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ZUM GESAMTINHALT
Ungrisches Magazin, Band 2, Heft 4, Text 33 (S. 498-510)
Hrsg. von
Karl Gottlieb Windisch
Pre\xDFburg,
L\xF6we, 1782
Autor:
Johann Seivert
Zuordnung: Geschichte
Siebenb\xFCrgische Briefe (1-5) 1
Siebenb\xFCrgische Briefe (6-9) 2
Siebenb\xFCrgische Briefe (10-14) 3
Siebenb\xFCrgische Briefe (15-16) 4
Siebenb\xFCrgische Briefe (17-19) 5
(P498)
33. Siebenb\xFCrgische Briefe.
F\xFCnfzehnter Brief.
Vom Siegel der S\xE4chsischen Nation, als eines Landstandes.
Und wann auch Vaterland und Nation nichts f\xFCr uns th\xE4ten, mein Freund! so bleibet es doch unsre Pflicht, alles f\xFCr sie zu thun! — Wir sind ihre Kinder. Ich wenigstens w\xFCnschte allemal lieber ihre Ehre zu werden, als wann blos Vaterland und Nation meine Ehre w\xE4re. K\xF6nnte also mein Herz wohl gleichgiltig seyn? K\xF6nnte ich schweigen, wann die Geschichtschreiber, unsrer Nation ein Siegel aufb\xFCrden, dessen Aufschrift nur zu ihrer Schande gereichet? Nein, Patriotismus und Wahrheitsliebe erlauben mir es nicht. Nur bedaure ich, das \xE4dle Herz des verdienstvollen
Verfassers der Ungrischen Annalen, da\xDF es, unfehlbar von dem Vater
Szegedi* get\xE4uscht worden, zu glauben: als habe der Ha\xDF des F\xFCrsten
Gabriel B\xE1thori — gewi\xDF ein
Vatinianischer! — 1612 der
Nation aufgedrungen, statt der alten Aufschrift: Ad retinendam Coronam, die Worte: Rosz Nemzetb\xF6l \xE1ll, auf ihrem Siegel zu fuhren.** — Eine sehr nachtheilige Aufschrift, welche sie f\xFCr eine Na-
* In seinem Werkgen: Andreas II. Adsertor Libertatis Saxonum in Transilv.
** S. Diss. Historico-Crit. in Annales vett. Hunn. - - S. 166.
(P499)
tion erkl\xE4rt, die aus einem b\xF6sen Volke bestehet. Allein, hievon weis ihr Siegel gar nichts! —
Eigentlich f\xFChret die S\xE4chsische Nation ein doppeltes Siegel. Eines, als ein eigenes und besonderes Volk, nach der Freyheit, die ihnen
K\xF6nig Andreas von Jerusalem, im Jahre 1224 ertheilte;* und eines, als einer der
drey Landst\xE4nde. Jenes hat vom Anfange her bis itzt, die sch\xF6ne Umschrift: SIGILLVM CIBINIENSIS PROVINCIE. AD RETINENDAM CORONAM. Eine Beschreibung davon finden Sie in meinen
Grafen der S\xE4chsischen Nation und K\xF6nigsrichter zu Hermannstadt.** Ich werde also hier nur von dem letztern reden, als welches die ber\xFCchtigte Aufschrift f\xFChren soll. Dieses Siegel nun hat seinen Ursprung gar nicht dem F\xFCrsten Gabriel B\xE1thori zu danken; sondern der Vereinigung der
drey Nationen in Siebenb\xFCrgen, unter dem
K\xF6nige Johann von Sapolya. Siebenb\xFCrgen ward 1538 ein unabh\xE4ngiger Staat vom K\xF6nigreiche Ungern, und dadurch erhielt auch die Staatsverfassung desselben eine ganz neue Gestalt. Die Sachsen, vier Jahrhunderte hindurch durch K\xF6nigliche Diplomen in ihrem Polizeywesen, Rechten und Oekonomien von Ungern und
Seklern abgesondert, lie\xDFen sich \xFCberreden, mit diesen beyden Nationen in die genaueste Verbindung zu treten. Diese nannten sich dann: die Landst\xE4nde der drey Nationen des F\xFCrstenthums Siebenb\xFCrgen;*** und beschlossen: alle Landtagsschl\xFC\xDFe und \xF6ffentliche Urkunden sollten nur durch Untersieglung aller drey St\xE4nde ihre Giltigkeit erhalten. Zu diesem Zwecke wurde f\xFCr jede Nation ein besondres Siegel mit ihrem Wappen ausgefertigt, und jeder das
* Insuper eisdem concessimus, quod unicum Sigillum habeant, quod apud nos & magnates nostros evidenter cognoscatur.
