu ad Histor. Hungar. p. 292.) spricht: vehebantur multi Hungari in curribus illis velocibus, quibus nomen est patria lingua Kottschi, was konnte er wohl anders damit haben sagen wollen, als daß diese Art von Fuhrwerk, so wie dessen Name Kotsi den Ungern einheimisch, und nicht etwa den Deutschen, oder andern Nationen abgeborgt sey? Denn hätte sie Kuspinian für was Ausländisches gehalten, so würde er sie ja ganz anders haben ausdrücken müßen. Er würde z. E. gesagt haben: quibus nomen est Germanica Lingua Kutsche , oder: quibus nomen est Gallica Lingua Coche, u. s. w. Kuspinian konnte es auch am beßten wissen, ob der Name Kutsche deutschen oder Ungrischen Ursprungs sey. Denn selber war er ein Deutscher, und lebte gerade zu einer Zeit, da die Kutschen kaum noch anfiengen in Deutschland bekannt zu werden. Uiber dieß wurde er vier und zwanzigmal in wichtigen Geschäften von Kais. Maximilian I. nach Ungern, als Abesandter geschickt, wo er von dem nicht lange vorher aufgekommenen Ungrischen Namen Kotsi, da diese Sache noch im frischen Andenken war, die sichersten Nachrichten hat einziehen können. Allein wenn gleich dieses alles nicht wäre, so fände ich schon selbst in der ehemaligen Art der Aussprache des deutschen Worts Kutsche einen starken, Beweisgrund für die Wahrheit meiner Behauptung. Eine glückliche Anmerkung, die der scharfsichtige Herr Prof. Beckmann S. 419. gemacht hat, giebt mir solchen an die Hand. „Da man auch, sagt er, in Deutschland anfänglich nicht Gutsche, sondern Gutschi-Wagen gesagt hat, wovon schon oben Beyspiele vorgekommen sind, so scheint
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die Endigungssylbe vielmehr einen Ungrischen als Deutschen Ursprung zu verrahten." Diese Bemerkung könnte vielleicht manchem unerheblich scheinen; gleichwohl ist sie äußerst wichtig; aber um ihre ganze Stärke zu fühlen, muß man einige Kenntniß der Ungrischen Sprache besitzen. Doch hievon wird sich weiter unten ein Mehreres sagen lassen; vorher aber müßen wir die Veranlagung des Ungrischen Namens Kotsi untersuchen. Fragt man, was denn zu dieser Benennung den Ungern eigentlich Anlaß gab, so antworte ich: der Ort der Erfindung; so wie dieses auch der Fall von einer besondern Art von Kutschen ist, die man Berline nennt, und die ein gewisser
Philipp von Chieze im XVIIten Jahrhunderte zu Berlin erfunden hat.
Stephanus Brodericus, ein Zeitgenosse
Königs Ludwig II. der die
Mohátscher Niederlage beschrieben hat,
bezeugt dieß ausdrücklich, wenn er vom
Kolotscher Erzbischofe Tomori meldet: Ubi exploratum habuit Turcae in Hungariam adventum, non contentus id per litteras saepe antea regi signisficasse conscensis raptim levibus curribus, quos nos a
LOCO Kotcze appellamus, ad regem advolat. Herr ab H. merke sichs wohl: A loco haben die Kutschen ihren Namen erhalten, und nicht vom Zipserischen Worte: kotschen - Wo ist nun aber dieser Ort, den Brodericus meynt? Hier muß ich es zu meiner Schande bekennen, daß ich mich in meinem ersten Aufsatze über diesen Gegenstand gewaltig geirret habe, als ich auf die geographische Kätzerey verfiel,
Kitsee, ein Dorf in der
Wieselburger Gespanschaft, entspräche diesem Orte. Ich erkenne meinen Irrthum, und ich erkannte ihn, ehe noch meine Freunde in ihren Briefen mich zurechte zu weisen die Gütigkeit hatten, ja ehe noch der
Herr Verfasser der öffentlichen Zeitungsblätter, die zu Preßburg in Ungrischer Sprache herauskommen, mich (im 56sten Stücke des J. 1781. S. 444.) deswegen durchgezogen hatte. — Jenun, der verzweifelte Ort, auf den
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ich mich damals nicht besann, heißet
Kots (Kotsch), und liegt in der
Komorner Gespanschaft, sechs Meilen unterhalb
Raab, gerade wie
Siegmund Freyherr von Herberstein, in Commentario de rebus Moscoviticis, Basi. 1571. fol. S. 145. dessen Lage bestimmet: — quarta respiratio equorum sex infra
