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ZUM GESAMTINHALT
Ungrisches Magazin, Band 2, Heft 3, Text 24 (S. 335-367)
Hrsg. von
Karl Gottlieb Windisch
Preßburg,
Löwe, 1782
Autor:
M. T. Fronius
Zuordnung: Geschichte
(p335)
24. Untersuchungen über einige barbarische Völker, die das Römische Reich beunruhiget, und sich in Deutschland, unter den Galliern, und andern nördlichen Provinzen des Römischen Reichs niedergelassen haben.
Von Herrn
Deguignes,
Erste Abhandlung.
Vorbericht.
Nachstehende Abhandlung vom Herrn Deguignes habe ich aus dem
acht und zwanzigsten Bande der Jahrbücher der Königlichen Akademie der Inschriften zu Paris, von Seite 85 -107 gezogen. Aus der Aufschrift derselben könnte man schließen, die darinnen abgehandelte Materie stünde vielmehr mit der Geschichte anderer Völker und Länder, als mit der alten Dacischen Geschichte in Verbindung. Aber ein Unger und Siebenbürger darf nur halb mit den Begebenheiten seines Vaterlandes bekannt seyn, um zu wissen, daß einst Hunnische Mißgestalten den Boden bewandelt haben, auf dem er jetzt. Dank sey es den günstigern Umständen, unter die ihn die Vorsehung versetzte, keinen Besuch von
Kalmücki-
(p336)
schen Horden zu befürchten hat! Freylich sind die Hunnen die mehr als Patagonischen Riesen nicht, die nur
einen Fuß zu heben brauchten, um Berge zu überschreiten, zu denen sie pöbelhafte Unwissenheit umformt. Auch sind die kalcinirten ungeheuren Knochen, die hin und wieder, besonders in
Siebenbürgen ausgegraben werden, nicht Reste von Hunnen, zu denen sie die gemeine Sage macht; sondern Beweise, daß es wenigstens vor der
Mosaischen Kosmogenie, in diesen Gegenden viel anders müße ausgesehen haben. Denn von der Sündfluht können sie doch eben so wenig herkommen, als von den Hunnen. Demohngeachtet aber verlieren die Hunnen von ihrer historischen Wichtigkeit für die Geschichte des alten
Daciens nichts. Sie bleiben immer die Nation, die fast ein Säkulum hindurch, hauptsächlich aber zu den Zeiten des
Attila eine Hauptrolle in Dacien spielte. In Dacien hatte Attila mit seinen
Tatars seinen Hauptsitz. Hier hatte
Priskus Gelegenheit, ihn in seiner Nomadenresidenz zu besuchen, und die wilden Wohnungen und Gebräuche seiner Nation mitanzusehen. Von hier aus brach er bald bis an die Mauern von
Konstantinopel, bald in die fruchtbaren Ebenen Italiens ein. — Noch heut zu Tage schreibt eine der Hauptnationen in Siebenbürgen, die Nation der
Zekler, ihren Ursprung den zurückgebliebenen Attilanischen Hunnen zu.* Kein Wunder also, daß berühmte Männer, die sich mit der Beleuchtung der alten Dacischen Geschichte beschäftigten, auch vornämlich den Ursprung und die Begebenheiten der Hunnen aufzuklären suchten. Niemand verdient hierinnen mehr Dank, als Herr
Pray. Sein Buch:
Annales veterum Hunnorum etc. muß jeder unpartheyische Beurtheiler als ein Muster kritischen Fleißes hochschätzen. Wie viel Mühe muß es gekostet haben, sich
(p337)
durch den ungeheuern Wust der Byzantinischen Geschichtschreiber durchzuarbeiten, ehe die Kaiserliche Akademie zu St. Petersburg durch Herrn
Stritter den so gemeinützigen Auszug daraus verfertigen ließ! Und doch konnte er aus allen diesen Nachrichten, verbunden mit allen Nachrichten der Ungrischen und anderer Abendländischen Geschichtschreiber, nur allein die neueste und letzte Geschichte der Hunnen schöpfen. Die älteste Geschichte derselben, die Geschichte ihres Ursprunges und ihrer ersten Wanderungen, bekömmt aus allen diesen Nachrichten kein, oder doch ein so schwaches Licht, daß man es ohne fremde Beihilfe nicht recht gewahr wird. Hier mußte ihm Herr
Deguignes allein zum Wegweiser dienen; und in der That werden Deguignes Bemühungen in diesem Fache, so lange wir die Chinesischen Annalen nicht mit mehr Kenntniß und Fleiße studiren können als er, (wozu freylich sobald keine Hoffnung übrig ist) in Ansehung dieser Geschichte die erste zuverläßige Qwelle bleiben. Denen von meinen Landesleuten wenigstens, die sich mit der Geschichte ihres Vaterlandes beschäftigen, muß es also nicht unangenehm seyn, wenn ich ihnen einige von diesen Qwellen hier vorlege. Sie waren bisher in der kostbaren Sammlung der Memoires der Königlichen Akademie der Inschriften gemeiniglich nur wenigen zugangbar, und man kann sie erst bey einer Bibliothek, wie die
Göttingische ist, recht nützen. Aber wie viele giebt es solche Bibliotheken? — Gegenwärtige Abhandlung scheint mir ein kernhafter Auszug aus dem zu seyn, was der Herr Verfasser weitläuftig im zweyten Theile des ersten Bandes seiner
Histoire Generale des Huns, des Turcs, et des autres Tartares occidentaux (Paris 1756) gesagt hat. Und dieß ist doch das Buch, was sich Herr
Pray vorzüglich zum Führer erwählte. Die zwote Abhandlung von den
Awaren, die eigentlich nur eine Fortsetzung der gegenwärtigen ist,
(p338)
wird im folgendem Bande erscheinen. Oben so werde ich auch von Zeit zu Zeit die
d'Anwillischen Abhandlungen folgen lassen.
Göttingen, den 15ten April 1782.
M. T. Fronius.
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Es ist wichtig, den Ursprung der barbarischen Nationen zu entwickeln, welche den Ruin des Römischen Reichs verursachet haben, um eine vollkommene Kenntniß der Geschichte dieses Reichs, und derjenigen Reiche zu erhalten, welche sich auf seinen Trümmern in den mitternächtigen Provinzen Europens gebildet haben. Aber zu welchen Geschichtschreibern sollen wir unsere Zuflucht nehmen, wenn wir die Römischen, die zur Zeit dieser grossen Einfälle lebten, von den alten Wohnungen aller dieser Barbaren nicht unterrichtet sind; wenn die ersten Begriffe die sie davon haben, sich auf die Zeit einschränken, wo diese Fremden anfiengen zum erstenmal auf die Gränzen des Reichs hereinzubrechen? Der Norden, aus dem die meisten dieser Nationen ihren Ursprung nahmen, hat gar keine Geschichtschreiber für diese entfernten Zeiten; und diejenigen, die er in der Folge hervorgebracht hat, haben sehr oft ihre Erzählungen durch tausend fabelhafte Züge entstellet. Im Oriente beym
Mäotischen See herum, waren wiederum alle Völker Nomaden, und hatten keinen Begriff von Wissenschaft, insonderheit von Geschichte.
