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ZUM GESAMTINHALT
Ungrisches Magazin, Band 2, Heft 4, Text 32 (S. 475-497)
Hrsg. von
Karl Gottlieb Windisch
Preßburg,
Löwe, 1782
Autor:
Samuel Augustin ab Hortis
Zuordnung: Geographie
Beschreibung des Flusses Poprad 1
Beschreibung des Flusses Poprad 2
Beschreibung des Flusses Poprad 3
Beschreibung des Flusses Poprad 4
(P475)
32. Topographische Beschreibung des Flusses Poprad, oder Poper in der Zips.
Fortgesetzt von der 367. Seite dieses Bandes.
Dritte Abtheilung.
Die Einwohner dieser Landschaft müßen entweder nach ihrem Stande und Lebensart, oder nach ihrer Nation betrachtet werden. Nach ihrem Stande sind es entweder Leute vom Adel, Bürger, oder Bauern; der Nation nach aber entweder
Sachsen und Deutsche, oder Slowaken und
Rußnaken.
Was den Adel betrift, so wird jedermann, der auch nur einige Erfahrung von den Sitten und der Lebensart des ehemaligen und des heutigen Adels besitzet, und beydes gegen einander hält, gar leicht einsehen, daß der heutige Adel, von jenem, der fast bis in die Hälf-
(P476)
te des gegenwärtigen Jahrhunderts lebte, sehr weit unterschieden sey. Das männliche Geschlecht desselben hat sich zwar von langen Zeiten her, nicht allein im ganzen Lande, sondern besonders in hiesiger Gegend, auf die Kenntniß der Landesrechte und Sprachen geleget, und einige von ihnen haben auch fremde Länder und Universitäten, wegen Erlernung nützlicher Wissenschaften besucht, wie solches verschiedene Beyspiele, aus den Graf
Tökölischen, Baron
Palotschaischen,
Horváth Stansithischen, und andern adelichen Häusern hinlänglich beweisen. Daher findet man auch, daß der hiesige Adel bereits vor uralten Zeiten, wichtige Würden und Aemter im Lande sowohl, als in den Gespanschaften bekleiden konnte,
Andreas de Lomnitza & Berzevicze war schon im Jahre 1347. und
Joannes Horváth de Lomnitza im Jahre 1511.
Probst des Zipserkapitels.
Mathaeus de Palocz war ungrischer
Palatin, und sein Bruder
Georgius de Palocz im Jahre 1408. anfänglich
Zipserprobst, hernach 1419.
Bischof in Siebenbürgen, endlich aber
Erzbischof von Gran, und Primas des Königreichs Ungern;
Petrus de Berzevicze bekleidete zu der nämlichen Zeit die Würde eines
Grafen von Zips, (Comes Scepusiensis) und eines Königlichen Schatzmeisters. (Tavern. Regalium Magister) Aus der
Horváth Stansithischen,
Mariaschischen und
Görgeyschen Familie haben verschiedene zu mehrerenmalen die
Vicegespanswürde in dem
Zipser Komitate bekleidet.*
Das Frauenzimmer ward zwar in guten Sitten, und in der Haushaltung mit grossem Ernste erzogen; allein die Wissenschaften sah man für das schöne Geschlecht, als etwas Uiberflüßiges an, und daher wurden sie auch nur von sehr wenigen geachtet. Als ein Grund von einer solchen Trägheit in diesem Fache, kann
*Wagneri Analecta Scepusii Sacri & Profani. Pag. 34. 43. 160. 214. &c.
(P477)
die damalige Vernachläßigung der deutschen Sprache mit angesehen werden. Diese Sprache, in welcher sich das Frauenzimmer, durch das Lesen guter und nützlicher Bücher, nicht nur eine angenehme Unterhaltung, sondern auch eine grosse Aufklärung des Verstandes hätte erwerben können, ward dazumal von den meisten Ungern verachtet, ja sie war bey ihnen so sehr verhaßt, daß sie es für eine Schande hielten, diese Sprache zu verstehen, oder sie ihre Kinder lernen zu lassen, wenn sie auch die beßte und beqwemste Gelegenheit dazu gehabt hätten. Daher geschah es öfter, daß wenn einige vom Adel auch mitten unter deutschen Bauern auf dem Lande wohnten, dennoch diese Sprache nicht erlernen wollten; und damit solche auch ihren Kindern durch den Umgang nicht ankleben möchte, so duldeten sie keine deutschen Dienstbohten an ihren Höfen, sondern nahmen viel lieber Ungern, oder Slowaken zu ihrer Bedienung. — Heut zu Tage aber siehet es ganz anders aus: an allen adelichen Höfen wird neben den übrigen Landessprachen, meistentheils Deutsch gesprochen, deutsche Bücher gelesen, und nicht bloß das männliche, sondern auch das weibliche Geschlecht, wird in der Musik und allerhand schönen Wissenschaften unterrichtet, und gleich von Kindheit an recht gut erzogen, und gebildet.
Eben so sehr unterschieden sich auch die Wohnungen der Alten, von den Wohnungen des heutigen Adels. Jene bauten ihre Kastelle und Schlößer sehr stark und dauerhaft, inwendig aber traf man wenig gute Wohnzimmer und Gelegenheiten an. Sie wohnten gern beysammen; und mit einer grossen Stube haben sich ganze Familien beholfen. — Heute aber wird alles auf das Zierlichste und Beqwemste, nach den beßten Regeln der Baukunst eingerichtet. Auch ihre Kutschen, Zugpferde, und ihre ganze Bedienung zeugt von dem beßten Geschmacke. — Nur in der Kleidung scheinen die Alten gesetzter, standhafter, und zugleich wirtschaftlicher gewesen
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zu seyn, wenn man sie besonders in Beziehung auf das schöne Geschlecht erwäget. Ihr Pracht bestund ehedem in gediegenem Golde und Silber, in Perlen, Edelsteinen, feinen Tüchern, reichen Gold, und Silberborten, kostbaren seidenen, oder mit Gold und Silber gewürkten schweren Zeugen. Diese Kleidung war allerdings kostbar, allein das Frauenzimmer hatte bey dieser ernsthaften Tracht ein gesetztes Ansehen, es zeichnete sich damit von allen Ausländerinnen aus, und brachte dergleichen Kleider und Schmuck auf ihre Kinder, und Kindeskinder. Itzt aber verfällt das Frauenzimmer auf allerhand ausländische Moden, und nimmt fast jedes Qwatember einen veränderten Kopf, und eine andere Gestalt an, so, daß wenn man ein Frauenzimmer ein ganzes Jahr nicht gesehen hat, man nicht mehr im Stande ist, es auf den ersten Anblick zu erkennen.