Jaurinum millaribus in pago Cotzy 33.) a quo
33.) Es darf sich niemand dadurch irre machen lassen, daß Herberstein diesen Namen mit tz, und Brodericus mit tcz schreibt, da doch der Ort nicht Kotz, sondern Kotsch heißt, und auch das Fuhrwelk selbst nicht Kotzi, sondern Kotschi ausgesprochen wird. Herberstein und Brodericus haben nämlich dieses Dorf nach der damaligen Ungrischen Orthographie nicht anders schreiben können. Denn man muß wissen, daß unsere Vorfahren den Laut tsch bis zu Anfang des XVI ten Jahrhunderts mit ch, nach diesem aber bis ohngefär gegen das Ende des XVIIten Jahrhunderts mit tz, oder cz auszudrücken pflegten, wofür man nun heut zu Tage die Buchstaben ts oder cs gebrauchet. Es haben diese Bemerkung schon Mathias Bel, Samuel Timon, und Albrecht Molnár gemacht. Mathias Bel de vetere litteratura Hunno - Scythica, Sect. ll. §. XI. pag. 41. hat folgendes: Olim quidem Gallos imitati (Hungari) Ch. loco Cs. promiscue in nominibus propriis & appellativis adhibebant, ita vetus Chronici Hungariae M. Joannis Thurotz, editio, quam Erhardus Ratold, sumitibus Theobaldi Feger, concivis Budensis, cum dedicatione ad Regem Mathiam, Augustae excudit A. 1483. habet: Chaki, Chanad, &c. loco Csaki, Csanad; ac Codex Evangeliorum pervetustus: Choda, miraculum, chak, tantum, loco csoda, csak &c. Samuel Timon bestätiget das übrige meiner Behauptung. Denn in Imag. Hung. Nov. Cap. 2. pag. 15. theilt er uns das Resultat seiner Beobachtungen in nachstehenden Worten mit: Animadverter oportet, Ungaros...ab Anno MD ciciter usurpasse pro Tsch, vel ch, Litteras Cz, Proinde Bosna, Zabolczensis pronunciabantur Bosna; Saboltschensis, Ugotschensis. Und Albrecht Molnár hat in der Vorrede seines zu Nürnberg 1604. 8. herausgegebenen Ungrisch-Lateinischen Wörterbuchs, wo der Laut tsch durchgangig mit cz geschrieben wird, diese zu seiner Zeit übliche Ungrische Orthographie für die richtige erklärt. Die Stelle ist diese: Ortographiam secutus sum usitatitissimam; Cz compositum consonans pro quo alii Ch, quidam Cs, nonnulli Takacz, Görcz, libinter retinui. Cum &
(P463)
& vectores currus nomen acceperunt, Cotzique adhuc promiscue appellantur. Wie genau stimmt dieses nicht mit jenem handschriftlichen Registro proventuum Regalium, welches uns schon oben so gute Dienste gethan hat, überein! In demselben wird ebenfalls ein Kutscher nie anders, als Kotsi (nicht aber Kotsis, wie heut zu Tage) oder wohl auch Curriter de Kots geheißen. Zum Beyspiele mögen folgende daraus gezogene Stellen dienen:
1494.
Prima die Maji, ad Mandatum Regiae Majestatis missa sunt ad Wyssegrad poma Narantia dulcia & acerba per unum KOCHY, Domino Regi, empta flor. III. den 24. Per eundem KOCHY misse sunt lucerne & candele parue Domino Regi, ad Wyssegrad, cui KOCHY pro expenses & laboribus datus est flor. I.
1495
Eodem die (10. Marti) CURRIFERO DE KOCH, qui ad relacionem Korlathkwy transivit pro Boletis, dedi flor. VI.
Eodem die (26. Julii) Matheo KOCHY, qui duxerat res Regie Majestatis & reduxerat bina vice, ad Thata & huc Budam, ad relacionem Bradach, dati sunt flor. III.
Eodem die (ultimo Decembr.) Bachie. Ad relacionem Bradach Stabularis infrascriptis & aliquibus Gubernatoris Equorum Regie Majestatis puta Horwath, qui providet ad currus Regie Ma-
Poloni & Bohemi eodem modo scribant & proferant ---Vis autem hujus Cz eadem est quae in Lingua Germanica tsch in Mentschen, homines, Tortschen, parmae." Daher es niemanden befremden soll, daß das nämliche Wort in oben erwähntem Rechnungsbuche vom J. 1494 Kochy hingegen bey Schriftstellern des XVIten Jahrhunderts Kotzy, oder Kotczy, geschrieben wird. Die Aussprache, auf die es hier einzig und allein ankommt, ist in beyden Fällen gleichwohl einerley: Kotschi.