** Den Anfang davon findet man im dritten St\xFCcke des zweyten Bandes, dieses Magazins.
*** Status & Ordines trium Nationum Principatus Transylvaniae.
(P500)
ihrige zur Verwahrung \xFCberlassen. Der Siegelbewahrer der Komitate, wurde der Obergespan der
Wei\xDFenburger Gespanschaft; der von der S\xE4chsischen Nation, der
Graf derselben und K\xF6nigsrichter zu Hermanstadt; und der Sekler, der Oberk\xF6nigsrichter des
Udvarhellyer Stuhls; und sie sind es auch zu unsern Zeiten.
Diese drey Siegel zusammen, enthalten die Aufschrift: Nemes h\xE1rom Nemzetb\xF6l \xE1llo Erd\xE9ly Orsz\xE1ga. (Inclutum ex tribus Nationibus consistens Regnum Transilvaniae.) Denn auf jedem stehet nur ein Theil derselben. Hier haben Sie, mein Freund! ihre Beschreibung, und k\xF6nnen sich sicher darauf verlassen. Auf dem Siegel der zehen Ungrischen Gespanschaften liest man:
NEMES HA. SIGILLVM X. COMITATVVM (so) TRANS. ilvaniae.
Das mit Schnitzwerk gezierte Schild f\xFChret einen halben ungekr\xF6nten Adler mit flatternden Fl\xFCgeln. — Darauf folget das S\xE4chsische, mit einem gleichen Schilde, in welchem sieben Kastelle: 2, 3, 2. und der Umschrift zu sehen sind:
ROM NEMZETB\xD6L AL. SIGIL. NATIONIS SAXONICAE.
Endlich auf dem Siegel der Seklerischen V\xF6lkerschaft stehet:
LO ERDELI ORSZAGA. SIGIL. NATIONIS SICVLICAE.
und der mit den vorhergehenden gleiche Schild, enth\xE4lt die stralende Sonne, darunter der stralende halbe Mond.
Sollte es also, mein Be\xDFter! nicht Unwissenheit, oder gar noch mehr als diese seyn, da\xDF man die Worte des S\xE4chsischen Siegels — rom Nemzetb\xF6l \xE1l — die ohne Verbindung mit den \xFCbrigen gar keinen Verstand haben, nicht nur davon getrennet; sondern gar in das schimpfliche: Rosz Nemzetb\xF6l \xE1l verwandelt hat?
(P501)
Vielleicht aber hat Folgendes zu diesem Irrthume Gelegenheit gegeben. Aus den angef\xFChrten Siegeln erhellet unwidersprechlich, da\xDF die S\xE4chsische Nation den Rang vor der Seklerischen gehabt, und ihr Siegel die mittelste Stelle eingenommen habe. Allein heut zu Tage geschieht es nicht mehr. Itzt hat es die letzte Stelle, wodurch dann die Aufschrift aller drey Siegel verdorben, und ganz R\xE4htselhaft geworden ist. Gedenken Sie sich nun einen Gelehrten, der dieses nicht gewu\xDFt, und doch den Sinn der Worte wissen wollen; hat er nicht leicht durch eine ungl\xFCckliche Kritik meynen k\xF6nnen, es m\xFC\xDFe anstatt: rom, Rosz hei\xDFen? O, wie Vieles w\xFCrde der menschliche Verstand leichter entziffern, wann er es nicht f\xFCr Geheimnisse hielte!
