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ZUM GESAMTINHALT

Ungrisches Magazin, Band 1, Heft 1, Text 2 (S. 15-21)
Hrsg. von Karl Gottlieb Windisch
Pre\xDFburg, L\xF6we, 1781
Autor: Daniel Cornides
Zuordnung: Kulturgeschichte

Vom ungrischen Ursprunge der Kutschen 1

Vom ungrischen Ursprunge der Kutschen 2

Vom ungrischen Ursprunge der Kutschen 3

Vom ungrischen Ursprunge der Kutschen 4

(P15)

2. Beweis, da\xDF die Kutschen eine ungrische Erfindung,

und da\xDF selbst die in allen europ\xE4ischen Sprachen beynahe \xE4hnliche Benennung dieses Fahrzeugs in Ungarn zuerst entstanden sey.

Das wegen seiner besondern Beqwemlichkeit in allen europ\xE4ischen L\xE4ndern allgemein eingef\xFChrte Fahrzeug, welches im Deutschen eine Kutsche hei\xDFt, f\xFChrt, wie bekannt, in den \xFCbrigen europ\xE4ischen Sprachen einen beynahe gleichlautenden Namen. Schon dieser Umstand l\xE4\xDFt uns mit vieler Wahrscheinlichkeit vermuhten, da\xDF beydes, sowohl das Fahrzeug selbst, als auch dessen Benennung Kutsche, anf\xE4nglich nur bey einer einzelnen V\xF6lkerschaft zu allererst aufgekommen, und gebr\xE4uchlich gewesen seyn m\xFC\xDFe, von der die \xFCbrigen Nationen mit der Sache zugleich auch deren Benennung d\xFCrften entlehnet haben. Unz\xE4hlige Beyspiele dieser Art best\xE4tigen die Richtigkeit meiner Vermuhtung. So ist, zum Beyspiele, das franz\xF6sische Wort Menuet in allen andern Sprachen beybehalten worden, weil der Menuet-Tanz in Frankreich zuerst erfunden, und von Frankreich in andere L\xE4nder nach und nach ausgebreitet worden. Ein solches durchg\xE4ngig in alle europ\xE4ische Sprachen aufgenommenes Wort ist nun, wie gesagt, das Wort: Kutsche. Diejenigen also, die den Ursprung dieses Wortes anzugeben bem\xFCht gewesen, h\xE4tten, meines Erachtens, zuvor untersuchen sollen, bey welchem Volke die ersten Kutschen verfertiget worden. So lange diese Frage unentschieden bleibt, so lange beruhen alle etymologischen Herleitungen des Wortes Kutsche, nur auf sehr seichten Muhtmassungen, wie dieses der ber\xFChmte schwedische Professor, Herr Johannes Ihre in seinem zu Upsal 1760 herausgekommenen vortreflichen Glossario Suigothico, Tom. I. col. 1178. bereits angemerket hat. Hier sind seine eigenen Worte:

