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ZUM GESAMTINHALT

Ungrisches Magazin, Band 1, Heft 1, Text 1 (S. 1-14)
Hrsg. von Karl Gottlieb Windisch
Pre\xDFburg, L\xF6we, 1781
Autor: Zacharias Huszty
Zuordnung: Medizin

Versuch \xFCber den Menschen in Ungern 1

Versuch \xFCber den Menschen in Ungern 2

Versuch \xFCber den Menschen in Ungern 3

(P1)

1. Versuch \xFCber den Menschen in Ungern, nach seiner physischen Beschaffenheit.


Vielleicht macht sich mancher meiner Leser, der nicht so wie ich denkt, oder die Menschheit nur in ihrer Oberfl\xE4che \xFCbersieht, auf paradoxe Meynungen Rechnung. Gewi\xDF wird er sich in seiner Erwartung hintergehen, wenn er einen wesentlichen Unterschied des physischen Ungers von dem Bewohner anderer Himmelsstriche erwartet. Aber, eben da\xDF der Mensch in Ungern vor andern keines wesentlichen physischen Unterschieds f\xE4hig sey, scheint dem allgemeinen Vorurtheile nach, wieder paradox: also paradox pro und contra, je nachdem es einem oder dem andern daran gelegen ist, Vorurtheile in ihrer Maske, oder aus Trieb einer interessirten Gef\xE4lligkeit, auch entlarvt als wahr anzunehmen. Ich d\xE4chte, es sollte uns wohl nie einfallen, paradox zu seyn, da die Grundursachen so vieler allgemeinen Erscheinungen, unsern Kenntnissen noch ein Abgrund sind. — Noch sehen wir in der nat\xFCrlichen und organischen Beschaffenheit des Menschen \xFCberhaupt, so viele L\xFCcken offen, deren erg\xE4nzenden Stof die Zukunft, und vielleicht die sp\xE4teste, sich vorbeh\xE4lt. —

Wir zielen auf Entdeckungen, aber oft unbek\xFCmmert um die Entfernung und Hindernisse, wissen wir kaum die Richtung derselben.

(P2)

Paradox, oder nicht paradox: Der Mensch in Ungern ist nach seiner physischen Beschaffenheit doch allezeit Mensch, wie jeder andere Bewohner auch noch so entfernter Himmelsstriche. — Der Lappe und der Neger wird und bleibt durch ebendieselbe allgemeine Methode gesund, wie der Unger.

Der meiste Theil von Menschen hat von der nat\xFCrlichen Beschaffenheit unsers Vaterlandes, der Gesundheit seiner Einwohner, und ihren F\xE4higkeiten, ganz andere Begriffe, als die sich mit der Wirklichkeit vertragen k\xF6nnten. Diesen falschen Begriffen zu steuern, ist wohl der M\xFChe wehrt. — So dachte ich, ehe es mir noch einfiel, einen Versuch dar\xFCber zu machen. — Ich war lange unentschlossen: die Uiberzeugung aber, da\xDF ich Andern Stof geben werde, der Sache n\xE4her nachzudenken, half mir aus der Verlegenheit; und ich fa\xDFte den Entschlu\xDF, meine Gedanken bekannt zu machen.

Die sch\xF6pferische Bestimmung gab sie nicht allen Menschen einerley Grundlage? und hat eben diese Bestimmung nicht \xFCber alle Menschen einen allgemeinen physischen Plan entworfen, von welchen uns nur gewisse Nebenumst\xE4nde, die mehr scheinbar als wesentlich sind, abziehen? „Das verschleimte und phlegmatische Temperament der nordischen V\xF6lker, ist, wie man sagt, eine besondere Folge von der nat\xFCrlichen Beschaffenheit ihres Erdstriches und ihrer Nahrungsmittel; gleichwohl sind sie zum Hochmuhte, zum Neide, zur Ehrsucht, zum Geize, zum Aberglauben so gut aufgelegt, wie die blutreichen und galls\xFCchtigen V\xF6lker in den s\xFCdlichen L\xE4ndern.“ So denkt ein bekannter Philosoph.— Die Anwendung, die er hier auf den moralischen Charakter macht, pa\xDFt auf den physischen eben auch; und sollte das jemanden ja fremd scheinen, so frage ich ihn: ob er jemals moralische Charaktere ohne verhergegangener, oder noch gegenw\xE4rtig in ihm wirkender physischer Empfindlichkeit entstehen, oder ihre Wirklichkeit erlangen, beobachtete?

