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ZUM GESAMTINHALT

Ungrisches Magazin, Band 3, Heft 4, Text 26 (S. 478-490)
Hrsg. von Karl Gottlieb Windisch
Preßburg, Löwe, 1783
Autor: Paul Thuri, Josef Benkö
Zuordnung: Geschichte

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26. Beschreibung des ehemaligen Zustandes derjenigen Theile von Ungern, welche unter dem Türkischen Joche seufzten.

Aus dem Entwurfe, den Paul Thuri in einem Briefe davon gemacht hat, den Gelehrten dargestellet, von Joseph Benkö, Pfarrer zu Közép Ajta in Siebenbürgen, und Mitglied der gelehrten Gesellschaft zu Harlem.

Daß es bey der Kenntniß von Ungern nicht ganz unerheblich sey, die Geschichte und Geographie der Türkischen Herrschaft des 16ten und 17ten Jahrhunderts in diesem Lande zu untersuchen, das haben wir im 3ten Stücke des zweyten Bandes des Ungrischen Magazins erwiesen, wo wir die Anzahl der Oerter des Türkischen Gouvernements von Solnok angegeben haben. Da aber die zur Aufklärung dieser Materie dienenden Hilfsmittel

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sehr dunkel, und versteckt, auch bey Herausgebung derselben keine gewisse Ordnung beobachtet werden kann: so glaube ich den nächsten Weg zur Aufsuchung aller hieher gehörigen Sachen einzuschlagen, wann ich alle Litterärinstrumente, so, wie sie mir bald früher, bald später zu Händen kommen, öffentlich bekannt mache.

Da ich nun nicht zweifle, daß der Brief des Paul Thuri, unsern Absichten kein geringes Licht verschaffen werde, da er in demselben, den Zustand der Christen in Ungern, unter dem grausamen Joche der Türken beschrieben hat; und weil ich auch weis, wie seltsam dieser Brief ist, der sowohl in Kaschau, vom Johann Bocatius 1613, als zu Oppenheim 1617 gedruckt worden; so dachte ich den Lesern unsers Magazins einen wahren Dienst zu thun, wann ich ihnen denselben nach dem Kaschauer Exemplare* in einer getreuen Uibersetzung hier vorlege.

* * *

Bey der Gelegenheit, welche sich mir itzt darbiehtet, will ich Ihnen von der grausamen Noht unsrer Provinz, die unter der tyrannischen Herrschaft der Türken seufzet, etwas Weniges berichten, damit Sie sowohl mich, den Sie Ihrer Freundschaft würdig geachtet haben, bedauern mögen, hauptsächlich aber aufgemuntert würden,

*Der Titel dieses Briefes ist: Idea Christianorum Hungarorum in et sub Turcisino. Epistola quondam a Paulo Thurio Rectore Scholae Tholnensis, ad amicos perscripta. Nunc opera Joannis Bocatii, Consularis R. P. & Gymnasiarchae  Cassoviens. in lucem edita, et impressa. Cassoviae, Calcographo Joanne Fischero, Anno fIDe seD CVI VIDe. Es ist dieser Brief dem Königlich obersten Mundschenk (Pincernarum Regalium Magister) und des Zipser - sowohl, als Schaaroscher Komitats Obergespane, Grafen Christoph Thurzo von besagtem Johann Bocatius zugeeignet.

