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ZUM GESAMTINHALT

Ungrisches Magazin, Band 2, Heft 4, Text 33 (S. 498-510)
Hrsg. von Karl Gottlieb Windisch
Preßburg, Löwe, 1782
Autor: Johann Seivert
Zuordnung: Geschichte

Siebenbürgische Briefe (1-5) 1

Siebenbürgische Briefe (6-9) 2

Siebenbürgische Briefe (10-14) 3

Siebenbürgische Briefe (15-16) 4

Siebenbürgische Briefe (17-19) 5



(P498)

33. Siebenbürgische Briefe.

Fünfzehnter Brief.

Vom Siegel der Sächsischen Nation, als eines Landstandes.


Und wann auch Vaterland und Nation nichts für uns thäten, mein Freund! so bleibet es doch unsre Pflicht, alles für sie zu thun! — Wir sind ihre Kinder. Ich wenigstens wünschte allemal lieber ihre Ehre zu werden, als wann blos Vaterland und Nation meine Ehre wäre. Könnte also mein Herz wohl gleichgiltig seyn? Könnte ich schweigen, wann die Geschichtschreiber, unsrer Nation ein Siegel aufbürden, dessen Aufschrift nur zu ihrer Schande gereichet? Nein, Patriotismus und Wahrheitsliebe erlauben mir es nicht. Nur bedaure ich, das ädle Herz des verdienstvollen Verfassers der Ungrischen Annalen, daß es, unfehlbar von dem Vater Szegedi* getäuscht worden, zu glauben: als habe der Haß des Fürsten Gabriel Báthori — gewiß ein Vatinianischer! — 1612 der Nation aufgedrungen, statt der alten Aufschrift: Ad retinendam Coronam, die Worte: Rosz Nemzetböl áll, auf ihrem Siegel zu fuhren.** — Eine sehr nachtheilige Aufschrift, welche sie für eine Na-

* In seinem Werkgen: Andreas II. Adsertor Libertatis Saxonum in Transilv.

** S. Diss. Historico-Crit. in Annales vett. Hunn. - - S. 166.

(P499)

tion erklärt, die aus einem bösen Volke bestehet. Allein, hievon weis ihr Siegel gar nichts! —

Eigentlich führet die Sächsische Nation ein doppeltes Siegel. Eines, als ein eigenes und besonderes Volk, nach der Freyheit, die ihnen König Andreas von Jerusalem, im Jahre 1224 ertheilte;* und eines, als einer der drey Landstände. Jenes hat vom Anfange her bis itzt, die schöne Umschrift: SIGILLVM CIBINIENSIS PROVINCIE. AD RETINENDAM CORONAM. Eine Beschreibung davon finden Sie in meinen Grafen der Sächsischen Nation und Königsrichter zu Hermannstadt.** Ich werde also hier nur von dem letztern reden, als welches die berüchtigte Aufschrift führen soll. Dieses Siegel nun hat seinen Ursprung gar nicht dem Fürsten Gabriel Báthori zu danken; sondern der Vereinigung der drey Nationen in Siebenbürgen, unter dem Könige Johann von Sapolya. Siebenbürgen ward 1538 ein unabhängiger Staat vom Königreiche Ungern, und dadurch erhielt auch die Staatsverfassung desselben eine ganz neue Gestalt. Die Sachsen, vier Jahrhunderte hindurch durch Königliche Diplomen in ihrem Polizeywesen, Rechten und Oekonomien von Ungern und Seklern abgesondert, ließen sich überreden, mit diesen beyden Nationen in die genaueste Verbindung zu treten. Diese nannten sich dann: die Landstände der drey Nationen des Fürstenthums Siebenbürgen;*** und beschlossen: alle Landtagsschlüße und öffentliche Urkunden sollten nur durch Untersieglung aller drey Stände ihre Giltigkeit erhalten. Zu diesem Zwecke wurde für jede Nation ein besondres Siegel mit ihrem Wappen ausgefertigt, und jeder das

* Insuper eisdem concessimus, quod unicum Sigillum habeant, quod apud nos & magnates nostros evidenter cognoscatur.