(P3)

Freylich ist der Unger kein T\xFCrke, kein Pohl, kein Deutscher, noch weniger ein Lappe, oder Chineser. — Ist aber, da\xDF er es nicht ist, seine Grundlage, seine Organisation Schuld daran? Gewi\xDF nicht! Kein Jahr vergeht, das nicht Beyspiele entgegen stellt. So sehen wir, da\xDF der Unger in Pohlen zum Pohlen wird, in Frankreich zum Franzosen, u. s. w. und diese werden in Ungern oft das, was sie als urspr\xFCngliche Ungern geworden w\xE4ren.

Luft, Speisen, Getr\xE4nke, Gewohnheiten, Erziehung, selbst ungef\xE4hre Zuf\xE4lle — gl\xFCckliche oder ungl\xFCckliche — Kriege, oder Friede, aber vorz\xFCglich die Staatsverfasung, find die entfernten Ursachen der nat\xFCrlichen Beschaffenheit, welche Menschen von Menschen unterscheiden, folglich auch die, welche in Ungern wohnen. Der Unger ist sich ja selbst in seinem Vaterlande nicht \xFCberall gleich, je nachdem er verschiedenen Eindr\xFCcken ausgesetzt ist, und nachdem diese Eindr\xFCcke mit jedem K\xF6rper in einem besondern Verh\xE4ltnisse stehen. — Ich hoffe, mich durch diesen Satz zu rechtfertigen, wenn man mir zur Last legen wollte, da\xDF ich die Grade der physischen Vollkommenheit l\xE4ugne; — auch jeder Mensch vor sich ist ein Jahr, einen Tag vollkommener, als den andern.

Die Abwechslungen aller dieser Einfl\xFC\xDFe, ihre Vermischungen, und die daher entstehenden gemeinschaftlichen Wirkungen, das besondere Verh\xE4ltni\xDF des K\xF6rpers \xFCberdie\xDF, auf den sie wirken, — alles das zusammen, macht eine Reihe von mehr oder weniger abstrakten, mehr oder weniger verworrenen, und selten deutlichen Begriffen aus. Wer wird es unternehmen hier\xFCber Systeme zu bauen? Er m\xFC\xDFte nur den Abstand der Gr\xE4nzen unserer Kenntnisse von so einer unbegr\xE4nzten Reihe von m\xF6glichen Begriffen nicht wissen! — Ich g\xF6nne es gerne jedem, der sich voll des Zutrauens zu feinen Kr\xE4ften dazu r\xFCstet! — Schon f\xE4ngt er an, und heute noch sehe ich seine Tr\xE4ume, auf den Tr\xFCmmern seines Lehrgeb\xE4udes ruhen! —

(P4)

Er staunt, wagt es nicht mehr, ist mit Fragmenten zufrieden, — und damit w\xFCnsche ich, da\xDF es meine Leser auch seyn m\xF6chten! —

Allen den Einflu\xDF, dessen gedacht ward, — die Luft vielleicht ausgenommen,* — mu\xDF man nie ohne Einschr\xE4nkung annehmen. Die Benennung Unger macht ihn noch nicht zu dem, von dem hier die Rede ist. Der Unger an den Gr\xE4nzen z. B. nimmt durch fremde Einfl\xFC\xDFe an \xE4hnlichen Wirkungen Theil, nachdem er diesen Einfl\xFC\xDFen sich mehr oder weniger n\xE4hert.

