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ZUM GESAMTINHALT
Ungrisches Magazin, Band 2, Heft 4, Text 32 (S. 475-497)
Hrsg. von
Karl Gottlieb Windisch
Pre\xDFburg,
L\xF6we, 1782
Autor:
Samuel Augustin ab Hortis
Zuordnung: Geographie
Beschreibung des Flusses Poprad 1
Beschreibung des Flusses Poprad 2
Beschreibung des Flusses Poprad 3
Beschreibung des Flusses Poprad 4
(P475)
32. Topographische Beschreibung des Flusses Poprad, oder Poper in der Zips.
Fortgesetzt von der 367. Seite dieses Bandes.
Dritte Abtheilung.
Die Einwohner dieser Landschaft m\xFC\xDFen entweder nach ihrem Stande und Lebensart, oder nach ihrer Nation betrachtet werden. Nach ihrem Stande sind es entweder Leute vom Adel, B\xFCrger, oder Bauern; der Nation nach aber entweder
Sachsen und Deutsche, oder Slowaken und
Ru\xDFnaken.
Was den Adel betrift, so wird jedermann, der auch nur einige Erfahrung von den Sitten und der Lebensart des ehemaligen und des heutigen Adels besitzet, und beydes gegen einander h\xE4lt, gar leicht einsehen, da\xDF der heutige Adel, von jenem, der fast bis in die H\xE4lf-
(P476)
te des gegenw\xE4rtigen Jahrhunderts lebte, sehr weit unterschieden sey. Das m\xE4nnliche Geschlecht desselben hat sich zwar von langen Zeiten her, nicht allein im ganzen Lande, sondern besonders in hiesiger Gegend, auf die Kenntni\xDF der Landesrechte und Sprachen geleget, und einige von ihnen haben auch fremde L\xE4nder und Universit\xE4ten, wegen Erlernung n\xFCtzlicher Wissenschaften besucht, wie solches verschiedene Beyspiele, aus den Graf
T\xF6k\xF6lischen, Baron
Palotschaischen,
Horv\xE1th Stansithischen, und andern adelichen H\xE4usern hinl\xE4nglich beweisen. Daher findet man auch, da\xDF der hiesige Adel bereits vor uralten Zeiten, wichtige W\xFCrden und Aemter im Lande sowohl, als in den Gespanschaften bekleiden konnte,
Andreas de Lomnitza & Berzevicze war schon im Jahre 1347. und
Joannes Horv\xE1th de Lomnitza im Jahre 1511.
Probst des Zipserkapitels.
Mathaeus de Palocz war ungrischer
Palatin, und sein Bruder
Georgius de Palocz im Jahre 1408. anf\xE4nglich
Zipserprobst, hernach 1419.
Bischof in Siebenb\xFCrgen, endlich aber
Erzbischof von Gran, und Primas des K\xF6nigreichs Ungern;
Petrus de Berzevicze bekleidete zu der n\xE4mlichen Zeit die W\xFCrde eines
Grafen von Zips, (Comes Scepusiensis) und eines K\xF6niglichen Schatzmeisters. (Tavern. Regalium Magister) Aus der
Horv\xE1th Stansithischen,
Mariaschischen und
G\xF6rgeyschen Familie haben verschiedene zu mehrerenmalen die
Vicegespansw\xFCrde in dem
Zipser Komitate bekleidet.*
Das Frauenzimmer ward zwar in guten Sitten, und in der Haushaltung mit grossem Ernste erzogen; allein die Wissenschaften sah man f\xFCr das sch\xF6ne Geschlecht, als etwas Uiberfl\xFC\xDFiges an, und daher wurden sie auch nur von sehr wenigen geachtet. Als ein Grund von einer solchen Tr\xE4gheit in diesem Fache, kann
*Wagneri Analecta Scepusii Sacri & Profani. Pag. 34. 43. 160. 214. &c.
(P477)
die damalige Vernachl\xE4\xDFigung der deutschen Sprache mit angesehen werden. Diese Sprache, in welcher sich das Frauenzimmer, durch das Lesen guter und n\xFCtzlicher B\xFCcher, nicht nur eine angenehme Unterhaltung, sondern auch eine grosse Aufkl\xE4rung des Verstandes h\xE4tte erwerben k\xF6nnen, ward dazumal von den meisten Ungern verachtet, ja sie war bey ihnen so sehr verha\xDFt, da\xDF sie es f\xFCr eine Schande hielten, diese Sprache zu verstehen, oder sie ihre Kinder lernen zu lassen, wenn sie auch die be\xDFte und beqwemste Gelegenheit dazu gehabt h\xE4tten. Daher geschah es \xF6fter, da\xDF wenn einige vom Adel auch mitten unter deutschen Bauern auf dem Lande wohnten, dennoch diese Sprache nicht erlernen wollten; und damit solche auch ihren Kindern durch den Umgang nicht ankleben m\xF6chte, so duldeten sie keine deutschen Dienstbohten an ihren H\xF6fen, sondern nahmen viel lieber Ungern, oder Slowaken zu ihrer Bedienung. — Heut zu Tage aber siehet es ganz anders aus: an allen adelichen H\xF6fen wird neben den \xFCbrigen Landessprachen, meistentheils Deutsch gesprochen, deutsche B\xFCcher gelesen, und nicht blo\xDF das m\xE4nnliche, sondern auch das weibliche Geschlecht, wird in der Musik und allerhand sch\xF6nen Wissenschaften unterrichtet, und gleich von Kindheit an recht gut erzogen, und gebildet.
Eben so sehr unterschieden sich auch die Wohnungen der Alten, von den Wohnungen des heutigen Adels. Jene bauten ihre Kastelle und Schl\xF6\xDFer sehr stark und dauerhaft, inwendig aber traf man wenig gute Wohnzimmer und Gelegenheiten an. Sie wohnten gern beysammen; und mit einer grossen Stube haben sich ganze Familien beholfen. — Heute aber wird alles auf das Zierlichste und Beqwemste, nach den be\xDFten Regeln der Baukunst eingerichtet. Auch ihre Kutschen, Zugpferde, und ihre ganze Bedienung zeugt von dem be\xDFten Geschmacke. — Nur in der Kleidung scheinen die Alten gesetzter, standhafter, und zugleich wirtschaftlicher gewesen
(P478)
zu seyn, wenn man sie besonders in Beziehung auf das sch\xF6ne Geschlecht erw\xE4get. Ihr Pracht bestund ehedem in gediegenem Golde und Silber, in Perlen, Edelsteinen, feinen T\xFCchern, reichen Gold, und Silberborten, kostbaren seidenen, oder mit Gold und Silber gew\xFCrkten schweren Zeugen. Diese Kleidung war allerdings kostbar, allein das Frauenzimmer hatte bey dieser ernsthaften Tracht ein gesetztes Ansehen, es zeichnete sich damit von allen Ausl\xE4nderinnen aus, und brachte dergleichen Kleider und Schmuck auf ihre Kinder, und Kindeskinder. Itzt aber verf\xE4llt das Frauenzimmer auf allerhand ausl\xE4ndische Moden, und nimmt fast jedes Qwatember einen ver\xE4nderten Kopf, und eine andere Gestalt an, so, da\xDF wenn man ein Frauenzimmer ein ganzes Jahr nicht gesehen hat, man nicht mehr im Stande ist, es auf den ersten Anblick zu erkennen.