Fragen Sie aber, mein Freund! seit wann unser Siegel seine urspr\xFCngliche Stelle verloren? so mu\xDF ich Ihnen meine Unwissenheit bekennen; zugleich aber, da\xDF es der Nation unendlich vortheilhafter gewesen seyn w\xFCrde, wann sie ihr Siegel weder in die Mitte, noch zuletzt h\xE4tte setzen d\xFCrfen. Himmel! welch eine reiche Qwelle von traurigen Folgen ist ihr diese Ehre eines Landstandes geworden! Zwar war es f\xFCr sie sehr schmeichelhaft, dadurch Sitz und Stimme auf den Landtagen, und alle Vorrechte der andern Nationen bey \xF6ffentlichen Angelegenheiten zu erhalten; ohne dabey im Besitze ihrer alten Nationalrechte und Freiheiten gest\xF6rt zu werden. Allein, was wurden ihr alle diese gl\xE4nzenden Vortheile? Irrlichter, die sie in einen Sumpf f\xFChrten, daraus sie sich zwey Jahrhunderte hindurch nicht heraus wickeln k\xF6nnen. Denn kaum war das Band dieser Vereinigung gekn\xFCpft: so ward durch Mehrheit der Stimmen beschlossen: was zwo Nationen f\xFCr gut erkennen und beschlie\xDFen w\xFCrden; sollte die dritte anzunehmen verpfiichtet seyn. Zwar, war hierbey das Absehen, dem Vorgeben nach, auf die Sekler gerichtet, die so wenig Antheil an den gemeinen Lasten nahmen, und keine mehrere
(P502)
\xFCbernehmen wollten. Allein, welche hatte bey diesem Landtagsschlusse aus allen Gesichtspunkten mehr zu bef\xFCrchten, als die S\xE4chsische Nation? —
Ein grosser Staatsmann dr\xFCcket sich dar\xFCber also aus: "Man brauchte keinen grossen Verstand, keine au\xDFerordentliche Einsicht, wann man die gef\xE4hrlichen Folgen f\xFCr die Nation von diesem Schlusse vorher sehen wollte. Die Ungern und Sekler waren nur dem Namen nach von einander unterschieden, und hatten au\xDFer einigen wenigen Kreisen, die sie besonders bewohnten, alles andere gemein. Sie stammten von einem Geschlechte her, redeten eine Sprache, hatten gleiche Absichten, und waren theils durch das Band der Anverwandtschaft; theils durch den Besitz ihrer G\xFCter, die sie wechselsweise unter einander hatten, dermassen mit einander verkn\xFCpft, da\xDF sie in allen Angelegenheiten, welche die dritte, im gewissem Verstande fremde Nation angehen k\xF6nnten, f\xFCr Eins gehalten werden mu\xDFten. — Sie hatten \xFCbrigens in Absicht auf die Menge der Stimmen einen grossen Vorzug, und das offenbare Uibergewicht. Denn au\xDFer dem, da\xDF alle ihre Kreise auf den Landtagen Sitz und Stimme hatten, fanden sie noch das Mittel, nicht allein dem gr\xF6\xDFern Adel diese Vorz\xFCge zu ertheilen; sondern auch alle andern nach Belieben dazu zu lassen, und folglich ihre Stimmen ins Unendliche zu vervielf\xE4ltigen; da hingegen die S\xE4chsische Nation mit einer einzigen Stimme f\xFCr jeden Stuhl ins besondere, und folglich in allem mit Eilf Stimmen zufrieden seyn mu\xDFte.* —
Was konnte die Nation bey solchen Verh\xE4ltnissen anders erwarten, als das, welches wirklich erfolgte, da\xDF sie sich n\xE4mlich immer mehr und mehr gedr\xFCckt und eingeschr\xE4nkt sah! An den gemeinen Abgaben hatten die
* S. Denkw\xFCrdigkeiten zur Geschichte der Sachsen in Siebenb\xFCrgen, aus bew\xE4hrten Urkunden herausgezogen. \xA7 38. 39, und Kinder von Friedenberg: Brevis & Diplomatica Desciptio Nationie Saxonicae in Transilv.