Sehen wir in die verflossenen Jahrhunderte zur\xFCck, und betrachten den Unger, vergleichen ihn mit dem, der er itzt ist; wem wird nicht sogleich ein erheblicher Unterschied auffallen? Doch hat er immer die n\xE4mliche Organisation; und w\xFCrden Luft, Speise, Trank, Gewohnheiten eines der vorigen Jahrhunderte, — w\xFCrde eine der weisesten entgegengesetzte Staatsverfassung angenommen; so w\xFCrde auch nichts hinderlich seyn, da\xDF der Unger das wieder w\xFCrde, was er dazumal war! — Wie sorgf\xE4ltig wird heut zu Tage nicht die Luft in vielen Gegenden unsers Vaterlandes, wo solche vormals faul und unrein war, durch das Austrocknen der Mor\xE4ste verbessert und gereiniget! Um wie vieles vorsichtiger baut man itzt einer pestilenzischen Luft nicht vor! Durch unverbesserlich eingerichtete Kontumatzanstalten wird das so verderbliche und entv\xF6lkernde Gift der Pest gleich an den Gr\xE4nzen ersticket. — Eine verbesserte Erziehung, jede g\xFCtige und weise Vorsorge der Monarchen zur Befriedigung der Bed\xFCrfnisse f\xFCr das Landvolk; eine Medizinalkonstitution, wie solche nach Grunds\xE4tzen seyn soll; und dann alle die Mittel, womit man den Verstand zu bessern sucht, auch wirklich bessert, verdienen allerdings des Einflusses wegen auf das physische Wohl des Ungers angemerkt zu werden. — Hier\xFCber weitl\xE4ufiger zu seyn, w\xFCrde mich von

*Auch die wirkt schon verschieden, so bald andere, und verschiedene Einfl\xFC\xDFe mitwirken.

(P5)

meinem Zwecke entfernen; und Naturforscherkr\xE4fte sind ja selten denen der Staatsklugen gewachsen. Und sind nicht Staatsklugheit und Naturgeschichte, jede vor sich mehr, als die Besch\xE4ftigung eines ganzen Menschenalters?

Ich hoffe nicht, da ich so viel Gutes von dem Menschen in Ungern sage — sagen mu\xDF, — da\xDF man mich eines \xFCbertriebenen Patriotismus beschuldigen wird. Es ist so, was ich von Verbesserung sagte; aber darum noch nicht ausgemacht, da\xDF auch \xFCbrigens alles gut sey. Das Meiste, was besser seyn k\xF6nnte, kann man gr\xF6\xDFtentheils auf Rechnung der Schleichgewohnheiten annehmen; und welcher Staat, welche Vorsicht hat solchen jemals genug steuern k\xF6nnen? H\xE4tten sich Thee, Koffe, ausl\xE4ndische Weine, das ganze Gewirzmagazin in seinem Uibermaasse, u. d. m. nicht eingeschlichen, wie manche unangenehmen Auftritte vieler Ausl\xE4nder k\xF6nnten uns noch fremd seyn! — Vapeurs, Hypochondrie, H\xE4morrhoiden, ja ein grosser Theil der Krankheitsliste, wor\xFCber ich mich in der Folge n\xE4her erkl\xE4ren werde, ist nun auch in Ungern zu Hause.

Aber einmal zur Sache! — Ich habe mich oben \xFCberhaupt schon erkl\xE4ret, wo ich mit gegenw\xE4rtigem Versuche hinaus will; und nun will ich es ganz bestimmen. Da die physischen Einfl\xFC\xDFe den Unger zu dem machen, der er ist: so versteht sichs von selbst, da\xDF es begreiflich zu machen sey, wie es dabey zugehe. Und daher werde ich
1. Uiber die Luft,
2. Uiber die Nahrungsbed\xFCrfnisse,
3. Uiber die Gewohnheiten: wozu haupts\xE4chlich die Erziehung, Schlafen und Wachen, k\xF6rperliche Bewegungen, und dann die Gewohnheiten, die man in Absicht auf die Erhaltung seines K\xF6rpers angenommen hat, geh\xF6ren, einen Versuch anstellen.

Da ich alle die Einfl\xFC\xDFe nach ihren Erscheinungen werde durchgegangen haben, bin ich Willens, die n\xF6htige Anwendung auf den Menschen in Ungern zu machen;

(P6)

auf das Erwachsen seines K\xF6rpers, auf die Erhaltung desselben, da er schon erwachsen ist, auf seine k\xF6rperlichen und Geisteskr\xE4fte; und auf das Alter, das der Unger zu erreichen f\xE4hig ist, auch gemeiniglich erreicht. Eine vaterl\xE4ndische Krankheitsgeschichte wird diese Abhandlung beschlie\xDFen.