Die Eink\xFCnfte des hiesigen Adels bestehen eben so, wie in den \xFCbrigen Theilen des Landes, in Arbeiten, und Gef\xE4llen, die sie nach dem Urbario von ihren Unterthanen erhalten, wie auch im Genusse der so genannten Regalien, als M\xFChlen, Schenkh\xE4usern und Waldungen. Au\xDFerdem bauen nicht wenige sehr flei\xDFig, die
um Tokay liegenden Weingebirge, machen Ausbruch, und verschlei\xDFen solchen in andere L\xE4nder. Einige H\xE4user besitzen namhafte Kapitalien am Gelde, und erhalten durch Zinsen einen nicht geringen Zuwachs ihres Einkommens. Die Lage der hiesigen Landschaft ist ihnen so angenehm, da\xDF sie hier am liebsten wohnen, wenn sie gleich mehrere G\xFCter in andern Komitatern und Gegenden ihres Vaterlandes besitzen.
Der B\xFCrger ist in den hier befindlichen St\xE4dten und Marktflecken mit allen seinen Hausgenossen beyderley Geschlechts arbeitsam; besch\xE4ftiget sich mit den Handel, der Wirtschaft und den Handwerken; manche auch mit K\xFCnsten und Wissenschaften. Das weibliche Geschlecht greift neben andern h\xE4uslichen Gesch\xE4ften flei\xDFig
(P479)
nach dem Rocken und der Spindel, und machet Leinwand, sowohl f\xFCr das Haus, als zum Verkaufe. Der ansehnlichste Theil der B\xFCrger ist in der Lebensart ordentlich, sparsam, und m\xE4\xDFig; dennoch, wo er glaubt, da\xDF er sich sehen lassen mu\xDF, freygebig, und gro\xDFm\xFChtig. In der Modekleidung ist er gern der letzte.
Die Bauern, die den Ackerbau, und die Viehzucht auf dem L\xE4nde treiben, sind entweder Slowaken, oder
Ru\xDFnaken, oder Deutsche, Abk\xF6mmlinge der alten
Sachsen.
Die Slowaken sind ohnehin im ganzen Lande bekannt, und ausgestreut, da\xDF man also gar nicht n\xF6htig hat, eine weitl\xE4uftige Beschreibung von diesem Volke zu machen. Es ist eine k\xFChne, geschickte, arbeitsame, und durchgetriebene Nation, die sich viel eher zu etwas entschlie\xDFen kann, als der Deutsche. Die hier wohnenden sind in ihrer Mundart und Sitten sehr von einander unterschieden. Die, welche an dem obern Flusse wohnen, nahen sich dem
Liptauer und B\xF6hmischen Dialekte, die mittlern dem
Sch\xE1roscher, die untern aber, welche Pohlen zur Nachbarschaft haben, sprechen so gut pohlnisch, als wenn sie in diesem Lande gebohren w\xE4ren. Diese sind meist abgeh\xE4rtete Leute, und gewohnt mit der allerschlechtesten Kost, von Erdgew\xE4chsen, Brey, Bohnen, und Haberbrod vorlieb zu nehmen, ob sie gleich sehr flei\xDFige Arbeiter sind. Alle hiesigen Slowaken sind entweder der Katholischen, oder der Lutherischen Religion zugethan.
Die Ru\xDFnaken oder Russen, ein starkes und dauerhaftes Volk, wohnt meist zwischen Gebirgen und W\xE4ldern, liebt vorz\xFCglich die Viehzucht, und treibet damit Handel. Ihre Sprache ist zwar slowakisch, und sowohl der B\xF6hme, als auch der Polak kann sie verstehen, doch n\xE4hert sie sich etwas der russischen. Ob aber ihre Aehnlichkeit mit der \xE4chten russischen so gro\xDF sey, da\xDF sie sich einander gut verstehen k\xF6nnten, daran
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ist sehr zu zweifeln. Ehedem war diese Nation, wegen der ruhmlosen Eigenschaft des Stehlens und Raubens in so \xFCbelm Rufe, da\xDF man dieserwegen den Galgen und das Rad, ein Ru\xDFnakisches Begr\xE4bni\xDF nannte; nunmehr sind aber auch diese Leute schon gesitteter, und ordentlicher. Daraus man denn sehen kann, da\xDF dieser Fehler blos durch ihre schlechte Erziehung, \xFCble Anleitung, Verf\xFChrung und Gewohnheit entstanden sey. Der verstorbene F\xFCrst
Theodor Lubomirsky hat seine meisten Bedienten aus dieser Nation gehabt, als er die
Zipser Starostey besa\xDF, und fand an ihnen die treuesten, brauchbarsten, und geschicktesten Leute. Sie bekennen sich alle zu der Griechischuniirten Kirche.
Die Deutschen, oder
Sachsen sind die namhaftesten, und zugleich die st\xE4rksten unter den Nationen, die an dem Flusse Poprad wohnen. Weil diese aber nicht allenthalben bekannt sind, so hoffen wir wenigstens einigen unserer Leser nicht zu mi\xDFfallen, wenn wir ihnen von der Beschaffenheit, den Eigenschaften, und \xFCbrigen Umst\xE4nden der Zipser Sachsen eine kurze Schilderung in diesen Bl\xE4ttern machen, und hiemit unsere Topographische Beschreibung des Poperflusses beschlie\xDFen.
Die eigentliche Zeit der Eiwanderung dieses Volks in das K\xF6nigreich Ungern, ist mit so viel Dunkelheit umh\xFCllet, da\xDF bey dieser Untersuchung die Geschichtschreiber gar nicht eines Sinnes sind, sondern auf verschiedene Meynungen und Muhtmassungen verfallen. Etliche von ihnen hielten daf\xFCr: da\xDF sowohl unsere, als auch die Siebenb\xFCrger Sachsen noch unter der Regierung
Karls des Grossen in diese L\xE4nder gekommen sind*;
*Zu dieser Muhtmassung m\xF6gen wohl die Worte des Bonfins Anla\xDF gegeben haben, wenn er Rer. Hung. Dec. I. Lib. 9. multae quoque ex his in Daciam, Pannoniam, diversasque regiones deductae a Carolo M. Coloniae, quarum adhuc innummerae Sarmatiam, ulterioreinque Daciam incolunt.