Die Einkünfte des hiesigen Adels bestehen eben so, wie in den übrigen Theilen des Landes, in Arbeiten, und Gefällen, die sie nach dem Urbario von ihren Unterthanen erhalten, wie auch im Genusse der so genannten Regalien, als Mühlen, Schenkhäusern und Waldungen. Außerdem bauen nicht wenige sehr fleißig, die
um Tokay liegenden Weingebirge, machen Ausbruch, und verschleißen solchen in andere Länder. Einige Häuser besitzen namhafte Kapitalien am Gelde, und erhalten durch Zinsen einen nicht geringen Zuwachs ihres Einkommens. Die Lage der hiesigen Landschaft ist ihnen so angenehm, daß sie hier am liebsten wohnen, wenn sie gleich mehrere Güter in andern Komitatern und Gegenden ihres Vaterlandes besitzen.
Der Bürger ist in den hier befindlichen Städten und Marktflecken mit allen seinen Hausgenossen beyderley Geschlechts arbeitsam; beschäftiget sich mit den Handel, der Wirtschaft und den Handwerken; manche auch mit Künsten und Wissenschaften. Das weibliche Geschlecht greift neben andern häuslichen Geschäften fleißig
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nach dem Rocken und der Spindel, und machet Leinwand, sowohl für das Haus, als zum Verkaufe. Der ansehnlichste Theil der Bürger ist in der Lebensart ordentlich, sparsam, und mäßig; dennoch, wo er glaubt, daß er sich sehen lassen muß, freygebig, und großmühtig. In der Modekleidung ist er gern der letzte.
Die Bauern, die den Ackerbau, und die Viehzucht auf dem Lände treiben, sind entweder Slowaken, oder
Rußnaken, oder Deutsche, Abkömmlinge der alten
Sachsen.
Die Slowaken sind ohnehin im ganzen Lande bekannt, und ausgestreut, daß man also gar nicht nöhtig hat, eine weitläuftige Beschreibung von diesem Volke zu machen. Es ist eine kühne, geschickte, arbeitsame, und durchgetriebene Nation, die sich viel eher zu etwas entschließen kann, als der Deutsche. Die hier wohnenden sind in ihrer Mundart und Sitten sehr von einander unterschieden. Die, welche an dem obern Flusse wohnen, nahen sich dem
Liptauer und Böhmischen Dialekte, die mittlern dem
Schároscher, die untern aber, welche Pohlen zur Nachbarschaft haben, sprechen so gut pohlnisch, als wenn sie in diesem Lande gebohren wären. Diese sind meist abgehärtete Leute, und gewohnt mit der allerschlechtesten Kost, von Erdgewächsen, Brey, Bohnen, und Haberbrod vorlieb zu nehmen, ob sie gleich sehr fleißige Arbeiter sind. Alle hiesigen Slowaken sind entweder der Katholischen, oder der Lutherischen Religion zugethan.
Die Rußnaken oder Russen, ein starkes und dauerhaftes Volk, wohnt meist zwischen Gebirgen und Wäldern, liebt vorzüglich die Viehzucht, und treibet damit Handel. Ihre Sprache ist zwar slowakisch, und sowohl der Böhme, als auch der Polak kann sie verstehen, doch nähert sie sich etwas der russischen. Ob aber ihre Aehnlichkeit mit der ächten russischen so groß sey, daß sie sich einander gut verstehen könnten, daran
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ist sehr zu zweifeln. Ehedem war diese Nation, wegen der ruhmlosen Eigenschaft des Stehlens und Raubens in so übelm Rufe, daß man dieserwegen den Galgen und das Rad, ein Rußnakisches Begräbniß nannte; nunmehr sind aber auch diese Leute schon gesitteter, und ordentlicher. Daraus man denn sehen kann, daß dieser Fehler blos durch ihre schlechte Erziehung, üble Anleitung, Verführung und Gewohnheit entstanden sey. Der verstorbene Fürst
Theodor Lubomirsky hat seine meisten Bedienten aus dieser Nation gehabt, als er die
Zipser Starostey besaß, und fand an ihnen die treuesten, brauchbarsten, und geschicktesten Leute. Sie bekennen sich alle zu der Griechischuniirten Kirche.
Die Deutschen, oder
Sachsen sind die namhaftesten, und zugleich die stärksten unter den Nationen, die an dem Flusse Poprad wohnen. Weil diese aber nicht allenthalben bekannt sind, so hoffen wir wenigstens einigen unserer Leser nicht zu mißfallen, wenn wir ihnen von der Beschaffenheit, den Eigenschaften, und übrigen Umständen der Zipser Sachsen eine kurze Schilderung in diesen Blättern machen, und hiemit unsere Topographische Beschreibung des Poperflusses beschließen.
Die eigentliche Zeit der Eiwanderung dieses Volks in das Königreich Ungern, ist mit so viel Dunkelheit umhüllet, daß bey dieser Untersuchung die Geschichtschreiber gar nicht eines Sinnes sind, sondern auf verschiedene Meynungen und Muhtmassungen verfallen. Etliche von ihnen hielten dafür: daß sowohl unsere, als auch die Siebenbürger Sachsen noch unter der Regierung
Karls des Grossen in diese Länder gekommen sind*;
*Zu dieser Muhtmassung mögen wohl die Worte des Bonfins Anlaß gegeben haben, wenn er Rer. Hung. Dec. I. Lib. 9. multae quoque ex his in Daciam, Pannoniam, diversasque regiones deductae a Carolo M. Coloniae, quarum adhuc innummerae Sarmatiam, ulterioreinque Daciam incolunt.