I. Uiber die Luft in Ungern.

Einer der wichtigsten Gegenst\xE4nde, der in Absicht auf unser physisches Wohl alle Aufmerksamkeit verdienet, ist gewi\xDF die Luft; und diese mu\xDF daher nach dem Beyspiele aller Naturforscher zuerst untersuchet werden. Aber so wenig sich \xFCberhaupt etwas von einer allgemeinen Beschaffenheit derselben bestimmen l\xE4\xDFt, eben so wenig kann man sich was Aehnliches von der in Ungern versprechen.

Der Begriff von der Luft dehnt sich sowohl auf die Bewegung derselben (Wind) als auch auf ihre Ruhe* (Atmosph\xE4re) aus. Jede Gespanschaft in Ungern hat fast ihre eigene Atmosph\xE4re, deren Beschaffenheit von den Ausd\xFCnstungen des Erdstriches, \xFCber den sie schwebt, abh\xE4ngt; die Winde aber m\xFC\xDFen immer nach ihrer Richtung, nachdem solche von einer feuchten oder trockenen, kalten oder warmen Gegend herwehen, und nachdem solche mit mehr oder weniger Heftigkeit wehen, betrachtet werden. Wer davon einen deutlichen Begriff hat, der wei\xDF auch sogleich, wie wenig sich allgemeine Regeln \xFCber die Luft angeben lassen. Die Nordwinde in Danzig zum Beyspiele, sind den dortigen Einwohnern der feuchten D\xFCnste wegen, die solche \xFCber die See wehend mit sich nehmen, h\xF6chst ungesund, da sie doch dem Unger in seinem Vaterlande f\xFCr seine Gesundheit nicht erw\xFCnschter seyn k\xF6nnten. Wir wissen, wie viel Entfernung und

*Man kann nicht sagen, da\xDF die Luft jemals ganz \xFCber einen Erdstrich ruhe — aber in so weit, in wie weit solche nicht f\xE4hig ist, die in ihr schwebenden Heterogenen zu zerstreuen.

(P7)

Gebirge zur Reinigung der Luft und zur Zerstreuung ihrer Feuchtigkeit beytrage. Eben dieser Nutzen f\xE4llt auch auf Ungern, ungeachtet die Gespanschaften in Vergleich dessen, unter sich oftmals merklich abgehen.

Nicht nur woher die Winde wehen, sondern zu welcher Jahreszeit solche wehen, ist haupts\xE4chlich zu beobachten. Winde, die zu der Jahreszeit von und durch das Gebirge kommen, wenn der Schnee zerschmilzt, sind voll mit Salzen und feuchten Theilen, die von dort mitgerafft werden k\xF6nnen; da hingegen nach ihrer Richtung eben dieselben Winde, beym kalten Winter, oder nach Verlauf einer bestimmten, der Menge des Schnees und den Kr\xE4ften der schmelzenden Hitze immer angemessenen Zeit, trocken, rein, und folglich in Absicht auf unsre Gesundheit von entgegengesetzter Wirkung sind.

Uiberhaupt ist der Unger den meisten m\xF6glichen Abwechslungen der Luft ausgesetzt. Uiber die\xDF hat auch jeder Einzelne seine ihm eigene besondere nat\xFCrliche Beschaffenheit, oder er ist Eindr\xFCcken unterworfen, die denen der Luft entgegen wirken, so, da\xDF eben dieselbe Luft, bey zweyen oder mehrern Individuen ganz verschiedene Wirkungen hervorzubringen im Stande ist. Ob nun auch eben diese Luft, so manchem Ausl\xE4nder mit Grunde verha\xDFt seyn k\xF6nne, ist noch die Frage! Wer die Menge der Gebohrnen, mit denen, die in Ungern sterben, vergleicht,* der bedarf meiner Antwort nicht, da mich die f\xFCr unser Vaterland so schmeichelhafte Erfahrung davon v\xF6llig losspricht.

Die Meisten, die uns ihre Beobachtungen \xFCber die Luft in Ungern mitgetheilet haben, fanden eine besondere Eintheilung, die sie die physische nennen, dazu beqwem. Beqwem ist sie, ob sie aber der Beqwemlichkeit wegen auch bestimmt sey, kommt darauf an, ob sie oder ich Recht haben werden. Das physische Ungern theilt sich

*In den folgenden St\xFCcken werden Ausz\xFCge davon einger\xFCcket werden.