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Gott um unsre Befreiung zu bitten, wenn sie die schrecklichen Drangsale lesen werden, mit welchen das bejammernswürdige Pannonien gepreßt wird. Die Absicht dieser Tyranney gehet nicht dahin, sich nach Art mächtiger Fürsten, nur Völker zu unterwerfen; sondern die ganze Welt, es mag solches mit Betrug, oder Gewalt geschehen, nach ihren Religionsgesinnungen umzumodeln. Wollte Gott, daß sie solches nur durch die Gewalt der Waffen zu erhalten suchten! — Hören Sie nur, welcher schlauen List, sich der ruchlose Gete dazu bedienet. — Anfänglich läßt er überall kund machen, daß er um die Oberherrschaft, und nicht um die Religion streite, und daß er sich um den Gottesdienst der Unterthanen gar nicht bekümmere, wenn sie nur ihre Abgaben, ihren gewöhnlichen Privilegien gemäß, richtig bezahlen. Dieß ist die erste Stuffe der Betrügerey, durch die er sich das bebende Landvolk unterwirft. Ist dieß geschehen, so hält er, (wie es in meinem Geburtsorte ( Thur) geschah, eine zeitlang Treue; bey jeder geringen Gelegenheit aber, wird der Subascha, oder Offizier grausam geschlagen, mittlerweile aber aus wahrscheinlichen Ursachen die Steuer erhöhet. Wo sie einen Ort mit den Christen zugleich, wie hier in Tholna bewohnen, da wird der politische Stand zerstreuet, und die obrigkeitlichen Würden mit Türken besetzet. Das oberrichterliche Amt der Radia, zieht der Emenk des Officiers an sich der Subascha maßt sich das Amt der Häscher zu, die auf den Gäßen herumstreifen, um zu hören und zu sehen, ob nicht etwas mit Banden, und Gefängniß bestrafet werden sollte; und der Amandar wird ein Pächter. — Aber werden Sie fragen: wie suchen sie den höchsten Grad ihrer Tyranney zu erreichen, das ist, die Unterthanen zu ihrer Religion zu zwingen? Mehr als Schlangenlist besitzt diese grausame Nation, mit welcher sie auch die Nachkömmlinge zu verschlingen suchet. Nie-

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mand wird durch öffentliche Befehle dazu genöhtiget; aber sie wissen ihre Nachstellungen so einzurichten, daß nur ein geringer Unterschied davon übrig bleibt. Denen, die sich beschneiden lassen wollen, wird öffentlich eine Befreyung von allen Abgaben, und eine unumschränkte Freyheit alle die schändlichsten Laster auszuüben, angekündiget; da die, welche diesen Weg nicht einschlagen, durch unerträgliche Auflagen gänzlich unterdrückt werden. — Hiezu kömmt noch: daß wenn jemand, sollte es auch der angesehenste seyn, den Gete nur im Mindesten beleidiget, so bleibt ihm nichts anders übrig, als sich entweder beschneiden zu lassen, oder den Scheiterhaufen zu besteigen. Nur selten, und wann es noch nicht allgemein bekannt ist, kann man solches durch grosse Summen Geldes von sich ablehnen. Setzt jemand den Turban, entweder im Scherze, oder dazu angelockt, auf, so muß er eins von beyden, den Tod, oder die Beschneidung, wählen. Einen solchen Fall habe ich selbst gesehen. Denn als in einem benachbarten kleinen Flecken, ein gewisser Evangelischer Prediger einige Türken zu bewirten genöhtigt ward, und sie seinen Priesterhut aufsetzten, so that er durch das Beyspiel der Türken bewogen, ein Aehnliches mit dem Patiolat der Muselmänner : aber daher kam es, daß er hernach der Beschneidung nicht entgehen könnte. Dieser ward sodann in demselben Marktflecken eine Zeitlang Subascha. Wann jemand einen Türken, der ihm eine offenbare Beleidigung anthut, bey seiner Selbstvertheidigung, mit der Faust oder mit dem Stocke schlägt, so verliert er ohne Barmherzigkeit, die Hand. Grüßet er ihn, so ist der Scheiterhaufen oder die Beschneidung sein Looß. Wenn jemand, sollte er auch dazu aufgefordert werden, einen Türken nachahmt, wie er seinen Zeigefinger emporhebt, das doch bey der Gebehrdung nicht selten geschieht, so hat er eben nichts anders zu gewarten. Der Türken