Inzwischen, obgleich uns die Römischen Geschichtschreiber mit keinen beträchtlichen Nachrichten versehen, und ob sie gleich von diesen Barbaren gleichsam nur im Vorbeygehen reden: so können uns doch diese Nachrichten, verglichen mit denjenigen, welche von den Geschichtschrei-
(p339)
bern einer auf der Seite des Orients sehr entfernten Nation erzählet werden, die aber mit den Nomadischen Völkern, die am westlichen Theile des
Mäotischen Sees und des
Kaspischen Meeres wohnten, in besonderer Verbindung stand, zur Kenntniß, wenn nicht aller, doch wenigstens eines theils der Völker verhelfen, die Deutschland , Gallien, und überhaupt die nördlichen Provinzen, die unter der Herrschaft der Römer stunden, verheeret haben. Man merkt es ohne Mühe, daß ich von Chinesischen Geschichtschreibern rede, und denkt man nun ein wenig über den Charakter der Nomadischen Völker nach, welche sie von den Römern trennten: so wird man einsehen, daß die Chineser, ohnerachtet ihrer Lage am äußersten Ende Asiens, doch Kenntniß der Völker, die das Reich überschwemmten, haben konnten. Die
Scythen überhaupt, von Natur wild und herumschweifend, und gewöhnt in kurzer Zeit lange Streifereyen vorzunehmen, erstreckten sich von der
Wolga bis nach China. In verschiedene Nationen getheilt, hatten sie beständig Krieg unter einander, suchten sich aufzureiben, und änderten sehr oft ihre Wohnungen, bald gezwungen durch mächtigere Völker, die in ihr Land einfielen; bald genöhtigt, sich in einen an Futter für ihre Heerden reichern Kanton zurückzuziehen. Im ersten Falle, der sehr selten eintrat, entfernten sich die schwächsten mehr, und machten Traktaten mit andern Nationen, um den mächtigern widerstehen zu können. Die Chineser gehören oft in die Zahl derjenigen, mit denen sie Bündnisse eingiengen. Sie gaben ihren Bitten, ihnen zur Vertilgung der andern zu verhelfen, um desto eher Gehör, da es zu ihrem Interesse gehörte, daß in der
Tatarey kein Reich entstünde, dessen Macht der ihrigen das Gleichgewicht halten könnte. Es war daher nöhtig, wenn sie von ihrer Seite ein Tatarisches Volk angriffen, daß ein anders Tatarisches Volk von der andern Seite eine Diversion machte. Dieß
(p340)
war das Loos der meisten von diesen Völkern. Die, welche am
Kaspischen Meere blieben, vereinigten sich mit den Chinesern, um den zu schnellen Fortgang der Fürsten zu hemmen, die an China gränzten, und im Mittelpunkte der
Tatarey waren. Hiedurch geschah es, daß die Chinesischen Geschichtschreiber verschiedene Völker kannten, welche in
Kaptschak bey der
Wolga, und in andern dem Römischen Reiche benachtbarten Provinzen wohnten. Es geschieht also nicht ohne Grund, daß ich in den Chinesischen Geschichtschreibern einige Spuren der Völker, wovon die Rede ist, sehe, weil sie hinlänglich im Stande waren, sie zu kennen, Und weil sie dadurch dienen können, Licht über einige Begebenheiten der Römischen Geschichte, und besonders über den Ursprunge der Barbaren zu verbreiten, den man bisher vergeblich zu beleuchten gesucht hat.
Ich schränke mich in dieser Abhandlung nur auf diejenigen ein, welche erst unter der Regierung des
Valens und seiner Nachfolger zu erscheinen angefangen haben, und die über den
Mäotischen See von der Seite des Orients nach Europa gekommen sind. Ich übergehe diejenigen Kolonien, welche aus dem Norden hervorgekommen sind. Uiber ihre Geschichte sind uns keine andern Qwellen übrig, als die uns die Römer erhalten haben; und diese sind wohl nicht hinlänglich, uns in Ansehung ihrer Größe Aufschlüße zu geben. Es ist daher hier nur allein von den Hunnen und einigen andern Völkern die Rede, deren Geschichte ich hier zu liefern gedenke. Ich hielt es für Pflicht, aus diesem Werke alle die gar zu langen Untersuchungen zu entfernen. Sie hätten die Folge der Begebenheiten zu oft unterbrochen. Ich habe die vornehmsten und wichtigsten gewählt, um sie der Gesellschaft vorzulegen, und von den Qwellen Rechenschaft gegeben, die mir zu Wegweisern gedient haben.
(p341)
Um nach den Regeln der Ordnung zu verfahren: so will ich erstlich anzeigen, aus welchem Lande die Hunnen gekommen sind, um sich in den Provinzen des Römischen Reichs zu sitzen; dann will ich zu den verschiedenen Namen fortgehen, welche ihnen die Geschichtschreiber beigelegt haben; dieß wird mich alsdenn natürlich dahin führen, ihre alte Wohnung, und den Ort, woher sie gekommen sind, anzuzeigen.
Ammian Marcellin* welcher zu der Zeit lebte, als diese Barbaren die größten Einfälle ins Reich thaten, fängt das, was er von dieser Nation sagen will, mit diesen Worten an: Hunnorum gens, monumentis veteribus leviter nota, ultra Paludes Maeoticas, glacialem Oceanum accolens, etc. Eine Stelle, die uns lehrt, daß die Hunnen jenseits des
Mäotischen Sees wohnten, und daß sie sich vielleicht bis an den Ocean erstreckten. Jenseits des
Mäotischen Sees verlegt ihren Sitz auch
Hieronimus, wenn er sagt:** Abultima Maeotide inter glacialem Tanain, et Massagetorum immanes populos, ubi Caucasi rupibus feras gentes Alexandri claustra cohibent, erupisse Hunnorum examina, etc. Es ist hier von den Einfällen die Rede, welche diese Völker von der Seite Armeniens und der Meerenge bey
Derbend machten. Diese wird durch die Benennung
Alexandri claustra angezeigt. Die Hunnen bewohnten die Ebenen, welche am nördlichen Theile Georgiens liegen, vom
Tanais bis jenseits der
Wolga. Das mitternächtliche Ufer am
Kaspischen Meere, und die Meerenge von
Derbend war der Weg, durch den diese Völker in die Orientalischen Provinzen des Reichs kamen. Wirklich sagt
Prokopius, der in seinem Buche vom Kriege mit den
Vandalen, den
Attila zum Könige der
Scythen und
Massageten macht, an einem andern Orte,
*L.XXXI.
**Epitaph. Fabiol.
(p342)
nämlich im Buche vom Persischen Kriege, daß die Hunnen sich von den
Kaspischen Päßen (Portae caspiae) bis an den
Mäotischen See ausbreiteten.
Zosimus* verseht sie auch in diese Ebenen, aber zweifelhaft über ihren Ursprung, weiß er nicht, ob sie mit den Königlichen
Scythen einerley sind, oder mit denen, welche
Herodot an die Ufer des
Isters setzt, oder endlich mit den Scythen, die aus Asien gekommen sind.
Agathias** drückt sich in Ansehung dieser Völker viel klarer aus. Nachdem er gesagt hat, daß sie in den umliegenden Gegenden des
Mäotischen Sees wohnten, setzt er hinzu: sie seyen aus Asien, oder den umliegenden Gegenden des Berges
Imaus dahin gekommen. Doch kein Geschichtschreiber läßt sich in eine so umständliche Nachricht über den Ursprung der Hunnen ein, als
Jornandes.*** Nach dem
Priskus versetzt er sie an das Ufer des
Mäotischen Sees, wo sie allein von der Jagd lebten. Er setzt hinzu: einige Jäger, die lange Zeit eine Hirschkuh verfolgt hätten, haben derselben bis an den See nachgejagt, und über denselben gesetzet. Keiner von ihrer Nation habe je diesen Damm gebrochen. Sie selbst haben nicht gewußt, daß es jenseits Völker gebe. — Eben derselbe Geschichtschreiber läßt die Hunnen von einigen Magierinnen oder Zauberinnen abstammen, die im Norden Alrumnae genannt würden.
Philimer, der fünfte König der Nation der
Goten, die Scandinawien verlassen hatten, um sich nach
Scythien zu ziehen, habe dieselben unter seinen Unterhanen gefunden. Diese Frauenzimmer in die Wüste vertrieben, hätten daselbst mit den Geistern Umgang gehabt, und die Frucht davon wären die Hunnen gewesen. Aber man sieht ohne Schwierigkeit ein, daß diese Erzählung vom Hasse herrühret, der den
Jornandes gegen die Hunnen, die erklärtesten Fein-
*L.IV.
**L.V.
***De reb. Get.
(p343)
de seiner Nation begeisterte. Es ist dieß ein Vorwurf, den ihm verschiedene Schriftsteller gemacht haben. Doch dem sey, wie ihm wolle: so folgt hieraus nicht weniger, daß die Hunnen jenseits des
Mäotischen Sees wohnten, und daß sie in den Ebenen des Asiatischen Sarmatiens bis an die Stadt und den engen Paß
Derbend zerstreuet waren. Man fand auch Völker von diesem Namen an den östlichen Gränzen des Persischen Reichs, die
Prokopius die
weißen Hunnen, oder Euthalites nennet, und die er von den Nördlichen Hunnen dadurch unterscheidet, daß sie in Städten wohnten, daß sie unter einander und mit ihren Nachbarn sehr einig lebten, und viel polizirter warm, als die Nördlichen. Alle Geschichtschreiber* reden von diesen Hunnen als Nachbarn der Perser.