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„Kusk, auriga. Proprie ipsum carpentum videtur denotare. Gall. cocher. Hisp. id. Ital. cocchio. Angl. coach. Hung. cotczy. Belg. Goetse. Germ. Kutsche: qui vero eiusmodi vehicula dirigit, Anglis coachman dicitur, quod brevius aliae linguae reddidere, ut Galli cocher. nos Kusk dicentes. Cujus vero originis sit, dictu difficile est, quum ignoremus, cujus populi inventum sint camerata haec vehicula. Latinum facit MENAGIUS, & quidem longo circuitu a vehiculum formatum, JUNIUS paulo minus operose Graecum, ab όχέω, veho, WACHTERUS germanicum a Kutten, tegere, LYE Belgicum a Koetsen, cubare, ut proprie lecticam significet. Praetereo alias aliorum conjecturas.“ Ich getraue es mir durch unverwerfliche Zeugnisse darzuthun, da\xDF ofterw\xE4hnte Gattung von W\xE4gen, aus Ungern herstamme, da\xDF sie von ihrem eigentlichen Geburtsorte, wenn ich mich so ausdr\xFCcken darf, den Namen Kutsche erhalten, und auf andere V\xF6lker fortgepflanzet habe. Ich will meine Gew\xE4hrsm\xE4nner auftreten lassen. Der erste ist Johannes Listhius, Bischof zu Wesprim, und ungrischer Hofkanzler, einer der geschicktesten M\xE4nner seiner Zeit. Dieser hatte \xFCberall am Rande seines von dem ber\xFChmten Johanne Sambuco 1568 d. 10. Juny geschenkt bekommenen Exemplars der Bonfinischen Dekaden verschiedene kurze, aber sehr brauchbare Anmerkungen eigenh\xE4ndig beygeschrieben, welche der um die Vaterlandesgeschichte so ungemein verdiente P. Pray, der des erw\xE4hnten Exemplars habhaft geworden, mir g\xFCtigst mitzutheilen die Gewogenheit hatte. Unter diesen Anmerkungen des Listhius \xFCber einige Stellen beym Bonfin, schien mir diejenige besonders merkw\xFCrdig, die ich hier beybringen will. Bonfin, Decad. 4. Lib. I. erz\xE4hlet vom K\xF6nige Mathias Korwinus, da\xDF er \xF6fters zu seiner Belustigung K\xE4mpfe zu Pferde und zu Wagen an-

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gestellet habe; und bedienet sich unter andern des Ausdrucks: Aurigatione assidua usus est Et c. Dieser Ausdruck Bonfius gab dem Listhius Anla\xDF, folgende Randglosse beyzuf\xFCgen: „Bizony Kochis nem v\xF3lt. Romanum enim ille mos jam olim tum desierat, nisi forte dicere velit, curru KOCHY (wird gelesen: Kotsi) vectum, cujus REX PRIMUS INVENTOR FUIT.“ Der zweyte Zeuge, den ich zur Best\xE4tigung meines Satzes anf\xFChren kann, ist Stephanus Broderithus, welcher in der Beschreibung der im Jahre 1526 erlittenen Niederlage bey Moh\xE1tsch folgendes vom Paul Tomory, Erzbischofe zu Kolotscha, berichtet: "Vbi exploratum habuit Turcae in Hungariam adventum, non contentus id per litteras et nuncios saepe antea Regi significasse, conscensis raptim LEUIBUS CURIBUS, QUOS NOS A LOCO, KOTCZE appelamus, vigesima Martii, ad Regem, tunc Vissegradi agentem, repente advolat, Et c. Der dritte, den ichaus B\xFCrgen f\xFCr mich zu stellen nicht ermangeln darf, ist Siegmund Freyherr zu Herberstein, Kaiserlicher Gesandter am Hofe des K\xF6nigs von Ungern, Ludwigs des Zweyten. In seinem so beliebten Commentario de rebus Moscoviticis, Basil. 1571.fol. S. 145. wo er gelegenheitlich einiger Poststationen in Ungern erw\xE4hnet, befindet sich unter andern eine Stelle, die unsre Aufmerksamkeit verdienet.Hier ist sie: „Quarta (respiratio equorum et permutatio) sex infra Jaurinum milliaribus, in pago COTZJ, A QUO ET VECTORES CURRUS NOMEN ACCEPERUNT; COTZJQUE ADHUC PROMISCUE APPELLANTUR.“ Ferner scheinet auch Friedr. Hortleder, ein Geschichtschreiber des 16ten Jahrhunderts den ungrischen Ursprung der Kutschen zu erkennen, und andeuten zu wollen, wenn er in seinem aus archivalischen Nachrichten geschriebenen Werke vom deutschen Krieg, S. 612. sich also ausdrucket:„Der Kaiser Karl V. legte sich,