(P503)
Sachsen vorher gleichen Antheil mit den Gespanschaften, nun aber fiel die Last derselben gr\xF6\xDFtentheils auf sie. In ihrer Gerichtsbarkeit wurden sie wider alle ihre Privilegien gekr\xE4nkt, viele ihrer freyen Mitglieder von dem K\xF6rper der Nation getrennet, und unter das Joch der Leibeigenschaft gezwungen; so, da\xDF sie ihr vorher unzertrennbares Gebiet nach und nach voller adelichen Besitzungen sahen. Auch wurden manche nachtheilige Gesetze f\xFCr ihre Vorrechte und Freyheiten, bey allen ihren Widerspr\xFCchen, durch die Uibermacht eingef\xFChrt, die erst
1692, den 23sten Apr. auf Allerh\xF6chsten Befehl, im Landtage zu Hermanstadt, theils vortheilhafter erkl\xE4rt, theils g\xE4nzlich aufgehoben worden. — In der That, mein Freund! g\xE4nzlicher Ruin drohte unsrer V\xF6lkerschaft, und die Last ihrer ungeheuren Schulden h\xE4tte sie ohne Hoffnung in den kl\xE4glichen Zustand versetzt, darinn sie sich vor dem
Andreanischen Privilegium befand. Fand sie aber damals
an dem weisen K\xF6nige einen m\xE4chtigen und gro\xDFm\xFChtigen Erretter: o! welchen hat ihr die g\xF6ttliche Vorsehung an dem allerdurchleuchtigsten Hause von Oesterreich geschenket! — V\xE4ter des verflossenen Jahrhunderts! s\xE4het ihr unsere Zeiten; w\xFCrdet ihr nicht mit Bewunderung, Dank, und Freude ausruffen: gl\xFCckliche Enkeln! goldnes Zeitalter!
Ich versiegle meine Nachricht von dem Siegel unserer Nation, als eines der drey Landesst\xE4nde, mit einem Abrisse desselben, und w\xFCrde mich nun ihrer fernern Freundschaft empfehlen, wann ich nicht d\xE4chte, Sie w\xFCrden sich dabey eines Umstandes erinnern, der mir itzt gleichfalls beyf\xE4llt. In meinem ehemaligen
Briefe von dem Wappen des F\xFCrstenthums Siebenb\xFCrgen, erkl\xE4rte ich mich gegen Sie: mein Herz stimme f\xFCr ein h\xF6heres Alter desselben, als da\xDF
F\xFCrst Siegmund B\xE1thori dessen Urheber sey. — Wie verga\xDF ich doch damals dieser Siegel der Siebenb\xFCrgischen Landesst\xE4nde, die solches au\xDFer allen Zweifel setzen! Sehen Sie, mein Freund!
(P504)
so vergessen machen mich manchmal meine Verh\xE4ltnisse; seyn Sie aber versichert, da\xDF mein Herz nie der Verbindlichkeit vergessen wird, mit der ich mich nenne,
Ihren -
Sechszehnter Brief.
Fragmente von Stephan Berglers aus Kronstadt, Geschichte.
Bergler, unser Siebenb\xFCrgische
Petrejus,* w\xE4re zuletzt ein Muselmann geworden? warum nicht gar ein Kastrat?
Denn, die sich nie dem Ehstand weyhn,
Was, d\xF6rfen die noch M\xE4nner seyn?
Nicht wahr, Sie glauben hierinnen dem ber\xFChmten
Gesner? Allein, ich versichere Sie,
sein Gem\xE4lde von unserm Cynischen Philosophen ist zwar treffend, so lang er ihn aus dem Gesichte malet, aber gar nicht mehr, wann er ihn au\xDFer seinem Sehpunkte schildert.** Habe ich gleich nur Fragmente von Berglers seltsamen Geschichte, so sind sie doch historisch sichere, von Augenzeugen unterschrieben.
Blumenaue, eine der Vorst\xE4dte von
Kronstadt, war der Geburtsort unsres Stephan Berglers. Hier lebte sein Vater,
Johann Bergler, als ein B\xE4cker-
* Theodorus Petrejus, ein D\xE4nischer Gelehrter von vorz\xFCglichem Range im vorigen Jahrhunderte, aber von einer ungeselligen, m\xFCrrischen und schmutzigen Lebensart. Benedikt Hopfer, der ihn in Kopenhagen gesprochen, schreibet seinem Freunde: Hominis istius si habitum spectes & incessum, imo totam vitae consvetudinem, sordida sunt omnia, nec quicquam svavitatis, dignitatis, vel decori habent aedes & convictus, quibus utitur, parum quoque audiunt honeste. — S. Maresius Epist. Philolog. Seite 685. der Rechenbergischen Ausgabe.