Betrachtet man das Land, wo sie sich niedergelassen hatten: so wird man sich nicht wundern, daß sie viel feiner und geselliger waren, als die Südlichen Hunnen.
Maurennahar und
Kharisme waren mit Städten angefüllt, die von Völkern bewohnt wurden, welche der Handel mit den Persern verfeinert hatte. Die Hunnen, die nach Persien kamen, bildeten sich nach den Persischen Sitten, während daß diejenigen, welche sich gegen Norden verbreiteten, nichts als Ebenen und barbarische Völker fanden; jederzeit ihre Barbaren mit ihren alten Gebräuchen behielten, und unter Zelten wohnen mußten. Ich glaube daher, man muß diese zwo Gattungen von Hunnen als eine Nation ansehen, die vom
Mäotischen See an, in den ungeheuren Ebenen von
Kaptschak bis an den
Oxus zerstreut war, und deren verschiedene Horden oder Stämme, nur so weit von einander verschieden warenn, als einige von ihnen mit mehr oder weniger polizirten Nationen in Verbindung stunden.
* Theoph. Confess. und andere.
(p344)
Alle Alten Geschichtschreiber, ich meyne diejenigen, welche nahe um die Zeit gelebt haben, in der die Hunnen ihre Einfälle vornahmen, kennen diese Völker allein unter dem Namen Hunnen. Ich rede hier nicht von denen, die ihnen manchmal, und gleichsam von ungefähr den Namen
Massageten gegeben haben. Die Orientalischen Geschichtschreiber reden von ihnen nur unter dem Namen Türken. Einige Griechische Geschichtschreiber sind ihnen hierinnen gefolgt. Ist diese ein Fehler, oder müßen die Hunnen wirklich Türken genannt werden? Dieß ist die Untersuchung, welche wir in der Folge unserer Abhandlung anstellen werden.
Die Könige von Persien aus der Dynastie der
Sassaniden, mit denen die Kaiser langwierige Kriege geführet haben, hatten zu Nachbarn gegen Osten zu, die
Euthalitischen Hunnen, oder die Nephtaliten, oder auch Cidariten, die ihre Provinzen beständig verheerten. Die Römischen Geschichtschreiber sind von diesen Gegebenheiten unterrichtet gewesen.
Prokopius,
Theophanes Confessor,
Pristus Rhetor, und
Agathias reden von diesen Kriegen. Die Gränzen beyder Reiche waren die Gelegenheit dieser Kriege.
Bahramgur, den diese Geschichtschreiber Wahram nennen, hatte die Gränzen zusammen mir den Hunnen fixirt; aber unter der Regierung des
Pexoses oder Khosru-Perwis, fiengen die Streitigkeiten wieder an, und erregten diesen Krieg, von dem
Prokopius redet. Die Folge davon war für den König der Perser unglücklich, der bei seinem Zuge vom
Eusebius begleitet ward, welchen ihm der Kaiser Zeno, als Gesandten zugeschicket hatte. Was diesen Krieg selbst anbetrifft, gehen wir vorbey, und es ist uns genug, wenn wir bemerken, daß in allen diesen Geschichtschreibern diese Feinde der Perser nur allein unter dem Namen der Euthalitischen Hunnen, oder der Cidariten bekannt sind. Oefnen wir die Orientalischen Geschichtschreiber, z.B. den
Pherdusi,
Abulfeda, und die andern: so ist
(p345)
darinnen von Hunnen gar keine Meldung; sondern die Kriege, von denen wir eben reden, sind den Hajatelitischen, oder Euthalitischen Türken zugeschrieben, weswegen man ein Recht hat, zu vermuhten, daß die Hunnen und die Türken eine und dieselbe Nation sind.
Dies was ich im Anfange nur als eine wahrscheinliche Vermuhtung angebe, wird durch das Zeugniß des
Theophylaktus Simokatta, und
Theophanes Confessor zur Gewissheit erhoben. Der erstere mit den Gegebenheiten des Orients wohl bekannt, lehret uns, daß
Hormisdas in einer grossen Schlacht, die Hunnen, welchen die Perser den Namen Türken geben, schlug, und daß er nach diesem Siege seinen General Waran nach Colchis und nach Suanien schickte.
Theophanes, da er von eben dem Kriege redet, den die Perser mit dem
Kaiser Mauritius führten, ewähnet der Hunnen gar nicht; aber in einer andern Stelle, erzählet eben dieser Schriftsteller, daß im siebenten Jahr der Regierung
Justins, die Hunnen, die man auch Türken nennet, Gesandte nach
Konstantinopel schickten, welches
Khosru den König der Perser sehr wider die Römer aufbrachte. Hier werden also die Hunnen mit dem Namen der Türken belegt. Ich will hier nicht untersuchen, von was für einem Gewichte das Zeugniß dieser Schriftsteller ist. Die Hunnen waren ihnen ihrem Ursprunge nach unbekannt, und nie reden sie von ihnen mit solchen Kenntnissen, die sich über das Mittelmäßige erheben. Aber wenn wir am Ende des Orients eine Nation finden, die zugleich den Namen der Hunnen und Türken führte, und sich bis an den
Mäotischen See erstreckte: so muß daraus nohtwendig folgen, daß diese Schriftsteller und nicht betrogen haben, und auch nicht im Irrthume stehen.
(p346)
Alle Geschichtschreiber der Chineser, die ältesten und authentischten* stimmen emmühtig überein, daß im Jahre zweyhundert nach Christi Geburt, und selbst in entfernteren Zeiten, im Norden von China eine mächtige tatarische Nation subsistirte, welche oft viele Chinesische
Provinzen überrumpelte, und einen grossen Theil der Tatarey innen hatte. Sie führte den Namen Hiom - nu. In der Folge trennte sie sich, und bildete verschiedene Nationen, davon die eine Tu - kiu genannt ward. So sprechen und verhunzn die Chineser den Namen Türken.** Sie sehen diese Völker, und die alten Hiom - nu als eben dieselbe Nation an, welche nach und nach in der Tatarey unter diesen verschiedenen Namen erschienen ist. Hiedurch glaube ich berechtiget zu seyn, zu schließen, daß die Europäischen Hunnen, die Türken genannt worden sind eben die Hiom-nu der Chineser seyn müßen, von denen die Türken abstammen. Es ist unnütz hier die Uiberemstimmung zwischen den Namen Hunni und Hiom - nu zu bemerken , die allein hinlänglich ist, uns auf den Gedanken zu führen, daß nur von einem, und demselben Volke die Rede sey. Die Chineser machen alle fremde Worte durch die Art, wie sie solche schreiben und aussprechen, größtenteils unkenntbar, und man darf sich nicht wundern, hier eine leichte Veränderung zn finden. Uibrigens wissen wir ja nicht, wie die Hunnen selbst den Namen, den sie sich beylegten, aussprachen; und es wäre nicht unmöglich, daß ihn die Römischen Geschichtschreiber von ihrer Seite verändert hätten.
Aber ich schränke mich nicht allein auf diese Arten des Beweises ein, die auf die Aehnlichkeit der Namen gegründet sind. Ich werde zwar noch durch das Zeugniß verschiedener Schriftsteller unterstützt, welche den Hunnen den Namen der Türken geben, ein Zeugniß, nach
*Kam-mo-Wen-hien-tum-kao. Lie-tai-kin-su-Re-tun-schi
**Tan-chou. Wen-hien-tun-tao.
(p347)
dem ich schließen kann, daß die Hiom-nu notwendig Hunnen sind. Demohngeachtet aber will ich versuchen, durch einige aus der Chinesischen Geschichte gezogenen Nachrichten zu zeigen, daß die Hiom-nu oder Türken bis an den westlichen Theil der
Wolga, und ins Asiatische Sarmatien gekommen sind, und daß alles, was unsere Geschichtschreiber von den Hunnen sagen, mit dem Hiom - nu der Chineser übereinstimmt.
Diese Hiom-nu welche China gegen Norden an den Flüßen Onan, Selinga, und Obi wohnten, waren Herren der Länder, welche vom orientalischen Ocean bis an den Fluß Irrtisch reichen. In der Folge kamen sie bis ans
Kaspische Meer. Sie besassen also damals alles, was wir die kleine Bukharey nennen. Zu der Zeit, da sie weniger mächtig waren, erstreckte sich die Herrschaft ihrer Kaiser, welche den Titel Tan-ju oder Tschen-nu führten, nur von den Gränzen der Tatarischen Nation der Mantscheu bis an den Irrtisch. Wir wissen nicht, welches die Gränzen dieses Reichs von nördlicher Seite waren, inzwischen scheint es wahrscheinlich, daß die Länder am
See Paikal einen Theil davon ausmachten.