** Den Anfang davon findet man im dritten Stücke des zweyten Bandes, dieses Magazins.

*** Status & Ordines trium Nationum Principatus Transylvaniae.

(P500)

ihrige zur Verwahrung überlassen. Der Siegelbewahrer der Komitate, wurde der Obergespan der Weißenburger Gespanschaft; der von der Sächsischen Nation, der Graf derselben und Königsrichter zu Hermanstadt; und der Sekler, der Oberkönigsrichter des Udvarhellyer Stuhls; und sie sind es auch zu unsern Zeiten.

Diese drey Siegel zusammen, enthalten die Aufschrift: Nemes három Nemzetböl állo Erdély Országa. (Inclutum ex tribus Nationibus consistens Regnum Transilvaniae.) Denn auf jedem stehet nur ein Theil derselben. Hier haben Sie, mein Freund! ihre Beschreibung, und können sich sicher darauf verlassen. Auf dem Siegel der zehen Ungrischen Gespanschaften liest man:

NEMES HA. SIGILLVM X. COMITATVVM (so) TRANS. ilvaniae.

Das mit Schnitzwerk gezierte Schild führet einen halben ungekrönten Adler mit flatternden Flügeln. — Darauf folget das Sächsische, mit einem gleichen Schilde, in welchem sieben Kastelle: 2, 3, 2. und der Umschrift zu sehen sind:

ROM NEMZETBÖL AL. SIGIL. NATIONIS SAXONICAE.

Endlich auf dem Siegel der Seklerischen Völkerschaft stehet:

LO ERDELI ORSZAGA. SIGIL. NATIONIS SICVLICAE.

und der mit den vorhergehenden gleiche Schild, enthält die stralende Sonne, darunter der stralende halbe Mond.

Sollte es also, mein Beßter! nicht Unwissenheit, oder gar noch mehr als diese seyn, daß man die Worte des Sächsischen Siegels — rom Nemzetböl ál — die ohne Verbindung mit den übrigen gar keinen Verstand haben, nicht nur davon getrennet; sondern gar in das schimpfliche: Rosz Nemzetböl ál verwandelt hat?

(P501)

Vielleicht aber hat Folgendes zu diesem Irrthume Gelegenheit gegeben. Aus den angeführten Siegeln erhellet unwidersprechlich, daß die Sächsische Nation den Rang vor der Seklerischen gehabt, und ihr Siegel die mittelste Stelle eingenommen habe. Allein heut zu Tage geschieht es nicht mehr. Itzt hat es die letzte Stelle, wodurch dann die Aufschrift aller drey Siegel verdorben, und ganz Rähtselhaft geworden ist. Gedenken Sie sich nun einen Gelehrten, der dieses nicht gewußt, und doch den Sinn der Worte wissen wollen; hat er nicht leicht durch eine unglückliche Kritik meynen können, es müße anstatt: rom, Rosz heißen? O, wie Vieles würde der menschliche Verstand leichter entziffern, wann er es nicht für Geheimnisse hielte!