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andere wollen behaupten, daß ihre Ankunft nach Ungern in den Zeiten des
Heil. Stephans zu suchen sey; die meisten aber stimmen darinnen überein, daß diese Nation unter dem Könige
Geysa II. und folglich um das Jahr 1150. in dieses Land gekommen sey.
Es ist weder unser Vorhaben, noch auch unserem Zwecke gemäß, diese Meynungen und Muhtmassungen zu untersuchen, oder eine so dunkle und Ungewisse Streitsache auszumachen: wir sind vielmehr vollkommen damit zufrieden, wenn wir wissen, und beweisen können, daß die Vorfahren der an dem Flusse Poprad wohnenden Deutschen, Sachsen gewesen sind. Dieses aber erhellet sogleich aus ihrem ersten und ältesten allgemeinen Privilegio, welches sie im Jahre 1271. vom Könige
Stephan V. erhalten haben, darinnen sie ausdrücklich Sachsen genennet werden*. Eben diesen Namen führen sie auch in dem Freyheitsbriefe, den sie im Jahre 1328. vom Könige
Karl I. erhielten, in welchem ihnen ihre alten Privilegien und Freyheiten bestätiget worden**. Und so findet man auch in andern Schenkungsbriefen, über gewisse besondere Felder und Ländereyen vom Könige
Bela lV., daß sie darinnen allezeit
Sachsen (Saxones) genannt wurden***.
Ob aber diese Sachsen unter der Aufsicht und den Befehlen eines besondern Heerführers auf einmal, oder nach und nach in das Zipserland eingezogen sind, davon haben wir keine sichere Spuren. In einem Kapitelsinstrumente, welches der gelehrte Herr
Karl Wagner in
*In diesem Privilegio heißet es ausdrücklich: Placuit nobis inter caetera libertatem fidelium hospitum nostrorum Saxonum de Scepus gratiosius reformare, concedentes eisdem hunc statum & gratiam libertatis &c.
**So wollen wir, daß so die erstgenannten Sachsen, unsere getreuen u. s. w.
***Quod accedentes ad praesentiam nostram Saxones, nostri de Scepus. V. R. P. Wagneri Analecta Scepusi Sacri & profani, Pag. 188.
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seinen
Analectis Scepusii sacri & profani* anführet, wird zwar eines
Raynoldi primi Ducis Saxonum in Scepusio gedacht; nachdem man aber weder von seiner Person und Würde, noch von seinen Verrichtungen und ertheilten Privilegien, derer in diesem Instrumente gedacht wird, nirgends etwas antrift, so hat gedachter Herr Wagner seine Gedanken darüber sehr vernünftig geäußert, wenn er Part. II. Pag. 257. Nota* sich vernehmen läßt: Atque utinam exstarent litterae Raynoldi I. Ducis Saxonum in Scepusio, profecto de eorum in has terras adventu, certius aliquid, exploratiusque constitui possit. Bey so bewandten Umständen kann man also gar nicht wissen, zu welcher Zeit dieser Raynold gelebet habe, und ob er darum I. Dux Saxonum in Scepusio genannt wird, weil er dieses Volk unter seiner Anführung nach der Zips gebracht; oder ob er nur nach der Zeit, eben so wie die Grafen, ihr Vorgesetzter, und also dem Range nach, der erste unter ihnen gewesen sey?
Außerdem scheint auch ihre Sprache und Mundart ein untrüglicher Beweis zu seyn, daß sie entweder aus
Thüringen, oder aus
Meißen herrühren. Denn ob es wohl auch außer diesen noch mehrere Deutsche in der Zips giebt, als nämlich in den hiesigen Bergflecken, (Oppidis montanis) in
Schmölnitz,
Stoß,
Wagendrüßel,
Schwedler,
Einsiedel, und
Gölnitz; so sind doch diese von den an dem Poperflusse wohnenden Sachsen sowohl in der Sprache, als in den Sitten, Vorrechten, Gesetzen, und Gebräuchen, sehr weit unterschieden, daß man also eben daraus gegründete Ursachen hat zu schließen: daß nicht alle in der Zips woh-
*Part. II. Pag. 258. Et quamvis ipsi protestantes super promissis haberent efficacissimas Litteras, Privilegia & Litteraria instrumenta, super immunitate ipsorum Ecclesiastica, puta Raynoldy primi Ducis Saxonum in Scepusio.
(P483)
nende Deutschte, aus einer Gegend herrühren, auch wohl schwerlich zu einer Zeit und auf den nämlichen Weg in dieses Land gekommen seyn müßen.
Wenn wir aber die Eigenschaften, und alles was zu den Karakter der hiesigen Sachsen gehöret beschreiben wollen; so können wir dabey unser Augenmerk nicht auf die Einwohner größerer Städte richten; denn diese pflegen ihre Sitten, Kleider und Sprache nur gar oft zu andern. Sie kommen in auswärtige Länder, stehen mit der politischen Welt in größerer Verbindung, und nehmen daher in einem halben Jahrhunderte eine ganz andere Gestalt an. Diejenigen hingegen, die auf dem Lande und in kleinen Städten, sich bloß mit dem Feldbaue und der Flachsarbeit abgeben, bleiben in ihrem Vaterlande, und behalten daher ihre Sprache, Kleidung, Gewohnheiten und Sitten, lange Zeit ungeändert. Diese sollen unser Hauptgegenstand seyn, deren Sitten, Sprache, und übrige Eigenschaften wir erklären wollen; doch also, daß wir zugleich dasjenige, was bereits veraltet und abgekommen ist, so viel möglich, nachholen und aufbehalten, damit es nicht gar in Vergessenheit gerahte.