(P8)

nach ihnen in drey Theile, in Oberungern n\xE4mlich, in das mittlere, und Niederungern.

Wie richtig, sollen einige Beyspiele beweisen. — Die mittlere Solnocker und Graner Gespanschaft geh\xF6rten in Betrachtung des physischen Erdstriches grade zu Oberungern; die Gr\xE4nzen aber, die man seinem Oberungern gab, schlie\xDFen solche ganz aus; dennoch strotzen sie von Bergen, und sind den Gespanschaften, die man sonst in Oberungern sucht, nach ihrer physischen Beschaffenheit nicht weniger analog, als diese unter sich selbst sind. Nach der physischen Bestimmung des Erdstriches der Bih\xE1rer und Saboltscher Gespanschaft, suchte ich solche gewi\xDF in Niederungern, — nach der Linie vom Plattensee bis zum Maroschflusse gegen Mittag zu, wie sie sagen, — und in der Karte finde ich sie in demjenigen Theile, der als der mittlere angegeben wird. Die Ugotscher Gespanschaft, deren Einfl\xFC\xDFe auf den Menschen mit den meisten Gespanschaften in Niederungern \xFCbereinstimmen, finde ich voll mit Mor\xE4sten in Oberungern.

Nun Leser! urtheile, und nachdem du auch meinen Eintheilungsversuch gepr\xFCfet hast, so w\xE4hle! — Ich habe mich schlechterdings an die die\xDF- und jenseitige Eintheilung nach der Donau und Thei\xDFe gehalten, und jeder Gespanschaft nach ihrem physischen Erdstrichscharakter, ihren Platz angewiesen.

Diejenigen Gespanschaften, deren Abwechslungen durch Ebene, H\xFCgel und Gebirge in die Augen fallen, sind: Die\xDFeits der Donau: Die Pre\xDFburger, Neitrer, Soler, Thurotzer, Barscher, Komorner, Gro\xDF - und Klein - Honter, Neograder, und Pesther. Jenseits der Donau: Die Oedenburger, Eisenburger, Salader, Wesprimer, Raaber, Tholner, Baranyer, und Pilischer. Die\xDFeits der Thei\xDFe: Die Sempliner, Ungher, G\xF6m\xF6rer, Borschoder, und Hewescher. Jenseits der Thei\xDFe: Die Sarander, Beregher, und der K\xF6w\xE1rer Distrikt.

(P9)

Alle diese Gespanschaften machen einen betr\xE4chtlichen Theil von Ungern aus. Durch sie lasse ich reisende Naturforscher wandern, — nie wird es ihrem Beobachtungsgeiste am Stofe fehlen, sich mit der nat\xFCrlichen G\xFCte des Erdstrichs, mit der Zufriedenheit der Bewohner \xFCber ihre be\xDFte Leibesbeschaffenheit zu s\xE4ttigen. Ebenen, H\xFCgel, Gebirge, W\xE4lder, ganz mit den reinsten Wasserqwellen durchschlungen; und das in einem der gem\xE4\xDFigten Himmelsstriche vom ersten Range, — auch der Gedanke nur giebt unsern Lebenskr\xE4ften neue Bewegung, und erst die Wirklichkeit zu f\xFChlen! — Und giebt es denn noch viel Bewohner Europens, die auf diese Rechnung stolz seyn k\xF6nnen? Wie viele tausend andere seufzen unter ihrer Atmosph\xE4re \xFCber den Nachtheil, der dadurch auf ihren K\xF6rper f\xE4llt, da der Unger davon nichts f\xFChlet! — Ich w\xFCrde mich zu sehr ins Allgemeine verlieren, wenn ich mich hier\xFCber weitl\xE4uftiger erkl\xE4ren wollte. Ich begn\xFCge mich nur mit dem, was Huxham, Boerhaave, und vor ihnen Hippokrates von den Eigenschaften der gesunden Luft gesagt hat. „Die Luft soll nicht nur von sch\xE4dlichen Ausfl\xFC\xDFen frey, sondern nebst diesen auch schwer und elastisch genug seyn die Lunge geh\xF6rig auszudehnen, aber das auch nicht in der Heftigkeit, die zwischen Lunge und Luft das Gleichgewicht aufhebt.“* Ob so eine Luft, und zwar in der Fortdauer, nach welcher solche der Gesundheit am zutr\xE4glichsten ist, auf den Erdboden auch wirklich vorhanden sey, wissen nur die, die schon so lange darum bek\xFCmmert, sie dennoch nirgends ausgesp\xFCrt haben. Doch ist es die in diesen Gespanschaften in dem Grade wenigstens, der den W\xFCnschen unserer vaterl\xE4ndischen Aerzte, denen an der Herstellung und Erhaltung ihrer Mitmenschen gelegen ist, nur selten nicht entspricht.