Fragen Sie aber, mein Freund! seit wann unser Siegel seine ursprüngliche Stelle verloren? so muß ich Ihnen meine Unwissenheit bekennen; zugleich aber, daß es der Nation unendlich vortheilhafter gewesen seyn würde, wann sie ihr Siegel weder in die Mitte, noch zuletzt hätte setzen dürfen. Himmel! welch eine reiche Qwelle von traurigen Folgen ist ihr diese Ehre eines Landstandes geworden! Zwar war es für sie sehr schmeichelhaft, dadurch Sitz und Stimme auf den Landtagen, und alle Vorrechte der andern Nationen bey öffentlichen Angelegenheiten zu erhalten; ohne dabey im Besitze ihrer alten Nationalrechte und Freiheiten gestört zu werden. Allein, was wurden ihr alle diese glänzenden Vortheile? Irrlichter, die sie in einen Sumpf führten, daraus sie sich zwey Jahrhunderte hindurch nicht heraus wickeln können. Denn kaum war das Band dieser Vereinigung geknüpft: so ward durch Mehrheit der Stimmen beschlossen: was zwo Nationen für gut erkennen und beschließen würden; sollte die dritte anzunehmen verpfiichtet seyn. Zwar, war hierbey das Absehen, dem Vorgeben nach, auf die Sekler gerichtet, die so wenig Antheil an den gemeinen Lasten nahmen, und keine mehrere

(P502)

übernehmen wollten. Allein, welche hatte bey diesem Landtagsschlusse aus allen Gesichtspunkten mehr zu befürchten, als die Sächsische Nation? —

Ein grosser Staatsmann drücket sich darüber also aus: "Man brauchte keinen grossen Verstand, keine außerordentliche Einsicht, wann man die gefährlichen Folgen für die Nation von diesem Schlusse vorher sehen wollte. Die Ungern und Sekler waren nur dem Namen nach von einander unterschieden, und hatten außer einigen wenigen Kreisen, die sie besonders bewohnten, alles andere gemein. Sie stammten von einem Geschlechte her, redeten eine Sprache, hatten gleiche Absichten, und waren theils durch das Band der Anverwandtschaft; theils durch den Besitz ihrer Güter, die sie wechselsweise unter einander hatten, dermassen mit einander verknüpft, daß sie in allen Angelegenheiten, welche die dritte, im gewissem Verstande fremde Nation angehen könnten, für Eins gehalten werden mußten. — Sie hatten übrigens in Absicht auf die Menge der Stimmen einen grossen Vorzug, und das offenbare Uibergewicht. Denn außer dem, daß alle ihre Kreise auf den Landtagen Sitz und Stimme hatten, fanden sie noch das Mittel, nicht allein dem größern Adel diese Vorzüge zu ertheilen; sondern auch alle andern nach Belieben dazu zu lassen, und folglich ihre Stimmen ins Unendliche zu vervielfältigen; da hingegen die Sächsische Nation mit einer einzigen Stimme für jeden Stuhl ins besondere, und folglich in allem mit Eilf Stimmen zufrieden seyn mußte.* —

Was konnte die Nation bey solchen Verhältnissen anders erwarten, als das, welches wirklich erfolgte, daß sie sich nämlich immer mehr und mehr gedrückt und eingeschränkt sah! An den gemeinen Abgaben hatten die

* S. Denkwürdigkeiten zur Geschichte der Sachsen in Siebenbürgen, aus bewährten Urkunden herausgezogen. § 38. 39, und Kinder von Friedenberg: Brevis & Diplomatica Desciptio Nationie Saxonicae in Transilv.

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Sachsen vorher gleichen Antheil mit den Gespanschaften, nun aber fiel die Last derselben größtentheils auf sie. In ihrer Gerichtsbarkeit wurden sie wider alle ihre Privilegien gekränkt, viele ihrer freyen Mitglieder von dem Körper der Nation getrennet, und unter das Joch der Leibeigenschaft gezwungen; so, daß sie ihr vorher unzertrennbares Gebiet nach und nach voller adelichen Besitzungen sahen. Auch wurden manche nachtheilige Gesetze für ihre Vorrechte und Freyheiten, bey allen ihren Widersprüchen, durch die Uibermacht eingeführt, die erst 1692, den 23sten Apr. auf Allerhöchsten Befehl, im Landtage zu Hermanstadt, theils vortheilhafter erklärt, theils gänzlich aufgehoben worden. — In der That, mein Freund! gänzlicher Ruin drohte unsrer Völkerschaft, und die Last ihrer ungeheuren Schulden hätte sie ohne Hoffnung in den kläglichen Zustand versetzt, darinn sie sich vor dem Andreanischen Privilegium befand. Fand sie aber damals an dem weisen Könige einen mächtigen und großmühtigen Erretter: o! welchen hat ihr die göttliche Vorsehung an dem allerdurchleuchtigsten Hause von Oesterreich geschenket! — Väter des verflossenen Jahrhunderts! sähet ihr unsere Zeiten; würdet ihr nicht mit Bewunderung, Dank, und Freude ausruffen: glückliche Enkeln! goldnes Zeitalter!