Was nun ihre Sprache betrift, so ist freylich die, welche der Landmann und der Bauer redet, weder die zierlichste, noch die reinste; aber auch nicht so häßlich und unverständlich, daß sie ein der deutschen Sprache Kundiger, nicht verstehen könnte. Man trift selbst in Sachsen verschiedene Dörfer an, wo der gemeine Mann gar kein besseres Deutsch redet, als hier gesprochen wird. Dem ohngeachtet müßen wir unsere Leser, abermal daran erinnern, daß hier nur von dem gemeinen Volke die Rede sey. Denn der Adel und die Ansehnlichsten in den Städten sprechen recht schön, rein und gut Deutsch; die gemeinen Bürger haben noch viel von der allen Mundart; und der Landmann spricht so, wie er vom Anfange zu reden gewohnt war. Ja wenn er auch besser und
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zierlicher reden kann; so schämt er sich von seiner eigenthümlichen Sprache abzuweichen; indem er darüber von seines Gleichen, die solches für einen Stolz und Eitelkeit erklären, verlacht wird.
Damit aber diejenigen unserer Leser, denen diese Aussprache und Mundart ganz unbekannt ist, sich einen Begrif davon machen können; so wollen wir hier nur mit Wenigem anzeigen, in welchen Stücken ihre meiste Abweichung, von der reinen deutschen Sprache bestehe.
1. Pflegen sie die Selbstlauter mehrentheils zu verwechseln, als das e und á in a, und das a wiederum in ein o. Z. B. Messer heißt Masser, Leder, Lader, wer? war? Mensch, Mansch, Bär, Bar, Schmeer, Schmar, Pelz, Palz, Feder, Fader. Doch ist diese Regel nicht allgemein: denn anstatt Herr sprechen sie nicht Harr, sondern ebenfalls Herr, anstatt Lehre (Disciplina) nicht Lahre, sondern Lehre, u. s. w. Hingegen heißet das Wasser bey ihnen Wosser, Narr, Nor, machen, mochen, lachen, lochen, u.s.w. Das o verwandeln sie nicht selten in u, oder in ou. Z. B. wo? wu? anstatt Mooß, Mouß, und anstatt Hosen, Housen.
2. Haben sie einige wenige Provinzialwörter, die ein Fremder nicht sogleich verstehen kann, dennoch aber aus der alten deutschen Sprache herrühren, und in alten Schriften und Büchern zuweilen vorkommen, auch die Sache, die man damit bezeichnet, sehr gut ausdrücken, als z. B. Ischig, adverb. heißet soviel, als etwas. So wenn man sagen will: ich hätte nur etwas der Sache näher kommen sollen, so spricht der hiesige Sachse: ich hätte nur ischig der Sache näher kommen sollen. Ischig berühren, heißet ein wenig berühren, u. s. w. Neksch, Adject. ist gleichsam das Mittel zwischen artig und närrisch, oder lächerlich. Z. B. der ist ein nekscher Mensch, d. i. der Mensch hat etwas Besonders und Lächerliches an sich. So sagt man: der
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Mensch schreibt neksch, redet neksch, hat einen nekschen Gang, u. s. w. Dergleichen Wörter sind, Gerig, schief, z. B. der Acker gehet gerig, d. i. schief und spitzig zu. Sieder, seit dem. Greinen, weinen.
Borbs, d.i. Barfüßig. Schebb, ein Schubsack, oder Tasche in einem Kleide. Kurs, die Rinde am Brod. Scherz, die Rinde am Holz. Koren, kosten.
3. Findet man darinnen auch einige Siebenbürgisch-sächsische Wörter, die ebendieselbe Bedeutung haben. Wenn man das Verzeichniß davon, welches in diesen Blättern im
1. Bande 3ten Stück, S. 262. und ferner, unter dem Titel: Proben der Siebenbürgischsächsischen Sprache vorkömmt, vor sich nimmt, so findet man darinnen folgende Wörter, die sie mit den
Zipsersachsen gemein haben, als:
Barn, hier spricht man Born, und bedeutet ebenfalls einen aufgethürmten Haufen Fruchtgarben, der unter dem freyen Himmel stehet, und mit Stroh bedeckt ist.
Been, rösten.
Prig, ein kahler Berg; Burgprig, Burgberg.
Gemächt, ein Vorschub an den Stiefeln, oder Zischmen.
Gertkamer, Sakristey.
Gestäpp, Gewürz.
Grampig, Siebenbürgisch bedeutet es so viel als grob; Zipserisch, eine Art von üblem Geschmacke; wenn etwas sauer, zusammen ziehend, und unangenehm auf die Zunge fällt, da sagt man: es schmeckt grampig, z. B. der Wein hat einen grampigen Geschmack.
Kreuschen, schreyen. Gekreusch, Geschrey.
Zoppern, oder wie man hier spricht zaupern, zusammenziehen. Verzaupern, verstricken, verwirren.
Aus diesen Wörtern aber darf man gar nicht den Schluß machen, als wäre die Sprache der Siebenbür-
(P486)
ger und Zipsersachsen eine und ebendieselbe; indem jene von dieser so weit abgehet, daß der Zipser einen Siebenbürger gar nicht verstehen kann, wenn dieser seine eigenthümliche Sprache redet; dagegen ist der Zipser einem jeden Deutschen verständlich. —
In der körperlichen Gestalt sind viele von sehr gutem Wachsthume und Bildung. Man findet unter ihnen nicht wenige, die eine Länge von 6. Schuhen, auch etwas drüber messen. Die Haut ist an den meisten, sonderlich an dem weiblichen Geschlechte, weiß, die Hahre blond, oder kastanienbraun. Dabey sind sie stark, dauerhaft, und gesund, nur etwas langsam und schwer. Ihre meisten Krankheiten, davon sie überfallen werden, sind die hitzigen Fieber; und diese ziehen sie sich meist dadurch zu, daß wenn sie sich bey ihrer Arbeit erhitzen, darauf gäh einen kalten Trunk zu sich nehmen, oder grosse Lasten heben. Andere werden wieder von diesen angesteckt, und so nimmt dieses Uibel zuweilen so stark überhand, daß beynahe die meisten an dieser Krankheit sterben, besonders, wenn sie sich keinem geschickten Arzte überlassen, sondern sich untereinander selbst durch verkehrte Mittel helfen wollen.