(P364)
jestatis flor I. Luce fl. I. Jankoni fl.I. Barnabe fl. I. Qui gubernant Equos Regie Majestatis, Stephano Deak cum socio fl. II. Marco cum socio fl. 2. Thome cum socio fl.Il. Georgio parvo cum socio fl. 2. Elye cum socio fl. 2. Mathie cum socio fl. 2. Woythkoni cum com socio fl. 2. Uni KOCHY Regie Majestatis fl.2. Georgio Zalay fl.1. Petro Laucha fl.1. Thome Zathmari fl. 1. qui simus computando in Toto dati faciunt fl. XXIIll.
Und nunmehr kann ich die kurz vorher beygebrachte Anmerkung des Herrn Prof. Beckmanns erst recht geltend machen. Dieser fleißige und einsichtsvolle Beobachter hat gefunden, daß man in Deutschland anfänglich nicht Gutsche, sondern Gutschi-Wagen gesagt hat, welche Endigungssylbe ihm vielmehr einen Ungrischen, als Deutschen Ursprung zu verrahten scheint. Es verwandelt sich aber diese Muhtmaßung in eine völlige Gewißheit, wenn man dabey die Natur der Ungrischen Sprache nur ein wenig zu Rahte ziehet. Denn da in andern Sprachen bey den Wörtern; Kutsche, Coche, Cocchio, die Endigungsvokalen, e, o, zufällig, und ohne Bedeutung sind, so ist hingegen in dem Ungrischen Worte Kotsi der Endigungsvokal i nohtwendig da, und hat seine bestimmte Bedeutung. Denn so oft in der Ungrischen Sprache dem eigenen Namen einer Stadt oder eines Dorfs der Selbstlauter i angehängt wird, so oft entsteht ein Adjektiv daraus, welches allemal andeutet, daß das darauf folgende Substantiv, oder vielmehr die durchs Substantiv angezeigte Sache, jener Stadt oder jenem Dorfe ihren Ursprung zu verdanken habe, oder daselbst verfertiget werde, oder sonst in irgend einem genauen Verhältnisse mit demselben sich befinde. So bedeutet z. E. egy Kotsi Dinye, eine im Dorfe Kotsch gewachsene Melone; egy Bátsi ember, einen von Bátsch gebürtigen Mann; Debretzeni Szappan, in
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Debretzin verfertigte Seife. Kurz, der Selbstlauter i vertritt in unsrer Sprache die Stelle der lateinischen Endigungssylben, ensis in Atheniensis, Veronensis &c. und folglich bezeichnet auch das Ungrische Wort Kotsi eigentlich nichts anders, als etwas, das im Dorfe Kotsch zu Hause ist. Hieraus erhellet zugleich, daß Kotsi an und für sich selber keinen Wagen bedeute, sondern daß es ein bloßes Adjektiv sey, welches sich nicht nur auf den Begriff eines Fuhrwerks, sondern auf alle mögliche Substantive beziehen kann. Ohne Zweifel wird man also, um das Kotscher Fuhrwerk mit keinem andern Kotscherprodukte zu verwechseln, anfänglich die zwey zusammengesetzte Wörter: Kotsi-Szekér gebraucht haben, wovon der lateinische Ausdruck: Currus Kotsi im angeführten handschriftlichen Registro, imgleichen die ehemalige deutsche Uibersetzung: Gutschi - Wagen, deutliche Merkmaale abgeben. Indessen läßt der jetzige Sprachgebrauch, um den Ausdruck zu verkürzen, das Substantiv Szekér (Wagen) weg; so wie man auch im Deutschen nur schlechtweg Tokayer sagt, unb allemal Tokayerwein darunter versteht. Da sich nun also aus keiner andern Sprache, als einzig und allein aus der Ungrischen, ein zureichender Grund angeben läßt, warum die Kutschen vielmehr diesen ihren jetzigen Namen führen, als jeden andern willkürlichen; da ferner die Deutschen selbst diesen Namen anfänglich mit einer Ungrischen Endigungssylbe ausgesprochen haben, die in keiner andern Sprache, als nur in der Ungrischen, ihre Bedeutung hat: kann man wohl noch einen Augenblick zweifeln, daß, das Ungrische Wort Kotsi das ächte Stammwort sey, wovon alle übrigen Benennungen in andern Sprachen nothwendig abzuleiten sind?
M. Daniel Cornides.