Ich versiegle meine Nachricht von dem Siegel unserer Nation, als eines der drey Landesstände, mit einem Abrisse desselben, und würde mich nun ihrer fernern Freundschaft empfehlen, wann ich nicht dächte, Sie würden sich dabey eines Umstandes erinnern, der mir itzt gleichfalls beyfällt. In meinem ehemaligen Briefe von dem Wappen des Fürstenthums Siebenbürgen, erklärte ich mich gegen Sie: mein Herz stimme für ein höheres Alter desselben, als daß Fürst Siegmund Báthori dessen Urheber sey. — Wie vergaß ich doch damals dieser Siegel der Siebenbürgischen Landesstände, die solches außer allen Zweifel setzen! Sehen Sie, mein Freund!

(P504)

so vergessen machen mich manchmal meine Verhältnisse; seyn Sie aber versichert, daß mein Herz nie der Verbindlichkeit vergessen wird, mit der ich mich nenne, Ihren -

Sechszehnter Brief.

Fragmente von Stephan Berglers aus Kronstadt, Geschichte.


Bergler, unser Siebenbürgische Petrejus,* wäre zuletzt ein Muselmann geworden? warum nicht gar ein Kastrat?
Denn, die sich nie dem Ehstand weyhn,
Was, dörfen die noch Männer seyn?
Nicht wahr, Sie glauben hierinnen dem berühmten Gesner? Allein, ich versichere Sie, sein Gemälde von unserm Cynischen Philosophen ist zwar treffend, so lang er ihn aus dem Gesichte malet, aber gar nicht mehr, wann er ihn außer seinem Sehpunkte schildert.** Habe ich gleich nur Fragmente von Berglers seltsamen Geschichte, so sind sie doch historisch sichere, von Augenzeugen unterschrieben.

Blumenaue, eine der Vorstädte von Kronstadt, war der Geburtsort unsres Stephan Berglers. Hier lebte sein Vater, Johann Bergler, als ein Bäcker-

* Theodorus Petrejus, ein Dänischer Gelehrter von vorzüglichem Range im vorigen Jahrhunderte, aber von einer ungeselligen, mürrischen und schmutzigen Lebensart. Benedikt Hopfer, der ihn in Kopenhagen gesprochen, schreibet seinem Freunde: Hominis istius si habitum spectes & incessum, imo totam vitae consvetudinem, sordida sunt omnia, nec quicquam svavitatis, dignitatis, vel decori habent aedes & convictus,  quibus utitur, parum quoque audiunt honeste.  — S. Maresius Epist. Philolog. Seite 685. der Rechenbergischen Ausgabe.

** In Praelect. Isagog. in Erudit. universalem. § 524.

(P505)