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Gewohnheit ist, jeden, der ihnen begegnet, auf folgende Art anzureden: Paturxika Kardos: d. h. Bruder werde ein Türk! Aber derjenige handelt sehr weise, der ganz stille vorbeygeht; denn er kann nichts antworten, das nicht gefährlich wäre. — Jemand erwiderte: Werde du ein Unger, so werde ich ein Türk; und wegen dieser Antwort mußte er sich beschneiden lassen. Kirchen an neuen Oertern zu bauen, ist so sehr verbohten, daß sich nicht einmal der oberste Befehlshaber dieses zu erlauben unterstehet. Die abgebrannten, werden noch mit Rohr zu decken erlaubt, aber ohne Thürme und Stundenuhren; und das zwar nicht ohne Erlegung einer grossen Summe Geldes, und vielen Geschenken. In meiner Nachbarschaft ist der Flecken Charantz: als nun in demselben der Mesner die offne Kirchthüre ohne Erlaubniß des Officiers mit einem hölzernen Nagel befestigte, mußte er ein Strafgeld von sechs Gulden erlegen. — Den Ceremonien, welche beobachtet werden, wenn jemand ein Türk wird, ist dieses noch beizufügen: Der unter die Türken Aufzunehmende, wird mit einer Menge Steine in eine Christliche Kirche geführet, und genöhtigt, die Kirche der Christen zu steinigen, und zu bespucken. Es ist kein so außerordentliches, kein so grausames Laster, davon man nicht frey gesprochen würde, wenn man nur ein Türk wird. Neulich habe ich einen Jüngling, der vormals Schulmeister zu Makow war, und daselbst eine Braut hatte, verloren. Denn als er unverhofft einen Verwandten gefunden hatte, so ist er von ebendemselben angesteckt, und bethöret, ein Türk worden, und hat, mit unaussprechlichem Herzeleide vieler, unsre Schulen verlassen. Grüne und lichtblaue Hosen und Socken zu tragen, können sie so wenig leiden, daß sie solche sammt der Haut vom Leibe schneiden, und zerstücken. Den verheurahteten und ledigen Weibspersonen stellen sie über die Massen nach, und nehmen sich solche gleich zum Weibe, sobald

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sie nur einen ihnen dargereichten Apfel annehmen, und dieses ihnen bewiesen werden kann. Täglich sieht man, daß die Bürgersfrauen, ihre Männer, die vorhin Rathsherren waren, sonst reich und noch am Leben sind, verlassen, und sich an Türken verheurahten. Es ist deren keine, welche nicht nach den allerscheußlichsten Ort, d. i. nach Konstantinopel heimlich weggefuhret worden wäre; und doch hören sie nicht auf, wegen den zu erwartenden prächtigen Kleidern, die sie blenden, sich an die Türken zu verheurahten. Lüstert einen Türken nach einer Jungfrau oder Wittwe, so stellt er sich nur rasend, und drohet vor dem Richter, den er sich zum Zeugen nimmt, er wolle sich entleiben, wenn er sie nicht erhielte. Thut er solches, welches bisweilen doch geschieht, so entgehet diese Frauensperson der Sklaverey nicht. Findet sich auf dem Felde ein todter Mensch, so muß der Ort, in dessen Gebiehte man ihn findet, ohne aller Gnade und Barmherzigkeit 400 fl. zahlen. Ohnlängst brachte ein Türk einen jungen Kaufmann in dem Walde um; und ob er gleich selbst diese That hier im Orte nicht läugnete, und es bis jetzt ohne Scheu gesteht, so wird doch unserm Flecken eine grosse Summe abgefordert.

Ertrinkt jemand zufälliger Weise, so erwartet ihn eine gleiche Geldstrafe; steht aber eben damals jemand am Ufer, so entgeht er einer immerwährenden Sklaverey nicht. Sollten von den Türken einer den andern im Zorne umbringen, so wird die ganze Familie von jenem Hause, in welchem sich solches zugetragen hat, zu ihren ewigen Sklaven gemacht. — Schweine werden hier gar nicht, außer in verborgenen Behältnissen, gemästet; und wann einige Türken unsere Häuser beziehen, welches oft bey ihren Durchmärschen geschieht, so verhüten wir recht sorgfältig, daß nur kein Speck irgendwo hangen bleibt; denn sie pflegen ein Stückchen

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von denselben in ihre Speise zu werfen, und hernach, den, vor dem Guverneur angeklagten Hauswirt, in einen ewigen Sklavendienst zu stürzen. Bey wütender Pest wird es anbefohlen, die Hunde umzubringen, und es ist schwerlich ein Thor, wo nicht das Aas eines erschlagenen Hundes liegen sollte; hat aber jemand keinen, den er umbringen könnte, so muß er ihn kaufen. Diesen Gestank rieche ich zwar, wie sie wissen, nicht (weil es mir am Geruche fehlet) aber andere mögen es erzählen, wie sehr sie sich an diesem Wohlgeruche letzen. Von diesem Unternehmen geben sie folgende Ursache an: daß nämlich die Gottheit erzürnet, und nach Blut durstig sey, daß diese aber desto eher gestillet würde, je mehr sie Blut vergießen siehet. Daran aber sey nichts gelegen, was es für ein Blut wäre, genug, wenn es nur Blut ist; oder was es für ein Aas wäre, genug , wenn es nur ein Aas ist. An den Türkischen Festtägen werden wir von aller Arbeit abgehalten; ja ich werde so gar genöhtiget, mich von allem Lesen zu enthalten. In dem kurz vorher benannten Flecken lief ein Hund herum, dessen Schwanz jemand abgehauen hatte; der Offizier, der sich auf der Gasse mit den Bürgern unterredete, sah den vorüber laufenden und heulenden Hund, und äußerte sich gegen die Bürger, daß der Hund, wann er reden könnte, sich bey ihm deutlich beklagen, und den des Blutschuldigen anklagen würde; und er erpreßte daher von den Bürgern eine Strafe von sechs Gulden. Gleicherweise, als Jemand seinen Fuß an einem, hervorragenden Stocke verletzte, die Wunde aber mit einem Tuche verband; ward er vom Offizier befragt, warum er hinke? Worauf ihm der Stock gezeigt ward, an welchen er sich gestossen hatte: so schlug der Offizier mit seinem Dögönith auf den Stock gewaltig zu, den Verwundeten aber zwang er sechs Gulden zu bezahlen. Einen andern Einwohner schickte dieser um