Dieses grosse Reich, das uns bis jetzt unbekannt gewesen ist, und das mächtig genug war, den Chinesern zu widerstehen, ist allen den Revolutionen
ausgesetzt gewesen, den andere Reiche gemeiniglich ausgesetzet sind; und bürgerliche Unruhen haben es oft in den Unfall gestürzt, ganz unter die Herrschaft der Chineser zu fallen. Zu andern Zeiten haben sich seine Fürsten zu Herren der ganzen Tatarey gemacht. Oft ward es auch zwischen mehrern Häuptern getheilt, die sich unter einander bekriegten. Während der Unruhen dieser Art, hatte sich einer dieser Fürsten Tschi- tschi im Jahre 44 vor C.G. im westlichen Theile der Tatarey sehr mächtig gemacht. Er hatte seine Herrschaft in den Ebenen ausgebreitet, die am östlichen Theile des Flusses Irrtisch liegen, bis an die umliegende Gegend von Tobolsk, und seine Residenz
(p348)
gegen den Jaik zuaufgerichtet. Dieß ist eine der bekanntesten Epochen von der Festsitzung, oder dem Etablissement der Hiom - nu gegen die Seite von Europa, um das Jahr 44 vor Christi Geburt.
Diesen Einbruch der Hunnen muß man, wie ich glaube, der Wanderung und dem Uibergange der
Alanen in die südlichem Länder zuschreiben. Diese Völker wohnten nach dem Ptolomäus in den nördlichen Gegenden, die ich eben angezeigt habe. Sie mußten sich entweder den Hiom - nu unterwerfen, oder sich anderwärts zurückziehen; und sie scheinen den letztern Weg gewählt zu haben, weil wir sie wenige Zeit hernach in den Ebenen des Astatischen Sarmatiens am nördlichen Theile Cirkassiens sehen, wo sie sich im Jahre 73 nach Christi Geburt vornahmen, durch den engen Paß bey
Derbend nach Medien einzudringen. Sie blieben in diesen Ebenen bis auf den grossen Einbruch der Hunnen unter dem Kaiser Valens. Gezwungen, damals andere Wohnungen zu suchen, schlossen sich einige in den Bergen Circassiens ein, wo sie sich bis auf den heutigen Tag erhalten haben. Die andern zogen sich auf die westliche Seite, und irrten lange Zeit herum, ehe sie sich irgendwo festsetzen konnten. Sie ließen sich an den umliegenden Gegenden der
Donau nieder,** woher sie ums Jahr 406 nach Christi Geburt, mit den Swewen und
Vandalen hervorkamen, Deutschland verheerten, durch die Niederlande zogen, und sich an den Fuß der Pyrenäen begaben. Die
Vandalen und Swewen nahmen Gallizien und Bötika ein; die
Alanen aber Lusitanien, und die Provinz von Karthagena. Aber ein großer Theil von ihnen blieb in Gallien, und besonders in der Normandie und Bretagne. So sah man vom Ende des Norden aus Sibirien und den umliegenden Gegenden
*Joseph. de Bello Jud.
**Zos. Lib. VI. Prosp. Chronis. Le Nain de Tilemont.
(p349)
von
Tobolsk ein Volk hervorkommen, das einen ungeheuren Strich Landes durchwanderte, und sich an den Ufern des Mittelländischen Meeres setzte.
Die Herrschaft der Hiom-nu in diesem alten Wohnsitze der
Alanen, endigte sich mit dem Leben des Tschi-tschi.* Dieser Fürst wurde von Chinesischen Truppen getödtet, welche bis in die Nachbarschaft von Jaxartes kommen waren, und das Reich der Hiom - nu fuhr fort, in dem Innwendigen der Tatarey unter einem einzigen Fürsten zu subsistiren. Aber in der Folge kamen neue Trennungen hinzu, welche seinen Ruin beschleunigten, und verursachten, daß der zweyte Theil der Nation die Seite des Occidents verließ, und in das Asiatische Sarmatien übergieng. Im Jahre 48 nach Christi Geburt regierte über die Hiom - nu ein Fürst Pu - nu genannt, der einen seiner Anverwandten, mit dem er unzufrieden war, aus dem Wege räumen wollte. Da dieser ein Mittel gefunden hatte , zu entwischen: so gieng er gegen die nördliche Gränze von China, wo er sich zum Tan-ju ausruffen ließ. Er war der erste Beherrscher der südlichen Hunnen, und das Reich derselben war von nun an getheilet. Ein Fürst regierte in den nördlichen Provinzen; ein anderer in den südlichen. Der letztere, der näher an die Chineser gränzte, und ohne ihre Hilfe nicht subsistiren konnte, wandte sich besonders an den Kaiser von China, und war ein beständiger Feind desjenigen , der im Norden regierte. Seit dieser Trennung hörten die Kaiser der südlichen Hiom -nu nicht auf, die andern beständig mit Krieg zu beunruhigen, und die Chineser zu ihrer Aufreibung aufzuwiegeln. Der Kaiser Hiao - Hoti schickte den General Teu - hien wider die südlichen Hunnen. Die Chinesische Armee drang bis auf den Berg Altai ein, und der Tan-ju ward gezwungen, sich mit einem grossen Theile seiner Unterthanen auf die Berge, die am Irrtische liegen, zu retten, und ließ
*Kam-mo. Lie-tai-ti-fu. (???)
(p350)
sich in einem Lande Japo genannt, nieder, welches die Chineser gegen Nordwesten des Landes der Ursinu, und des Landes der Kam-kiu placiren. Diese Begebenheit geschah im Jahre 93 nach Christi Geburt.
Das Land der Kam-kiu oder Kam-li lag an den Ufern des Jaxartes, und machte einen Theil von
Kaptschak aus.* Das andere ward vom Flusse Ily bespült, und umfaßte die grossen Ebenen, welche in den umliegenden Gegenden sind. Hieraus folgt, daß Japo an die Qwelle des Jaik placirt werden muß. Die Hiom-nu bildeten in diesen Gegenden ein neues Reich, und bemächtigten sich aller benachbarten Länder. Die Chineser, welche in der Folge mit diesen Völkern in einiger Verbindung standen,** gaben damals diesem Lande den Namen des Königreichs Tan-ju.*** Diese Gegend ist es, wohin man das Land der Baschkiren setzt, das man auch Groß - Ungern nennt; weil verschiedene unserer Schriftsteller geglaubt haben, daß die Ungern hier zu Hause wären. Diese Tradition bis dahin ungewiß und zweifelhaft, findet sich der Wahrheit gemäß, und vom Zeugnisse der Chinesischen Geschichtschreiber unterstützet.
Abulgazi- Bahadur-Khan, Sultan von Kharisme, ein Abkömmling des Genghizkhan, der in Mogolischer Sprache eine Geschichte seiner Nation verfertiget hat, kannte den größten Theil dieser Begebenheiten; aber man wird sie ohne die Beyhilfe der Chinesischen Geschichtschreiber nicht gewahr. Dieser Geschichtschreiber, den man, so zu sagen, für einen Fabeldichter ansieht, wenn er die Geschichte der Zeiten von dem Genghizkhan erzählt, verdient, daß wir hier darthun, daß er sich von der Wahrheit nicht entfernt hat, und daß der größte Theil der Begebenheiten, deren er Meldung thut, in
*Lie-tai-ki-su. Han-chu.
**Wen-hien-tum-kao.
***Rubr...is, Plan-Carpin, Bergeron.
(p351)
seiner Geschichte, die er uns hinterlassen hat, sich in den Chinesischen Geschichtschreibern wiederfinden, die doch nicht zur Absicht gehabt haben, eine Türkische Geschichte zu schreiben, und die nur in so weit von dieser Nation reden, als sie mit dem Chinesischen Reiche in
Verbindung gewesen ist.