meister, und war mehr unter dem Namen Blösch Hannes (Walachisch Johann) als unter seinem eigenen bekannt. Vielleicht hatte er vorher in der Walachey gelebt. Wären die Diptychen der Kronstädtischen Parochialkirche nicht auch ein Raub des schrecklichen Brands zu Kronstadt, 1689. den 21sten April geworden; unfehlbar würde ich Ihnen, mein Freund! auch Berglers Geburtsjahr bestimmen können: so aber bleibet mir dasselbe ein Geheimniß. Im Jahre 1696 wurde er von dem gelehrten Schulrektor, Martin Ziegler unter die Manteltragenden Schüler (Studiosi togati) aufgenommen. Jünglinge, bey ihrer Aufnahme von vierzehn, fünfzehn Jahren. Schon itzt zeigte sich die künftige Erwartung von Berglern. Kunst vermogte bey ihm nichts: alles blieb Natur. Ungeselligkeit, schmutzige Sitten, die Tabakspfeife im Munde, alte Schriftsteller in Händen, war seine Lebensart. Markus Fronius, ein seltnes Beyspiel von Landgeistlichen, machte sich das Vergnügen, eine kleine Akademie in Rosenaue, wo er Pfarrer war, zu unterhalten. Er übte seine Schüler besonders im Disputiren. Welcher Beschäftigung wir denn auch seine Tusculanae Heltesdenses zu verdanken haben. Bergler befand sich mit unter seinen Zuhörern, aber Fronius konnte ihn wegen seines sittlichen Charakters niemals wohl leiden.

Ob er auf einer andern Universität, als in Leipzig studiert habe, weis ich nicht; allein ein Bergler in Leipzig — ist doch merkwürdig! Doch, lebte nicht auch Diogenes in dem artigen Athen? Er legte sich insonderheit auf seine Lieblingswissenschaft, die griechische Litteratur, und wenigstens eben so sehr auf das Trinken. Man konnte wohl auch von ihm sagen:
Regnat nocte calix, volvontur biblia mane,
Cum Phoebo Bacchus dividit imperium.
Hier lernte ihn Gesner kennen. Eine berauchte Kammer im siebenten Stockwerke des Fritschischen Hau-

(P506)

ses, war seine Wohnung, ein Schlafrock seine Kleidung, ein schmutziger Leuchter auf einem Tischchen, etliche alte griechische Bücher, und zwo Tobackspfeifen, sein ganzer Hausraht, und Tobacksdampf, seine Atmosphäre. Hatte er Geld, oder ein gutes Kleid, o! so verließ er die Tempel des Bacchus eher nicht, bis nicht alles, Geld und Kleider aufgeopfert waren. — Dann wurde er wieder fleißig und arbeitsam. Der berühmte Buchhändler, Thomas Fritsch, ließ auch keine Gelegenheit ungenützt, wann er Berglers Talente zum Dienste der gelehrten Welt gebrauchen konnte. Auf seine Empfehlung berief ihn Wettstein nach Amsterdam, um seine vorhabenden Ausgaben einiger griechischen Schriftsteller zu besorgen. Pollux, Onomastikon von 1706, und Homers Werke von 1707. sind Ausgaben, die Berglers Namen Ehre machten. Von hier reisete er nach Hamburg, woselbst er dem berühmten Joh. Albert Fabrizius bey seiner Bibliotheca Graeca, und der Ausgabe des Sextus Empirikus 1718. gute Dienste leistete. In Hamburg sprach ihn sein Landsmann Trausch, der nachgehends als Pfarrer zu Zeyden in Burzelland gestorben ist; und Bergler war sich noch immer gleich. Er hatte Rock und Weste, aber kein Hemd darunter.

Fritsch ließ ihn wieder nach Leipzig kommen, indem er die Küsterische Ausgabe von des Aristophanes Lustspielen, zu Amsterdam, in möglichster Richtigkeit wieder auflegen wollte. Berglers Ausgabe habe ich nie gesehen. Ach! wie leid ist es mir, mein Freund! daß ich Ihnen das Geständniß meiner Unwissenheit so oft thun muß; allein, warum ist mein Wirkungskreis so enge? Mein Herz ist daran nicht Schuld. Ich weis nur, daß Berglers Ausgabe dieses Dichters, Amsterdam, 1760. in 2 Quartbänden, ungleich schlechter als die Küsterische seyn soll.* Itzt 1718. lernte ihn Johann von Seulen, ein Kron-

* Harwords Uibersicht verschiedener Ausgaben griechischer und römischer Klassiker. Von Franz Karl Vater. S. 28.