(P481)
andere wollen behaupten, da\xDF ihre Ankunft nach Ungern in den Zeiten des
Heil. Stephans zu suchen sey; die meisten aber stimmen darinnen \xFCberein, da\xDF diese Nation unter dem K\xF6nige
Geysa II. und folglich um das Jahr 1150. in dieses Land gekommen sey.
Es ist weder unser Vorhaben, noch auch unserem Zwecke gem\xE4\xDF, diese Meynungen und Muhtmassungen zu untersuchen, oder eine so dunkle und Ungewisse Streitsache auszumachen: wir sind vielmehr vollkommen damit zufrieden, wenn wir wissen, und beweisen k\xF6nnen, da\xDF die Vorfahren der an dem Flusse Poprad wohnenden Deutschen, Sachsen gewesen sind. Dieses aber erhellet sogleich aus ihrem ersten und \xE4ltesten allgemeinen Privilegio, welches sie im Jahre 1271. vom K\xF6nige
Stephan V. erhalten haben, darinnen sie ausdr\xFCcklich Sachsen genennet werden*. Eben diesen Namen f\xFChren sie auch in dem Freyheitsbriefe, den sie im Jahre 1328. vom K\xF6nige
Karl I. erhielten, in welchem ihnen ihre alten Privilegien und Freyheiten best\xE4tiget worden**. Und so findet man auch in andern Schenkungsbriefen, \xFCber gewisse besondere Felder und L\xE4ndereyen vom K\xF6nige
Bela lV., da\xDF sie darinnen allezeit
Sachsen (Saxones) genannt wurden***.
Ob aber diese Sachsen unter der Aufsicht und den Befehlen eines besondern Heerf\xFChrers auf einmal, oder nach und nach in das Zipserland eingezogen sind, davon haben wir keine sichere Spuren. In einem Kapitelsinstrumente, welches der gelehrte Herr
Karl Wagner in
*In diesem Privilegio hei\xDFet es ausdr\xFCcklich: Placuit nobis inter caetera libertatem fidelium hospitum nostrorum Saxonum de Scepus gratiosius reformare, concedentes eisdem hunc statum & gratiam libertatis &c.
**So wollen wir, da\xDF so die erstgenannten Sachsen, unsere getreuen u. s. w.
***Quod accedentes ad praesentiam nostram Saxones, nostri de Scepus. V. R. P. Wagneri Analecta Scepusi Sacri & profani, Pag. 188.
(P482)
seinen
Analectis Scepusii sacri & profani* anf\xFChret, wird zwar eines
Raynoldi primi Ducis Saxonum in Scepusio gedacht; nachdem man aber weder von seiner Person und W\xFCrde, noch von seinen Verrichtungen und ertheilten Privilegien, derer in diesem Instrumente gedacht wird, nirgends etwas antrift, so hat gedachter Herr Wagner seine Gedanken dar\xFCber sehr vern\xFCnftig ge\xE4u\xDFert, wenn er Part. II. Pag. 257. Nota* sich vernehmen l\xE4\xDFt: Atque utinam exstarent litterae Raynoldi I. Ducis Saxonum in Scepusio, profecto de eorum in has terras adventu, certius aliquid, exploratiusque constitui possit. Bey so bewandten Umst\xE4nden kann man also gar nicht wissen, zu welcher Zeit dieser Raynold gelebet habe, und ob er darum I. Dux Saxonum in Scepusio genannt wird, weil er dieses Volk unter seiner Anf\xFChrung nach der Zips gebracht; oder ob er nur nach der Zeit, eben so wie die Grafen, ihr Vorgesetzter, und also dem Range nach, der erste unter ihnen gewesen sey?
Au\xDFerdem scheint auch ihre Sprache und Mundart ein untr\xFCglicher Beweis zu seyn, da\xDF sie entweder aus
Th\xFCringen, oder aus
Mei\xDFen herr\xFChren. Denn ob es wohl auch au\xDFer diesen noch mehrere Deutsche in der Zips giebt, als n\xE4mlich in den hiesigen Bergflecken, (Oppidis montanis) in
Schm\xF6lnitz,
Sto\xDF,
Wagendr\xFC\xDFel,
Schwedler,
Einsiedel, und
G\xF6lnitz; so sind doch diese von den an dem Poperflusse wohnenden Sachsen sowohl in der Sprache, als in den Sitten, Vorrechten, Gesetzen, und Gebr\xE4uchen, sehr weit unterschieden, da\xDF man also eben daraus gegr\xFCndete Ursachen hat zu schlie\xDFen: da\xDF nicht alle in der Zips woh-
*Part. II. Pag. 258. Et quamvis ipsi protestantes super promissis haberent efficacissimas Litteras, Privilegia & Litteraria instrumenta, super immunitate ipsorum Ecclesiastica, puta Raynoldy primi Ducis Saxonum in Scepusio.
(P483)
nende Deutschte, aus einer Gegend herr\xFChren, auch wohl schwerlich zu einer Zeit und auf den n\xE4mlichen Weg in dieses Land gekommen seyn m\xFC\xDFen.
Wenn wir aber die Eigenschaften, und alles was zu den Karakter der hiesigen Sachsen geh\xF6ret beschreiben wollen; so k\xF6nnen wir dabey unser Augenmerk nicht auf die Einwohner gr\xF6\xDFerer St\xE4dte richten; denn diese pflegen ihre Sitten, Kleider und Sprache nur gar oft zu andern. Sie kommen in ausw\xE4rtige L\xE4nder, stehen mit der politischen Welt in gr\xF6\xDFerer Verbindung, und nehmen daher in einem halben Jahrhunderte eine ganz andere Gestalt an. Diejenigen hingegen, die auf dem Lande und in kleinen St\xE4dten, sich blo\xDF mit dem Feldbaue und der Flachsarbeit abgeben, bleiben in ihrem Vaterlande, und behalten daher ihre Sprache, Kleidung, Gewohnheiten und Sitten, lange Zeit unge\xE4ndert. Diese sollen unser Hauptgegenstand seyn, deren Sitten, Sprache, und \xFCbrige Eigenschaften wir erkl\xE4ren wollen; doch also, da\xDF wir zugleich dasjenige, was bereits veraltet und abgekommen ist, so viel m\xF6glich, nachholen und aufbehalten, damit es nicht gar in Vergessenheit gerahte.