Abulgazi thut von den Hunnen keine Meldung, sondern redet allein von den Türken, deren Ursprung er bis auf einen Sohn Japhets zurückfallen läßt. Nachdem er einige Fürsten genannt hat, sagt er, daß das Türkische Reich in zween Theile getheilt war, die Mogolen und die Tataren oder Tartaren, deren jede ihr Oberhaupt hatte. Vielleicht will er die Trennung des Reichs der Hiom-nu anzeigen, wenigstens ist von keiner ältern Trennung die Rede, welche die Orientalischen und Occidentalischen Tatarn, oder die Mogolen angeht. Er erzählt die Namen der Fürsten dieser zwey Reiche, und lehret uns, daß das Reich der Mogole von den Tatarn zerstöret ward. Dieß kann noch einigermaßen mit demjenigen zusammen gereimt werden, was wir in den Chinesischen Geschichtschrsibern lesen, daß die südlichen Hiom - NU mit den Chinesern vereinigt, die nördlichen Hiom-nu vetrieben hätten. Aber es ist noch ein Umstand, der gänzlich dafür entscheidet, daß die Zerstörung dieser alten Mogolen von der Zerstörung der südlichen Hiom-nu nicht unterschieden, sondern daß dieß eine und dieselbe Begebenheit sey.
Der Tatarische Geschichtschreiber sagt: „ Ein Rest der Mogolen zog sich in das Gebirg Erkene-kon zurück. Von hier kamen diese Völker erst 50 Jahre hernach wieder heraus. Sie wurden damals sehr mächtig, und bekamen das Tatarische Reich wieder. " Es ist hier von der Festsetzung der Mogolischen Nation die Rede, die mit ebendenselben Umständen in den Chinesischen Geschichtschreibern erzählt wird, wenn sie von der
(p352)
Wiederherstellung der Hiom-nu unter dem Namen der Türken reden. Sie fixiren die Epoche davon ins Jahr 545 nach Christi Geburt. Steigt man nun 450 Jahr weiter hinauf: so bekömmt man das Jahr 95, oder diejenige Zeit, in welcher das Reich der nördlichen Hiom-nu gänzlich über den Haufen geworfen ward. Also ist das alte Mogolische Reich mit dem Reiche der Hiom-nu einerley, und die Hunnen führen den Namen Türken mit allem Rechte.
Diese südlichen Hiom-nu, nachdem sie von den Chinesischen Gränzen vertrieben, sich um den Jaik, und um Tobolsk herum niedergelassen hatten, breiteten sich beträchtlich gegen Westen, und besonders gegen Südwesten aus.* Die Chineser melden eine Begebenheit, die zu sonderbar ist, als daß wir sie mit Stillschweigen übergehen könnten, die uns übrigens einen neuen Beweis abgiebt, daß die Hiom-nu mit den Hunnen einerley sind, und die uns einigermassen in die Römische Geschichte zurückführt. Sie sagen uns nämlich, daß die im nord-westlichen Europa ansäßigen Hiom-nu, sich über ein Land Meister machten, das sie Jen - tsai nennen, das auf der einen Seite an den Gränzen von Ta-tsin lag, (so nennen sie das Römische Reich) und von der andern gerade an
Kaptschak gränzte.** Diese Lage zeigt uns fürs erste die Ebenen des Asiatischen Sarmatiens an. Aber wenn sie uns weiter unten sagen, daß dieses Land der Jen-tsai, Alam sey genannt worden: so führen sie uns gerade in das Land der
Alanen, die zuerst von den Hunnen nach dem einstimmigen Zeugnisse der Geschichtschreiber überwunden wurden.
Itzt möchte es fast einige Schwierigkeit setzen, sich zu überreden, daß die Hiom-nu oder Türke der Chineser, mit den Hunnen oder Türken der Römischen Geschichtschreiber nicht einerley seyen. Vielmehr
*Ram-mo. Wen-hien-tum-kao.
**Ebenderselbe
(p353)
glaube ich ihren Sitz und Aufenthalt am
Mäotischen See hinlänglich dargethan, und fast möchte ich sagen, demonstrirt zu haben. Die ältesten Geschichtschreiber, so
wie
Prokopius,
Jornandes,
Agathias, und andere, haben ihnen außer dem Namen Hunnen nie einen andern gegeben; weil sie zu ihrer Zeit noch unter keinem andern Namen bekannt waren. Aber diejenigen, welche wie
Theophylaktus Simocatta, und
Theophanes Confessor erst damals schrieben, als die Hunnen unter dem Namen der Türken erschienen waren, haben ihnen ohne Unterschied beyde Namen gegeben.
Gehen wir noch einen Augenblick der Geschichte der Hiom-nu nach:* so werden wir anch diejenigen Hunnen kennen lernen, die unter dem Namen der Euthaliten und Abtaliten, wie sie
Theophylaktus nennet, die Orientalischen Provinzen Persiens verheere haben. Während daß sich die Hiom-nu in Norden, etablirten, setzte eine andere Bande ebenderselben Hiom - nu, welche den erstern auf einem so langen Wege nicht hatte folgen können, in den umliegenden Gegenden von Kaschgar und Aksan festen Fuß. Von hier breiteten sich diese Völker bis an das Kaspische Meer, und bis nach
Kaptschak aus. Alle diese verschiedenen Banden der Hiom-nu nahmen so, wie diejenigen, welche in der Tatarey geblieben waren, den Namen Te-le an. Nach dem Zeugnisse der Chinesischen Geschichtschreiber wohnten diese Hiom-nu bey dem Bache Tulu, am See Pai-kal, am Flusse Irrtisch, im Lande Kaschgar, am Ufer der Ate oder Etel, oder
Wolga. Ein zweyter Beweis, daß sich die Hiom-nu im Asiatischen Sarmatien, und im Lande der
Alanen niedergelassen haben. Der Name Abtelites ist aus dem Worte Te-le, welches sich die Hiom - nu überhaupt beylegten, und dem Worte Ab zusammengesetzt, das im Persischen einen Fluß be-
*Ebenders. Ram-mo. Lie-tai-ki-su.
(p354)
deutet. Also bezeichnet Ab - tele die Teliten, welche an den Ufern des Oxus wohnten.
Nach dem ich den Ursprung der Hiom-nu erwiesen, und ihr Etablissement an den Gränzen Europens angezeigt habe: so halte ich es für nöhtig, ewige Untersuchungen
über die Ursachen ihres Einfalls in das Land der Baschkiren anzustellen. Sie werden uns zu Betrachtungen über den Zustand der Tataren, über die
verschiedenen Reiche, die den Hunnischen gefolgt sind, und über die grossen Revolutionen und Völkerwanderungen führen, welche die Zerstörung dieser Reiche verursachen wußten. Nach dem gänzlichen Ruine des Reichs der nördlichen Hunnen, kamen die Tatarn mit Nomen Sien-pi,* die ihren Ursprung aus der, Corea gegen Norden gelegenen Provinz, oder aus dem heutigen Lande der Mantscheu zogen, in das Reich, das die Hunnen eben verließen, und nahmen daselbst ihren Aufenthalt im Jahre 93 nach Christi Geburt. Dieß macht von der Niederlassung der Hunnen im Nordwesten von Europa, bis auf ihren grossen Einfall unter die Regierung des Valens ungefähr einen Zwischenraum von 180 Jahren aus. Man hat Ursache zu glauben, daß sie in diesen nördlichen Ländern sehr ruhig blieben, und daß sie wenigere Kriege von der Seite gegen Europa, als von der Seite gegen Asien führten. Wirklich sehen wir sie noch zu verschiedenen Zeiten bis an den Fluß Ili, in das Land der Iguren und Hunnen, und selbst bis an die Gränzen von Chensi eindringen; es sey, daß sie die Absicht gehabt haben, in die Tatarey zurückzukehren, wo sie mehrere Reichthümer finden mußten, als im Norden von Europa, oder daß sie nur einfache Streifereyen dahin unternommen haben. Sie dauerten bis gegen das Jahr 151 nach Christi Geburt. In dieser Zeit fieng die Macht der Sien-pi an, in der Tatarey furchtbar zu werden.**
*Ram-mo.