Bey ihren Verrichtungen und Arbeiten sind sie treu, emsig, und zugleich ordentlich. Den Acker und Feldbau bestellen sie so genau und pünktlich, daß man darinnen fast nichts mehr zu verbessern weis, sondern gestehen muß, daß der hiesige Landmann, vor allen übrigen im Lande, den Vorzug verdiene. Er thut alles mit guter Uiberlegung, beobachtet die Zeit und die Witterung, und was das Schönste ist; halten sie bey ihrer Feldarbeit die Ordnung, daß sie alles auf einmal anfangen, und alle zugleich in der nämlichen Arbeit begriffen sind. Das weibliche Geschlecht ist bey dem Anbau des Flachses, Spinnen und Leinwandweben, bis zur Verwunderung unverdrossen und mühsam, und selbst im Weben so fertig und geübt, daß es ihm an der Geschwin-
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digkeit der beßte Weber kaum im Stande ist nachzumachen. Eine Magd, die auch nur mittelmäßig darinnen geübt ist, macht des Tages 20. Ellen Leinwand von mittlerer Sorte gewiß fertig, wenn sie durch nichts davon abgehalten wird.
Allein bey guter Arbeit wollen diese Leute auch gut speisen: der deutsche Bauer nimmt nicht mit einer so schlechten Kost vorlieb, wie der Slowak und Rußnak, der sich auch mit Brey, Erdäpfeln, Bohnen, Wasser und Gerste, oder Haberbrod begnüget; er will Roggenbrod und Fleisch essen; indem er glaubt, daß er bey seiner Arbeit eine solche Kost wohl verdiene. Daher bringt er seine Gänse, Hüner, und Spanferkel, wenn er nicht einen Uiberfluß davon hat, sehr sparsam und selten zu Markte, sondern er ißt sie mit seinen Hausgenossen selbst auf. Dabey trinkt er am liebsten sein Bier, und seinen Theil Brandwein; Wein achtet er nicht, weil ihm dieses Getränk hier ohnehin zu kostbar wäre. Das Tobackrauchen ist zwar auch unter diesem Volke gewöhnlich, doch aber nicht so allgemein, wie bey andern Nationen in diesem Lande.
Den Leib bedecken sie mit andern Kleidern in den Wochen- und Arbeitstagen, andere legen sie auf die Sonn- und Festtage an. Die Mannspersonen tragen bey ihrer Arbeit entweder von ausgegärbtem Leder, oder vom groben weissen Tuche nach ungrischer Art lange Beinkleider; doch nicht mit leinenen Unterhosen, wie der Unger, indem sie nicht so kurze, sondern nach Gewohnheit der Deutschen, lange Hemder mit ungrischen Aermeln anziehen. An den Füßen haben sie starke Rindlederne Stiefel, und weil ihnen diese im Sommer etwas zu schwer sind, so bedienen sich nunmehr die meisten der Ungrischen Zischmen. Der Wochenrock des deutschen Bauers bestehet aus groben von hiesiger Wolle gemachtem schwarzen Tuche, der bis ober die Knie reichet. Und vermuhtlich werden die hiesigen deutschen Bauern
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von den andern Nationen darum Laitschacken genannt, weil sie Röcke von schwarzer Wolle tragen: denn die Slowaken pflegen dergleichen Schaafe, die mit schwarzer Wolle bewachsen sind, in ihrer Sprache Laiky zu nennen. — Im Winter legen sie anstatt des Rocks einen eben so langen aus Schaaffellen verfertigten Pelz an, oder tragen wenigstens unter dem Rocke ein dergleichen Kamisol, welches sie einen Brustpelz nennen. Das Haupt wird im Sommer mit einem deutschen Filzhute, im Winter mit einer Mütze von schwarzen Schaaffellen, oder auch mit einer schlesischen Mütze bedeckt. So gehet der deutsche Bauer in Wochentagen; der Slowak und Rußnak trägt beständig seinen weißen groben Tuchrock, nur an einem Sonntage umgürtet er sich mit einem blauen oder rohten Schnürgürtel. — Das Feyerkleid des Deutschen ist von Bilitzer dunkelblauen Langhalter mit hellblauen Schnüren, und einem Schnürgürtel von der nämlichen Farbe. Alles wird nach dem Ungrischen Schnitte gemacht, nur um etwas länger, als der Unger sein Kleid zu tragen pflegt. Der Rock reichet bis ober die Knie; der Pelz ist ein wenig länger, und gewöhnlich mit Fuchsrücken ausgeschlagen. Ehemals hatten sie an Feyertagen mit Marderfellen, etwas über eine Handhoch aufgeschlagene Hüte; die Alten einen Handbreiten ledernen, mit messingenen Knöpfen besetzten Gürtel, und lange Kinnbärte. Gegenwärtig ist dieses alles abgekommen. Halsbinden haben sie nicht, außer wenn sie sich im Winter auf Reisen befinden.
Das weibliche Geschlecht trug in vorigen Zeiten ebenfalls schwarze Stiefel vom Kalbleder, mit rothgefärbten Absätzen, von welcher Tracht man nur noch bey einigen Alten die Uiberbleibsel siehet; die jüngern haben sie verlassen, und tragen Ungrische Zischmen vom schwarzen Korduan, und anstatt der Absätze eben so wie die Ungern Eisen. In den Arbeitstagen kleiden sie sich in einen Kittel, oder Rock, aus schwarzer Glanzleinwand, die
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in sehr kleine Falten von oben bis unten gepreßt ist, und der unten einen schwarzen, drey Finger breiten tuchenen Saum hat. Den Oberleib umfasset ein Mieder, oder Schnürbrust, welches sie eine Wiste nennen. Dieses ist von rohtem grünem schwarzem, oder anderm Tuche gemacht, mit Leonischen Spitzen zierlich besetzt, und an der Brust mit einem Finger breiten seidenem Bande zugeschnürt. Beyde angeführte Kleidungsstücke werden so zusammen genähet, daß sie ganz beqwem auf einmal an- und abgeleget werden können. Den Hals umgiebt ein weißer von Handbreiten Spitzen gemachter Kragen, der an den Goller des Oberhemdes befestiget ist, und sich um den Rücken und über die Schultern ausbreitet. Unter dem Halse wird das Oberhemd mit einer kleinen silbernen oder messingenen Spange zusammen geheftet; der Hals aber von allen Korallen und Zierahten entblößt.