** In Praelect. Isagog. in Erudit. universalem. \xA7 524.
(P505)
meister, und war mehr unter dem Namen
Bl\xF6sch Hannes (Walachisch Johann) als unter seinem eigenen bekannt. Vielleicht hatte er vorher in der
Walachey gelebt. W\xE4ren die Diptychen der Kronst\xE4dtischen Parochialkirche nicht auch ein Raub des
schrecklichen Brands zu Kronstadt, 1689. den 21sten April geworden; unfehlbar w\xFCrde ich Ihnen, mein Freund! auch Berglers Geburtsjahr bestimmen k\xF6nnen: so aber bleibet mir dasselbe ein Geheimni\xDF. Im Jahre 1696 wurde er von dem gelehrten Schulrektor,
Martin Ziegler unter die Manteltragenden Sch\xFCler (Studiosi togati) aufgenommen. J\xFCnglinge, bey ihrer Aufnahme von vierzehn, f\xFCnfzehn Jahren. Schon itzt zeigte sich die k\xFCnftige Erwartung von Berglern. Kunst vermogte bey ihm nichts: alles blieb Natur. Ungeselligkeit, schmutzige Sitten, die Tabakspfeife im Munde, alte Schriftsteller in H\xE4nden, war seine Lebensart.
Markus Fronius, ein seltnes Beyspiel von Landgeistlichen, machte sich das Vergn\xFCgen, eine
kleine Akademie in Rosenaue, wo er Pfarrer war, zu unterhalten. Er \xFCbte seine Sch\xFCler besonders im Disputiren. Welcher Besch\xE4ftigung wir denn auch seine
Tusculanae Heltesdenses zu verdanken haben. Bergler befand sich mit unter seinen Zuh\xF6rern, aber Fronius konnte ihn wegen seines sittlichen Charakters niemals wohl leiden.
Ob er auf einer andern Universit\xE4t, als in Leipzig studiert habe, weis ich nicht; allein ein Bergler in Leipzig — ist doch merkw\xFCrdig! Doch, lebte nicht auch Diogenes in dem artigen Athen? Er legte sich insonderheit auf seine Lieblingswissenschaft, die griechische Litteratur, und wenigstens eben so sehr auf das Trinken. Man konnte wohl auch von ihm sagen:
Regnat nocte calix, volvontur biblia mane,
Cum Phoebo Bacchus dividit imperium.
Hier lernte ihn
Gesner kennen. Eine berauchte Kammer im siebenten Stockwerke des
Fritschischen Hau-
(P506)
ses, war seine Wohnung, ein Schlafrock seine Kleidung, ein schmutziger Leuchter auf einem Tischchen, etliche alte griechische B\xFCcher, und zwo Tobackspfeifen, sein ganzer Hausraht, und Tobacksdampf, seine Atmosph\xE4re. Hatte er Geld, oder ein gutes Kleid, o! so verlie\xDF er die Tempel des Bacchus eher nicht, bis nicht alles, Geld und Kleider aufgeopfert waren. — Dann wurde er wieder flei\xDFig und arbeitsam. Der ber\xFChmte Buchh\xE4ndler,
Thomas Fritsch, lie\xDF auch keine Gelegenheit ungen\xFCtzt, wann er Berglers Talente zum Dienste der gelehrten Welt gebrauchen konnte. Auf seine Empfehlung berief ihn
Wettstein nach Amsterdam, um seine vorhabenden Ausgaben einiger griechischen Schriftsteller zu besorgen.
Pollux, Onomastikon von 1706, und
Homers Werke von 1707. sind Ausgaben, die Berglers Namen Ehre machten. Von hier reisete er nach Hamburg, woselbst er dem ber\xFChmten
Joh. Albert Fabrizius bey seiner
Bibliotheca Graeca, und der
Ausgabe des Sextus Empirikus 1718. gute Dienste leistete. In Hamburg sprach ihn sein Landsmann
Trausch, der nachgehends als Pfarrer zu
Zeyden in
Burzelland gestorben ist; und Bergler war sich noch immer gleich. Er hatte Rock und Weste, aber kein Hemd darunter.
Fritsch lie\xDF ihn wieder nach Leipzig kommen, indem er die
K\xFCsterische Ausgabe von des Aristophanes Lustspielen, zu Amsterdam, in m\xF6glichster Richtigkeit wieder auflegen wollte.
Berglers Ausgabe habe ich nie gesehen. Ach! wie leid ist es mir, mein Freund! da\xDF ich Ihnen das Gest\xE4ndni\xDF meiner Unwissenheit so oft thun mu\xDF; allein, warum ist mein Wirkungskreis so enge? Mein Herz ist daran nicht Schuld. Ich weis nur, da\xDF Berglers Ausgabe dieses Dichters, Amsterdam, 1760. in 2 Quartb\xE4nden, ungleich schlechter als die K\xFCsterische seyn soll.* Itzt 1718. lernte ihn
Johann von Seulen, ein Kron-
* Harwords Uibersicht verschiedener Ausgaben griechischer und r\xF6mischer Klassiker. Von Franz Karl Vater. S. 28.