Unter die bergichten Gespanschaften von Ungern rechne ich

*Huxhami opera physico-medica. Tom. I. pag. 5?

(P10)

Die\xDFeits der Donau: Die Trentschiner, Orawer und Liptauer. Jenseits der Donau: Die Graner. Die\xDFeits der Thei\xDFe: Die Zipser, Scharoscher, und Torner. Jenseits der Thei\xDFe: Die Kra\xDFner, mittlere Solnocker, Marmaroscher, und Kraschower.

Die\xDF ist derjenige Theil von Ungern, der von Gebirgen, und Ungeheuern Abst\xFCrzen strotzet, und nur selten eben ist. An \xE4hnlichen Erdstrichen fehlt es auch dem \xFCbrigen Europa nicht, und \xFCberall ist die Luft nach Maa\xDFgabe der Polush\xF6he, der Jahreszeiten, Tag- und Nachtsl\xE4nge, rauh, kalt, meistens trocken, nur dann feucht, wenn durch anhaltende W\xE4rme der Schnee im Sommer schmilzt, B\xE4che und Fl\xFC\xDFe anschwellen, folglich Uiberschwemmungen verursachet werden. „Da die \xE4u\xDFersten Gipfel des karpathischen Gebirges mit ewigem Schnee bedeckt sind, so ist dadurch nicht nur die Beschaffenheit der Luft \xFCberhaupt k\xFChler, sondern es werden auch durch die Nordwinde, die dort fast best\xE4ndig wehen, alle feuchten und sch\xE4dlichen D\xFCnste, die ja h\xE4tten k\xF6nnen gesammelt werden, zerstreuet; da\xDF daher sowohl Menschen, als allen Thieren jeder Abbruch von Lebhaftigkeit wieder ersetzet wird.- - Daher kommt es, da\xDF man unter den Zipsern meistens starke Leute, die mehr durch die Lunge und Oberfl\xE4che ihres K\xF6rpers, als durch den Magen gen\xE4hret scheinen,* antrift. Viele werden durch gar keine, oder doch nicht erhebliche Krankheiten ungest\xF6rt, achtzig, neunzig, auch hundert Jahre alt.“** Ich denke mich mit Bels Worten deutlich genug ausgedr\xFCckt zu haben; sollte es aber Heterodoxen geben, die daran zweifeln, denen rahte ich, in jeder dieser Gespanschaften den Augenschein selbst einzunehmen.

*Ich wei\xDF nicht, ob Bel das parvo viventes anders habe verstehen k\xF6nnen?

**Bel Hungariae antiq. et novae prodromus. pag. 74.

(P11)

Es giebt in Ungern auch Gespanschaften, deren Horizonte durchaus flach sind. Diese sind meistens unter den von der ersten, zwoten und letzten Klasse zerstreuet. Ihr Boden ist gr\xF6\xDFtentheils sandig, und freyer von Mor\xE4sten als die letzte Klasse. Die Qwellen des Einflusses auf den Menschen sind da meistens in der bergichten, flachen, oder sumpfichten Nachbarschaft zu suchen, und werden von der hin und her wehenden Luft bestimmet. Die Atmosph\xE4re aber, da\xDF solche da sehr trocken und mit Sand benebelt sey, da\xDF dieses auch nur der Regen oder Schnee mildern kann, darf ich wohl Niemanden sagen, der nur ein bischen Physik wei\xDF. Hieher geh\xF6ren

Die\xDFeits der Donau: Die Scholter. Jenseits der Donau: Die Wieselburger. Die\xDFeits der Thei\xDFe: Die \xE4u\xDFere Solnocker. Jenseits der Thei\xDFe aber zeichnet sich f\xFCr diese Klasse fast keine Gespanschaft aus.