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weil ers Podagra hatte, in einen ungrischen Gutschwagen schlafen."Alle diese bisher angef\xFChrten Zeugnisse setzen, wie mich d\xE4ucht, die Richtigkeit meines behaupteten Satzes au\xDFer allen Zweifel; ich will also meinen Beweis nicht weiter treiben, sondern nur noch etwas Weniges von dem unm\xE4\xDFigen Gebrauche, den unsere Landsleute von dieser einheimischen Erfindung anf\xE4nglich machten, hinzusetzen. Da die Kutschen in der H\xE4lfte des 16ten Jahrhunderts, selbst in Ungern noch etwas Neues waren, so ist kein Wunder, da\xDF nunmehr fast ein jeder Unger in Kutschen fahren wollte, auch solcher sich so gar bey Feldz\xFCgen bediente; und da\xDF man, was den letzten Umstand betrift, diesem Misbrauche durch ein Landtagsgesetz Einhalt zu thun gem\xFC\xDFiget wurde. Wir finden n\xE4mlich in dem Dekrete vom Jahre 1523. artic. 20. ein Gesetz aufgezeichnet, folgenden Inhalts: Et quod Nobiles unius sessionis per singula capita pariter insurgere et advenire teneantur, et non in KOTSI, prout PLERIQUE SOLENT, sed exercituantium more, vel equites, vel pedites, ut pugnare possint,venire sint obligati.Uibrigens verdienet, bey Gelegenheit des eben itzt angef\xFChrten Gesetzes, auch noch dieser Umstand, als eine neue Bekr\xE4ftigung des ungrischen Ursprungs der Kutschen, angemerket zu werden, da\xDF man gemeldtes, den alten R\xF6mern und Griechen unbekannt gewesenes Fahrzeug bey uns anf\xE4nglich mit keinem andern Namen im Lateinischen anzudeuten wu\xDFte, als da\xDF man es entweder, wie im Ungrischen, nur Kotsi schlechtweg, oder zuweilen auch currum Kotsi nennte. Ich berufe mich deshalben, au\xDFer dem itzt erst beygebrachten Landtagsdekrete, auch auf verschiedene andere einheimische Urkunden der damaligen Zeiten. So geh\xF6ren hieher, zum Beyspiele, einige Stellen aus dem handschriftlichen Verzeichni\xDFe der K\xF6niglichen Geldausgaben f\xFCr das Jahr 1526, wovon uns der nie genug gepriesene P. Pray, Annal. Reg.Hung. P.V. p. 101. einige sch\xF6ne Frag-

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mente mitgetheilet hat, und wo es in der Note q) hei\xDFet: pro solutione KOTSY dati sunt in cupreis flor. 50; und in der Note r): pro expensis et solutione KOTSY ad Viennam, et ex quo Viennae tandem equum emere debebit, dati sunt in cupreis florenti 75; und wiederum in der Note t): pro solutione trium CURRUUM KOTSY Et c. Doch genug hievon. Nur noch eine kleine Anmerkung \xFCber das ungrische Wort Kotsi - Da aus allen oben ber\xFChrten sehr klaren Zeugnissen zur Gen\xFCge erhellet, da\xDF die Ehre der Erfindung der Kutschen unserm Ungerlande zuzusprechen sey, und da\xDF so gar das Wort Kutsche selbst von einem in Ungern befindlichen Orte gleiches Namens herr\xFChre: so kann man es dem sonst sehr patriotisch gesinnten Herrn Jos Benk\xF6 ein wenig verdenken, wenn er in seiner Transilvania P.I. p. 384. behauptet, das ungrische Wort Kotsi stamme von dem deutschen Worte Kutsche ab; da sich doch, wie wir bereits gesehen, die Sache gerade umgekehrt verh\xE4lt. Ein gelehrter Deutscher selbst, ein Zeitgenosse des K\xF6nigs Mathias Korwins, und seines unmittelbaren Nachfolgers, der bekannte Johannes Cuspinianus, eigentlich Spie\xDFhammer, des Kaisers Maximilians I. Leibarzt und Raht, der, wie er selbst von sich berichtet, innerhalb f\xFCnf Jahren vier und zwanzigmal nach Ungern als Gesandter geschicket worden, gestehet es ausdr\xFCcklich in seinem Diario de congressu Maximiliani I. Caes. cum Vladislao, Ludovico, et Sigismundo, Hungariae, Bohemiae, ac Poloniae Regibus, beym Herrn Matth. Bel, in Adparatu ad Historiam Hungariae, Dec. I. Monum. VI. p. 292, da\xDF Kottschi ein einheimisches ungrisches Wort sey. Denn wenn er uns des Kaisers Maximilians I. und der drey gemeldten K\xF6nige feyerlichen Einzug in Wien, wovon er selbst ein theilnehmender Augenzeug war, beschreibet, so meldet er als etwas Charakteristisches von der ungrischen Pracht: Vehebantur multi (Hungarorum) in curribus illis velocibus, qui-