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Wein, welcher bey der Rückkehr, auf dem schlüpfrigen Weg beynahe ausglitschte. Der Einwohner erzählte solches lachend, und sagte, wenn auch mein anderer Fuß dir den Dienst so ungern geleistet hätte, wie jener, so müßtest du ohne Wein bleiben. Der Offizier fragte nun, welcher von seinen beiden Füßen nicht hätte dienen wollen? er zeigte ihm denselben, und dieser schlug auf denselben wacker zu. — Einem Kaupaun legte man Küchelchen unter, daß er sie statt der Henne herumführen sollte; nun fragte der Offizier, ob denn der Kapaun solche auch, ausgebrütet hätte? welches der Wirt verneinte. O! schändliche That, schrie der Türk, einen so königlichen Vogel mit einem solchen Sklavendienste zu belästigen. Der Wirt konnte nur nach Erlegung von 6 fl. den Stockschlägen entgehen, der Kapaun aber sammt den Küchelchen wurden ihm genommen. — Die Türken pflegen sowohl Geistliche als andere Personen über die Religion auszufragen; und hiebey bedienen sie sich eines völlig teuftischen Dilemms. Die erste Frage ist: ob die Lehre und die Traditionen des Mahomets wahr sey? Sagen sie, daß sie wahr sey, so schwöre ich es ihnen, daß diese entweder verbrannt, oder beschnitten werden. Denn der Türk wird sagen, wenn diese Bregidi (Religion) wahr ist, warum bezeugst du solches nicht auch an deinem Körper, damit du andern zum Beyspiele dienen könntest? Möchte jemand antworten: daß diese zwar wahr, unsere aber noch wahrer sey; oder, daß vieles allerdings wahr ist, manches aber nicht einmal wahrscheinlich sey: so würde dieser das nämliche erwarten müßen, den Scheiterhaufen nämlich, oder die Beschneidung. Was antworten sie also, werden sie fragen; um ihr Gewissen nicht zu verletzen? Wirklich so lange wir können, weichen wir der Antwort mit Nebenerzählungen aus; und bei vielen stellen wir uns, als ob wir es nicht hörten. Wenn

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keine Ausflüchte mehr statt finden, so ist dieß unsere Art zu antworten: Wir wissen, daß unsere Lehre wahr und göttlich, auch mit mannigfaltigen Zeugnissen bestätigt sey, und wir wollen bey dem Bekenntnisse derselben weder unsern Glücksgütern, noch auch unser Leben schonen; von eurer Religion aber haben wir nichts gelesen, denn wir haben weder euer Buch, noch Kenntniß eurer Sprache; bekümmert euch also nur selbst um die Nachforschung der Wahrheiten eurer Lehre: wir haben unser Buch, welches wir lesen. Auf diese Antwort verstummt der Belial. Wenn sie wüßten, daß wir eine lateinische Uibersetzung ihres Alkorans haben, grosser Gott! es würde der ganzen Christenheit gewiß eine schreckliche Gefahr drohen! — Die Juden sind ihnen so sehr verhaßt, daß sie solche, wenn sie Türken werden wollen, nicht eher annehmen, als bis sie Schweinenfleisch essen. Mit den Juden hab ich beynahe tägliche Streitigkeiten, und es kömmt mir bey denselben meine wenige Kenntniß der Hebräischen Sprache, welche dadurch vermehret wird, sehr wohl zu Statten.