An Sonn- und Festtagen pflegen sie an der Stelle der schwarzen leinenen Kittel, einen dunkelblauen, auf eben eine solche Art gemachten Tuchrock, meist mit rohten Saum anzulegen. Ehedem waren bey einigen, sonderlich bey ledigen Weibspersonen rohte Röcke von feinem Tuche, und Schürze von allerhand Zeugen mit goldenen oder silbernen Spitzen im Gebrauche, nunmehr aber kömmt dieses alles ab, und die Röcke sind durchgehende, entweder schwarz oder dunkelblau, die Schürze hingegen, von weißer, oder blau und weiß gedruckter feiner Leinwand. Uiber diese Kleidung tragen sie im Winter, und bey besondern Feyerlichkeiten im Sommer, einen schwarzen von den Achseln bis unter die Knie herabhangenden Mantel, den sie eine Schaube nennen. Diese Schaube wird am gewöhnlichsten von Wollendamast, oder andern glatten Zeug gemacht, mit Pelzwerk gefüttert, und mit Zobel oder Marder ausgeschlagen; um den Hals aber mit einem eine Spanne breiten Latz, oder Aufschlag, ebenfalls von Marder oder Zobel besetzt.
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Nur Schade, daß dieses beqweme, anständige, und in der That bescheidene und ehrbare Kleid nach und nach verlassen wird, und anstatt desselben lange ungrische Pelze gebraucht werden. Wenn sie aber die Schaube nicht umnehmen, so pflegen sie eine aus feiner Leinwand gemachte Decke, die an beyden Enden Spitzen und dergleichen Zierahten hat, um den Rücken, und von beyden Armen herab hangend zu tragen, welches sie eine Kotsche, oder Kutsche nennen, und damit in die Kirche gehen.
Der Kopfputz des ledigen Frauenvolks ist Winter und Sommer einerley: sie gehen beständig, auch in der größten Kälte, wenn sie nicht über Land reisen, mit unbedecktem Haupte. Die Hahre lassen sie lang wachsen, und in zwey Zöpfe, dreyfach geflochten, hinten gerade herab hangen. Oben auf den Kopf wird ein grüner Kranz mit einer dazu geschickten Nadel, und um denselben ein zwey oder drey Finger breiter Reifen vom dicken steiffen Papier, der mit einer eben so breiten goldenen Borte, oder mit Sammet überzogen, oder auch mit unächten Perlen und dergleichen Zierahten ausgelegt ist, den sie einen Borten nennen, befestiget, von dem zwey bis drey Finger breite seiderne, oder mit goldenen Blumen durchgewirkte Bänder, von hinten bis an die Fersen herabhangen. Die Weiber bedecken ihr Haupt im Sommer mit einer in Form eines Netzes gestrickten Haube, und wenn sie ausgehen, noch darüber. Mit einem Schleyer, weißen Flore, oder feiner Leinwand, dessen Ende von hinten, bis an die Waden herabhängt, oben aber über den Nacken zusammen gezogen ist; welches sie das Haupttuch, oder den weißen Flor nennen. Ehedem haben die vornehmsten Frauen vom Adel, eben auf dergleichen Art, schwarze mit allerhand goldenen Blumen herabhangende Flore, bis zur Erde getragen, und in diesem Putze, der nunmehr schon veraltet ist, recht prächtig, ernsthaft und zugleich bescheiden ausgesehen. Im Win-
(P491)
ter tragen noch einige, steife Mützen, welche mit Pelzwerk gefüttert, und vorn aufgeschlagen sind; die aber auch bereits nur bey wenigen gesehen werden, und ihren völligem Ende sehr nahe sind.
In älteren Zeiten, auch wohl noch zu Anfange des gegenwärtigen Jahrhunderts, waren besonders in größern und kleinern Städten, die Spangengürtel vom geschlagenen Silber, mit Aedelsteinen besetzt im Gebrauche; nun siehet man sie nicht mehr, außer bey einigen wohlhabenden Leuten, die solche, als ein denkwürdiges Alterthum, ihren Kindern aufbehalten.
Sehr artig schreibet von der Zipser Kleidertracht,
Simplicissimus Hungaricus seu Dacianus, in seiner
Peregrinatione Scepusiensi, im XII. Kapitel; und weil man daraus abnehmen kann, wie noch vor mehr als hundert Jahren, die Tracht der Zipser Sachsen, auch in den größern Städten beschaffen gewesen sey, indem er hier besonders von
Käsmark redet: so wollen wir seine eigenen Worte anführen, die also lauten: "Theils Männer gehen deutsch, theils ungrisch, theils halbdeutsch und halb ungrisch,* so visirlich heraus kommt; das Weibsvolk auch in feiner Tracht, sonderlich aber gehen die Zipser etwas anders, als die Oberungrischen Weiber: indem sie ihre pathelatenen Schleyer, das ist, Türkische Leinwand, und entweder halb, oder ganz baumwollen, über einen Deckel, einen runden Teller gleichend, auf den Haupt übergespannet tragen; so den vornehmsten bis auf die Waden herunter hangen, die vornehm-
*Man kann zwar nicht errahten, was es dazumal, als der gute ehrliche Simplicissimus aus Schlesien, seinem Vaterlande, nach Ungern kam, mit der halbdeutschen und halbungrischen Kleidung für eine Bewandniß gehabt haben mag: allein von der heutigen Modetracht ist dieses offenbar; indem die Mannspersonen, die etwas zum Voraus haben wollen, ungrische Beinkleider und Zischmen, und, dabey einen deutschen Rock anlegen. Ein solcher Mischmasch von einer Tracht, muß allerdings einen Ausländer befremden, der sowas nie gesehen hat, oder mit den Simplicissimus zureden, recht visirlich vorkommen.