(P507)
st\xE4dter Patricier, der sich zu Leipzig der Arzneykunst weyhte, kennen. Bergler hatte sein Bette auf dem Fu\xDFboden, und au\xDFer einigen griechischen Folianten, und was uns Gesner sagt, nichts mehr, als einen kleinen Spiegel, fast an der Oberdecke seiner Wohnung. Vor diesem barbirte er sich, und um dahin zu reichen, stund er allezeit auf etlichen Folianten. — Indessen hatte der Ruhm seiner Gelehrsamkeit sogar Rom erreicht. Er empfieng ein Schreiben von einem Kardinale, mit der Bitte, die beygelegte alte griechische Schrift zu lesen, und zu \xFCbersetzen. Seulen, der eben gegenw\xE4rtig war, konnte sich nicht enthalten, Berglern zu sagen:
„Woher weis denn der Kardinal von des Bl\xF6sch Hannes seinem Sohne?" — Genug aber, Bergler erf\xFCllte das Vertrauen, das man in Rom auf seine griechische Litteratur setzte. Nur Schade! da\xDF Seulen uns diese Schrift nicht nennet.
Um einen anst\xE4ndigen Dienst bek\xFCmmerte er sich niemals, und welcher w\xE4re auch seiner Lebensart angemessen gewesen? Ja, sollte ich irren, mein Freund! wann ich die G\xFCte der Walachischen Weine und die ungeformten Sitten der Einwohner, f\xFCr die wirksamsten Bewegungsgr\xFCnde ansehe, warum er den Beruf nach Bukarescht annahm? Ich m\xFC\xDFte Berglers Charakter sehr schlecht kennen! — Der
Hospodar,
Nikolaus Maurokordato, der einen starken Briefwechsel mit ausl\xE4ndischen Gelehrten und Buchh\xE4ndlern unterhielt, verlangte von Fritschen einen Menschen in seine Dienste, der mit andern Wissenschaften, eine gute Kenntni\xDF der griechischen Sprache verb\xE4nde. Fritsch empfahl ihm unsern Bergler, und dieser nahm den Beruf an. Er reiste durch Siebenb\xFCrgen und Burzelland, aber als Bergler! Denn er besuchte nicht einmal seine Vaterstadt, bey deren Mauern er doch vorbey reisen mu\xDFte. Sollte dieses den Kronst\xE4dtern nicht empfindlich gefallen seyn? Sie hielten es f\xFCr Stolz unh Verachtung; mir aber ist es
(P508)
vielmehr phlegmatische Gleichg\xFCltigkeit, die Berglern so eigen war. — In Bukarescht fand er die Gnade des F\xFCrsten. Er unterrichtete
dessen Prinzen, \xFCbersetzte ihm die Europ\xE4ischen Zeitungen in das Griechische, und seine griechischen Schriften ins Lateinische; sammlete auf F\xFCrstliche Unkosten aus allen Theilen Europens eine pr\xE4chtige Bibliothek, die Maurokordato nachgehends an die griechische Patriarchalkirche zu Konstantinopel, zu seinem Ged\xE4chtnisse verehrte. —
Allein, "wegen seines R\xFCckfalls in seine alte tr\xE4ge und asotische Lebensart, soll er vom Hofe entfernt worden seyn," — H\xE4tte er sich wie der gelehrte Abenteurer,
Doktor Vanderbech, in Staatssachen gemischt, so h\xE4tte er leicht sein Schicksal haben k\xF6nnen; oder er w\xE4re gar, wie Nacht und Nebel aus der Walachey zu fl\xFCchten. Allein, ein Mann von Berglers Charakter hat an dem Walachischen Hofe kein sonderliches Ungl\xFCck zu bef\xFCrchten! Er hatte seine besondere Wohnung, konnte also ungest\xF6rt seinem Genius gem\xE4\xDF leben. Maurokordato und dessen Prinzen kannten seinen Geschmack wohl, ha\xDFten ihn aber deswegen so wenig, da\xDF er sehr vieles Gute von der F\xFCrstlichen Tafel geno\xDF, und von den Prinzen die kostbarsten Weine so reichlich erhielt, da\xDF er nach Mittags niemals n\xFCchtern war. Doch verrichtete Bergler seine Dienste eben so gut, vielleicht noch besser, als vom Bacchus unbegeistert!