Was nun ihre Sprache betrift, so ist freylich die, welche der Landmann und der Bauer redet, weder die zierlichste, noch die reinste; aber auch nicht so h\xE4\xDFlich und unverst\xE4ndlich, da\xDF sie ein der deutschen Sprache Kundiger, nicht verstehen k\xF6nnte. Man trift selbst in Sachsen verschiedene D\xF6rfer an, wo der gemeine Mann gar kein besseres Deutsch redet, als hier gesprochen wird. Dem ohngeachtet m\xFC\xDFen wir unsere Leser, abermal daran erinnern, da\xDF hier nur von dem gemeinen Volke die Rede sey. Denn der Adel und die Ansehnlichsten in den St\xE4dten sprechen recht sch\xF6n, rein und gut Deutsch; die gemeinen B\xFCrger haben noch viel von der allen Mundart; und der Landmann spricht so, wie er vom Anfange zu reden gewohnt war. Ja wenn er auch besser und
(P484)
zierlicher reden kann; so sch\xE4mt er sich von seiner eigenth\xFCmlichen Sprache abzuweichen; indem er dar\xFCber von seines Gleichen, die solches f\xFCr einen Stolz und Eitelkeit erkl\xE4ren, verlacht wird.
Damit aber diejenigen unserer Leser, denen diese Aussprache und Mundart ganz unbekannt ist, sich einen Begrif davon machen k\xF6nnen; so wollen wir hier nur mit Wenigem anzeigen, in welchen St\xFCcken ihre meiste Abweichung, von der reinen deutschen Sprache bestehe.
1. Pflegen sie die Selbstlauter mehrentheils zu verwechseln, als das e und \xE1 in a, und das a wiederum in ein o. Z. B. Messer hei\xDFt Masser, Leder, Lader, wer? war? Mensch, Mansch, B\xE4r, Bar, Schmeer, Schmar, Pelz, Palz, Feder, Fader. Doch ist diese Regel nicht allgemein: denn anstatt Herr sprechen sie nicht Harr, sondern ebenfalls Herr, anstatt Lehre (Disciplina) nicht Lahre, sondern Lehre, u. s. w. Hingegen hei\xDFet das Wasser bey ihnen Wosser, Narr, Nor, machen, mochen, lachen, lochen, u.s.w. Das o verwandeln sie nicht selten in u, oder in ou. Z. B. wo? wu? anstatt Moo\xDF, Mou\xDF, und anstatt Hosen, Housen.
2. Haben sie einige wenige Provinzialw\xF6rter, die ein Fremder nicht sogleich verstehen kann, dennoch aber aus der alten deutschen Sprache herr\xFChren, und in alten Schriften und B\xFCchern zuweilen vorkommen, auch die Sache, die man damit bezeichnet, sehr gut ausdr\xFCcken, als z. B. Ischig, adverb. hei\xDFet soviel, als etwas. So wenn man sagen will: ich h\xE4tte nur etwas der Sache n\xE4her kommen sollen, so spricht der hiesige Sachse: ich h\xE4tte nur ischig der Sache n\xE4her kommen sollen. Ischig ber\xFChren, hei\xDFet ein wenig ber\xFChren, u. s. w. Neksch, Adject. ist gleichsam das Mittel zwischen artig und n\xE4rrisch, oder l\xE4cherlich. Z. B. der ist ein nekscher Mensch, d. i. der Mensch hat etwas Besonders und L\xE4cherliches an sich. So sagt man: der
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Mensch schreibt neksch, redet neksch, hat einen nekschen Gang, u. s. w. Dergleichen W\xF6rter sind, Gerig, schief, z. B. der Acker gehet gerig, d. i. schief und spitzig zu. Sieder, seit dem. Greinen, weinen.
Borbs, d.i. Barf\xFC\xDFig. Schebb, ein Schubsack, oder Tasche in einem Kleide. Kurs, die Rinde am Brod. Scherz, die Rinde am Holz. Koren, kosten.
3. Findet man darinnen auch einige Siebenb\xFCrgisch-s\xE4chsische W\xF6rter, die ebendieselbe Bedeutung haben. Wenn man das Verzeichni\xDF davon, welches in diesen Bl\xE4ttern im
1. Bande 3ten St\xFCck, S. 262. und ferner, unter dem Titel: Proben der Siebenb\xFCrgischs\xE4chsischen Sprache vork\xF6mmt, vor sich nimmt, so findet man darinnen folgende W\xF6rter, die sie mit den
Zipsersachsen gemein haben, als:
Barn, hier spricht man Born, und bedeutet ebenfalls einen aufgeth\xFCrmten Haufen Fruchtgarben, der unter dem freyen Himmel stehet, und mit Stroh bedeckt ist.
Been, r\xF6sten.
Prig, ein kahler Berg; Burgprig, Burgberg.
Gem\xE4cht, ein Vorschub an den Stiefeln, oder Zischmen.
Gertkamer, Sakristey.
Gest\xE4pp, Gew\xFCrz.
Grampig, Siebenb\xFCrgisch bedeutet es so viel als grob; Zipserisch, eine Art von \xFCblem Geschmacke; wenn etwas sauer, zusammen ziehend, und unangenehm auf die Zunge f\xE4llt, da sagt man: es schmeckt grampig, z. B. der Wein hat einen grampigen Geschmack.
Kreuschen, schreyen. Gekreusch, Geschrey.
Zoppern, oder wie man hier spricht zaupern, zusammenziehen. Verzaupern, verstricken, verwirren.
Aus diesen W\xF6rtern aber darf man gar nicht den Schlu\xDF machen, als w\xE4re die Sprache der Siebenb\xFCr-
(P486)
ger und Zipsersachsen eine und ebendieselbe; indem jene von dieser so weit abgehet, da\xDF der Zipser einen Siebenb\xFCrger gar nicht verstehen kann, wenn dieser seine eigenth\xFCmliche Sprache redet; dagegen ist der Zipser einem jeden Deutschen verst\xE4ndlich. —
In der k\xF6rperlichen Gestalt sind viele von sehr gutem Wachsthume und Bildung. Man findet unter ihnen nicht wenige, die eine L\xE4nge von 6. Schuhen, auch etwas dr\xFCber messen. Die Haut ist an den meisten, sonderlich an dem weiblichen Geschlechte, wei\xDF, die Hahre blond, oder kastanienbraun. Dabey sind sie stark, dauerhaft, und gesund, nur etwas langsam und schwer. Ihre meisten Krankheiten, davon sie \xFCberfallen werden, sind die hitzigen Fieber; und diese ziehen sie sich meist dadurch zu, da\xDF wenn sie sich bey ihrer Arbeit erhitzen, darauf g\xE4h einen kalten Trunk zu sich nehmen, oder grosse Lasten heben. Andere werden wieder von diesen angesteckt, und so nimmt dieses Uibel zuweilen so stark \xFCberhand, da\xDF beynahe die meisten an dieser Krankheit sterben, besonders, wenn sie sich keinem geschickten Arzte \xFCberlassen, sondern sich untereinander selbst durch verkehrte Mittel helfen wollen.