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sten tragen seidene gefärbte Gürtel, die andern Burgerinnen nach Vermögen. Spangengürtel auf drey Finger breiten Sammet aufgeheftet; in diesen Spangen sind auch zum Theil Edelgestein gefasset, als türkisch, welche nicht gar zu theuer, vornen her sind an den Gürteln — handbreite altväterische silberne und vergülte Blech, auch zum Theil mit türkischen versetzt, und kommet öfters ein solche Gürtel auf 100 bis 200 fl. Ich habe einsmals einen einigen solchen schönen Gürtel einen andern Burger, so von dannen gezogen, vor ein feines Haus sehen geben. Die Jungfrauen tragen mehr als handbreite mit guten Gold aufgestückte, zum Theil auch mit Perlen und Edelgestein versetzte Borten mit grossen dicken Zöpfen, hinten mit zwey Ellen langen seidenen breiten Taffetbändern herunter hangend, und doppelt angebunden, tragen meistens Stiefeln, oder Schischmen von schwarz, blau oder rohten Farb." So weit Simplicissimus von der Zipserischen Kleidertracht.
Siehet man auf die Neigungen und Fähigkeiten dieses Volks; so sind sie nicht allein zu allerhand Manufakturen, Handwerken und Künsten, sondern auch zur Musik und Litteratur wohl aufgelegt; wie sie denn in einem jeden von diesen Fächern gute und brauchbare Männer, die nicht allein hier, sondern auch in andern Provinzen und Ländern bekannt worden sind, aufweisen können. Dennoch aber, wenn man den größten Theil dieser Nation betrachtet, so wird man aus allen ihren Bemühungen und Anstalten sehr leicht wahrnehmn, daß sie zum Feldbau, und zu der damit vergesellschafteten Viehzucht und Haushaltung den größten Trieb verrahten. Daher dieses bey ihnen beynahe als ein Fehler anzusehen ist; daß sogar die beßten Künstler und Handwerker, nicht selten ihr erlerntes Metior, entweder vernachläßigen, oder gänzlich bey Seite legen, so bald sie nur Gelegenheit und Vermögen erlangen, den Ackerbau und die damit verbundenen Wirtschaftsgeschäfte zu treiben.
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Hiebey bleiben sie gern bis an ihr Ende, und so weit ihre Kräfte reichen, fleißig, unveränderlich, und standhaft.
Die Pferde lieben sie sosehr, daß sie es für eine besondere Ehre halten, und einen grossen Theil ihres Reichthums darein setzen, wenn sie schöne und gute Pferde in ihren Arbeitszügen führen können. Nicht selten entziehen sie ihrer eigenen Gemächlichkeit und Leibespflege etwas, um nur im Stande zu seyn, ihre Pferde gut zu versorgen. Wenn ihnen also der lang dauernde Winter, und der daraus entstehende Mangel an hinlänglicher Fütterung, in diesem Stücke nicht Einhalt thun, und gehörige Schranken setzen würde, so würden sie dabey fast auf Ausschweifungen gerahten. Wenn also ein hiesiger deutscher Bauer schlechte und elende Zugpferde hat, so ist dieses meist ein sicherer Beweis von seinem Unvermögen und von seiner Armuht. Mit Ochsen bestellet er sein Feld und übrige Arbeit nur ungern, nicht allein darum, weil ihm alles mit diesen Thieren zu langsam von Statten gehet; sondern auch, weil er sich desselben schämet. Er ergreift also diesen Weg nicht, es sey denn durch die äußerste Noht gezwungen.
Zu Kriegsdiensten lassen sie sich zwar im Anfange schwer überreden; dennoch aber, wenn sie sich niemal dazu entschlossen haben, so sind sie auch in diesem Berufe ihrem Könige und Vaterlande treu. Sie halten auf Ehre, und lassen es ungern so weit kommen, daß sie erst durch äußerliche Bestrafungen sich sollten zu Rechte weisen lassen, sondern beobachten die Pflichten ihrer Dienste genau ohne äußerlichen Zwang. Neben ihrer Treue und Standhafngkeit haben sie bereits in allen Zeiten und in ihren Vorfahren, zugleich ihre Tapferkeit bewiesen, und sich eben dadurch zu verschiedenen Vorrechten und Freyheiten, die sie von ihren Königen erhielten, den Weg gebahnet. Einen deutlichen Beweis davon können die Worte ablegen, die wir in dem Di-
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plome des Königs
Karl I. wo er die Privilegien und Freyheiten der
Zipsersachsen bestätiget, finden; und also lauten: "Darum daß wir haben erkannt, ihre Treue und Dienst, die sie uns von unserer Kindheit gutwillig erwiesen haben, beid demütiglich und begierlich im Streiten, die wir hatten wider
Mathaeum von Trentschin und
Demetrium und wyder
Amodeus Son auf dem
Felde bey Rozgon, und dieselben Cypser unser getreyen menlich stritten, und schonten nicht ihrer Gütter, noch eigener person, sondern sich für unser Königlich Majestät dargeben haben in Fertigkeit und Blutvergissen, biß in den Todt, so wollen Wir ihren getreyen Dienst, und Blutvergissen, und vor den Todt ihrer Freunde mit beheglikeit begaben, wie wol daß sie mer würdig weren, u s. w."
Nach ihrem Gemühtskarakter sind sie aufrichtig und redlich, halten auch gern ihr Wort, und bezeigen sich besonders gegen Fremde leutselig und freundlich. Daher ihnen
Simpl. Dacianus, laut eigener Erfahrung in dergleichen Stücken, das beßte Lob beyleget, indem er in seiner
Peregrinatione Scepus. Cap. XII. also schreibet: „das Volk braucht höfliche deutsche Sitten." Und bald darauf: „Es ist in Zips ein freundliches, treues und friedfertiges Volk." Cap. XIII. "Es hat (Zips) treuherzige, freundliche, guthätige Leute" Weil sie aber bey ihrer Freundlichkeit allzuoffenherzig, und dabey neugierig und leichtgläubig sind: so werden sie nicht selten von Windbeuteln und Maulmachern, bey welchen sie eine ähnliche Aufrichtigkeit vermuhten, hintergangen und betrogen. — Ihre Kinder trachten sie nach Möglichkeit wohl zu erziehen, indem sie solche nicht allein von Jugendauf zu guten Sitten und zur Arbeit, sondern auch zur Schule anhalten; daher man unter den deutschen Bauern selten einen antreffen wird, der nicht wenigstens lesen, oder auch zur Noht etwas schreiben könnte.