Hieraus können Sie sich eine Idee von unserm Zustande machen. Alles verräht hier eine Türkische Lebensart; Sitten, Kleidung, alles muß einem Ankömmlinge unter uns fremde scheinen. Unsere Muttersprache ist über die Hälfte Türkisch: eine Weibsperson wenn sie schwöret, schwöret also: Valaha, Istenre mondom, nem adom külömben; ottura kardos, ülyIe atyamfia; Effendii, Kegyelmed egyék &c. Gewiß selten finden sich hier keusche Weibspersonen, besonders aber unter den Wittwen: und man scheuet sich der verletzten Ehre wegen gar nicht.

Nur die ist unter uns keusch und züchtig, welche sich vor andern zur Keuschheit vorzüglich entschlossen hat. Selten schlagen die Männer ihre Weiber, weil diese bey jeder geringen Beleidigung zu den Türken überge-

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hen. Es fehlet aber auch nicht an solchen Männern, welche die Schandthaten ihrer Weiber wissen, die sie jedoch verheelen, weil sie mit der Bekanntmachung davon nichts ausrichten würden. Es ist einer Uingerinn nicht erlaubt, wenn sie einmal von einem Türken beschlafen worden, einen Ungern zu heurahten. Den von einer Uingerinn auf diese Art gebohrnen Sohn zu taufen, ist bey ihnen ein Kirchenraub, und auf den Vater oder die Mutter, die ihn taufen lassen, ist die Lebensstrafe gesetzt. Unter uns können sie viele fruchtbare Wittwen sehen. Uiberdieß aber kann man mit Bescheidenheit nicht anzeigen, wie sie den Knaben nachstellen. Ich übergehe es, daß, wenn ein Treffen für sie unglücklich ablauft, sie alle ihre Wuht nur an den geistlichen Personen auslassen. Diese, sagen sie, wären an dem Unglücke Schuld, indem sie ihnen nachthellige Verwünschungen zu Gott abschickten. Nach einer solchen Beschuldigung hatte unser Ehrwürdige Bischof schon dreymal, mit zurückgebundenen Händen enthauptet werden sollen; aber Gott hat ihn bisher auf eine wunderbare Weise beschützet. Tag und Nacht spinnen sie Betrügereyen an, durch welche sie Priester und Schulen ganz zu vertilgen suchen. Denn sie glauben, daß diese die Ursache seyen, warum die Ungern keine Türken werden wollen. Was das Richteramt betrift, so kann man sich auf seine Forderung gewiß verlassen, sollte auch die Gegenpartey tausend Gegenzeugen aufweisen, welche die Sache selbst gesehen haben, wenn man nur mehr Geld als die Gegenpartey zur Bestechung bringt. Eines geringen Verbrechens halber wird der schuldig befundene auf die Fußsohlen so stark geschlagen, daß die Haut davon abgeht. Ich getraue mich zu behaupten, daß kein Tag vorübergehet, an welchen nicht solche Schläge ausgetheilet würden. Auch dieses trau ich mich zu versichern, daß es keinen Prediger gebe, der nicht ihre

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Schläge schon erfahren hätte, mich ausgenommen; und wollte Gott, ich bliebe auf immer ausgenommen! Aber ich eile zur vieren Stufe.

Die vierte Art der Türkischen List mit welcher sie ihren Hauptzweck zu erhalten suchen, ist diese. Ist wohl noch ein schwererer Zustand möglich als der Ihrige? werden sie sagen? Aber was meynen Sie? Unser jetziger Zustand verhält sich gegen die vierte Art ihrer List nicht anders, als Ihr Zustand gegen den unsrigen sich verhält, den wir beseufzen. In diesem letzten Zustande befinden sich die Leute am Flusse Drawa, wo der Ort Ezechium (Eszek) liegt, und was noch weiter hin ist. Hier wird dem größten Tyrannen jährlich der Zehende von allen Knaben gegeben, aus welchen dann nur die schönsten ausgesucht, und jene bestialische, den Teufel übertreffende Fußvölker erzogen werden, die man Janitscharen nennt. Diese haben nichts eigenes, außer dem, was sie am Leibe tragen: sie wissen nichts von der Religion, ausgenommen den Vater unser, und den Englischen Gruß, welches sie auch nur aus täglicher Gewohnheit wissen. Diese tragen eine zirkelrunde Maß vom Haus zu Hause herum. Für die Kinder nun, deren Kopfe dieses runde Maß nicht ausfüllen, wird keine Kopfsteuer gezahlet, für alle übrigen aber, und wenn deren hundert in einem Hause wären, werden für jeden zweyhundert und fünfzig Aspern gezahlt. Ja das ist fast eine tägliche, und, gewöhnliche Steuer, daß man statt dem Kopfgelde selbst, den Knaben dahin giebt; aber dieser ihren Zustand kann nur allein Gott beschreiben, der solchen sieht. Doch ist die Standhaftigkeit dieser Knaben zu loben, daß sie in diesem äußersten Zustande keine Türken werden wollen. Sollten die obern Gegenden einmal eingenommen werden, so wird unsern Marktflecken, und die herumliegende Oerter ein