**Heu-ban-schu. Ram-mo. Lie-tai-ki-su. Wen-hien-tum-kao.
(p355)
Diese Völker bemeisterten sich eines Theils von Sibirien, und von allen den Ländern, die zwischen dem Orientalischen Ocean und dem Flusse Ili liegen. Die Hunnen wagten es nicht mehr über diesen Fluß zu sitzen. Gezwungen, diese Provinz gänzlich zu verlassen, mußten sie sich nohtwendig auf die Seite von Europa ziehen, vielleicht dahin eindringen, und dadurch die allen Bewohner zwingen, ihren Aufenthalt zu verändern. Die Herrschaft der Sien - pi erlosch im Jahre 233, nach Christi Geburt; aber es kam fast zu eben der Zeit aus den Ländern, die am nördlichen Theile des Flusses Amur und Sibiriens liegen, eine unter dem Namm To - pa, oder So - teu bekannte Nation heraus, die mit den Sien-pi einerley Ursprung hatte. Diese neuen Tatarn zogen sich gegen Mittag, setzten sich in das Land der Sien-pi, und drangen bis an den Norden von China. Sie nahmen die ganze Tatarey bis an den Fluß Ili, und selbst jenseits desselben ein, und in der Folge ließen sie sich unter dem Namen Goei zu Kaisern von China ausruffen, und befassen den ganzen südlichen Theil davon.
Ich zweifle gar nicht, daß dieser letzte Einfall der Tatarischen Völker nicht die Bewohner des Landes, das sie verwüsteten, gezwungen habe, sich auf die Seite des Occidents zu ziehen. Denn ich habe die Bemerkung gemacht, daß der größte Theil dieser Nationen lieber neue Wohnungen suchte, als in den alten unterwürfig blieb. Hier ist ein Beispiel, das Zeugnisse Chinesischer und Arabischer Schriftsteller für sich hat.* Die Khitanen ursprünglich aus dem Lande der Mant-scheu, retteten sich von den andern Tatarn Niu -sche genannt, die weiter gegen Osten lagen, überwunden, zum Theil auf die Seite von Baktriana. Da sie beständig das Kaspische Meer durchkreutzten, erreichten sie Ghila, giengen über die Meerenge
Derbend, setzten über die
*Lie-tai-ki-su. Ram - mo. Abulseda.
(p356)
Wolga, und kamen endlich durch die nördlichen Provinzen nach Kaschgar zurück, um sich daselbst zu setzen. Hier gründeten sie ein neues Reich; aber es blieben verschiedene Banden davon auf den Bergen in Daguestan, wo man sie noch heut zu Tag unter den Namen Khitanen, und Kharathitanen findet.* Die Ankunft der Tataren Topa mußte daher nohtwendig in der Tatarey grosse Bewegungen machen. Und hiedurch wurden die Hunnen noch mehr gedrängt. Von der östlichen Seite zu sehr gedrückt, entwichen sie immer mehr gegen die Seite von Europa. Und hier ist der Ursprung der ersten Wanderungen der alten südlichen Völker, die ins Römischen Reich eingedrungen, sind. Endlich wurden die Hunnen auch gezwungen, für ihren Theil herüber zu kommen. Die östlichen Länder dienten ihnen nicht mehr zur Zuflucht. Die Tatarn Gori waren daselbst seit dem Jahre 318 gar zu mächtig.** Die Könige der Perser von der Dynastie der Saffaniden waren ihnen von der andern Seite ein unübersteiglicher Damm, und es blieb ihnen kein anderer Weg übrig, als der nach den nördlichen Theilen des Römischen Reichs. Auch faßten sie wirklich den Entschluß, unter der Regierung des Valens dahin einzudringen. Sie schlugen die
Alanen und
Gothen. Dieß verursachte neue Wanderungen gegen die südlichen Gegenden, welche ich bereits bemerket habe.
Indem die Hunnen nach Europa wanderten, brachten sie die Gebräuche ihres Landes mit sich, und wir finden noch in der Erzählung unserer Geschichtschreiber eine zu grosse Uibereinstimmung der Sitten mit den alten Hiom-nu, als daß wir und einen Augenblick dabey aufhalten sollten.
Jornandes,
Zosimus,
Priskus und verschiedene andere haben uns einige umständliche Beschreibungen über die Sitten dieser Völker aufbehalten.
*Memoires du Majeur Creplin, et du Capitain Gerber.
**Ram-mo. Lie-tai-su. Hori-schu.
(p357)
Aber Niemandem hat es mehr gefallen, sie zu beschreiben, als dem
Ammianus Marcellinus. Ich übergehe alles dasjenige mit Stillschweigen, was nur auf die Wildheit und Barbarey des Hunnischen Charakters eine Beziehung hat, als etwas, daß allen südlichen Völkern gemein seyn kann. Ich hajlte mich blos bey einigen Zügen der Aehnlichkeit zwischen den Europäischen und Asiatischen Hunnen auf, welche letztem unter dem Namen Hiom-nu bekannt sind; weil sie ganz eine Asiatische Nation charakterisiren. Die nördlichen Völker Europens waren zwar gleich barbarisch; aber die Strenge des Klima zwang sie, entweder in Hölen oder hölzernen Hütten zu wohnen, die dem Schnee und Eise widerstehen konnten. Sie konnten nicht mit grossen Heerden auf dem Felde zerstreut leben; die Jagd war ihre vornehmste Beschäftigung. Die Hunnen hingegen waren zwar auch an die Jagd gewöhnt; aber sie lebten in den weiten Feldern der Tatarey unter beweglichen Zelten. Diese beweglichen Wohnungen konnten sie nach Gefallen wegen ihren zahlreichen Heerden, die ihren vornehmsten Reichthum ausmachten, in Gegenden die am Futter reich waren, hineintragen. Omnes enim sine sedibus fixis, adsque lari, vel lege aut ritu stabli dispalantur, semper fugientium similes, cum carpentis, in quibus habitant. Die Zelten der Hunnen waren so, wie die Zelten der Kalmücken und Mongolen auf Räder gesetzt, und in dieser Absicht den Wägen ähnlich. Man spannte eine grosse Zahl Ochsen dafür, die sie fortzogen. Die Frauen und Kinder blieben und wohnten darinnen, denn diese Völker hatten einen Abscheu für Häusern und festen Gebäuden. Nec enim apud eos securos existimant esse sub tectis.
Das ist nicht die einzige Uibereinstimmung, die ich zwischen Europäischen und Asiatischen Hunnen finde. Wie die Chinesischen Hunnen, fochten jene im Kriege nur mit Knütteln ganz unordentlich, und stellten sich
(p358)
immer, als wenn sie die Flucht ergrieffen, um desto besser zu überfallen. Die Behändigkeit ihrer Pferde war ihnen bey dieser Art zu streiten eine grosse Beyhilfe. Sie waren geübte Reiter, und so gewohnt zu Pferde zu seyn, daß sie Tag und Nacht darauf aushielten. In equis ipsis quivis in hac natione pernox et perdius emit et vendit, cibumque sumit, et potum, et inclinatus cervici angustae jumenti in altum soporem ad usque varietatem effunditur somniorum. So leben noch die Kalmücken und Mogolen, die von diesen alten Hunnen abstammen.* Ihre Figur ist auch dieselbe.
Jornandes sagt: daß die Hunnen zum Kopfe eine ungestalte Waffe haben, wo man mit Mühe zwey kleine Augen gewahr wird. Sie haben, sagt er eine eingedrückte Nase, und ihre gefurchten Wangen sind bartlos. Senescunt imberbes absque ulla venustate sagt Ammian, der von ihnen ein schreckliches und dem Bilde der Kalmücken vollkommen ähnliches Gemälde macht. Wie die Krimmischen Tatarn, erweichen sie ihr Fleisch auf dem Rücken ihrer Pferde. Dieß will Ammian mit folgenden Worten sagen: quam (carnem) inter femora sua et equorum terga subsertam fatu calefaciunt brevi.
Die Religion gewährt uns neue Züge der Aehnlichkeit. Wir lesen im
Jornandes, daß
Attila vor der berühmten Schlacht, die in Gallien zwischen ihm und dem Aetius vorfiel, begierig die Folgen davon zu wissen, die Gebeine der Thiere um Raht fragte. Ene Art der Wahrsagerey, die wir noch am Hofe des Genghiz-khan im Gebrauche finden.** Manghukhan, ehe er etwas unternommen, ließ sich drey Beine von einem Schaafe bringen, die er in seine Hände faßte. Nachdem er sie mit der lebhaften Vorstellung des Geschäftes, um dessetwillen er sie um Raht fragte, betrachtet hatte: ließ er
*Rubriquis. Plan Carpin.