Und nun einen Blick in das Grab aller Ausl\xE4nder! So hei\xDFt es, wenn man sich der mor\xE4stigen Gegenden unsers Vaterlandes erinnert, — aber einen Blick, den verj\xE4hrte Vorurtheile nicht mehr blenden!

Die\xDFeits der Donau: In die Batscher, und Bodroger Gespanschaft. Jenseits der Donau: In die Stuhlwei\xDFenburger, und Sch\xFCmeger. Die\xDFeits der Thei\xDFe: In die Tschongrader. Jenseits der Thei\xDFe: In die Arader, Torontaler, Temescher, ihren gebirgichten Theil ausgenommen, die B\xE9kescher, Bih\xE1rer, Saboltscher, Tschanader, Ugotscher, und Sathm\xE1rer.

Man frage den, der in diesen Gegenden zu Hause ist, nach seinem Befinden: ganz wohl, wird er antworten, wenn er deutsch spricht. Ich bin diese Luft schon so gewohnt, da\xDF es mir fast \xFCbler anschl\xE4gt, wenn ich mich einer andern aussetze! — Auf so eine Antwort kann man sicher von dem gr\xF6\xDFten Theile der Bewohner

(P12)

dieser Gegenden Rechnung machen; und fragt man einen m\xE4\xDFigen Fremdling, der sich da niedergelassen hat, so wird ers best\xE4tigen. — Das ist nun freylich wahr, da\xDF hier eben die be\xDFte Luft nicht sey, aber um zu glauben, da\xDF solche gerade die Zerst\xF6rerinn der thierischen Oekonomie bey denen, die sie einahtmen, ist, m\xFC\xDFte man blo\xDF dem Ger\xFCchte trauen, und sehr wenig dabey denken. Was die Ausfl\xFC\xDFe der Mor\xE4ste der Gesundheit von einer Seite schaden, das ersetzen von der andern so viele heilsame und auch wohlfeile Produkte wieder: aber zu w\xFCnschen ist es, da\xDF man bessern Gebrauch davon machte; die be\xDFten Gattungen von Obst, die vortreflichsten Melonen, und k\xF6stlichen Wein, giebt es da im Uiberflusse, deren m\xE4\xDFiger Genu\xDF hinreichend genug ist, allen verderblichen und so erb\xE4rmlich abgeschilderten Wirkungen der feuchten und faulen Luft vorzubeugen. Es geschieht aber selten, und nicht einmal das Wasser, welches getrunken wird, verbessert man; und E\xDFig kostet ja so gar viel nicht. — Wem ist also der Gesundheit und des Lebens Verlust zuzuschreiben? der nat\xFCrlich \xFCbeln Beschaffenheit des Klima, oder dem Eigensinne des Volks, das dem Befehlen seiner Vorurtheile Gesundheit und Leben aufopfert? Und w\xFCrde nicht die g\xFCtigste Vorsorge einer weisen Regierung durch so viele Jahre her so viele Mor\xE4ste theils des \xF6konomischen, theils des physischen Einflusses wegen haben austrocknen lassen, so w\xFCrden wir gewi\xDF noch zahlreichere Schlachtopfer der Vorurtheile sehen.

Herr Doktor Fucker* hat sehr gut angemerket, da\xDF das Volk, welches sich in diesen Provinzen niederl\xE4\xDFt, von Noht und Hunger durchdrungen, ihre Krankheiten meist mit sich bringe, und da\xDF viele, ehe sie noch den Schritt \xFCber die Gr\xE4nzen machen, sterben. — Und auf einer andern Seite bemerkt er, wie sehr man es ohne Grund annehme, da\xDF, ehe noch Kolonien nach diesen Theil unsers Vaterlandes wanderten, oft der gr\xF6\xDFte Theil

*De salubritate et morbis Hungariae.