Bey ihren Verrichtungen und Arbeiten sind sie treu, emsig, und zugleich ordentlich. Den Acker und Feldbau bestellen sie so genau und p\xFCnktlich, da\xDF man darinnen fast nichts mehr zu verbessern weis, sondern gestehen mu\xDF, da\xDF der hiesige Landmann, vor allen \xFCbrigen im Lande, den Vorzug verdiene. Er thut alles mit guter Uiberlegung, beobachtet die Zeit und die Witterung, und was das Sch\xF6nste ist; halten sie bey ihrer Feldarbeit die Ordnung, da\xDF sie alles auf einmal anfangen, und alle zugleich in der n\xE4mlichen Arbeit begriffen sind. Das weibliche Geschlecht ist bey dem Anbau des Flachses, Spinnen und Leinwandweben, bis zur Verwunderung unverdrossen und m\xFChsam, und selbst im Weben so fertig und ge\xFCbt, da\xDF es ihm an der Geschwin-
(P487)
digkeit der be\xDFte Weber kaum im Stande ist nachzumachen. Eine Magd, die auch nur mittelm\xE4\xDFig darinnen ge\xFCbt ist, macht des Tages 20. Ellen Leinwand von mittlerer Sorte gewi\xDF fertig, wenn sie durch nichts davon abgehalten wird.
Allein bey guter Arbeit wollen diese Leute auch gut speisen: der deutsche Bauer nimmt nicht mit einer so schlechten Kost vorlieb, wie der Slowak und Ru\xDFnak, der sich auch mit Brey, Erd\xE4pfeln, Bohnen, Wasser und Gerste, oder Haberbrod begn\xFCget; er will Roggenbrod und Fleisch essen; indem er glaubt, da\xDF er bey seiner Arbeit eine solche Kost wohl verdiene. Daher bringt er seine G\xE4nse, H\xFCner, und Spanferkel, wenn er nicht einen Uiberflu\xDF davon hat, sehr sparsam und selten zu Markte, sondern er i\xDFt sie mit seinen Hausgenossen selbst auf. Dabey trinkt er am liebsten sein Bier, und seinen Theil Brandwein; Wein achtet er nicht, weil ihm dieses Getr\xE4nk hier ohnehin zu kostbar w\xE4re. Das Tobackrauchen ist zwar auch unter diesem Volke gew\xF6hnlich, doch aber nicht so allgemein, wie bey andern Nationen in diesem Lande.
Den Leib bedecken sie mit andern Kleidern in den Wochen- und Arbeitstagen, andere legen sie auf die Sonn- und Festtage an. Die Mannspersonen tragen bey ihrer Arbeit entweder von ausgeg\xE4rbtem Leder, oder vom groben weissen Tuche nach ungrischer Art lange Beinkleider; doch nicht mit leinenen Unterhosen, wie der Unger, indem sie nicht so kurze, sondern nach Gewohnheit der Deutschen, lange Hemder mit ungrischen Aermeln anziehen. An den F\xFC\xDFen haben sie starke Rindlederne Stiefel, und weil ihnen diese im Sommer etwas zu schwer sind, so bedienen sich nunmehr die meisten der Ungrischen Zischmen. Der Wochenrock des deutschen Bauers bestehet aus groben von hiesiger Wolle gemachtem schwarzen Tuche, der bis ober die Knie reichet. Und vermuhtlich werden die hiesigen deutschen Bauern
(P488)
von den andern Nationen darum Laitschacken genannt, weil sie R\xF6cke von schwarzer Wolle tragen: denn die Slowaken pflegen dergleichen Schaafe, die mit schwarzer Wolle bewachsen sind, in ihrer Sprache Laiky zu nennen. — Im Winter legen sie anstatt des Rocks einen eben so langen aus Schaaffellen verfertigten Pelz an, oder tragen wenigstens unter dem Rocke ein dergleichen Kamisol, welches sie einen Brustpelz nennen. Das Haupt wird im Sommer mit einem deutschen Filzhute, im Winter mit einer M\xFCtze von schwarzen Schaaffellen, oder auch mit einer schlesischen M\xFCtze bedeckt. So gehet der deutsche Bauer in Wochentagen; der Slowak und Ru\xDFnak tr\xE4gt best\xE4ndig seinen wei\xDFen groben Tuchrock, nur an einem Sonntage umg\xFCrtet er sich mit einem blauen oder rohten Schn\xFCrg\xFCrtel. — Das Feyerkleid des Deutschen ist von Bilitzer dunkelblauen Langhalter mit hellblauen Schn\xFCren, und einem Schn\xFCrg\xFCrtel von der n\xE4mlichen Farbe. Alles wird nach dem Ungrischen Schnitte gemacht, nur um etwas l\xE4nger, als der Unger sein Kleid zu tragen pflegt. Der Rock reichet bis ober die Knie; der Pelz ist ein wenig l\xE4nger, und gew\xF6hnlich mit Fuchsr\xFCcken ausgeschlagen. Ehemals hatten sie an Feyertagen mit Marderfellen, etwas \xFCber eine Handhoch aufgeschlagene H\xFCte; die Alten einen Handbreiten ledernen, mit messingenen Kn\xF6pfen besetzten G\xFCrtel, und lange Kinnb\xE4rte. Gegenw\xE4rtig ist dieses alles abgekommen. Halsbinden haben sie nicht, au\xDFer wenn sie sich im Winter auf Reisen befinden.
Das weibliche Geschlecht trug in vorigen Zeiten ebenfalls schwarze Stiefel vom Kalbleder, mit rothgef\xE4rbten Abs\xE4tzen, von welcher Tracht man nur noch bey einigen Alten die Uiberbleibsel siehet; die j\xFCngern haben sie verlassen, und tragen Ungrische Zischmen vom schwarzen Korduan, und anstatt der Abs\xE4tze eben so wie die Ungern Eisen. In den Arbeitstagen kleiden sie sich in einen Kittel, oder Rock, aus schwarzer Glanzleinwand, die
(P489)
in sehr kleine Falten von oben bis unten gepre\xDFt ist, und der unten einen schwarzen, drey Finger breiten tuchenen Saum hat. Den Oberleib umfasset ein Mieder, oder Schn\xFCrbrust, welches sie eine Wiste nennen. Dieses ist von rohtem gr\xFCnem schwarzem, oder anderm Tuche gemacht, mit Leonischen Spitzen zierlich besetzt, und an der Brust mit einem Finger breiten seidenem Bande zugeschn\xFCrt. Beyde angef\xFChrte Kleidungsst\xFCcke werden so zusammen gen\xE4het, da\xDF sie ganz beqwem auf einmal an- und abgeleget werden k\xF6nnen. Den Hals umgiebt ein wei\xDFer von Handbreiten Spitzen gemachter Kragen, der an den Goller des Oberhemdes befestiget ist, und sich um den R\xFCcken und \xFCber die Schultern ausbreitet. Unter dem Halse wird das Oberhemd mit einer kleinen silbernen oder messingenen Spange zusammen geheftet; der Hals aber von allen Korallen und Zierahten entbl\xF6\xDFt.