(P507)

städter Patricier, der sich zu Leipzig der Arzneykunst weyhte, kennen. Bergler hatte sein Bette auf dem Fußboden, und außer einigen griechischen Folianten, und was uns Gesner sagt, nichts mehr, als einen kleinen Spiegel, fast an der Oberdecke seiner Wohnung. Vor diesem barbirte er sich, und um dahin zu reichen, stund er allezeit auf etlichen Folianten. — Indessen hatte der Ruhm seiner Gelehrsamkeit sogar Rom erreicht. Er empfieng ein Schreiben von einem Kardinale, mit der Bitte, die beygelegte alte griechische Schrift zu lesen, und zu übersetzen. Seulen, der eben gegenwärtig war, konnte sich nicht enthalten, Berglern zu sagen: „Woher weis denn der Kardinal von des Blösch Hannes seinem Sohne?" — Genug aber, Bergler erfüllte das Vertrauen, das man in Rom auf seine griechische Litteratur setzte. Nur Schade! daß Seulen uns diese Schrift nicht nennet.

Um einen anständigen Dienst bekümmerte er sich niemals, und welcher wäre auch seiner Lebensart angemessen gewesen? Ja, sollte ich irren, mein Freund! wann ich die Güte der Walachischen Weine und die ungeformten Sitten der Einwohner, für die wirksamsten Bewegungsgründe ansehe, warum er den Beruf nach Bukarescht annahm? Ich müßte Berglers Charakter sehr schlecht kennen! — Der Hospodar, Nikolaus Maurokordato, der einen starken Briefwechsel mit ausländischen Gelehrten und Buchhändlern unterhielt, verlangte von Fritschen einen Menschen in seine Dienste, der mit andern Wissenschaften, eine gute Kenntniß der griechischen Sprache verbände. Fritsch empfahl ihm unsern Bergler, und dieser nahm den Beruf an. Er reiste durch Siebenbürgen und Burzelland, aber als Bergler! Denn er besuchte nicht einmal seine Vaterstadt, bey deren Mauern er doch vorbey reisen mußte. Sollte dieses den Kronstädtern nicht empfindlich gefallen seyn? Sie hielten es für Stolz unh Verachtung; mir aber ist es

(P508)

vielmehr phlegmatische Gleichgültigkeit, die Berglern so eigen war. — In Bukarescht fand er die Gnade des Fürsten. Er unterrichtete dessen Prinzen, übersetzte ihm die Europäischen Zeitungen in das Griechische, und seine griechischen Schriften ins Lateinische; sammlete auf Fürstliche Unkosten aus allen Theilen Europens eine prächtige Bibliothek, die Maurokordato nachgehends an die griechische Patriarchalkirche zu Konstantinopel, zu seinem Gedächtnisse verehrte. —

Allein, "wegen seines Rückfalls in seine alte träge und asotische Lebensart, soll er vom Hofe entfernt worden seyn," — Hätte er sich wie der gelehrte Abenteurer, Doktor Vanderbech, in Staatssachen gemischt, so hätte er leicht sein Schicksal haben können; oder er wäre gar, wie Nacht und Nebel aus der Walachey zu flüchten. Allein, ein Mann von Berglers Charakter hat an dem Walachischen Hofe kein sonderliches Unglück zu befürchten! Er hatte seine besondere Wohnung, konnte also ungestört seinem Genius gemäß leben. Maurokordato und dessen Prinzen kannten seinen Geschmack wohl, haßten ihn aber deswegen so wenig, daß er sehr vieles Gute von der Fürstlichen Tafel genoß, und von den Prinzen die kostbarsten Weine so reichlich erhielt, daß er nach Mittags niemals nüchtern war. Doch verrichtete Bergler seine Dienste eben so gut, vielleicht noch besser, als vom Bacchus unbegeistert!