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Bey besondern Vorfällen und Feyerlichkeiten waren sie in vorigen Zeiten fast auf eine übertriebene Art verschwenderisch. Die Hochzeiten, die sie gemeiniglich im späten Herbste, da noch die Scheunen voll, und das Schlachtvieh gemästet ist, anzustellen pflegen, dauerten eine ganze Woche durch, und es ward in solcher Zeit bey manchem Bauer, ein nicht geringer Vorraht durch seine Gäste verzehret. Nun schränken sie sich theils von selbsten, theils durch obrigkeitliche Verordnungen, immer mehr und mehr ein. Sie machen zwar noch viele Umstände und Cerimonien dabey; die aber keine merkliche Ausgabe verursachen, und nur in gewissen alten Gebräuchen bestehen, bey denen das Verhalten der Hochzeitgäste ziemlich ernsthaft, und nach ihrem Geschmacke gesittet aussiehet. Bey einer jeden Veränderung tritt ein junger Redner auf, der mit vielen Worten sein Anliegen vorbringet, und der Vornehmste, der schon ein gesetzter Mann seyn muß, erscheinet bey der Morgengabe, welche den zweyten Hochzeitstag, wenn der Bräutigam die Gäste bewirtet, vorgenommen wird. (Denn am ersten Tage wird das Hochzeitmahl gewöhnlich bey der Braut gehalten.) Bey diesen Verrichtungen muß die Braut vor dem Tische stehen, der Redner hält alsdenn eine auf diese Sache passende Rede, und überreicht beym Beschlusse derselben der Braut die schriftliche Morgengabe des Bräutigams. Darauf treten die Freunde und Hochzeitgäste herzu, und ein jeder beschenket das Ehepaar mit einer Gabe, die entweder im Gelde, oder aus einem Stück vom Hausrate bestehet. — Bey Kindstaufen wurden ehedem auch viele Weitläuftigkeiten gemacht, die aber als etwas unnützes und verderbliches, größtentheils von der Obrigkeit eingestellet worden
sind.
Die Jugend und Unverehlichten haben ebenfalls zu gewissen Jahrszeiten ihre feyerlichen besonderen Gebräuche, und alten Gewohnheiten; die Jungfern pflegen sich am
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Pfingstfeste in gewisse Chöre, nach ihren Wachsthum und Alter einzutheilen; ein jedes von diesen wählet sich ein wohlgestaltes Mägdchen zu einer Königinn, die sie auf das Beßte ausschmücken. Das ganze Chor schön gekleidet, mit grünen Zweigen in der Hand, führet die Königinn in der Mitte, auf den Gäßen von einem Hause zum andern, und singen anmuhtig, auf dieses Fest passende geistliche Lieder. Diesen Akt nennen sie den Rein. — Die Knechte haben ihre Drommel, mit welcher sie das Zeichen zu ihrer jährlichen Zusammenkunft geben. Wenn sie nun beysammen sind, so wählen sie aus ihrem Mittel alle Jahr einen neuen Altknecht; und sehen bey ihrer Wahl auf einen solchen, den sie unter sich für den geschicktesten und gesittesten halten. Nach geschehener Wahl wird er dem Richter des Orts mit einer anständigen Anrede des vorjährigen Altknechts vorbestellet, und von diesen in seinem Amte bestätiget. Dieser Altknecht soll vermöge seiner Würde die er bekleidet, bey allen ihren Versammlungen genaue Obsicht halten, alle Unordnungen, sowohl beym Gottesdienste, als an andern Orten,die von seinen Untergebenen entstehen könnten, zu verhüten trachten, und gute Zucht bey der Jugend zu erhalten. Wenn sich aber der Fall ereignet, daß er für seine Untergebenen reden muß, so ist seine Schuldigkeit, für sie das Wort auf das Beßte zu führen.
Bey dergleichen Feyerlichkeiten pflegen sie auch Tänze anzustellen; und zwar tanzten sie ehedem, da noch alle Stiefel trugen, langsam und ehrbar; es wurden ihnen Menuete aufgespielt, und sie tanzten auch pohlnisch. Nachdem sie aber die schweren Stiefel meist abgeleget haben, und leichte Ungrische Zischmen tragen, so finden sie auch schon an den heutigen deutschen, und andern Tänzen Geschmack.
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Bey Begräbnissen machen sie außer dem, was der Anstand und die Notwendigkeit erfordert, wenige Umstände. Das Einzige, was man hier anmerken kann, wäre etwa dieses: daß in den kleinern Städten, wo keine Zünfte sind, seit undenklichen Zeiten her, die Bürger und Einwohner gewisse Brüderschaften, ohne Ansehen der Religion, in der Absicht aufgerichtet haben; damit wenn einer stirbt, die sämmtliche Brüderschaft bey seinem Leichenbegängnisse erscheine, welches von ihnen auch treulich beobachtet wird. Außer dem sind auch diese Brüder, vermöge ihrer Statuten gehalten, einem Bruder, der zur Zeit der Aernte krank und bettlägerig wird, seine Aerndte zu besorgen, und seine Feldfrüchte einzubringen. Ihre Versammlungen halten sie bey einem Trunke Bier des Jahres einmal, auf das Fest Johanns des Täufers, welche Feyerlichkeit sie das Bruderbier nennen, und zu derselben Zeit auch einen neuen Brudervater aus ihrem Mittel wählen, oder den alten bestätigen.
Zu ihrem Vaterlande haben die Zipsersachsen eine ausnehmende und überaus grosse Liebe, so, daß sie sich in andern Gegenden, ob sie gleich allenthalben gut fortkommen, ungern seßhaft machen; und wenn manche sich auch noch so lang in der Fremde aufgehalten haben, so kehren sie dennoch gern wieder zurück, wenn sie nicht durch besondere Vortheile aufgehalten werden; und wünschen sich sonst nirgends, als hier zu sterben. Daher haben sich es auch einige zum Sprichworte gemacht: daß, wenn einem das Wasser aus der Poper geschmeckt hat, er wieder kommen muß, wenn er gleich bis an der Welt Ende verreiset gewesen wäre. —
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