An Sonn- und Festtagen pflegen sie an der Stelle der schwarzen leinenen Kittel, einen dunkelblauen, auf eben eine solche Art gemachten Tuchrock, meist mit rohten Saum anzulegen. Ehedem waren bey einigen, sonderlich bey ledigen Weibspersonen rohte R\xF6cke von feinem Tuche, und Sch\xFCrze von allerhand Zeugen mit goldenen oder silbernen Spitzen im Gebrauche, nunmehr aber k\xF6mmt dieses alles ab, und die R\xF6cke sind durchgehende, entweder schwarz oder dunkelblau, die Sch\xFCrze hingegen, von wei\xDFer, oder blau und wei\xDF gedruckter feiner Leinwand. Uiber diese Kleidung tragen sie im Winter, und bey besondern Feyerlichkeiten im Sommer, einen schwarzen von den Achseln bis unter die Knie herabhangenden Mantel, den sie eine Schaube nennen. Diese Schaube wird am gew\xF6hnlichsten von Wollendamast, oder andern glatten Zeug gemacht, mit Pelzwerk gef\xFCttert, und mit Zobel oder Marder ausgeschlagen; um den Hals aber mit einem eine Spanne breiten Latz, oder Aufschlag, ebenfalls von Marder oder Zobel besetzt.
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Nur Schade, da\xDF dieses beqweme, anst\xE4ndige, und in der That bescheidene und ehrbare Kleid nach und nach verlassen wird, und anstatt desselben lange ungrische Pelze gebraucht werden. Wenn sie aber die Schaube nicht umnehmen, so pflegen sie eine aus feiner Leinwand gemachte Decke, die an beyden Enden Spitzen und dergleichen Zierahten hat, um den R\xFCcken, und von beyden Armen herab hangend zu tragen, welches sie eine Kotsche, oder Kutsche nennen, und damit in die Kirche gehen.
Der Kopfputz des ledigen Frauenvolks ist Winter und Sommer einerley: sie gehen best\xE4ndig, auch in der gr\xF6\xDFten K\xE4lte, wenn sie nicht \xFCber Land reisen, mit unbedecktem Haupte. Die Hahre lassen sie lang wachsen, und in zwey Z\xF6pfe, dreyfach geflochten, hinten gerade herab hangen. Oben auf den Kopf wird ein gr\xFCner Kranz mit einer dazu geschickten Nadel, und um denselben ein zwey oder drey Finger breiter Reifen vom dicken steiffen Papier, der mit einer eben so breiten goldenen Borte, oder mit Sammet \xFCberzogen, oder auch mit un\xE4chten Perlen und dergleichen Zierahten ausgelegt ist, den sie einen Borten nennen, befestiget, von dem zwey bis drey Finger breite seiderne, oder mit goldenen Blumen durchgewirkte B\xE4nder, von hinten bis an die Fersen herabhangen. Die Weiber bedecken ihr Haupt im Sommer mit einer in Form eines Netzes gestrickten Haube, und wenn sie ausgehen, noch dar\xFCber. Mit einem Schleyer, wei\xDFen Flore, oder feiner Leinwand, dessen Ende von hinten, bis an die Waden herabh\xE4ngt, oben aber \xFCber den Nacken zusammen gezogen ist; welches sie das Haupttuch, oder den wei\xDFen Flor nennen. Ehedem haben die vornehmsten Frauen vom Adel, eben auf dergleichen Art, schwarze mit allerhand goldenen Blumen herabhangende Flore, bis zur Erde getragen, und in diesem Putze, der nunmehr schon veraltet ist, recht pr\xE4chtig, ernsthaft und zugleich bescheiden ausgesehen. Im Win-
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ter tragen noch einige, steife M\xFCtzen, welche mit Pelzwerk gef\xFCttert, und vorn aufgeschlagen sind; die aber auch bereits nur bey wenigen gesehen werden, und ihren v\xF6lligem Ende sehr nahe sind.
In \xE4lteren Zeiten, auch wohl noch zu Anfange des gegenw\xE4rtigen Jahrhunderts, waren besonders in gr\xF6\xDFern und kleinern St\xE4dten, die Spangeng\xFCrtel vom geschlagenen Silber, mit Aedelsteinen besetzt im Gebrauche; nun siehet man sie nicht mehr, au\xDFer bey einigen wohlhabenden Leuten, die solche, als ein denkw\xFCrdiges Alterthum, ihren Kindern aufbehalten.
Sehr artig schreibet von der Zipser Kleidertracht,
Simplicissimus Hungaricus seu Dacianus, in seiner
Peregrinatione Scepusiensi, im XII. Kapitel; und weil man daraus abnehmen kann, wie noch vor mehr als hundert Jahren, die Tracht der Zipser Sachsen, auch in den gr\xF6\xDFern St\xE4dten beschaffen gewesen sey, indem er hier besonders von
K\xE4smark redet: so wollen wir seine eigenen Worte anf\xFChren, die also lauten: "Theils M\xE4nner gehen deutsch, theils ungrisch, theils halbdeutsch und halb ungrisch,* so visirlich heraus kommt; das Weibsvolk auch in feiner Tracht, sonderlich aber gehen die Zipser etwas anders, als die Oberungrischen Weiber: indem sie ihre pathelatenen Schleyer, das ist, T\xFCrkische Leinwand, und entweder halb, oder ganz baumwollen, \xFCber einen Deckel, einen runden Teller gleichend, auf den Haupt \xFCbergespannet tragen; so den vornehmsten bis auf die Waden herunter hangen, die vornehm-
*Man kann zwar nicht errahten, was es dazumal, als der gute ehrliche Simplicissimus aus Schlesien, seinem Vaterlande, nach Ungern kam, mit der halbdeutschen und halbungrischen Kleidung f\xFCr eine Bewandni\xDF gehabt haben mag: allein von der heutigen Modetracht ist dieses offenbar; indem die Mannspersonen, die etwas zum Voraus haben wollen, ungrische Beinkleider und Zischmen, und, dabey einen deutschen Rock anlegen. Ein solcher Mischmasch von einer Tracht, mu\xDF allerdings einen Ausl\xE4nder befremden, der sowas nie gesehen hat, oder mit den Simplicissimus zureden, recht visirlich vorkommen.