"Von Noht und Mangel gedrungen, soll er endlich ein Muselmann geworden seyn, und weis Gott, was f\xFCr ein Ende mit Schrecken genommen haben." — Hierinnen ist Gesner schlecht berichtet. Bergler hat nie
Bonnewals Rolle gespielt. Doch ver\xE4nderte er seine Religion, und vielleicht hat dieses in der Ferne das Ger\xFCcht verbreitet, er habe seine Vorhaut dem Mahomed geopfert. Nein, er trat zur R\xF6mischkatholischen Kirche. — Wie? werden Sie sagen: zu dieser Kirche? in Bu-
(P509)
karescht? Was konnte er da f\xFCr Vortheile davon erwarten? Warum nicht zu Rom, oder einem andern Orte, da er reichlich ge\xE4rndet h\xE4tte?
Proselyten hatten ja sonst gemeiniglich diese ihre letzte Waare sehr hoch im Preise. — In der That, man h\xE4tte von ihm in Bukarescht, eher Gesners Bericht, als diesen Auftritt vermuhten k\xF6nnen. Auch
Johann von Seulen,* der im letztern T\xFCrkenkriege vom Jahre 1736. auf hohen Befehl, zu dem F\xFCrsten nach Bukarescht kam, konnte ihm seine Verwunderung dar\xFCber nicht verbergen. Aber Berglers ganze Antwort war: ich habe es in alten Schriften gefunden, da\xDF diese Religion die wahre sey.
Nach seinem Tode, dessen Zeitpunkt mir unbekannt ist, lie\xDF ihn der F\xFCrst mit vielem Pompe zu Bukarescht begraben. Herr
Pastor Roth, dessen G\xFCte ich meistentheils diese Bruchst\xFCcke zu danken habe, setzet hinzu: "Ich habe als Knabe seine Schwester und einen Bruder von ihm,
Lorenz Bergler gekannt, welche beyde nach Berglers Tode, bey dem sie in Bukarescht eine geraume Zeit gelebt hatten, herausgekommen, und in ihrer Walachischen Kleidung in der
Blumenau lebten. Auch seinen j\xFCngsten Bruder,
Jakob Bergler, einen Beindrechsler habe ich gekannt. Dieser reiste nach Bukarescht, um seines Bruders Verlassenschaft abzuholen, kam aber leer zur\xFCck." Sollte aber auch ein Bergler etwas hinterlassen k\xF6nnen? —
Peter Burmann soll in seiner Vorrede zu der neuen
Ausgabe des Aristophanes, Leyden 1762. verschiedene Nachrichten von Berglern ertheilen. Mir aber unbekannt, kann ich von ihrem Wehrte nichts urtheilen. Unter den griechischen Schriftstellern, um die sich Bergler verdient gemacht hat, sind auch
Alciphron und
Joseph Genesius, ein Geschichtschreiber unter dem Kaiser
Konstantinus Porphyrogenitus. Die griechischen Briefe, der
* Dieser Arzt von grossen Verdiensten, starb als Kronst\xE4dter Richter, den 22sten Nov. 1757.
(P510)
erstern gab er
mit einer lateinischen Uibersetzung und Anmerkungen, 1715 zu Leipzig heraus; und des letztern Geschichte von dem Bilderfeindlichen
Kaiser Leo, dem Armenier, bis zu dem
Bilderliebenden Basilius, dem Macedonier, wurde
mit Berglers Uibersetzung und Anmerkungen zu Venedig, 1733. in Folio gedruckt. — Gesner f\xE4llt endlich von unserm Bergler das Urtheil: Er sey bey dem l\xFCderlichsten Leben, ein Mann von grosser Gelehrsamkeit, und wann diese verkauft werden k\xF6nnte, von h\xF6chst sch\xE4tzbarem Wehrte gewesen. — Werden Sie dieses Urtheil, mein Freund! nicht willig mit mir unterschreiben? Gewi\xDF, ich bin davon eben so sehr versichert; als Sie, mein Liebster! versichert seyn k\xF6nnen, da\xDF ich sey —
Joh. Seivert.