"Von Noht und Mangel gedrungen, soll er endlich ein Muselmann geworden seyn, und weis Gott, was für ein Ende mit Schrecken genommen haben." — Hierinnen ist Gesner schlecht berichtet. Bergler hat nie Bonnewals Rolle gespielt. Doch veränderte er seine Religion, und vielleicht hat dieses in der Ferne das Gerücht verbreitet, er habe seine Vorhaut dem Mahomed geopfert. Nein, er trat zur Römischkatholischen Kirche. — Wie? werden Sie sagen: zu dieser Kirche? in Bu-

(P509)

karescht? Was konnte er da für Vortheile davon erwarten? Warum nicht zu Rom, oder einem andern Orte, da er reichlich geärndet hätte? Proselyten hatten ja sonst gemeiniglich diese ihre letzte Waare sehr hoch im Preise. — In der That, man hätte von ihm in Bukarescht, eher Gesners Bericht, als diesen Auftritt vermuhten können. Auch Johann von Seulen,* der im letztern Türkenkriege vom Jahre 1736. auf hohen Befehl, zu dem Fürsten nach Bukarescht kam, konnte ihm seine Verwunderung darüber nicht verbergen. Aber Berglers ganze Antwort war: ich habe es in alten Schriften gefunden, daß diese Religion die wahre sey.

Nach seinem Tode, dessen Zeitpunkt mir unbekannt ist, ließ ihn der Fürst mit vielem Pompe zu Bukarescht begraben. Herr Pastor Roth, dessen Güte ich meistentheils diese Bruchstücke zu danken habe, setzet hinzu: "Ich habe als Knabe seine Schwester und einen Bruder von ihm, Lorenz Bergler gekannt, welche beyde nach Berglers Tode, bey dem sie in Bukarescht eine geraume Zeit gelebt hatten, herausgekommen, und in ihrer Walachischen Kleidung in der Blumenau lebten. Auch seinen jüngsten Bruder, Jakob Bergler, einen Beindrechsler habe ich gekannt. Dieser reiste nach Bukarescht, um seines Bruders Verlassenschaft abzuholen, kam aber leer zurück." Sollte aber auch ein Bergler etwas hinterlassen können? —

Peter Burmann soll in seiner Vorrede zu der neuen Ausgabe des Aristophanes, Leyden 1762. verschiedene Nachrichten von Berglern ertheilen. Mir aber unbekannt, kann ich von ihrem Wehrte nichts urtheilen. Unter den griechischen Schriftstellern, um die sich Bergler verdient gemacht hat, sind auch Alciphron und Joseph Genesius, ein Geschichtschreiber unter dem Kaiser Konstantinus Porphyrogenitus. Die griechischen Briefe, der

* Dieser Arzt von grossen Verdiensten, starb als Kronstädter Richter, den 22sten Nov. 1757.

(P510)

erstern gab er mit einer lateinischen Uibersetzung und Anmerkungen, 1715 zu Leipzig heraus; und des letztern Geschichte von dem Bilderfeindlichen Kaiser Leo, dem Armenier, bis zu dem Bilderliebenden Basilius, dem Macedonier, wurde mit Berglers Uibersetzung und Anmerkungen zu Venedig, 1733. in Folio gedruckt. — Gesner fällt endlich von unserm Bergler das Urtheil: Er sey bey dem lüderlichsten Leben, ein Mann von grosser Gelehrsamkeit, und wann diese verkauft werden könnte, von höchst schätzbarem Wehrte gewesen. — Werden Sie dieses Urtheil, mein Freund! nicht willig mit mir unterschreiben? Gewiß, ich bin davon eben so sehr versichert; als Sie, mein Liebster! versichert seyn können, daß ich sey —

Joh. Seivert.
Topic revision: r31 - 01 Dec 2011, KatalinBlasko
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