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sten tragen seidene gef\xE4rbte G\xFCrtel, die andern Burgerinnen nach Verm\xF6gen. Spangeng\xFCrtel auf drey Finger breiten Sammet aufgeheftet; in diesen Spangen sind auch zum Theil Edelgestein gefasset, als t\xFCrkisch, welche nicht gar zu theuer, vornen her sind an den G\xFCrteln — handbreite altv\xE4terische silberne und verg\xFClte Blech, auch zum Theil mit t\xFCrkischen versetzt, und kommet \xF6fters ein solche G\xFCrtel auf 100 bis 200 fl. Ich habe einsmals einen einigen solchen sch\xF6nen G\xFCrtel einen andern Burger, so von dannen gezogen, vor ein feines Haus sehen geben. Die Jungfrauen tragen mehr als handbreite mit guten Gold aufgest\xFCckte, zum Theil auch mit Perlen und Edelgestein versetzte Borten mit grossen dicken Z\xF6pfen, hinten mit zwey Ellen langen seidenen breiten Taffetb\xE4ndern herunter hangend, und doppelt angebunden, tragen meistens Stiefeln, oder Schischmen von schwarz, blau oder rohten Farb." So weit Simplicissimus von der Zipserischen Kleidertracht.
Siehet man auf die Neigungen und F\xE4higkeiten dieses Volks; so sind sie nicht allein zu allerhand Manufakturen, Handwerken und K\xFCnsten, sondern auch zur Musik und Litteratur wohl aufgelegt; wie sie denn in einem jeden von diesen F\xE4chern gute und brauchbare M\xE4nner, die nicht allein hier, sondern auch in andern Provinzen und L\xE4ndern bekannt worden sind, aufweisen k\xF6nnen. Dennoch aber, wenn man den gr\xF6\xDFten Theil dieser Nation betrachtet, so wird man aus allen ihren Bem\xFChungen und Anstalten sehr leicht wahrnehmn, da\xDF sie zum Feldbau, und zu der damit vergesellschafteten Viehzucht und Haushaltung den gr\xF6\xDFten Trieb verrahten. Daher dieses bey ihnen beynahe als ein Fehler anzusehen ist; da\xDF sogar die be\xDFten K\xFCnstler und Handwerker, nicht selten ihr erlerntes Metior, entweder vernachl\xE4\xDFigen, oder g\xE4nzlich bey Seite legen, so bald sie nur Gelegenheit und Verm\xF6gen erlangen, den Ackerbau und die damit verbundenen Wirtschaftsgesch\xE4fte zu treiben.
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Hiebey bleiben sie gern bis an ihr Ende, und so weit ihre Kr\xE4fte reichen, flei\xDFig, unver\xE4nderlich, und standhaft.
Die Pferde lieben sie sosehr, da\xDF sie es f\xFCr eine besondere Ehre halten, und einen grossen Theil ihres Reichthums darein setzen, wenn sie sch\xF6ne und gute Pferde in ihren Arbeitsz\xFCgen f\xFChren k\xF6nnen. Nicht selten entziehen sie ihrer eigenen Gem\xE4chlichkeit und Leibespflege etwas, um nur im Stande zu seyn, ihre Pferde gut zu versorgen. Wenn ihnen also der lang dauernde Winter, und der daraus entstehende Mangel an hinl\xE4nglicher F\xFCtterung, in diesem St\xFCcke nicht Einhalt thun, und geh\xF6rige Schranken setzen w\xFCrde, so w\xFCrden sie dabey fast auf Ausschweifungen gerahten. Wenn also ein hiesiger deutscher Bauer schlechte und elende Zugpferde hat, so ist dieses meist ein sicherer Beweis von seinem Unverm\xF6gen und von seiner Armuht. Mit Ochsen bestellet er sein Feld und \xFCbrige Arbeit nur ungern, nicht allein darum, weil ihm alles mit diesen Thieren zu langsam von Statten gehet; sondern auch, weil er sich desselben sch\xE4met. Er ergreift also diesen Weg nicht, es sey denn durch die \xE4u\xDFerste Noht gezwungen.
Zu Kriegsdiensten lassen sie sich zwar im Anfange schwer \xFCberreden; dennoch aber, wenn sie sich niemal dazu entschlossen haben, so sind sie auch in diesem Berufe ihrem K\xF6nige und Vaterlande treu. Sie halten auf Ehre, und lassen es ungern so weit kommen, da\xDF sie erst durch \xE4u\xDFerliche Bestrafungen sich sollten zu Rechte weisen lassen, sondern beobachten die Pflichten ihrer Dienste genau ohne \xE4u\xDFerlichen Zwang. Neben ihrer Treue und Standhafngkeit haben sie bereits in allen Zeiten und in ihren Vorfahren, zugleich ihre Tapferkeit bewiesen, und sich eben dadurch zu verschiedenen Vorrechten und Freyheiten, die sie von ihren K\xF6nigen erhielten, den Weg gebahnet. Einen deutlichen Beweis davon k\xF6nnen die Worte ablegen, die wir in dem Di-
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plome des K\xF6nigs
Karl I. wo er die Privilegien und Freyheiten der
Zipsersachsen best\xE4tiget, finden; und also lauten: "Darum da\xDF wir haben erkannt, ihre Treue und Dienst, die sie uns von unserer Kindheit gutwillig erwiesen haben, beid dem\xFCtiglich und begierlich im Streiten, die wir hatten wider
Mathaeum von Trentschin und
Demetrium und wyder
Amodeus Son auf dem
Felde bey Rozgon, und dieselben Cypser unser getreyen menlich stritten, und schonten nicht ihrer G\xFCtter, noch eigener person, sondern sich f\xFCr unser K\xF6niglich Majest\xE4t dargeben haben in Fertigkeit und Blutvergissen, bi\xDF in den Todt, so wollen Wir ihren getreyen Dienst, und Blutvergissen, und vor den Todt ihrer Freunde mit beheglikeit begaben, wie wol da\xDF sie mer w\xFCrdig weren, u s. w."
Nach ihrem Gem\xFChtskarakter sind sie aufrichtig und redlich, halten auch gern ihr Wort, und bezeigen sich besonders gegen Fremde leutselig und freundlich. Daher ihnen
Simpl. Dacianus, laut eigener Erfahrung in dergleichen St\xFCcken, das be\xDFte Lob beyleget, indem er in seiner
Peregrinatione Scepus. Cap. XII. also schreibet: „das Volk braucht h\xF6fliche deutsche Sitten." Und bald darauf: „Es ist in Zips ein freundliches, treues und friedfertiges Volk." Cap. XIII. "Es hat (Zips) treuherzige, freundliche, guth\xE4tige Leute" Weil sie aber bey ihrer Freundlichkeit allzuoffenherzig, und dabey neugierig und leichtgl\xE4ubig sind: so werden sie nicht selten von Windbeuteln und Maulmachern, bey welchen sie eine \xE4hnliche Aufrichtigkeit vermuhten, hintergangen und betrogen. — Ihre Kinder trachten sie nach M\xF6glichkeit wohl zu erziehen, indem sie solche nicht allein von Jugendauf zu guten Sitten und zur Arbeit, sondern auch zur Schule anhalten; daher man unter den deutschen Bauern selten einen antreffen wird, der nicht wenigstens lesen, oder auch zur Noht etwas schreiben k\xF6nnte.