(P13)

der Armeen \xFCber den verderblichen Einflu\xDF der Luft ihr Leben sollten eingeb\xFC\xDFt haben. — Da\xDF der Mensch nicht von der Luft allein leben k\xF6nne, h\xF6rt man alle Tage: aber, da\xDF er nur von ihr allein krank werde, und sterbe, glauben so viele, auch solche, die sich aufgekl\xE4rter als der gemeine Haufe d\xFCnken. Selbst viele Aerzte haben sich so wider die Luft verschworen, da\xDF leider! oft die Gesundheit die Kosten tragen mu\xDF. Durch ein Ungef\xE4hr zweymal des Tages vom Bauchgrimmen, Gallenfieber, oder gar Petechen zu h\xF6ren, ist schon genug, eine Luftepidemie daraus zu machen; da wird die Luft so lange hin und her gezerrt, bis die wenigen Kranken sterben, und da h\xF6rt die ganze Epidemie auf. So hat man oft zu wenig R\xFCcksicht auf hundert andere Ursachen, die unsre Gesundheit best\xFCrmen. — Man vergleiche hier\xFCber das epidemische Beyspiel der zwoten preu\xDFischen Armee in Sachsen, in den Jahren 1778 und 1779* und ziehe das Resultat wider alle Luftschnapper heraus.

Ich habe oben erinnert, da\xDF die in dem Dunstkreise schwebende Luft — von der ich nichts Mehr sagen will — und der Wind, dem ich mich nun n\xE4here, unterschieden werden m\xFC\xDFen. „Nichts, als angenehme Tr\xE4ume sind es bey den Aerzten, die in ihren Schriften dem Ostwinde eigene Wirkungen, und wieder eigene dem Nordwinde beylegen. Sie sagen: der Nordwind sey trocken und kalt, der Sudwind hingegen warm und feucht. — — Wer sich aber \xFCber die Wirkungen der Winde erkl\xE4ren will, der mu\xDF wissen, da\xDF der Wind von dort, wo er herk\xF6mmt , alles mit sich bringt. Wer die Wirkungen der Winde, denen Leyden ausgesetzt ist, erfahren will, der nehme in einer richtigen Landkarte in Leyden den Mittelpunkt an, dann mu\xDF er durch die Magnetnadel die an Leyden angr\xE4nzenden Gegenden, und die Richtung der

*Das k\xF6niglich-preu\xDFische Feldlatzaret nach seiner medizinal- und \xF6konomischen Verfassung, der zwoten Armee im Kriege von 1778 und 1779. Leipzig 1780.

(P14)

Winde vom ganzen Umfange bestimmen.“* Wer also die Wirkungen der Winde, denen Pre\xDFburg, Pesth, Temeschw\xE1r, Debrezin, u. a. m. ausgesetzt sind, erfahren will, der mache es eben so, und er wird nie fehlen. — Ein ausf\xFChrliches Muster hievon haben wir vom Hrn. D. Just Johann Torkosch, von Pre\xDFburgs Lage, W\xE4ssern, und Luft zu danken.** Mit einem Worte: man mu\xDF immer die Gegend, \xFCber welche man die Wirkungen der Winde bestimmen will, geographisch genug kennen, und dar\xFCber lie\xDFe sich von Ungern allein ein Foliant schreiben.

Einen merklichen Einflu\xDF auf die Luft haben die Seen und die Fl\xFC\xDFe in Ungern, mit welchen letztern dieses Reich fast durchstr\xF6met wird. Und daher k\xF6mmt es auch, da\xDF oft die reinsten Gegenden von sch\xE4dlichen Einfl\xFC\xDFen, je nachdem Uiberschwemmungen entstehen, oder nicht entstehen, nicht frey sind.

Da\xDF sich noch Vieles von der Luft in Ungern sagen lie\xDFe, das wei\xDF ich; aber ich wei\xDF auch, da\xDF es eben so wenig auf Ungern allein und besonders passen w\xFCrde, als alles, was ich gesagt habe; und mehr wollte ich nicht sagen.

H.

Wird fortgesetzt.

*Boerhaav. praelect. in proprias institutiones medicas ab Hallero edit. Tom.VI. \xA7. 753.

**Merkw\xFCrdig ist es, da man insgemein alle erhabenen Lagen der Gesundheit angemessener h\xE4lt, als die flachen, da\xDF dieses sich bey dem Schlosse in Pre\xDFburg nicht anwenden l\xE4\xDFt; weil es gr\xF6\xDFtentheils mit der Stadt umgeben, und folglich allen m\xF6glichen Ausd\xFCnstungen stets ausgesetzt ist, wenn solche nicht durch Winde zerstreuet werden.
Topic revision: r77 - 29 Nov 2011, KatalinBlasko
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