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bus NOMEN EST PATRIA LINGVA KOTTSCHI. Eine einzige Schwierigkeit mu\xDF ich noch aus dem Wege r\xE4umen. Sie betrift den Ort, wo die Kutschen eigentlich zu Hause sind, und welchen Broderith Kotcze, der Freyherr zu Herberstein aber Cotzi nennet. Wo liegt dieser Ort? wird man fragen; in welcher Gespanschaft ist er zu suchen? Broderith, wird man einwenden, erkl\xE4ret sich nicht hier\xFCber, und niemand weis heut zu Tage etwas von einem Dorfe, welches, nach dem Vorgeben des Freyherrn zu Herberstein, sechs Meilen um Raab herum l\xE4ge, und Cotzi hie\xDFe. Allein, so scheinbar auch dieser Einwurf immer seyn mag, so leicht l\xE4\xDFt er sich beantworten. Denn, nach der Lage von Cotzi, die Herberstein bestimmt, zu urtheilen, kann Cotzi gewi\xDF nichts anders, als der Marktflecken Kitsee in der Wieselburger Gespanschaft seyn. Auch darf uns die geringe Verschiedenheit der beyden Namen Kotzi und Kitsee gar nicht irre machen. Denn es ist h\xF6chst wahrscheinlich, da\xDF man vor Zeiten nicht Kitse, wie heut zu Tage, sondern Kotsee wird geschrieben und gesprochen haben. Wenigstens nennet noch im 1515. Jahre Cuspinian in seinem Diario beym Herrn Bel, S. 288. diesen Ort ausdr\xFCcklich Kottsee. Seine Worte lauten also: Qui (Maximiliani I. Caef. oratores, in quibus et ipse Cuspinianus erat) XIV. die Julii invenerunt Regem Hungariae Vladislaum, cum liberis sius, in quodam castro KOTTSEE, cui adjacet villa, prope Danubium. Den von Cuspinian gebrauchten Namen Kottsee begleitet Herr Matth. Bel mit folgender Note g): Vetus et genuina apud Germanos K\xD6PTSINII, Mosoniensium oppidi, adpellatio, a coenoso situ, quem Danubii olim diluvia, talem faciebant, deducta: jam KITSEE vocant. Vide Operis nostri Tom. V. in Historia Comitatus Mosoniensis, Parte spec. Memb. I. Sect. I. num. IV.“ Auch Gerhardvs de Roo, Erzherzoglicher Bibliothekar zu

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Innsbruck, ein Schriftsteller des 16ten Jahrhunderts, gedenket dieses Marktfleckens unter dem Namen Coche, welches nach der franz\xF6sischen, und der damaligen ungrischen Art zu lesen, wie Kotschee ausgesprochen werden mu\xDF. Ich will die hieher geh\xF6rigen Worte dieses Geschichtschreibers gleichfalls niederschreiben: Statuit deinde (Comes Cilleiensis) secundo experiri fortunam, et in oppido COCHE, quod in Hungariae finibus situm est, cum suis profectus Et c. Da\xDF aber gemeldter Flecken auch zu Mathias Korwins Zeiten m\xFC\xDFe Kotsche gehei\xDFen haben, ergiebt sich aus dem gleichzeitigen Bonfin, welcher Dec. III. L. VII. diesen Ort ebenfalls Coche ausspricht: Qui, sagt er, in Ungariae finibus, ad COCHE oppidum, cum gubernatore conveniant Et c. — Und hiemit schlie\xDFe ich meinen Beweis.

M. Dan. Cornides.
Topic revision: r54 - 08 Apr 2012, ValerieSeidler
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