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Bey besondern Vorf\xE4llen und Feyerlichkeiten waren sie in vorigen Zeiten fast auf eine \xFCbertriebene Art verschwenderisch. Die Hochzeiten, die sie gemeiniglich im sp\xE4ten Herbste, da noch die Scheunen voll, und das Schlachtvieh gem\xE4stet ist, anzustellen pflegen, dauerten eine ganze Woche durch, und es ward in solcher Zeit bey manchem Bauer, ein nicht geringer Vorraht durch seine G\xE4ste verzehret. Nun schr\xE4nken sie sich theils von selbsten, theils durch obrigkeitliche Verordnungen, immer mehr und mehr ein. Sie machen zwar noch viele Umst\xE4nde und Cerimonien dabey; die aber keine merkliche Ausgabe verursachen, und nur in gewissen alten Gebr\xE4uchen bestehen, bey denen das Verhalten der Hochzeitg\xE4ste ziemlich ernsthaft, und nach ihrem Geschmacke gesittet aussiehet. Bey einer jeden Ver\xE4nderung tritt ein junger Redner auf, der mit vielen Worten sein Anliegen vorbringet, und der Vornehmste, der schon ein gesetzter Mann seyn mu\xDF, erscheinet bey der Morgengabe, welche den zweyten Hochzeitstag, wenn der Br\xE4utigam die G\xE4ste bewirtet, vorgenommen wird. (Denn am ersten Tage wird das Hochzeitmahl gew\xF6hnlich bey der Braut gehalten.) Bey diesen Verrichtungen mu\xDF die Braut vor dem Tische stehen, der Redner h\xE4lt alsdenn eine auf diese Sache passende Rede, und \xFCberreicht beym Beschlusse derselben der Braut die schriftliche Morgengabe des Br\xE4utigams. Darauf treten die Freunde und Hochzeitg\xE4ste herzu, und ein jeder beschenket das Ehepaar mit einer Gabe, die entweder im Gelde, oder aus einem St\xFCck vom Hausrate bestehet. — Bey Kindstaufen wurden ehedem auch viele Weitl\xE4uftigkeiten gemacht, die aber als etwas unn\xFCtzes und verderbliches, gr\xF6\xDFtentheils von der Obrigkeit eingestellet worden
sind.
Die Jugend und Unverehlichten haben ebenfalls zu gewissen Jahrszeiten ihre feyerlichen besonderen Gebr\xE4uche, und alten Gewohnheiten; die Jungfern pflegen sich am
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Pfingstfeste in gewisse Ch\xF6re, nach ihren Wachsthum und Alter einzutheilen; ein jedes von diesen w\xE4hlet sich ein wohlgestaltes M\xE4gdchen zu einer K\xF6niginn, die sie auf das Be\xDFte ausschm\xFCcken. Das ganze Chor sch\xF6n gekleidet, mit gr\xFCnen Zweigen in der Hand, f\xFChret die K\xF6niginn in der Mitte, auf den G\xE4\xDFen von einem Hause zum andern, und singen anmuhtig, auf dieses Fest passende geistliche Lieder. Diesen Akt nennen sie den Rein. — Die Knechte haben ihre Drommel, mit welcher sie das Zeichen zu ihrer j\xE4hrlichen Zusammenkunft geben. Wenn sie nun beysammen sind, so w\xE4hlen sie aus ihrem Mittel alle Jahr einen neuen Altknecht; und sehen bey ihrer Wahl auf einen solchen, den sie unter sich f\xFCr den geschicktesten und gesittesten halten. Nach geschehener Wahl wird er dem Richter des Orts mit einer anst\xE4ndigen Anrede des vorj\xE4hrigen Altknechts vorbestellet, und von diesen in seinem Amte best\xE4tiget. Dieser Altknecht soll verm\xF6ge seiner W\xFCrde die er bekleidet, bey allen ihren Versammlungen genaue Obsicht halten, alle Unordnungen, sowohl beym Gottesdienste, als an andern Orten,die von seinen Untergebenen entstehen k\xF6nnten, zu verh\xFCten trachten, und gute Zucht bey der Jugend zu erhalten. Wenn sich aber der Fall ereignet, da\xDF er f\xFCr seine Untergebenen reden mu\xDF, so ist seine Schuldigkeit, f\xFCr sie das Wort auf das Be\xDFte zu f\xFChren.
Bey dergleichen Feyerlichkeiten pflegen sie auch T\xE4nze anzustellen; und zwar tanzten sie ehedem, da noch alle Stiefel trugen, langsam und ehrbar; es wurden ihnen Menuete aufgespielt, und sie tanzten auch pohlnisch. Nachdem sie aber die schweren Stiefel meist abgeleget haben, und leichte Ungrische Zischmen tragen, so finden sie auch schon an den heutigen deutschen, und andern T\xE4nzen Geschmack.
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Bey Begr\xE4bnissen machen sie au\xDFer dem, was der Anstand und die Notwendigkeit erfordert, wenige Umst\xE4nde. Das Einzige, was man hier anmerken kann, w\xE4re etwa dieses: da\xDF in den kleinern St\xE4dten, wo keine Z\xFCnfte sind, seit undenklichen Zeiten her, die B\xFCrger und Einwohner gewisse Br\xFCderschaften, ohne Ansehen der Religion, in der Absicht aufgerichtet haben; damit wenn einer stirbt, die s\xE4mmtliche Br\xFCderschaft bey seinem Leichenbeg\xE4ngnisse erscheine, welches von ihnen auch treulich beobachtet wird. Au\xDFer dem sind auch diese Br\xFCder, verm\xF6ge ihrer Statuten gehalten, einem Bruder, der zur Zeit der Aernte krank und bettl\xE4gerig wird, seine Aerndte zu besorgen, und seine Feldfr\xFCchte einzubringen. Ihre Versammlungen halten sie bey einem Trunke Bier des Jahres einmal, auf das Fest Johanns des T\xE4ufers, welche Feyerlichkeit sie das Bruderbier nennen, und zu derselben Zeit auch einen neuen Brudervater aus ihrem Mittel w\xE4hlen, oder den alten best\xE4tigen.
Zu ihrem Vaterlande haben die Zipsersachsen eine ausnehmende und \xFCberaus grosse Liebe, so, da\xDF sie sich in andern Gegenden, ob sie gleich allenthalben gut fortkommen, ungern se\xDFhaft machen; und wenn manche sich auch noch so lang in der Fremde aufgehalten haben, so kehren sie dennoch gern wieder zur\xFCck, wenn sie nicht durch besondere Vortheile aufgehalten werden; und w\xFCnschen sich sonst nirgends, als hier zu sterben. Daher haben sich es auch einige zum Sprichworte gemacht: da\xDF, wenn einem das Wasser aus der Poper geschmeckt hat, er wieder kommen mu\xDF, wenn er gleich bis an der Welt Ende verreiset gewesen w\xE4re. —
ab H**