**Rubriquis Cap. 33.
(p359)
sie an einem ausgesonderte Orte verbrennen. Man brachte ihm die Nachricht davon, und er untersuchte, ob sie ganz geblieben wären, und ob die Hitze des Feuers sie nicht in Flammen gesetzt habe. Denn, waren diese Beine in die Qwere, und in kleine Ritzen geborsten, so war dieß ein Zeichen eines üblen Fortganges. — Das Leichenbegängniß des
Attila ist präcis einerley mit dem Leichenbegängnisse der Hiom-nu und der Mogolischen Khane, ihrer Abkömmlinge.*
Jornandes belehrt uns, daß eine Bande auserlesener Ritter ihre Streifereyen unter dem Absingen von Lobeserhebungen auf den Todten ausübten. Die Chinesische Geschichte sagt eben dieß von den alten Tan-ju der Hiom-nu. Man vergrub endlich den Fürsten an einem verborgenen Orte. Dieß haben die Mongolen auch beständig gethan. Und endlich der letzte Punkt der Uibereinstimmung, der sowohl von Seiten der Chinesischen als der Römischen Schriftsteller bezeugt wird, war, daß man die Waffen und alle Instrumente, deren sich der Fürst bey Lebzeiten bedient hatte, bey ihm ins Grab legte, und die Cerimonien mit der Erwürgung einer großen Anzahl seiner Hausgenossen endigte. So wurde
Attila; so wurden die Tan-ju der Hiom - nu, und alle Khane der Tatarey begraben.
Ich glaube, diese Züge reichen zu, zu beweisen daß die Europäischen Hunnen eine aus Asien gekommene Nation sind, und daß sie, nach dem, was ich oben gesagt habe, von den alten im nördlichen China wohnenden Hiom-nu abstammen.
Ich hoffe nicht, daß der ungeheure Strich Landes den sie durchlaufen mußten, ehe sie nach Europa kamen, hier zu einem Einwurfe dienen könne. Ich habe in einer Abhandlung über die Zerstörung von Baktriana gezeigt, daß die noch weiter entfernteren Chineser Armeen bis an das Ufer des Kaspischen Meeres geschickt
*Suki.
(p360)
haben. Die Hunnen, oft Herren der ganzen Tatarey, waren nicht weniger aufgelegt, Excursionen dieser Art vorzunehmen. Oft sind die Gränzen ihrer Staaten, die Gränzen von Norden und Europa gewesen. Ja es mußten verschiedene Wanderungen aus dem Norden nach dem Oriente, und aus dem Oriente nach Norden vorfallen, davon wir gar nichts wissen.
Strahlenberg, sagt, er habe an den umliegenden Gegenden des Flusses Irrtisch, Inschriften in alten Chinesischen Charakteren, und andere in Runnischen Charakteren bey dem Flusse Amur gefunden. Ein unwiderlegbarer Beweis von den großen Bewegungen der Tatarischen Völker. Uibrigens waren es die Hunnen nicht allein, die eine so grosse Reise vornahmen, und um zu beweisen, daß die am Ende des Orients vorgefallenen Revolutionen noch verschiedene neue Wanderungen ins Römische Reich verursacht haben: will ich diese Abhandlung mit den Revolutionen der Iguren schließen. In einer zwoten will ich den Ursprung der Avaren beleuchten.
Priskus Rhetor, der uns von einer dieser Wanderungen Nachricht giebt, erzähle, daß während da
Attila damit beschäftiget war, die Kaiser des Orients zu bekriegen, Völker, Saraguri, Urogi und Onoguri genannt, Gesandte an den
Kaiser Leo l. schickten. Diese Völker von den Sabiren vertrieben, waren gezwungen worden, ihr Land zu verlassen. Sie hatten sich den Gränzen des Reichs genähert, und nachdem sie die Acathiritischen Hunnen überwunden hatten, versuchten sie durch diese Gesandschaft die Römer sich zu Freunden zu machen. Die Sabiren selbst wurden von den Abaren vertrieben , und diese von Völkern, die alt den Ufern des Oceans wohnten.
Dem sey, wie ihm wolle, die Saraguri und die zwey andern Völker ließen sich im Asiatischen Sarmatien, nieder. Von hier nahmen sie durch die Meerenge
bey
Derbend nach Armenien und Persien Zü-
(p361)
ge vor. Zum Andenken eines grossen Sieges, den die Colchier über sie erlitten haben, hat man nach dem
Agathias* einer Festung in diesen Gegenden den Namen Onagori gegeben. Diese Onagori sind nach eben dem Schriftsteller Hunnen, und zwar eben die, welche
Jornandes Hunuguri nennet, die den Römern Felle von Zobelmardern gaben. In den Fragmenten, die uns vom Menander übrig sind, ist auch von diesen Hunugori die Rede, so liest man in einigen Uibersetzungen, obgleich der Text Uiguri hat. Dieser Name ist dem Namen der Uigur zu ähnlich, als daß wir sie nicht für ebendasselbe Volk ansehen sollten. Aber um den Beweis zu vollenden , daß sie es wirklich sind, dürfen wir nur die Chinesischen Annalen um Raht fragen. Diese benachrichtigen uns von einer beträchtlichen im Lande der Uiguren vorgefallenen Revolution. Sie ist es, welche einen Theil der Einwohner zwang, sich anderswohin zurückzuziehen. Und es ist genug, daß sie zu der Zeit vorgefallen ist, da diese Uiguren nach Europa kamen, um uns in der Sache Bestimmtheit und Licht zu geben.
Noch vor der Geburt Christi redet die Chinesische Geschichte von den Iguren unter dem Namen der Tsche-su und den Kao-tschan.** Ihr Land war in zwey Theile getheilt, von denen jeder von einem besondern Könige regieret ward. Die Chineser nannten das mittägliche Reich, das zur Hauptstadt Turphan hatte, das Königreich der ersten Ttsche-su, oder der jenseitigen Iguren. Das nördliche, das jenseits der Berge lag, wurde das Königreich der diesseitigen Iguren genannt. Obgleich diese Völker ihre Könige hatten: so hörten sie doch nicht auf, den Hunnen und Chinesen: unterwürfig zu seyn. In der Folge wurden diese zwey Reiche zerstört, und kamen unter die Herrschaft eines einzigen Fürsten. Es fielen grosse Bewegungen in diesem Lande gegen das Jahr 440 und nach der Zeit bis aufs Jahr
*Ram-mo.?-tat-ki-su. Wen-hien-tum-kao.
(p362)
460 vor, da es die barbarischen Geu-gen eroberten , und die regierende Familie vom Throne stießen.* Sie gaben dieß Königreich dem Gan - pe - tscheu, der den Königl. Titel annahm. Dieß hinderte nicht, daß sich nicht ein Theil dieser Völker zerstreute. Sehr viele zogen sich nach Haraschar zurück. Die Geschichte sagt uns nichts mehr; aber wenn wir zu eben der Zeit ein Septisches Volk, das eben denselben Namen hat, bis ins Asiatische Sarmatien kommen sehen: so können wir uns nicht enthalten, zu glauben, daß dieß einige Banden dieser Iguren gewesen sind.
Der Verfasser der Genealogischen Geschichte der
Tataren,** welcher in wenig Worten einen Auszug von der Geschichte der Iguren gegeben hat, stimmt hierinnen mit den Chinesischen Geschichtschreibern überein. Er theilt die Iguren in zwo Gattungen; die eine nennt er Un - igur d. i. die Iguren der zehen Flüße, die andern Tokos - Ulgur, d. h. die Iguren der neun Flüße, weil ihr Land durch eine grosse Kette von Bergen von Westen nach Osten zerschnitten, und gegen Norden und Mittag von einer gleichen Zahl von Flüßen bespület wird. Jedes dieser zwey Königreiche der Iguren hatte seinen König. Ich will im Vorbeygehen bemerken, daß die Europäischen Iguren, welchen verschiedene Schriftsteller den Namen Hunu - gari gegeben haben, die
Nordischen Iguren oder die Un-uiguren seyn müßen. Die Tokos-Uiguren sind wahrscheinlich die Kutriguren, deren auch in unsern Geschichtschreibern Meldung geschieht; man müßte sonst Lust haben diesen Namen lieber von den Kut-Uiguren, d.i. von den Uiguren abzuleiten, die
am Berge Kut wohnen. So nennt man eine Kette von Bergen, die von der wetslichen Seite das Land der Jauren umschließt.
*Ibidem.