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gleiches Schicksal treffen. Wird Siebenbürgen eingenommen seyn, so wird der Zustand von ganz Ungern mit dem Zustande derer übereinkommen, die an der Drawa wohnen.

Hieraus können Sie nun, wie in einem Gemälde sehen, in welchem Zustande alle Oerter unsers Ungerlandes sich befinden. Beurtheilen Sie denselben nach diesen Zeichen: Der leichteste Grad dieses Zustandes ist, wo sich kein Türk aufhält; der andere, wo nur ein Offizier ist; der dritte, wo ein Richter ist; und der vierte, wo einer von den Knaben den Zehenden nimmt. — Dieses alles muß man aber zu ihrem Hauptzwecke rechnen, welcher dieser ist, daß überall einerley Religion, und zwar in der ganzen Welt die Türkische eingeführt würde: denn welche sich beschneiden lassen, därfen keines von diesen Uibeln erdulden.

Glauben Sie, daß dieses gewisser sey, als die Sibyllinischen Bücher, zumal da ich solches täglich sehe. Nichts ist hier niedergeschrieben, das nicht noch hundertmal grausamer und gewisser ist, als ich es ihnen erzählen konnte. Die Sklaven und Freygelassenen haben mir den Zustand Asiens und Aegyptens beschrieben: wenn nun solches dem also ist, wie ich von ihnen gehört habe, so sind die Arten unsrer Bedrückung in Vergleichung jener viel erträglicher. Es ist keiner von den Türkischen grossen Herren, der in Ungern liegende Gründe hat, der nicht auch zugleich in Bosnien an den Gränzen Thraziens ganze Dörfer haben sollte, die er aus gefangenen Ungern angelegt hat. Man hat dieses jetzt gleichsam zur Milderung des Zustandes ausgedacht, die Fürsten fordern ganze Stämme ab, und erkaufen sie mit einer grossen Summe Geldes, welches sie aber deswegen thun, damit diese vermöge ihrer Verwandschaft untereinander beysammen leben möchten. Denn ohnedem pflegen die Gefangenen allezeit in ihr Vaterland

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zu ihren Verwandte zurück zu eilen. Solche Oerter aber sind nur gleichsam Viehhorden. Denn der Fürst wählt aus denselben welchen Knaben er will, und zwar den schönsten, und unterrichtet ihn in der Kriegskunst. Andere schickt er zum Geschenke andern Fürsten; und andere verkauft er. Diese Kolonisten haben nichts Eigenthümliches. Sie ackern, graben, ärndten unaufhörlich, wie das Vieh. Von dem, was ihnen wächst, nähren sie sich, alles übrige aber gehört dem Fürsten. In diesem Labyrinte des Elends erkennen wir doch noch die fast unglaublichen, göttlichen, gnädigen Schickungen, und danken ihm dafür unendlich. Denn unsere Schule blühet so sehr, als ich nur durch meinen Fleis zu bewerkstelligen vermag. Die Zahl der Lernenden ist auch so groß, daß kaum zwey Hörsäle sie fassen kann: ob gleich von ihnen die meisten nur Knaben sind, so sind dennoch auch von den größten ungefähr fünfzig. An diesen hab ich auch solche Lehrbegierde beobachtet, daß sie in kurzem meine Wissenschaft erschöpfen werden; ja ich sehe voraus, daß ihrer viele bald eines andern Lehrers benöhtigt seyn werden. Leben sie wohl!*

Paul Thuri.

*So weit gehet das Schreiben des Thuri, dem noch einige lateinische Verse folgen.
Topic revision: r28 - 04 Sep 2013, KatalinBlasko
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