**Abnlgazi.
(p363)
Der Tatarische Geschichtschreiber, den ich angeführet habe, lehrt uns, daß die Iguren in der Folge von einem einzigen Fürsten beherrscht wurden, und daß diese Völker nach dem Ruine seiner Familie in verschiedene Banden sich zerstreueten, die an vem Ufer des Flusses Irrtisch wohnten, wo sie sich zum zweytenmale trennten. Ein Theil zog sich nach Bischbalig zurück, eine Stadt, neben welcher Haraschar liegt. Die andern blieben in den umliegenden Gegenden des Irrtisch,* wo sie von der Fischerey und der Zobeljagd lebten. Dieß stimmt mit der Erzählung des
Jornandes überein, welcher sagt, daß die Hunu-gari den Römern Felle von Zobelmardern gaben. Vom Irrtisch an war es ihnen nicht schwer über die
Wolga zu setzen, und nach Sarmatien einzudringen. Unter den Horden, die die Nation der Nogais ausmachen, am westlichen Theile der Wolga neben der Festung Stauropol, sind davon noch einige übrig, die den Namen Iguren führen, wie sich auch einige finden, die Naimans genannt werden. Alles Völker, die vor Alters am Ende der Tatarey wohnten.
Die Hunu- gari sind Völker, die aus Turkestan kommen, und allem Anscheine nach, müßen wir auch die Saraguri und Uragi ihre Alliirten in diese Reihe setzen. Die Sabiren und Abaren, welche diese drey Völker vertrieben, erfuhren in der Folge das nämliche Schicksal. Die Abaren kamen nach Europa, und verheerten Gallien. Aber ich behalte mir diese Untersuchung für eine andere Abhandlung bevor. Die
Sabiren mußten ein Tatarisches, mehr gegen Osten gelegenes Volk seyn, als die Iguren; und die Abaren noch mehr von Osten her, als die Sabiren. Ich habe in den Geschichtschreibern nichts gefunden, das mir den wahren Namen der letztern, und folglich die Horde hätte anzeigen können, aus der sie herstammten.
Cedre-
*Major Crepkin.
(p364)
nus lehrt uns, daß diese Sabirischen Hunnen im 25sten Jahre der Regierung des
Anastasius Dicorus durch den engen Paß bey
Derbend durchgiengen, und Armenien, Kappadocien, Gallatien, und dm Pontus verwüsteten.
Theophanes Confessor, der von eben dieser Begebenheit redet, nennt sie Huns-sam; aber es scheint dieses ein Fehler seines Textes zu seyn. Benn an einem andern Orte, wo er von der Hilfe redet, welche Boarex, die Königinn der Hunnen, Justinian dem Ersten gegen Kobad, dm König der Perser leistete, nennt er diese Hunnen Sabiren. Diese Völker, nachdem sie die Tatarey verlassen hatten, ließen sich an der nördlichen Seite von
Derbend zwischen dem
Mäotischen See und der
Wolga nieder. Sie mußten sich in der Zwischenzeit, die vom Jahre 460 bis aufs Jahr 516 verflossen ist, oder im 25sten Jahre des Anastasius dahin gezogen haben* Es waren in dieser Zwischenzeit große Unruhen in der Tataren. Gegen das Jahr 486 erzählen dle Chinesischen Geschichtschreiber, schlug der Khan der Geu-gen, welche die Europäischen Abaren sind, die Hunnische Bande Te-le, die in seinen Staaten lebte, und verfolgte sie sehr weit gegen die Seite des Occidents. Dieß ist alles, was ich in der Geschichte fand, und folgende Muhtmassung setze ich hinzu. Die Hunnen Te-le waren, wie ich gesagt habe, in eine grosse Zahl von Horden getheilt, umer denen sich auch die Sabiren befinden konnten, die vermuhtlich von den Geu-gen oder Abaren, welche das alte Land der Hunnen an den Ufern des Silinpa und Irrtisch einnahmen, zu sehr verfolgt, sich an die westliche Seite der
Wolga zogen.
Man könnte inzwischen diese Wanderungen noch mit den beträchtlichen Bewegungen vergleichen, welche zu eben der Zeit noch weit nördlichere Völker unternahmen. Eine gräßliche Menge von Hunnischen Horden, die den
*Ram-mo. Lie-tai-ki-su.
(p365)
Chinesern unter dem Namen Schui-Schui bekannt sind, hatten sich zu einer andern Zeit des Landes bemächtiget, welches die Tapa oder Gori verlassen hatten, um nach China zu kommen. Folglich wohnten die Schui-Schui in einem sehr kalten Lande am nördlichen Theile des Flusses Amur, und gegen den See Paikal: von da thaten sie mit einer Armee von 300000 Menschen, von den Kaisern des südlichen China eingeladen, Züge bis in das Land der Gori. Einige Zeit hernach wurden sie von andern Völkern, Tim-liu genannt überwunden, welche gegen den Irrtisch zu wohnten. Alsdann zogen sich die Schui-Schui auf die Seite von China; aber im Jahre 507 kamen sie in ihr Land zurück, und erbauten daselbst zuerst eine Stadt mit Mauern. Diese großen Kriege wurden, wie man sieht, stets von Wanderungen begleitet. Die Schui-Schui von Occidentalischen Völkern überwunden, gingen nach China. Die Tim - lin wieder von den Schui-Schui geschlagen, mußten sich an den Irrtlsch ziehen, und vielleicht noch weiter gehen.
Diese umständlichen Nachrichten, dielten dazu, uns zu beweisen, daß alle Völker der Tatarey vom
Mäotischen See an, bis nach China, unter einander in Verbindung standen. Die, welche vom Mittelpunkte der Tatarey am weitesten entfernt waren, fürchteten die Macht der Geu - gen, und suchten eifrig den Schutz der Chineser. Auf der andern Seile schickten nicht nur die Iguren und die Völker von
Kaptschak; sondern auch die Völker der Baschkiren am nördlichen Theile von Georgien weil sie sich für den Hunnen fürchteten, zu ihren Nachbarn den Römern Gesandte mit Geschenken, und Tribut. Also haben die Hunnen selbst, da sie in diese Provinzen kamen, niemals die Tartarey aus den Augen verloren. Sie haben nicht aufgehört, an den Angelegenheiten dieses Landes Antheil zu nehmen, indem sie sich mit den Chinesern wider die Mächte, die
(p366)
sich daselbst erhoben, und besonders wider die Geu- gen verbanden. Diese wurden neidisch darüber, und setzten im Jahre 434 die Chinesischen Gesandten fest, welche der Kaiser in diese enfernte Länder schickte. Was mich aber am meisten in meiner Meldung bestätiget, ist dieß, weil ich finde,* daß einige Zeit hernach die Hunnen aus dem Lande der Baschkiren dem Kaiser von China eine Verbindung anbieten, und sich anheischig machen, von ihrer Seite die Geu - gen anzugreiffen, während, daß die Chineser am andern Ende Asiens eben dieß thaten. Dieß trug sich im Jahre 448, das ist, zur Zeit zu, da
Attila sehr mächtig war. Es ist sehr wahrscheinlich, daß dieser Fürst Herr aller Länder im Norden, eifersüchtig über die Macht der Geu - gen, die öftermals bis in das Land der Baschkiren, folglich in die umliegenden Gegenden der
Wolga, und in die Lander seiner Herrschaft eindrangen, den Willen gehabt habe, die Chineser anzuhalten, sie von ihrer Seite anzugreiffen. Ich glaube auch, daß die gegen das Jahr 434 nach China geschickten Gesandten, die Gesandten dieses Prinzen waren, weil sie aus dem Lande Jen-tsai, oder aus dem Asiatischen Sarmatien kamen, davon die Hunnen Meister waren.
Diese kleine Zahl von Begebenheiten ist hinreichend, uns eine Idee vom politischen Staate der Tatarey, und von den Verbindungen zu geben, die ihre Bewohner unter einander hatten. Man darf sich nicht mehr wundern, daß diese Völker vom Ende des Orients kamen, sich an den Gränzenorten von Europa niederzulassen; und ich glaube hinlänglich bewiesen zu haben, daß die Hunnen in die Zahl dieser Völker gehören. Uibrigens habe ich mich in dieser Abhandlung blos auf die Originalschriftsteller eingeschränkt; die nachherigen Schriftsteller welche, wie
Otrokocsius,* unternommen haben, den
*Ibid.
**Origines Hungar.
(p367)
Ursprung der Hunnen zu zeigen, sind zu sehr mit Conjekturen und Etymologien angefüllt, deren Widerlegung mich zu weit geführet hätte.